Hallo,
"Leben" als solches gibt es nicht, sondern es gibt Systeme, die als lebend bezeichnet werden, wenn sie ihren Zustand niedriger Entropie in einer Umgebung höherer Entropie selbsttätig erhalten und vermehren können (frei nach E. Libbert aus "Allgemeine Biologie", Jena 1988).
Es kommt also darauf an, auf Selbsttätigkeit zu achten, wenn man irgendwelche geordneten bzw. organisierten Molekülsysteme findet, die sich z.B. über Stoffwechsel (der zu erwarten ist) erhalten. Eine Flamme z.B. weist zwar auch Stoffwechsel auf, aber keine irgendwie geartete Organisiertheit, die diesen Stoffwechsel durch Selbsttätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg aufrecht erhalten könnte, um eine Organisiertheit aufzubauen bzw. zu entwickeln. Daher ist eine Flamme gemäß obiger Definition kein lebendes System.
Was nun die Alternativen zu Wasser betrifft: Ich erwarte, dass da am Ende nichts übrig bleiben wird, weil die genannten Stoffe auf einem Gesteinsplaneten bzw. Gasriesenmond nicht in hinreichender Menge anfallen, um dem allgegenwärtigen Wasser Konkurrenz bieten zu können. Das fängt bereits beim aussichtsreichsten Kandidaten Ammoniak an. In nennenswerten Mengen gibt es das nur in den Atmosphären der Gasriesen, da hier die Druck- und Temperaturverhältnisse günstig sind (hoher Druck und niedrige Temperatur). Auf Gesteinsplaneten tritt Ammoniak stets im Zusammenhang mit Wasser auf. Da Ammoniak sehr leicht wasserlöslich ist, verschwindet es binnen kurzer Zeit aus der Atmosphäre und bildet in Lösung mit anderen Ionen aus der Lithosphäre Ammoniumsalze (z.B. Salmiak = NH4Cl). Erst wenn diese Ammoniumsenke erschöpft ist, bildet sich eine Ammoniaklösung, die sich sukzessive anreichern kann.
Ein Planet bzw. Mond mit freiem flüssigen Ammoniak auf einer Gesteinsoberfläche ist m.E. ein Unding, da nicht einzusehen ist, warum sich der Wasserstoff des Ammoniaks ausgerechnet mit dem reaktionsträgen Stickstoff statt mit dem reaktionsfreudigen Sauerstoff verbunden haben soll. Darum gibt es ja vorzugsweise Wasser in Gestalt von Eis als Planetenbaustoff und nicht Ammoniak. Wenn also mit Wasserstoffverbindungen gerechnet wird, dann wird es in erster Linie Wasser sein, dann Methan und erst dann Ammoniak als Beimischung. Folglich wird auf einem Planeten, der Ammoniak aufweist, zugleich in viel größerer Menge auch Wasser vorhanden sein. Ammoniak als Biosolvens gehört damit von vornherein in das Reich der Legenden.
Nicht besser wird es, wenn Ammoniaklösungen in Betracht gezogen werden, denn Ammoniak vermag zwar, den Gefrierpunkt herabzusetzen, aber läuft damit dem Wasser in keiner Weise den Rang als Lösungsmittel ab. Im Gegenteil: Die meisten organisch-chemischen Reaktionen verlaufen entweder unter Abspaltung oder Verarbeitung von Wasser (Peptidbildung, Esterbildung usw.). Das liegt daran, dass die kosmochemisch relevanten Moleküle (und diese sind es ja, die für die Entstehung von Lebewesen als Ausgangsstoffe vorhanden sind!) reich an Wasserstoff und Sauerstoff sind - mithin also Wasser als Reaktionsstoff nahelegen, so dass Ammoniak an Bedeutung für organisch-chemische Reaktionen zunehmend ins Hintertreffen gerät. Eine wie auch immer verlaufende chemische Evolution auf einem mit Ammoniaklösung versehenen Himmelskörper wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Wasser als Biosolvens selektieren, während Ammoniak in Gestalt von Aminogruppen für funktionelle Gruppen herhalten muss bzw. als Stickstofflieferant für stabile Gerüste von Makromolekülen im Verein mit Kohlenstoff. (Beispiel hier die Peptidkette: ... -C-C-N-C-C-N-C-C- ... )
Die Chancen für die übrigen Biosolvens-Kandidaten, die geprüft werden sollen, stehen noch schlechter. Wasser ist aufgrund seiner physikalischen und chemischen Eigenschaften der klare Favorit. Darüber hinaus steht es - im Gegensatz zu den "Alternativen" - in hinreichendem Maße zur Verfügung, so dass es als konkurrenzlos angesehen werden kann. Wenn vielleicht auch auf Umwegen, die uns nicht dümmer machen, wird die Wiener Plattform letztlich auch zu diesem Schluss kommen.
Viele Grüße!