Loopquantengravitation in Erklärungsnot? Nein!
Hallo Bernhard, hallo zusammen,
leider ist der Beitrag der ESA extrem missverständlich formuliert.
Die genannten Experimente untersuchen, ob es Abweichungen von der (aus der Lorentzinvarianz folgenden) Gleichung m² = E²-p² gibt und ob man eine damit im Zusammenhang stehende frequenzabhängige Lichtgeschwindigkeit c=c(f), Polarisationsänderung o.ä. nachweisen kann. Die genannten Experimente bedeuten nun, dass für derartige Effekte eine neue, exaktere Schranke gefunden wurde, d.h. dass diese Effekte wesentlich kleiner sein müssen als bisher aus anderen Experimenten bekannt war.
Aber (!) die LQG heutiger Prägung sagt überhaupt keine derartigen Verletzungen oder Deformationen der Lorentzinvarianz voraus, d.h. im Rahmen der LQG gelten die aus der SRT folgenden Gleichungen für den Zusammenhang zwischen Ruhemasse, Energie und Impuls sowie die entsprechenden Gleichungen für Lichtgeschwindigkeit c=const. exakt (!) Die LQG sagt zwar in gewisser Weise eine Körnigkeit der Raumzeit voraus, jedoch folgen daraus gerade nicht die oben diskutierten Effekte.
Wie kann es nun zu diesem Missverständnis kommen?
Vor einigen Jahren wurde tatsächlich spekuliert, derartige Effekte könnten aus der LQG abgeleitet werden, aber man hatte damals nur eine weniger weit entwickelte Formulierung und ungenauere (offensichtlich unzulässige) Näherungsverfahren zu Hand; trotzdem wurde diese Idee Smolins recht breit getreten (u.a. ein Artikel von Bojowald im Spektrum der Wissenschaft). Soweit ich das verfolgt habe, war das aber eher Wunschdenken, eine experimentell überprüfbare Vorhersage zu produzieren. Heute ist die LQG Community davon überzeugt, dass die LQG die Lorentzinvarianz respektiert, insbs. gibt es papers zur sogenannten „covariant loop quantum gravity“ sowie Ergebnisse zu einem (kovarianten) Gravitonpropagator.
Die ESA sagt ja nun auch nichts speziellzur LQG (das ist nicht ihr Job); schlimmer ist, dass die LQG Community ihre eigenen Aussagen von vor einigen Jahren eben nicht an den entsprechendne Stellen revidiert (in den Fachpublikationen schon, aber eben nicht z.B. im Spektrum der Wissenschaft).
Im Übrigen kenne ich auch keinen anderen Ansatz zur Quantengravitation (u.a. Stringtheorie, „Asymptotic Safety“) aus dem derartige Effekte folgen würden. Die „Körnigkeit der Raumzeit“ ist eben nicht einfach eine fixe Gitterstruktur o.ä., sie entsteht – in den unterschiedliche Ansätzen durchaus unterschiedlich – wesentlich subtiler.
Gruß
Tom