Datierung der Entstehung

Alex74

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Hallo allerseits,

ich quäle mich jetzt seit ein paar Wochen mit einer Frage herum. Am meisten quält mich, wieso ich nicht schon früher auf diese Frage kam. Sie ist so einfach.

Und zwar: woher weiß man das Alter der Entstehung des Sonnensystems?

Ja, OK, ich bin belesen genug um zu wissen daß man mittels diverser Zerfallsprozesse in den Gesteinen das Alter der Entstehung dieser Gesteine genau ablesen kann, womit man auch das Alter des Sonnensystems erhält.

Äh. Möp. Da ist doch ein Fehler drin?

Ja, genau:

Zitat: "das Alter der Entstehung dieser Gesteine"

Der radioaktive Zerfallsprozess beginnt ja nicht damit, daß diverse Elemente zusammengebacken werden, sondern mit der Entstehung der Elemente selbst. Also durch Kernfusionsprozesse. Also in einem sterbenden Stern.

Mit dieser Uhr erhält man also nicht das Alter unseres Sonnensystems, sondern den Zeitpunkt, als ein sterbender Stern seine gerade erbrüteten Elemente zu uns (vermutlich der daraufhin entstehenden Sonne) blies.

Nur: wann das war, ist ja weitgehend unabhängig vom Datum der benachbarten Supernova. Eine Entstehung des Sonnensystems erst vor sagen wir 4,2 Milliarden Jahren statt 4,5? Wirklich folgern kann man daraus doch nur:

-die schweren Elemente bei uns stammen offenbar von einer einzigen Supernova da man sonst mehrere unterschiedlich alte Gesteine finden würde.

-die Geschwindigkeit der Explosionsfetzen einer Supernova dürfte erstmal bei weitem zu hoch sein als daß sich daraus direkt irgendwas bildet. Es muß abgebremst werden. Gut, dafür taugt eine dichte HII-Region evtl. - nur wird die bei dieser Kollision sicher auch ziemlich aufgeheizt, wie auch das ausgestoßene Material extrem heiß ist und taugt damit überhaupt nicht mehr als Sternentstehungsebiet. Da ist also durchaus eine gewisse Zeitspanne nötig. Wie lange braucht eine solche Wolke bis sie genügend abgekühlt ist um kollabieren zu können?

-noch dazu muß die getroffene HII-Region auch ein bißchen weiter entfernt sein, damit sie auch wirklich nur "injiziert" und nicht zerfetzt wird. Wieder Zeitdauer nach der Entstehung der schweren Elemente (wobei dieser Faktor sicher nur um Bereich von maximal tausend Jahren liegen dürfte).

-kann man auch völlig ausschließen, daß die Sonne schon vorher existierte und erst durch diese Schockwelle die Planetenentstehung angeregt wurde? Das würde zwar nicht zur hohen Metallizität der Sonne passen, aber die kann sie ja evtl. auch durch die Einverleibung genügend anfliegenden Materials im Nachhinein bekommen haben.

Es ergeben sich bei weiterem Nachdenken sicher noch viele Aspekte mehr.
Da ich aber noch niemals etwas darüber gehört habe daß es hier irgendwo ein Verständnisproblem gäbe nehme ich fast an, daß es noch eine andere Uhr gibt, die uns genau sagt: "dann und dann haben sich die Gesteine zusammengebacken". Womit man auch die Zeitdauer hätte, in der vor der Entstehung unseres Sonnensystems eine Supernova explodiert ist.

Weiß jemand etwas hierüber?

Gruß Alex
 

Nathan5111

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Hallo Alex,

Du denkst gerade massiv 'Top-Down'!

Hast Du schon einmal versucht, anders herum zu denken: 'Bottom-Up'?

Es gibt Dich!
Warum eigentlich?

"Viertelstunde, schaffst Du schon"
Nathan
 

Alex74

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Es gibt Dich!
Warum eigentlich?
Weil es in einem Universum in es mich nicht gibt oder geben kann auch diese Feststellung nicht gibt. In diesem Universum sind die Umstände immerhin so daß die Bedingungen für meine Existenz erfüllt waren und sie auch eingetreten ist (was nicht das selbe sein muß). Das macht keine Aussage darüber ob es eine Abweichung in der Gesteinsdatierung von der Entstehung des Sonnensystems geben kann. Hier hilft das Anthropische Prinzip nicht weiter.
 

Orbit

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Alex
Ich nehme an, diese Seite kennst Du:
http://de.wikipedia.org/wiki/Geochronologie
Die Kombination der verschiedenen Methoden zur Altersbestimmung macht es offenbar möglich, absolute Werte mit einer relativ kleinen Unsicherheit zu berechnen.
In diesem Forum wurde schon mehrmals über dieses Thema diskutiert. Die kompetenten Antworten kamen meist von Bynaus, wie zum Beispiel hier:
http://www.astronews.com/forum/showthread.php?p=7275&highlight=Altersbestimmung#post7275
Das ist sein Fachgebiet.
Von ihm meine ich auch zu wissen, dass man heute aus Isotopenmessungen an Meteoriten (Bynaus schreibt darüber seine Dissertation) den Beginn unseres Sonnensystems noch genauer bestimmen kann. Siehe auch hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Meteorit#Aktuelle_Meteoritenforschung

Orbit
 

Bynaus

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@Alex74: Es gibt eine ganze Reihe von Datierungssystemen. Die Frage, was denn nun das System genau datiert, ist absolut wichtig, da gebe ich dir recht. Um die Antwort vornweg zu nehmen: meistens datiert es den Zeitpunkt der Kristallisation des Gesteins.

Nehmen wir einmal die Isochronendatierung. Das kann man mit vielen Isotopensystemen machen, aber nehmen wir zum Beispiel Rubidium-Strontium. Rubidium-87 zerfällt mit einer Halbwertszeit von rund 50 Mrd Jahren in Strontium-87. Nun wird Rubidium in einigen Mineralien besser eingebaut als Strontium (aus chemischen Gründen), das heisst, wenn ein Gestein kristallisiert, wird das Rubidium/Strontium-Verhältnis innerhalb der verschiedenen Mineralien des Gesteins variieren. Das widerum heisst, dass Mineralien, die ursprünglich etwas mehr Rubidium eingebaut hatten, werden nach einiger Zeit relativ mehr des Zerfallsprodukts Strontium-87 enthalten als solche, die weniger Rubidium eingebaut hatten. Durch Messung des Rubidium-Strontium-Verhältnisses sowie des Strontium-87-zu-Strontium-86 (Referenzisotop, kein radioaktives Tochterelement)-Verhältnisses in verschiedenen Mineralien lässt sich das ursprüngliche Rubidium-87-zu-Strontium-87-Verhältnis zum Zeitpunkt der Kristallisation ermitteln und - über die Annahme der konstanten Zerfallsrate - das absolute Alter der Kristallisation. Natürlich gibt es ein paar Vorbehalte und Bedingungen, die man beachten muss, aber diese lassen sich letztlich unabhängig testen.

Datierung über den radioaktiven Zerfall kann man also völlig unabhängig von der Kenntnis der exakten Zerfallsprodukte von Supernovae bzw des Zeitpunktes der Supernova, die die meisten radioaktiven Elemente in unserem System erzeugt hat (aber mit Sicherheit nicht alle!), machen.
 

Alex74

Registriertes Mitglied
OK, vielen Dank :)

D.h. wir wissen, daß die Wolke aus der das Sonnensystem entstand tatsächlich von einer (und nicht zwei) Supernova die schweren Elemente bekam und wir können daraus schließen daß diese injizierte Wolke vorher praktisch keine (!) schweren Elemente hatte (denn diese würden sich ja in der Datierung messbar widerspiegeln) - oder aber das Sonnensystem entstand nur aus den Trümmern der Supernova (wobei ich mir dann nicht erklären kann wieso die Sonne und die Gasplaneten noch so ein "jungfräuliches" H/He Verhältnis aufweisen).

Soweit richtig?
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
D.h. wir wissen, daß die Wolke aus der das Sonnensystem entstand tatsächlich von einer (und nicht zwei) Supernova die schweren Elemente bekam und wir können daraus schließen daß diese injizierte Wolke vorher praktisch keine (!) schweren Elemente hatte (denn diese würden sich ja in der Datierung messbar widerspiegeln)

Nein, wir wissen nicht sicher dass es bloss eine Supernova gab (übrigens gibt es auch andere nukleosynthetische Prozesse, wie die Vorgänge in AGB-Sternen (massereiche Rote Riesen), welche zum Inventar der schweren Elemente beitragen). Astrophysikalische Überlegungen machen das allerdings relativ wahrscheinlich.

Aber es ist - ich wiederhole - keine notwendige Vorbedingung für die Datierungsverfahren. Ich muss nicht wissen, aus wievielen verschiedenen Supernovae (oder anderen nukleosynthetischen Prozessen) das Rubidium-87 kommt, um es bei der Rb-Sr-Datierung zu nutzen. Ich denke, das sollte aus der Erklärung, die ich oben zur Rb-Sr-Datierung gegeben habe, klar hervorgehen - nicht?
 

Alex74

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Doch, das ist klar; ich wollte nur darauf hinaus, daß wenn es eine zweite gab und diese mit zum Bestand der schweren Elemente beigetragen hätte, man im Sonnensystem - was den Zerfall von Isotopen angeht - zwei verschiedene Altersangaben erhalten würde (zumindest wenn diese Supernovae nicht gleichzeitig stattfanden).

Rote Riesen etc. habe ich mal außen vor gelassen weil die Aussage, daß es wohl nur eine Quelle für die schweren Elemente gab natürlich auch diese mit einschließt, wobei aber in diesen Sternen ja ohnehin nur jene Elemente bis zum Eisen erbrütet werden.

Einiges googeln brachte mich nun darauf daß man aus den verschiedenen Uhren ablesen konnte daß diese Supernova etwa 750.000 Jahre vor der Entstehung unseres Sonnensystems passierte, leider scheinen alle Quellen auf br alpha zurückzugehen, während ich hier selbst keine weitere Quellenangabe fand.

Gruß Alex
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
ich wollte nur darauf hinaus, daß wenn es eine zweite gab und diese mit zum Bestand der schweren Elemente beigetragen hätte, man im Sonnensystem - was den Zerfall von Isotopen angeht - zwei verschiedene Altersangaben erhalten würde (zumindest wenn diese Supernovae nicht gleichzeitig stattfanden).

Nein. Das Material, aus dem das Sonnensystem besteht, wurde praktisch vollständig homogenisiert (das weiss man aus der homogenen isotopischen Zusammensetzung fast aller Materie im Sonnensystem). Es gibt keine Möglichkeit, verschiedene nukleosynthetische Quellen in homogenisiertem Material zu unterscheiden, das zerfällt ja alles gleich schnell.

EDIT: Falls du eine sehr viel spätere SN (nach der Homogenisierung) meinst: eine solche hätte nicht die Chance gehabt, ihre Produkte in alle Materialien des Sonnensystems einzubringen.

Rote Riesen etc. habe ich mal außen vor gelassen weil die Aussage, daß es wohl nur eine Quelle für die schweren Elemente gab natürlich auch diese mit einschließt, wobei aber in diesen Sternen ja ohnehin nur jene Elemente bis zum Eisen erbrütet werden.

Nein, so einfach ist es nicht (google mal nach Nukleosynthese, s-Prozess, r-Prozess). Im Material unseres Sonnensystems sind die nukleosynthetischen Produkte von einigen 1000 Quellen (darunter viele AGB-Sterne, einige Novae, aber auch verschiedene Typen von Supernovae, sogar einige Wolf-Rayet-Sterne) eingeflossen. Unser Sonnensystem hat aber relativ kurz vor seiner Geburt einen "Schuss" kurz- und langlebiger radioaktiver Isotope aus einer Supernova erhalten.

Einiges googeln brachte mich nun darauf daß man aus den verschiedenen Uhren ablesen konnte daß diese Supernova etwa 750.000 Jahre vor der Entstehung unseres Sonnensystems passierte

Solche Abschätzungen hängen von den Supernova-Modellen ab, dh, welcher Typ Supernova welche Häufigkeit von bestimmten kurzlebigen Radioisotopen (wie Eisen-60, Aluminium-26) hervorbringt, sowie Abschätzungen zur Häufigkeit dieser Isotope im frühen Sonnensystem. Die Ergebnisse sind jedoch keineswegs eindeutig oder unumstritten.
 
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