Aragorn schrieb:
Solange das Intervall nach oben offen ist (keine mittleren Zivilisationslebensdauern bekannt sind), und die Menschheit vor endlicher Zeit entstand, ist es viel plausibler, dass wir in einem winzigen ersten Interval von N >> 20*n sind.
"Plausibel" bedeutet nicht: "Aragorn glaubt dass es richtig ist". "Plausibel" hat in diesem Fall eine ganz klare mathematische Grundlage bzw Bedeutung: eine typische Position des eigenen Geburtsranges relativ zur Gesamtmenge. Wenn wir nichts über die Zukunft wissen, ist jede relative Position n/N gleich plausibel. Hier gilt eben nicht: "Im Zweifel für die längste vorstellbare Lebensdauer". Die beliebig lange Existenzdauer ist nicht die Nullhypothese, die es zu widerlegen gilt und automatisch eintritt, sobald wir keine Gewissheit haben, dass sie falsch ist. Wenn wir wirklich plausible Aussagen über die Zukunft der Menschheit machen wollen, müssen wir persönliche Vorlieben zur Seite legen, so schwierig das vielleicht auch sein mag.
Bei n/N > 0,05 werden mit 95% Wahrscheinlichkeit weniger als N-n Menschen nach uns geboren.
Wenn insgesamt N Menschen geboren werden, und n schon geboren sind, dann sind eben N-n noch nicht geboren. In jedem Fall.
Denn bei n/N > 0.05 gilt auch n > 0.05*N und N-n > N - 0.05*N, somit N-n > 0.95 N. Das heisst, wenn n/N > 0.05 ist, werden mit
auf jeden Fall (dh, mit 100% Wahrscheinlichkeit) weniger als 95% der Menschen, die schon geboren wurden, später noch geboren.
Wir kennen N nicht, deshalb hilft uns die - in jedem Fall richtige - Aussage, es würden noch N-n Menschen geboren, auch nicht weiter. Deshalb kann man auch nicht sagen, es würden mit "95% Wahrscheinlichkeit noch N-n Menschen geboren".
Verwendet man wirklich das hintere 95%-Konfidenzintervall, dann müsste man, wenn schon, sagen: "Mit 95% Wahrscheinlichkeit gehöre ich zu den letzten 95% aller Menschen. Das heisst, mit 95% Wahrscheinlichkeit werden nach mir
höchstens noch 20*n Menschen geboren, wobei n mein Geburtsrang ist." So wäre es korrekt.
Wenn ich das Ticket 17 für ein Kino erhalte, und diese willkürlich aus einem Korb gezogen werden, indem bereits alle Tickets liegen, dann kann ich daraus auf die gesamte Sitzplatzanzahl des Kinos rückschliessen (so wie es beim DA gemacht wird).
Dann erkennst du das jetzt endlich an? Gratulation! Das ist ein wichtiger Schritt vorwärts.
Beachte, dass das auch gilt, wenn die Tickets nummeriert sind und der Reihe nach verkauft werden. Auch dann werden 95% aller Ticketverkäufe in den mittleren (oder von mir aus auch letzten) 95% liegen. Der Unterschied beim Ticket ist bloss, dass wir sofort feststellen können, ob das zutrifft oder nicht, wenn wir die Grösse des Kinos kennen. Wenn du aber die gesamte Besucherschaft darauf wetten liessest, dass sie in den mittleren oder letzten 95% aller Tickets liegen, würden 95% damit gewinnen.
Wenn du nicht ganz konkreten Grund hast, anzunehmen, dass du dich in den extremen (oder ersten) 5% befindest (z.B., wenn du weisst, dass das Kino 900 Plätze hat und du Ticket-Nr 17 bekommst), würdest du mit der Strategie, auf ein grosses Konfidenzintervall zu wetten, stets viel besser fahren als mit einfachem Raten.
Wir haben keinen ganz konkreten Grund, anzunehmen, dass wir uns in den ersten 5% der Menschheit befinden. Annzunehmen, dass wir ausgerechnet am extremen Anfang liegen, bedeutet, auf ein winziges Intervall zu wetten. Damit liegt man mit grosser Wahrscheinlichkeit falsch.
Wenn ich nun Ticket 17 erhalte, dann kann ich daraus nur schlussfolgern, daß ich wohl ziemlich am Anfang des Zeitintervall indem Tickets verkauft werden, mein Ticket geholt habe.
Das Kino könnte genauso ein Kleinkino mit 18 Plätzen sein. Wenn du das nicht weisst, kannst du gar nichts derartiges folgern. Du kannst nur sagen, dass die Ticketnummer mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Mass für die Anzahl Plätze im Kino ist.
Aber freut mich, dass ich dir das nahebringen konnte. Dann fehlt ja eigentlich nur noch folgendes:
Wie ich schon zigmal erläutert habe, ist dies der Hauptfehler den die DA-Philosophen begehen. Die Auswahl wo wir im Intervall [1 ...n ...N] stehen folgt keinen Zufallsregeln.
Damit stellst du einmal mehr (wie schon weiter vorne) die Self-Sampling-Assumption in Frage. Du bist also ein bevorzugter Beobachter dieser Welt, und die anderen Beobachter sind dir nicht gleichberechtigt? Ist es besonders wahrscheinlich, als Aragorn geboren zu werden? Tut mir Leid, dir das zu sagen, aber du bist einfach irgend ein Mensch.
Wie im Beispiel mit den farbigen Hüten gibt es keinen Grund, warum du annehmen solltest, dass für dich andere Regeln als für alle anderen Beobachter gelten. Deshalb bleibt dir nichts anderes übrig, als dich selbst (bzw. dein Geburtsrang) als zufällig aus allen Menschen gezogen zu betrachten.
Du kannst dir statt einer Urne ausserhalb von Raum und Zeit (wie von Schmidts Katze vorgeschlagen) auch folgendes vorstellen: Am Tag, nachdem der definitiv letzte Mensch gestorben ist, kommt ein Ausserirdischer zur Erde. Er gelangt, wie auch immer, an eine Aufstellung aller Menschen, die je gelebt haben. Er zieht daraus zufällig einen Menschen heraus. Ist es wahrscheinlicher, dass er dich zieht, als, sagen wir, Demokrit, Einstein, oder den despotischen Herrscher der Ceres-Kolonie im 23. Jahrhundert? Nein. Du bist genauso ein zufällig auswählbarer Mensch wie jeder andere auch. Für jeden der zufällig auswählbaren Menschen gilt, dass sie mit 95% Wahrscheinlichkeit zu den mittleren 95% aller Menschen gehören, die je gelebt haben. Mit 95% Wahrscheinlichkeit ist ein Geburtsrang eines zufällig ausgewählten Menschen (also z.B. dir) ein gutes Mass für N. Und zwar heute, morgen, übermorgen oder am Tag, an dem der Ausserirdische auf der Erde ankommt, genauso. Bloss, dass der Ausserirdische tatsächlich die Möglichkeit hat, zu überprüfen, ob es auf dich ganz speziell zutrifft. Das können wir heute natürlich nicht - das behauptet aber auch niemand. Es ist auch gar nicht nötig.