Unterschied Ereignishorizont und Schwarzschildradius?

Laserdan

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Was mich mal interessieren würde: gut, es ist bekannt dass schwarze Löcher Lösungen der Feldgleichungen sind, und wir sie ja per Definition nicht direkt beobachten können. Nach allen mir bekannten Prinzipien ihrer Entstehung sind sie aber (vielleicht Proto-Löcher ausgenommen, noch nicht wirklich mit beschäftigt) doch immer Ausgeburten von massiven Objekten die rotieren. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, wie ein nicht-rotierender Stern entstehen sollte?

Kann ich dann davon ausgehen, dass nicht-rotierende Löcher grundsätzlich nicht entstehen können und tatsächlich nur eine interessante (und Grundlagen erhellende) Lösung der Gleichungen sind? Spontan fällt mir kein Weg ein die Drehmomenterhaltung zu umgehen, und würde daher annehmen, dass es nur rotierende Löcher (oder Fuzzballs ;) ) geben kann?

Wenn jemand was interessantes dazu auf Arxiv kennt, Links sind hochwillkommen.
 

Ich

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Freilich, es ist ziemlich undenkbar, dass exakt nichtrotierende makroskopische SL entstehen. Du kannst gerne davon ausgehen, dass es kein einziges solches gibt (sofern das Universum endlich ist, höchstens ein paar zigfantastillionenmal größer als das bekannte Universum). Also ziemlich uneingeschränktes "ja" auf deine Fragen.
 

DELTA3

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Hallo Bernhard, Galileo und Frank,
danke, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, meine Fragen zu beantworten. Deshalb will ich mich auch nochmal zu dem Thema melden. In der Zwischenzeit habe ich eure Links gelesen und alles, was ich in Wiki, bei Andreas Müller oder sonstwo über Schwarze Löcher finden konnte, eingehend studiert und denke, dass ich jetzt meine Fragen weitgehend selbst beantworten kann. Vielleicht könnt ihr ja kommentieren, ob ich als Laie alles richtig verstanden habe.

1. Was versteht man unter rotierenden Schwarzen Löchern? Meines Wissens kann man ja nicht über den Ereignishorizont hinein sehen oder Informationen von innerhalb desselben erlangen. Also wie erkennt man, ob es rotiert oder nicht?

2. Was rotiert da? Die Singularität?

3. Wenn man es auf irgendeine - mir unerklärliche Weise - feststellen kann, kann man dann die Lage der Rotationsachse und die Rotationsgeschwindigkeit/Drehzahl ermitteln?

4. Beruhen ale diese Erkenntnisse (Kerr-Matrix, Ergosphäre, etc.) auf Beobachtungen oder sind das alles nur Hypothesen?

Zu 1.: Schwarze Löcher sind grundsätzlich unbeobachtbar bzw. nur indirekt, aufgrund ihrer Gravitationswirkung beobachtbar, oder besser gesagt: nachweisbar, wenn sie z.B. Materie akkretieren oder in einem binären System um ein anderes Objekt kreisen. In letzterem Fall kann man auch die Masse berechnen, wenn man die Umlaufdaten ermitteln kann. Isolierte SLs könnte man, wenn überhaupt, nur durch Microlensingeffekte erkennen, die rein zufällig wären und auch andere Ursachen haben könnten. Ob ein SL rotiert, kann man mit heutigen Mitteln nicht feststellen, man geht aber davon aus, dass alle SLs wegen der Erhaltung des Drehimpulses rotieren müssen. Daraus wurde dann mit Hife der ART die Kerr-Metrik entwickelt, die eine reine Theorie ist, deren Richtigkeit nicht durch Beobachtungen bewiesen werden konnte.

Zu 2.: Nach der Kerr-Metrik ist die Masse des SL in einer ringförmigen Singularität konzentriert, die mit einem Radius r um das Zentrum rotiert, um den Drehimpuls zu erhalten, und dabei durch den Lense-Thirring Effekt das Raumzeitgefüge mitzieht.
Ich habe allerdings nicht verstanden, warum die Singularität (wenn es eine solche in der Natur überhaupt gibt) ringförmig sein muss, denn um den Drehimpuls zu erhalten, käme auch jede andere rotationssymmetrische Form in Betracht, z.B. eine Scheibe mit dem Radius r und der Dicke d=0, oder eine Kugelfläche, oder das SL könnte innerhalb des EH aus einer kompakten Masse z.B. aus einem Quark-Gluon-Brei bestehen.

Zu 3.: Die Lage der Rotationsachse kann man nicht feststellen. Wenn ein SL Materie akkretiert, kann man aus der Lage der Akkretionsscheibe schliessen, dass die Rotationsachse senkrecht zur Akkretionsscheibe orientiert ist, da die einfallende Materie durch die rotierende Raumzeitstruktur mitgerissen wird.
Die Rotationsgeschwindigkeit/Drehzahl kann nicht ermittelt werden, da man weder den Radius der Singularität noch den Drehimpuls messen kann und auch sonst keinerlei Informationen von innerhalb des EH nach aussen gelangen können.

Zu 4.: Alles, was man über Schwarze Löcher weiss, oder zu wissen glaubt, beruht auf theoretischen Berechnungen, basierend auf der ART und Hypothesen und Annahmen, die sich derzeit durch Beobachtungen nicht bestätigen lassen und die, wenn es um Strukturen innerhalb des EH geht, voraussichtlich auch nie bestätigen lassen werden.

Wenn ich da etwas nicht richtig verstanden oder falsch interpretiert habe, bitte ich um entsprechende Hinweise oder Korrekturen!

Freundliche Grüsse,
Delta3.
 

Bernhard

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Ich habe allerdings nicht verstanden, warum die Singularität (wenn es eine solche in der Natur überhaupt gibt) ringförmig sein muss
Hallo DELTA3,

da bist Du genau genommen nicht alleine. Ich weiß zwar, dass sich die Geometrie der Singularität aus der Lösung der Feldgleichungen ergeben sollte, aber wie das genau vor sich geht weiß ich momentan leider auch nicht. Ich habe zwischendurch mal versucht das auszurechnen, bin dabei aber ziemlich "in den Wald gekommen" und konnte dabei leider nichts Ringförmiges finden.

Die Rotationsgeschwindigkeit/Drehzahl kann nicht ermittelt werden, da man weder den Radius der Singularität noch den Drehimpuls messen kann und auch sonst keinerlei Informationen von innerhalb des EH nach aussen gelangen können.
Die Gesamtmasse M sollte man auch bei der Kerr-Metrik aus der Umlaufperiode von Testteilchen ermitteln können und bei L gibt es sicher auch Möglichkeiten.
Gruß
 

DELTA3

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Hallo Bernhard,

Man müsste dazu z.B. den Ricci-Skalar R der Kerr-Metrik ausrechnen.

Dafür reichen meine mathematischen Fähigkeiten leider nicht aus.

Ich gehe aber davon aus, dass der Radius der Ringsingularität vom Drehmoment abhängt, das man aber leider nicht kennt. Selbst wenn man die Gesamtmasse ermitteln kann, wenn z.B. ein Begleitstern vorhanden ist, lässt sich daraus nicht das Drehmoment bestimmen, wenn man den Radius der Ringsingularität nicht kennt.

Gruss, Delta3.
 

Bernhard

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Dafür reichen meine mathematischen Fähigkeiten leider nicht aus.
Hallo DELTA3,

man findet zum Ricci-Skalar der Kerr-Metrik einiges in dem Übersichtspaper von Matt Visser: http://arxiv.org/abs/0706.0622. Eine direkte Formel, welche die "Form" der Singularität zeigt, kann ich dort momentan auch nicht finden. In Gleichung (9) steht im Nenner ein [tex]r^2+a^2\cos ^2 \Theta[/tex]. Der zweite Teil wird da zwar in der Ebene mit [tex]\Theta=\pi[/tex] gleich Null, aber es bleibt ja noch die r-Koordinate. Für [tex]r\neq 0[/tex] ist der Nenner immer ungleich Null :confused: .

Selbst wenn man die Gesamtmasse ermitteln kann, wenn z.B. ein Begleitstern vorhanden ist, lässt sich daraus nicht das Drehmoment bestimmen, wenn man den Radius der Ringsingularität nicht kennt.
Es sollte da, wie gesagt, trotzdem Möglichkeiten geben das zu messen. Die Parameter M (Gesamtmasse), L (Drehimpuls) und Q (Ladung) sind doch genau die drei Werte, die ein Schwarzes Loch charakterisieren. Sie stellen angeblich die maximal zugängliche Information über das zugehörige Objekt dar (s. Wikipedia, Astrolexikon von A. Müller usw.). Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass man über den Vergleich von äquatorialen und polaren Umlaufbahnen (also senkrecht aufeinander stehenden Bahnen) L berechnen und damit prinzipiell auch messen kann.
Gruß
 
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Bernhard

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Eine direkte Formel, welche die "Form" der Singularität zeigt, kann ich dort momentan auch nicht finden.
Hallo DELTA3,

ich denke, ich weiß jetzt, wo mein Denkfehler liegt :) . Da die Kerr-Metrik in Boyer-Lindquist-Koordinaten für r=0 nicht entartet (*), liegt die Ringsingularität einfach auf der [tex]\Phi[/tex]-Koordinatenlinie mit [tex]r=\Theta = 0[/tex]. Dort ist der Ricci-Skalar tatsächlich überall singulär. Wieder was dazugelernt.
Gruß

(*) EDIT: Man kann in diesem Fall aus der resultierenden Metrik ([tex]ds^2 = a^2d\Phi ^2[/tex]) sogar den Radius der Ringsingularität ablesen. Der ist damit nämlich gleich dem Kerr-Parameter a.
 
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DELTA3

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Hi Bernhard,

Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass man über den Vergleich von äquatorialen und polaren Umlaufbahnen (also senkrecht aufeinander stehenden Bahnen) L berechnen und damit prinzipiell auch messen kann.
Gruß

Das klingt doch alles sehr hypothetisch, wie sollte man denn solche Bahnen erreichen und vermessen können? Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass man den Lense-Thirring Effekt messen und daraus den Drehimpuls bestimmen könnte, aber das ist ach hypothetisch, denn wie sollte das auf diese Entfernungen gehen?

Aus der Gesamtmasse allein kann man jedenfalls den Drehimpuls nicht berechnen, und selbst wenn man den hätte, hängt die Rotationsgeschwindigkeit/Drehzahl immer noch vom Radius der Ringsingularität ab, den man ebenfalls nicht kennt.

Gruss, Delta3.

Hab' erst jetzt dein Edit gelesen:
(*) EDIT: Man kann in diesem Fall aus der resultierenden Metrik ([tex]ds^2 = a^2d\Phi ^2[/tex]) sogar den Radius der Ringsingularität ablesen. Der ist damit nämlich gleich dem Kerr-Parameter a.

Um das abzuleiten reichen meine Mathekenntnisse nicht. Welche Parameter braucht man denn, um den Radius der Ringsingularität zu berechnen? Daraus könnte man ja dann die Drehzahl ableiten, wenn man die Masse hat. Aber ich glaube nicht, dass alle notwendigen Parameter (ausser der Masse) bestimmt werden können, jedenfalls nicht in den Entfernungen, in denen SLs bisher entdeckt wurden.

Gruss, Delta3.
 
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Ich

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Schon seit zwei Tagen vergesse ich, was zur Drehimpulsermittlung zu sagen.

Man kann den Drehimpuls grob auch an dem Schatten ablesen, den das Schwarze Loch wirft. Solche Messungen sind in diesem Jahrzehnt nicht ganz unrealistisch.
Hier ein älteres Paper dazu, und hier ein eher theoretisches neueres.
 

Bernhard

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[tex]ds^2 = a^2d\Phi ^2[/tex]
Hallo DELTA3,

nur um den zitierten Einschub abzuschließen. Das ds ist in diesem Fall ein koordinatenunabhängiger geometrischer Abstand, der sich unmittelbar aus der Kerr-Metrik ableiten läßt. Das war mir wichtig, um einzusehen, dass Punkte mit unterschiedlichem [tex]\Phi[/tex] auch wirklich räumlich voneinander getrennt sind. Zieht man aus der angegebenen Gleichung die Wurzel, wird die Analogie zu einem Kreis noch deutlicher: [tex]ds = ad\Phi[/tex], bzw. [tex]\frac{ds}{d\Phi} = a[/tex]. Integriert ergibt das die Bogenlänge auf einem Kreis: [tex]s=a\cdot \Phi[/tex]. Mit Phi = 2*pi ergibt das dann den Umfang der Ringsingularität zu 2*a*pi.
MfG
 

DELTA3

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Hallo Bernhard,
super, wie du das machst mit den Formeln hier, ich schaff das nicht mit dem System hier! Oder schreibst du das vielleicht mit einem anderen (wissenschaftlichen) Textprogramm und kopierst das dann hier rein?

Integriert ergibt das die Bogenlänge auf einem Kreis: [tex]s=a\cdot \Phi[/tex]. Mit Phi = 2*pi ergibt das dann den Umfang der Ringsingularität zu 2*a*pi.

Soweit reichen meine Kenntnisse noch, dass ich weiss, dass der Umfang eines Kreises 2*pi*r ist. Wenn der Radius der Ringsingularität gleich dem Kerr-Faktor a ist, dann habe ich aber immer noch nicht den Drehimpuls. Nach der Kerr-Metrik ist a=J/M (der Drehimpuls wird bei Andreas Müller mit J bezeichnet). Wenn ich aber nur die Masse M habe, kann ich daraus weder a noch J berechnen.

@Ich:
Danke für die Links. Bin gespannt, ob man irgendwann mal den "Schatten" eines SL beobachten und vermessen und daraus den Spin ableiten kann. Vielleicht kann man aber wenigstens qualitativ die Theorie der Kerr-Metrik einigermassen bestätigen, wenn ich auch nicht überzeugt bin, dass ihre Aussagen über die innere Struktur eines SL zutreffen.

Gruss, Delta3.
 

Bernhard

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Oder schreibst du das vielleicht mit einem anderen (wissenschaftlichen) Textprogramm und kopierst das dann hier rein?
Hallo DELTA3,

man kann hier im Forum seit einiger Zeit zwischen zwei tex-tags LaTeX-Code eingeben ;) . Wenn Dich das näher interessiert, empfehle ich das Buch von Helmut Kopka, "LaTeX", Band 1. Es gibt zwar auch Online-Tutorials dazu, aber ich habe eben einen Hang zu Papier.
Gruß
 

DELTA3

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Danke Bernhard,
man kann hier im Forum seit einiger Zeit zwischen zwei tex-tags LaTeX-Code eingeben ;) .

Es hat mich nur mal interessiert, wie man das macht. Aber da sich meine mathematischen Fähigkeiten in Grenzen halten, werde ich es wohl kaum brauchen und mit den Möglichkeiten hier im Forum zurecht kommen.

Gruss und schönes Wochenende,
Delta3.
 
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