Brauchen wir die Kernenergie?

UMa

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Hallo,

noch ein Nachtrag.

Nicht nur Kohle ist ein Problem, sondern auch Biomasse.

The World Health Organization estimates that more than 1.45 million people die prematurely each year from household air pollution due to inefficient biomass combustion.
http://www.worldenergyoutlook.org/health.asp

http://www.worldenergyoutlook.org/docs/poverty/Number_of_deaths_by_region_2008_2015_2030_WHO.htm

Und noch ein WHO-Bericht mit verschiedenen Todesursachen.
http://www.who.int/healthinfo/global_burden_disease/GBD_report_2004update_full.pdf

Grüße UMa
 

frosch411

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So, jetzt können wir noch ermitteln, wieviele Menschen jährlich bei der Montage von Solarzellen vom Dach fallen. Auch das Heizen mit Holz kann gefährlich sein...
 

PlanetHunter

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Ich hoffe, dass die Bundesregierung im Gesetz zum Aussteig aus der Kernenergie, nur die Abkehr von Kernspaltungsenergie verankert und nicht pauschal Kernenergie wählt.
Es wäre ja schon tragisch, wenn die Einführung von Kernfusionsenergie - irgendwann - dadurch behindert würde.
 

hardy

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So, jetzt können wir noch ermitteln, wieviele Menschen jährlich bei der Montage von Solarzellen vom Dach fallen. Auch das Heizen mit Holz kann gefährlich sein...

Risiken kann man vermutlich nicht nur in der Zahl von Toten messen.
Man sollte schon daran denken, dass ein nuklearer Unfall nicht nur zu gesundheitlichen Schäden oder zum Tod führen kann, sondern dass grössere Gebiete auf Dauer radioaktiv verseucht bleiben.
 

Alex74

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Ich habe in vielen Diskussionen über das Thema gemerkt, daß genau dies offenbar ein Punkt ist, an dem die Abschätzung was schwerwiegender ist, auseinander gehen.

Ich persönlich finde 1 Millionen Tote ohne verseuchtes Gebiet z.B. schwerwiegender als 100.000 Tote mit verseuchtem Gebiet (nur mal so, beispielhaft).
Ich halte daher die Anzahl der Opfer für durchaus ausschlaggebend - eine verseuchte Gegend "tut niemandem weh" solange die Opfer dieser Verseuchung in der Gesamtzahl natürlich einberechnet sind. Schaut man sich an was mit der Umgebung von Tschernobyl passierte, dann ist das für die Natur sogar ein Segen; es ist ja nicht so daß da nichts mehr leben kann, sondern die Gegend gilt als verseucht weil wir Menschen definieren daß uns das Risiko, bei längerem Aufenthalt dort irgendwann an Krebs zu erkranken, zu hoch ist. Die Natur hindert das nicht, diesen Landstrich wieder für sich in Besitz zu nehmen.

Daher würde ich die Gefährlichkeit einer Technik durchaus eher an der Gesamtopferzahl messen; hier muß natürlich aber auch alles mit einberechnet werden was direkt oder indirekt auf diese Technik zurückgeht.

Gruß Alex
 

Bernhard

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eine verseuchte Gegend "tut niemandem weh"
Hi Alex,

genau diesen Punkt sollte man INHO nicht unterschätzen. Umsiedlungen stellen durchaus einen massiven Eingriff in die Privatsphäre dar. Siehe dazu auch http://de.wikipedia.org/wiki/Drei-Schluchten-Damm#Zwangsumsiedlung_in_den_.C3.9Cberflutungsgebieten. Manchmal, wie im Falle des Drei-Schluchten-Dammes, mag so eine Umsiedlung unvermeidbar sein, aber als harmlos würde ich es deswegen definitiv nicht bezeichnen wollen.

Ich gebe auch zu bedenken, dass früher um Gebietsansprüche nicht selten ganze Kriege geführt wurden.
Gruß
 

Nathan5111

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Hi Alex,

ich habe gerade einmal interessehalber den 'Nationalpark Philippsburg' konstruiert: ein Kreis mit 40 km Radius um den Standort des Kraftwerks.

Evakuiere den mal innerhalb kürzester Zeit und stell Dir all die Konsequenzen vor.
Ich kenne einige "Leit, die wo beim Daimler schaffe".
 

Kibo

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Hi,
Also eine Evakuierung ist doch immer noch eher der geglückte Ausgang aus der Katastrophe a là "mit blauem Auge davon gekommen", denn wer nicht rechtzeitig evakuiert wird, stirbt halt oder wird zumindest verstrahlt.
Natürlich ist das nicht schön, aber mir sind 10 evakuierte Dörfer immer noch lieber als 10 Strahlentote. *Das eine sind halt materielle Schäden und das andere verlorene Menschenleben, das Eine mit dem Anderen zu vergleichen ist, wie ich finde zurecht, ein Tabuthema. Das macht man einfach nicht.

mfg

*=EDIT
 
Zuletzt bearbeitet:

Alex74

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Das ist halt eine Frage die auch ich nicht beantworten kann; was ist schlimmer - ein Toter oder 10/100/1000 umgesiedelte?
 

Bernhard

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Das ist halt eine Frage die auch ich nicht beantworten kann
Verlangt ja auch niemand von Dir.

Vor zwanzig bis dreissig Jahren hat man mit Fragen in dieser Art angehende Zivildienstleistende geärgert/getestet. Ich denke ebenfalls, dass solche Fragen nicht öffentlich diskutiert werden sollten. Es ist die bekannte Wahl zwischen Pest und Cholera.
Gruß
 
Zuletzt bearbeitet:

Alex74

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@Nathan: Klar, hier stehen zwei Kraftwerke direkt im Ballungsraum Rhein-Neckar, unmittelbar betroffen wären rund eine Millionen Menschen (ich auch, wären die beiden nicht als erstes abgeschaltet worden).
Letztlich könnte man das so in die Rechnung einbringen, daß eine solche notwendig werdende Evakuierung ihrerseits viele Opfer fordern würde (z.B. indem einfach die Zeit nicht reicht und viele daher an Spätfolgen sterben, oder durch Paniken, Unfälle, etc.).

Das dumme ist halt: will man irgendwie eine Vergleichbarkeit herleiten, läuft es immer darauf hinaus Umstände der einen Seite in Opfer auf der anderen Seite umzurechnen. Und das geht einfach nicht.

PS.: Achja...awwa ähns muschde direggdemol fabessare...hier soggd keena "beim Daimler" - des heesd "beim Benz"! Unn do legge ma Werd druff! ;-)

Gruß Alex
 

galileo2609

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Nathan hat genau das Richtige gemacht. Der Vergleich von Opferzahlen zu konventionellen Energien ist ja das, was insbesondere gerne die Kernenergie-Befürworter einfach so in den Raum stellen. Ob Ukraine oder Japan, nur die flächige Evakuierung als Katastrophenschutzmassnahme führt letztendlich zu den niedrigen Opferzahlen der Reaktorunglücke. Während bei Staudamm- oder Braunkohleprojekten die Umsiedlung als Projekt geplant wird, ist die Evakuierung im Falle eines Reaktorunglücks nicht vorhersehbar und wählbar. Im Grunde muss man alle Standorte von KKW jetzt noch einmal auf den Prüfstand stellen, um die gesellschaftlichen Kosten einer Evakuierung durchzukalkulieren. Siehe Tepco geht das an die Substanz von Energieversorgungsunternehmen. In der Ukraine war das wahrscheinlich alles gegenstandslos, weil man dort auf die Belange der Bevölkerung nicht viel Wert legt.

Neben der restlosen Aufklärung des Verlaufs in Fukushima wird auch die abschliessende Bilanzierung der Kosten Aufschluss darüber geben, an welchen Standorten man in Zukunft KKW auch bis zum Eintritt des Schadensfalls ökonomisch betreiben kann, ohne dass der Staat bzw. der Steuerzahler einspringen muss.

Grüsse galileo2609
 

Bynaus

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Ob Ukraine oder Japan, nur die flächige Evakuierung als Katastrophenschutzmassnahme führt letztendlich zu den niedrigen Opferzahlen der Reaktorunglücke.

Das würde ich jetzt nicht einfach so ungeprüft in den Raum stellen. Im allergrössten Teil der Evakuierungszonen sind die typischen Strahlungs-Werte tief genug, dass keine gesundheitlichen Auswirkungen zu befürchten wären. Die Erstjahresdosis im Zentrum der Evakuierungszone in Fukushima beträgt typischerweise 2000 mrem (20 mSv/yr), das liegt unter dem Niveau, das AKW-Arbeiter pro Jahr absorbieren dürfen (50 mSv/yr) und ist vergleichbar mit einem CT-Scan. So lange man also nicht behaupten will, dass AKW-Arbeiter generell mutwillig verstrahlt würden, kann man sicher auch nicht behaupten, dass die Evakuierungen zu niedrigen Opferzahlen führen würden (ausser vielleicht in den ersten paar Tagen). Es gibt im Prinzip drei Gründe, warum Kernenergie nur sehr wenige Tote pro kWh fordert: 1) AKW produzieren sehr grosse Mengen Strom mit vergleichsweise geringem materiellem Aufwand, 2) der Sicherheitsstandard ist generell sehr hoch, nicht zuletzt wegen der verbreiteten Angst vor Unfällen, 3) Radioaktivität ist bei weitem nicht so gefährlich und tödlich, wie das oft dargestellt wird.

Wenn man nun allerdings Evakuierungen beginnt abzuwägen, dann sollte man nicht vergessen, den steigenden Meeresspiegel als Folge der Nutzung fossiler Energien zu berücksichtigen, und berücksichtigen, dass radioaktiv verstahlte Gebiete nicht ewig verstrahlt bleiben, sondern nach Jahrzehnten bis Jahrhunderten wieder bewohnbar sind (was beim steigenden Meeresspiegel ja nicht der Fall ist). Ich bin mir ziemlich sicher (ohne das gerechnet zu haben), dass auch in einer entsprechenden Rechnung "Evakuiertenjahre pro Kilowattstunde" die Kernenergie viel besser abschliessen würde als z.B. die Kohle (und vermutlich auch als die Wasserkraft).

Ich stimme aber auch zu, dass man beim Bau künftiger Kernkraftwerke sowie bei der Priorisierung der Abschaltungen viel mehr noch als bisher berücksichtigen sollte, wieviele Menschen in der potentiellen Evakuierungszone leben, um die Zahl möglichst klein zu halten. Auch sollte man die Einrichtung eines globalen Schadensfonds anstreben, mit dem Menschen, die aus ihren Wohnungen vertrieben werden, pauschal entschädigt werden können (sie werden wohl auch jetzt entschädigt, aber ein kleines Land kann sich einen Atomunfall heute viel weniger leisten als ein grosses, mit der Folge, dass in ärmeren Ländern die Menschen schlechter entschädigt würden). Man bedenke, dass man diese Riskiokalkulation nicht unbedingt als "Verbrechen" sehen muss: Die Gesellschaft hat immer schon übergeordnete Ziele definiert, die so wichtig waren, dass dafür Menschen vertrieben / enteignet werden "durften", wie etwa den Bau von Autobahnen, Flugplätzen oder Bahnlinien. Dafür wurden diese Menschen dann aber auch entsprechend entschädigt. Die Versorgung eines ganzen Landes mit sauberer, CO2-freier Energie kann man durchaus als ein solches übergeordnetes Ziel ansehen, gerade auch wenn man bedenkt, wie klein die tatsächliche Chance auf eine Vertreibung wäre.
 

Nathan5111

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Mir ging es beim 'Nationalpark Philippsburg' in erster Linie nicht um Opfer, ich wollte mir mal vor Augen führen, wie bei 'uns' so eine Evakuierungszone um einen realen Standort aussehen könnte. Ein Bereich mit den Städten Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg und Karlsruhe samt Industrie, Kultur und Infrastruktur, so ganz einfach aus der Landkarte 'gestanzt'!

Nicht, dass ich es für wahrscheinlich halte, bei weitem nicht.

Natürlich ist das nicht schön, aber mir sind 10 evakuierte Dörfer immer noch lieber als 10 Strahlentote.
unmittelbar betroffen wären rund eine Millionen Menschen
Soviel zum Thema 10 Dörfer!

dass radioaktiv verstahlte Gebiete nicht ewig verstrahlt bleiben, sondern nach Jahrzehnten bis Jahrhunderten wieder bewohnbar sind
klingt dagegen doch irgendwie beruhigend.


Aber warum wurde überhaupt evakuiert?
Im allergrössten Teil der Evakuierungszonen sind die typischen Strahlungs-Werte tief genug, dass keine gesundheitlichen Auswirkungen zu befürchten wären.
3) Radioaktivität ist bei weitem nicht so gefährlich und tödlich, wie das oft dargestellt wird.
Verstehe ich Dich richtig, dass Du als Verantwortlicher die Evakuierung (bis auf ein kleines Kerngebiet) sofort und vollständig aufheben würdest?

Interessanter Feld- und Langzeitversuch!
 

Bynaus

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Nathan5111 schrieb:
Verstehe ich Dich richtig, dass Du als Verantwortlicher die Evakuierung (bis auf ein kleines Kerngebiet) sofort und vollständig aufheben würdest?

Ja, grundsätzlich schon. Das müsste man sich natürlich im Detail solide anschauen, gerade die Ausdehnung dieses "Kerngebietes", aber so lange die jährliche Dosis unter dem Niveau dessen liegt, was AKW-Arbeitern zugemutet wird, ist das wohl auch für die Restbevölkerung akzeptabel. Möglicherweise müsste man für Kinder die Zone deutlich grösser machen, aber das müssten Experten beurteilen. Auf jeden Fall sollte die Evakuierungszone die tatsächliche Gefahr für die Gesundheit widerspiegeln, auch um den Anteil der tatsächlich Vertriebenen tief zu halten (bei Tschernobyl hat sich gezeigt, dass der "Opferstatus", die Vertreibung aus dem gewohnten Leben, die Ungewissheit über die gesundheitliche Zukunft starken psychischen Stress verursacht haben, was zu verbreiteten Depressionen geführt hat - diese Folgen gilt es nach Möglichkeit zu verhindern). Das ist allerdings auch das, was früher oder später in Japan geschehen wird. Die Evakuierungszone ist ja auch nicht deckungsgleich mit der tatsächlichen Zone der Verstrahlung, die sich auf den Nordwesten des Kraftwerks konzentriert.

Interessanter Feld- und Langzeitversuch!

Aber sicher nicht neu. Es gibt Gebiete, in denen sich die natürliche Radioaktivität im Bereich 20 mSv/yr und darüber bewegt, ohne das bei der Bevölkerung nachteilige Auswirkungen zu beobachten wären, im Gegenteil.

http://www.sciencemag.org/content/309/5736/883.1.full

The most interesting feature in all these cases is that the people living in these HBRAs do not appear to suffer any adverse health effects as a result of their high exposures to radiation. On the contrary, in some cases the individuals living in these HBRAs appear to be even healthier and to live longer than those living in control areas that are not classified as HBRAs.
 

galileo2609

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Hallo Bynaus,
Ob Ukraine oder Japan, nur die flächige Evakuierung als Katastrophenschutzmassnahme führt letztendlich zu den niedrigen Opferzahlen der Reaktorunglücke.
Das würde ich jetzt nicht einfach so ungeprüft in den Raum stellen.
ich hätte das etwas präziser ausdrücken sollen. Neben der Vermeidung gesundheitlicher Schäden durch die Strahlungsexpostion wollte ich mit "Opferzahlen" tatsächlich auch die ökonomischen (von mir aus auch psychischen) Folgen durch die Evakuierungsmassnahme begrifflich abdecken. Auch in Japan sieht man ja, dass die displaced persons Probleme mit der Sicherung ihrer Existenz bekommen. Das fängt damit an, dass die lokalen Arbeitsplätze erstmal weg sind. Es sieht auch nicht danach aus, dass die Evakuierungszone um Fukushima mittelfristig wieder bewohnt werden darf.

Würde das, wie Nathan mit seiner Skizze des 'Nationalpark Philippsburg' simuliert, z. B. in Deutschland notwendig sein, wäre eine ganze Metropolregion mit ihrer ökonomischen Potenz für den Standort Deutschland betroffen. Bei einem 'Nationalpark Biblis' wäre ev. sogar das Finanzzentrum Frankfurt betroffen. Je nachdem eben, ob man eine 20, 30 oder 80 km Zone einrichtet (letztere wie von den USA für Fukushima vorgeschlagen). Die Konsequenzen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung für Deutschland wären dramatisch.
Möglicherweise müsste man für Kinder die Zone deutlich grösser machen, aber das müssten Experten beurteilen.
Willst du die Kinder von ihren Eltern trennen?

Grüsse galileo2609
 
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