@ SK:
Die Reaktion von oldphys hatte ich auch nicht verstanden. Ausgangspunkt war ja die Bemerkung von Ralf, dass Einschränkung der Meinungsfreiheit primär aus Gründen des Machterhalts von undemokratisch ins Amt gekommenen und regierenden Machthabern resultiert und dies sekundär flankiert wurde durch die Verquickung von Religion und Politik als Machtlegitimierungs-Ideologie, für die die Kirche als Institution präsent war - nicht zuletzt auch in Gestalt realer Personen als Amtsträger der Kirche. So hatte ich Ralfs Post verstanden.
Der Einwand von oldphys, dass in der DDR seitens der Machthaber keine Meinungsfreiheit gewährleistet wurde und die Kirchen eher auf der Seite derjenigen war, die sich für Meinungsfreiheit einsetzten, steht nicht im Widerspruch zu dem, was Ralf geschrieben hatte, sondern bestätigt eher seine Sichtweise, die ich im Übrigen ebenfalls teile.
Aus der historischen Perspektive ist es allerdings richtig, dass bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Kirche in die Bestrebungen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit oftmals als Vorkämpfer in Erscheinung trat. Von daher ist es zutreffend, dass die Möglichkeit, angstfrei Diskurse u.a. über dieses Thema öffentlich zu führen, gegen den Widerstand der Kirche erkämpft werden musste - allerdings, und das sollte man nicht außer acht lassen - in nicht unerheblichem Maße auch von Menschen, die der Kirche angehörten, ihr nahestanden und sogar Funktionen in ihr bekleideten.
Um noch einmal den Bogen in die DDR zu schlagen: Die dort dominierende SED war - ebenso wie die Kirche - kein monolithischer Block. Neben fiesen Karrieristen, fanatischen Scharfmachern und naiven Mitläufern gab es dort auch nicht wenige Menschen mit vernünftigen Ansichten und guten Absichten, die sich anständig und menschlich verhalten haben, obwohl sie als Kommunisten davon überzeugt waren, dass das Prinzip, dass diese Partei verkörperte (Ablösung des Kapitalismus durch eine gerechte Gesellschaft und damit die Befreiung von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen im Zuge des Aufbaus des Kommunismus - auch wenn es utopisch war, na ja ...) richtig ist. Und dieses Ideal einer gerechten Gesellschaft diente diesen Menschen als Leitidee für ihre Menschlichkeit.
Analog sehe ich das in Bezug auf die Kirche. Die Leitidee der Evangelien ist doch nicht Hexenverbrennung, Inquisition und Meinungsterror, sondern vor allen Dingen Liebe und Brüderlichkeit, also positiv besetzte Dinge. Und so wie man die SED nicht allein auf ihre Untaten reduzieren kann (die unbestritten im Namen des richtigen Weges zum Kommunismus begangen worden sind!), darf man das mit der Kirche ebenfalls nicht tun. Und genauso wie die SED mit ihrer politischen Praxis alles andere, aber jedenfalls nicht den Kommunismus errichtet hat, so hat die Kirche in ihrer Praxis nicht das Himmelreich auf Erden erschaffen. Es waren immer Einzelne, die entweder im Sinne oder entgegen den Sinn des eigentlich Gewollten, des Leitideals gewirkt haben - manchmal mit dem institutionellen Apparat als Verstärker, manchmal ohne ihn oder gar - selten genug! - gegen ihn.
Monod
EDIT: Ich sehe gerade, dass oldphys bereits sein Missverständnis aufgeklärt hat.