@Monod: Es war eigentlich nicht meine Absicht, den Thread mit dem DA zu kapern. Das DA ist aber wichtig, weil es das kopernikanische Prinzip konsequent auch auf die Zukunft der Menschheit anwendet, ohne fehlgeleitete sentimentale Rücksicht auf galaktische Kolonisierungsträume. Das ist vielleicht nicht schön, aber im Gegensatz zu Pippi Langstrumpf können wir uns die Welt leider nicht so machen, wie sie uns gefällt.
Wir wissen nicht, wie lange die Menschheit überleben wird, und wir können es nicht wissen. Nur deshalb kann man das DA überhaupt anwenden. Wir können eine Vielzahl von Szenarien für die Zukunft entwerfen, aber können diese, so erscheint es zunächst, lediglich nach persönlichen Vorlieben mit Wahrscheinlichkeiten behaften. Nun wissen wir aber aus dem Alltag, dass eine typische Position in einer Wahrscheinlichkeitsverteilung viel eher beobachtet wird als eine untypische. Niemand baut seine Lebensplanung auf der Erwartung eines Lottogewinns zu einem bestimmten Zeitpunkt auf.
Die Kürze des berücksichtigten Intervalls ergibt sich einzig aus dem Grund, dass es das zeitlich erste der veranschlagten Gesamtzeit ist. Allein aus diesem Umstand heraus lässt sich nicht ableiten, dass wir in irgendeiner Hinsicht "untypisch" seien. Wir sind lediglich "früh dran", was aber einzig darin begründet ist, dass die veranschlagte Gesamtzeit in der Mehrheit noch vor uns liegt. Zeitverläufe haben nun einmal die Eigenschaft, dass sie mit der ersten Sekunde beginnen und mit der letzten Sekunde enden.
Es besteht kein Zwang, eine so lange Gesamtzeit zu veranschlagen. Es gibt keinen Zwang, anzunehmen, dass wir "früh dran" wären. Das ist reines Wunschdenken. Diese Argumentation könntest du bringen, wenn diese extrem lange Gesamtzeit (sagen wir, durch einen glaubwürdigen Zeitreisenden) gesichert wäre.
Die Menschheit könnte aber angesichts unseres völligen Unwissens über die Zukunft genausogut jede andere Gesamtzeit haben. Je kürzer, bzw, je näher an der bisherigen Anzahl Geburten (switch zu Geburtsrang, weil dieser aussagekräftiger ist als die Position auf dem Zeitstrahl) diese liegt, desto typischer wird unsere Position innerhalb der Gesamtverteilung.
Und da typische Positionen aus Erfahrung wahrscheinlicher sind als untypische, sind Szenarien, in denen wir typische Positionen einnehmen, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit korrekt als solche, in denen wir untypisch sind.
Wenn ich annehme, dass heute ein "typischer" Tag sein muss (kopernikanisches Prinzip), dann wäre ständig der 2. Juli (182 Tage sind vergangen und 182 Tage folgen noch).
Das hast du leider völlig falsch verstanden. Niemand behauptet, wir seien exakt in einem engen mittleren Interval. Das Beispiel mit dem Jahr ist jedoch gut geeignet, um das kopernikanische Prinzip zu erklären. Es ist absolut universell, eben weil es mathematisch-logisch fundiert ist.
Nehmen wir also die (unbekannt angenommene) Jahreslänge, die wir basierend auf der bereits vergangenen Anzahl Tage (bekannt) abschätzen wollen. Beachte, dass in der folgenden Abschätzung die tatsächliche Dauer des Jahres zu keinem Zeitpunkt eine Rolle spielt!
Zunächst einmal müssen wir "typisch" definieren. Für meine Vorhersage reicht mir eine Zuverlässigkeit von 95%. Typisch sind damit also die mittleren 95% aller Tage im Jahr. Damit bleiben am Anfang und am Ende je 2.5% (oder 1/40) der gesamten Verteilung. Befindet man sich gerade am Ende der ersten 2.5%, also dem Bereich, den wir als untypisch bezeichnet haben, bzw., am extremen Anfang des typischen Intervalls, dauert das Jahr nochmals 39 Mal länger als es schon gedauert hat. Befindet man sich jedoch gerade am Ende des typischen Intervalls, also am Anfang der letzten 2.5%, dauert das Jahr nochmals 1/39 der bisherigen Dauer. Das heisst, für jede Anzahl Tage N, die seit dem Anbeginn des Jahres verstrichen sind, dauert im typischen Intervall das Jahr total mindestens N + N/39 Tage, und maximal N * 39 Tage.
Konkret:
Am 2. Januar wäre das Jahr 2 Tage alt. Also würde man mit dem DA schätzen, dass das gesamte Jahr zwischen 2 + 2/39 und 2 * 39 Tage lang wäre.
Am 10. Januar wäre das Jahr 10 Tage alt. -> Das Jahr hat zwischen 10 + 10/39 und 10 * 39 Tage.
Nehmen wir dann den 2. Juli: an dem Tag ist das Jahr 182 Tage alt. Daraus ergäbe sich gemäss DA: Das Jahr dauert zwischen 182 + 182/39 und 182 * 39 Tage.
Am 21. Dezember ist das Jahr 355 Tage alt. DA: Jahresdauer zwischen 355 + 355/39 (=364.1) und 355 * 39 Tage.
Wenn wir die Werte nun mit der tatsächlichen Jahreslänge vergleicht, sieht man, dass man am 2. Januar falsch lag, am 10. Januar korrekt, dann das ganze Jahr über korrekt, bis zum 21. Dezember. Ab dem 22. Dezember läge man wieder falsch. Fazit: An 347 Tagen lag man mit der Abschätzung richtig. An 2 * 9 Tagen lag man falsch.
Wenn man nun einer Million Menschen individuell zufällig einen Tag im Jahr zuweist, und sie die obere Abschätzung machen lässt, werden etwa 950000 von ihnen zu einer korrekten Abschätzung der tatsächlichen Jahreslänge kommen. Etwa 50000 (jene, die Daten zwischen dem 1. und 9. Januar, und 22. und 31. Dezember erhalten) werden sich irren. Vielleicht gibt es auch ein paar wenige, die nicht an das DA glauben und irgendwelche Fantasiezahlen postulieren - mit dieser Strategie werden sie kaum erfolgreich sein. Mit der DA-Strategie hingegen werden 95% all jener, die sie anwenden, erfolgreich sein.
Dein Szenario hingegen sieht etwa so aus: Du erhältst den, sagen wir mal, 20. Januar (du kannst auch jeden anderen zufälligen Tag zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember nehmen). Du behauptest nun in deinem Szenario sinngemäss, dass wir uns im allerersten von 1.7 Mio Intervallen befinden. Auf den 20. Januar angewandt hiesse das, dass das Jahr etwa 34 Millionen Tage haben sollte. Ich hingegen sage am 20. Januar, dass das Jahr - mit 95% Wahrscheinlichkeit - zwischen 20.5 und 780 Tage hat. Wer von uns wohl recht hat?