Brauchen wir die Kernenergie?

Nathan5111

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Da es ja so "häufig" geschieht, kannst du sicher gleich ein solches Beispiel für deine Behauptung herbeizaubern.

Aber gerne:
Es grenzt an Irrsinn, wenn heute sogenannt "Grüne" in Deutschland den Atomausstieg fordern und dieser Strom dann mit fossilen Energien kompensiert werden soll ...
Nicht herbeigegezaubert, nur zitiert.

Aber ich denke, dieses Zitat erfüllt den von mir angesprochenen 'Tatbestand' schon recht genau. Ich hatte heftiges Bauchgrimmen, als ich es las. Und dieser Groll war bei meinem Post noch nicht verraucht. Das Wörtchen "häufig" ist jedoch nicht haltbar, ich möchte es durch "gelegentlich" ersetzt wissen.

Mit diesem einen Beispiel ist
Andernfalls erwarte ich, dass du von solchen Unterstellungen absiehst und dich entschuldigst.
gegenstandslos.

Noch etwas: Die 'grünsten Grünen' tragen in diesen Tagen in Deutschland ein "C" im Parteinamen!
 

Bynaus

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Es steht jedem frei, meine Aussage mit Nathan's Charakterisierung zu vergleichen:

Nathan5111 schrieb:
Wer jedoch 'andere' Meinungen als "von grüner Ideologie geleitet" darstellt (ipsom, Alex und häufig sogar Bynaus)

Ich habe nie irgendetwas von "grüner Ideologie" geschrieben.

Nur, dass es irrsinnig ist, wenn Leute, die sich "Grün" nennen, den Ausstoss von CO2 fördern wollen... "Grün" bedeutete nämlich bis anhin, dass man für den Erhalt der natürlichen Umwelt und gegen den Klimawandel antritt. Wir müssen den weltweiten Ausstoss von CO2 bis in 40 Jahren um rund 80% reduzieren. Wie soll das in Deutschland gehen, wenn jetzt wegen diesem irrationalen Atomausstieg neue Kohlekraftwerke gebaut werden, die dann für viele Jahrzehnte laufen müssen, um die Kosten zu amortisieren? Deutschland ist heute schon - trotz vielen Windrädchen in der Nordsee - eine der grössten Dreck- und CO2-Schleudern in Europa. Grün sein bedeutet heute offenbar, dass man den globalen Klimawandel (der Millionen von Menschen das Leben kosten, und Milliarden obdachlos machen wird) gegenüber den lokalen Gefahren der Kernenergie (der selbst in den extremsten Szenarien höchstens ein paar hunderttausend Menschen zum Opfer gefallen sind) völlig verharmlost. Hier werden eindeutig die Prioritäten völlig falsch gesetzt.

Dein Vorwurf, ich würde andere Meinungen "häufig (oder von mir aus: gelegentlich) als von grüner Ideologie geleitet" darstellen, ist völlig gegenstandslos. Im Gegenteil: Ich bemängle gewissermassen hier das Fehlen oder Versagen der (ursprünglichen) grünen "Ideologie". Aber da ich solche Dinge - dir zufolge - ja immerhin "gelegentlich" von mir gebe, dürfte es dir leichtfallen, ein neues Beispiel herbeizuzaubern.

Ich hatte heftiges Bauchgrimmen, als ich es las. Und dieser Groll war bei meinem Post noch nicht verraucht.

Ach, du Armer. Tut halt manchmal weh, wenn man mit der Realität konfrontiert wird, nicht wahr? Ich würde eine Expositions-Therapie vorschlagen. Vorsicht aber vor den Nebenwirkungen: Verlust des bisherigen Weltbildes, Übernahme unkonventioneller Positionen.

Noch etwas: Die 'grünsten Grünen' tragen in diesen Tagen in Deutschland ein "C" im Parteinamen!

Und was hat das mit der Diskussion zu tun? Ach so, ich verstehe: Lagerdenken. Wenn Partei C eine bestimmte Position hat, und ich Partei C doof finde, dann ist auch die Position in dieser einen Frage automatisch doof. Klar. Demokratie für den Kindergarten!
 
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hardy

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Wir müssen den weltweiten Ausstoss von CO2 bis in 40 Jahren um rund 80% reduzieren. Wie soll das in Deutschland gehen, wenn jetzt wegen diesem irrationalen Atomausstieg neue Kohlekraftwerke gebaut werden, die dann für viele Jahrzehnte laufen müssen, um die Kosten zu amortisieren?

Weder Deutschland noch die Schweiz werden durch ihre Energiepolitik den Klimawandel nennenswert beeinflussen. Es geht in erster Linie um die Haltung von Ländern wie USA, China, Russland, Indien, etc. Und diese Länder werden weiterhin auf Kernenergie setzen. Aber auch Kernenergie allein wird uns kurz- bis mittelfristig nicht vor dem Klimawandel retten. Derzeit spart man durch Kernenergie etwa 10% der CO2-Emissionen ein (unter der Voraussetzung, man würde die KKW durch Kohlekraftwerke ersetzen). Notwendig ist ein sinnvoller Mix aller Energieerzeugungsarten - einschliesslich Kernenergie - in Verbindung mit energiesparenden Technologien.

Grün sein bedeutet heute offenbar, dass man den globalen Klimawandel (der Millionen von Menschen das Leben kosten, und Milliarden obdachlos machen wird) gegenüber den lokalen Gefahren der Kernenergie (der selbst in den extremsten Szenarien höchstens ein paar hunderttausend Menschen zum Opfer gefallen sind) völlig verharmlost. Hier werden eindeutig die Prioritäten völlig falsch gesetzt.

Das sehe ich auch so.

Gruss
hardy
 
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Bynaus

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Weder Deutschland noch die Schweiz werden durch ihre Energiepolitik den Klimawandel nennenswert beeinflussen.

Da wäre ich mir nicht so sicher. Klar, die gesparten oder freigesetzten Netto-Emissionen selbst machen nicht viel aus. Es gibt aber eine ganze Reihe von indirekten Wegen, wie ein deutscher Atomausstieg weltweite Folgen haben könnte:

- Verlust von Expertenwissen. Ohne deutsche AKWs brauchts auch keine deutschen Nuklearingenieure, kein Siemens-Konzern, der sein Know-How weltweit einbringen und Drittweltländer beim Aufbau von AKWs unterstützen kann. Dieses Wissen geht nun verloren (oder wandert ins Ausland ab). Zudem ist es unplausibel, dass Deutschland künftig entscheidend zur Entwicklung der Reaktoren der 4. Generation (die wir dringend brauchen, wenn wir die radioaktiven Abfälle jemals loswerden wollen) beitragen wird.

- Kohleförderung: Ein Ausbau des Kohlestroms wird dazu führen, dass der Kohleabbau weiterhin subventioniert wird und neue Vorkommen erschlossen werden, statt diese Gelder endlich in erneuerbare und/oder nukleare Energiequellen umzuleiten.

- Verlust von Glaubwürdigkeit in künftigen Klimaabkommen: Warum soll ein Drittweltland sich bemüssigt fühlen, teure Alternativeenergien einzusetzen, wenn selbst Deutschland - Europas grösste Wirtschaftsmacht - den Kohlestrom ausbaut?

- Die Absicht, Kohle mit der Einschränkung des Klimawandels zu verbinden, führt automatisch zu CCS (Carbon Capture and Storage, Abscheidung und Einlagerung von Kohlenstoff bzw. CO2). Selbst wenn CCS jemals funktionieren sollte (ohne hochgefährlich zu sein: ich würde definitiv nicht über einem gigantischen unterirdischen CO2-Lager leben wollen) so nährt sie nur die gefährliche Illusion, wir könnten auf alle Zeiten von fossilen Rohstoffen leben. Die spätere Landung wird dann umso heftiger ausfallen.

Darüber hinaus haben Kohlekraftwerke auch noch direkte gesundheitliche Aspekte. Kohlestaub in der Lunge ist gefährlich und sorgt weltweit für hunderttausende von Todesopfern jährlich. Kohlekraftwerke setzen zudem Uran und Thorium in erstaunlich grossen Mengen frei. Ein Abschalten von Kohlekraftwerken bedeutet - neben der globalen Bedeutung - auch regional eine Verbesserung der Lebensqualität.

Notwendig ist ein sinnvoller Mix aller Energieerzeugungsarten - einschliesslich Kernenergie - in Verbindung mit energiesparenden Technologien.

Die Energieeinsparung ist nicht so wichtig wie die Einsparung von CO2 - wenn sich beides kombinieren lässt (etwa beim Umstieg auf die Elektromobilität oder auf Wärmepumpen für Gebäudeheizungen), umso besser. Insofern ist es möglich, dass der Primärenergieverbrauch sich mittelfristig verringern wird. Es ist aber eine Illusion, zu glauben, dass der Stromverbrauch der Zukunft unter dem heutigen liegen werde: nur schon die Elektromobilität und der Verzicht auf Ölheizungen wird ein Ausbau des Stromangebots erzwingen. Diese Strommengen können von den erneuerbaren Energien in der verfügbaren Zeit unmöglich bereitgestellt werden, erst recht nicht, wenn man gleichzeitig aus den fossilen Energien aussteigen will. Es besteht - hier, heute - eine grosse Lücke zwischen unserem Verbrauch und dem, was erneuerbare Energien leisten können, die CO2-frei nur durch AKW geschlossen werden kann. Insofern kann man schon sagen, dass AKW als einzige das Potential haben, uns "vor dem Klimawandel zu retten". Wir könnten, wenn wir wollten, für eine CO2-freie Energieerzeugung auf die Erneuerbaren verzichten - aber wir können umgekehrt nicht auf die AKW verzichten.

Ich stimme dir aber völlig zu, dass es künftig einen CO2-freien erneuerbar/nuklear-Mix geben muss. Kontinuierlicher Ausbau der Erneuerbaren, und parallel ein schnellstmöglicher Ersatz von Kohle/Öl/Gaskraftwerken (und alten AKW) durch neue, moderne AKW wäre der vernünftigste Weg - für Deutschland (und die Schweiz), Europa und die Welt.
 

galileo2609

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Es steht jedem frei, meine Aussage mit Nathan's Charakterisierung zu vergleichen
Ich würde hier ja wirklich gerne eine Art von Mediation in Gang setzen. Das Problem dabei ist nur, dass ich mich meist mit einer eigenen argumentativen Entscheidung kaum zurückhalten kann. ;)

Wenn jemand anderes diese Funktion übernehmen möchte ... ein aus meiner Sicht hilfreicher Tipp wäre, das nicht in oberflächlicher politischer Lagerbildung (grün/nicht grün) abzuhandeln, sondern als gesellschaftlichen Konflikt, der quer durch alle diese Lager geht.

Ich bin einfach etwas unglücklich darüber, dass Nathan einen Post von mir als Sprungbrett genutzt hat.
Sehe ich genau so. [...]
Wer jedoch 'andere' Meinungen als "von grüner Ideologie geleitet" darstellt (ipsom, Alex und häufig sogar Bynaus)

Insofern versuche ich mal eine Deutung, die diesen Thread vielleicht auch mal wieder in eine für astronews.com angemessene Spur steuert. Wenn ich dabei versage, ist es selbstverständlich ausschliesslich mein Fehler.

Bynaus hat in seinem Post vom 20.04.2011 ein unmissverständliches Bekenntnis zur Nutzung der Kernenergie abgegeben. Er benutzt darin solche Konjunktive
Abfälle sind ein Nebenprodukt heutiger Reaktordesigns - künftige Reaktoren werden Abfälle produzieren, die viel kleiner im Umfang und in deutlich kürzerer Zeit (ca. 500 Jahre) abgeklungen sein werden. Wir werden alle Abfälle, die wir heute haben, in künftigen Reaktordesigns verbrennen, ja wir könnten sogar den heutigen Energieverbrauch der Menschheit für 500 Jahre aus diesen Abfällen decken. [...]
Wenn wir noch höhere Sicherheit von Kernanlagen wollen [...], müssen wir mehr moderne Kernkraftwerke bauen und die alten Reaktoren schneller ersetzen.
die angesichts der Willensbildungen und politischen Wirklichkeiten in den europäischen Staaten eher Wunschgebilde sind. Bynaus oft visionäre Texte, die er gekonnt auf seiner Website final-frontier.ch ausformuliert, können daher möglicherweise als 'Retro'-Produkte aufgefasst werden, ähnlich der naiven Vorstellungen über die rein technisch realisierbare Zukunft der Menschheit, die Mitte des letzten Jahrhunderts auf dem Reissbrett entworfen wurde.

Die Realität hat diese Visionen bekanntlich meist eingeholt. Das ist ernüchternd, möglicherweise enttäuschend, aber kein Grund, nicht dennoch träumen zu dürfen. Worüber wir nicht realitätsvergessen sein sollten, ist der Weg zu solch visionären Zielen. Neben den bereits oft angesprochenen Willensbildungsprozessen in demokratischen Gesellschaften winkt da auch immer noch das Primat der ökonomischen Rentabilität aus der ersten Reihe der Zuhörer.
müssen wir mehr moderne Kernkraftwerke bauen und die alten Reaktoren schneller ersetzen.
Auf final-frontier.ch hat Bynaus dazu noch weiter geschrieben
Bynaus auf final-frontier schrieb:
Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass nur sehr wenige Reaktoren gebaut werden, die "Verweilzeit" eines typischen Reaktors somit lang und das Durchschnittsalter der Reaktoren weltweit hoch ist. Würden Reaktoren standardmässig nach, sagen wir, 25 Jahren abgeschaltet und ersetzt, wäre in Fukushima ein brandneuer Reaktor gestanden, der mit den Belastungen mit einiger Wahrscheinlichkeit besser zurecht gekommen wäre (eben weil er z.B. auch passiv, dh, ohne aktive Pumpen, kühlbar wäre). Der Unfall ist also zumindest teilweise auf die Überalterung des Kraftwerkparks zurückzuführen. Viele heutige Reaktoren sind, nicht zuletzt wegen des massiven politischen und gesellschaftlichen Widerstands total veraltet.
Diese Argumentation scheint nicht ganz konsistent, wenn nach Bynaus
wenn jetzt wegen diesem irrationalen Atomausstieg neue Kohlekraftwerke gebaut werden, die dann für viele Jahrzehnte laufen müssen, um die Kosten zu amortisieren?
die Investitionen in billigere Kohlekraftwerke bereits jahrzehntelange Laufzeit erfordern, um sich ökonomisch zu rentieren. Das Gesetz über die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen KKW 2010 war wesentlich dadurch geprägt, Gewinnabschöpfungen aus den durch die abgeschriebenen Investitionen profitablen Altanlagen generieren zu können. Ein solcher Ansatz fällt aus, wenn KKW jeweils nach neuestem Sicherheitsstandard ersetzt werden sollen (so etwa wie Jahreswagen).

Machen wir uns doch nichts vor. Erstens verfügen wir hier im Forum nicht über das Expertenwissen, diese Fragen abschliessend beantworten oder Entscheidungen zertifizieren zu können
Ich denke, wir sind uns einig, dass wir alle nicht die ausgewiesenen Experten für die Bandbreite dieses Themas sind. Auch die "Schwarmintelligenz" aller User von astronews.com dürfte nicht ausreichend sein, die Eingangsfrage in all ihren Facetten zufriedenstellend zu beantworten.

Dennoch können wir uns den Fragen und Antworten bis zu einem gewissen Level annähern. Die Komplexität dieses Themas sollte aber auch den Respekt erzeugen, sich einzugestehen, ab wann man nur noch begründungslos zu spekulieren beginnt. An solchen Punkten ist dann eher Schweigen geboten.
Zweitens sollten wir uns um die Frage kümmern, wie wir unser reines Wissen dem Gewissen der Gesellschaft vermitteln wollen. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass den Menschen im Vierteljahrhundert nach Tschernobyl eingeredet wurde, dass 1986 die Schrotttechnologie der Sowjets gescheitert ist, die westliche Technologie dagegen sicher ist. Fukushima hat diese Hochglanzwerbung als zu bequem und haltlos geoutet. Im Grunde sind die Protagonisten dieser einfachen und bequemen Schwarz/Weiss-Malerei daran schuld, dass die Menschen sie 2011 beim Wort nehmen können. Es wäre ehrlicher gewesen, die jetzt nachgereichten Ausformulierungen des "Restrisikos" offensiv zu diskutieren (oder zumindest wahrzunehmen). Also zum Beispiel, mit welchen Folgekosten müssen wir leben, wenn wir soundsoviele GAUs in den angelaufenen Reaktorbetriebsjahren einkalkulieren müssen? Wieviele Evakuierungszonen müsen wir einrichten, um die Exposition so niedrig zu halten, dass die Katastrophenbewältigung beherrschbar bleibt?

Grün sein bedeutet heute offenbar, dass man den globalen Klimawandel (der Millionen von Menschen das Leben kosten, und Milliarden obdachlos machen wird) gegenüber den lokalen Gefahren der Kernenergie (der selbst in den extremsten Szenarien höchstens ein paar hunderttausend Menschen zum Opfer gefallen sind) völlig verharmlost.
Bynaus, ich wäre vorsichtig, eine solche Rechnung aufzumachen. Sie verletzt den bisher gültigen Konsens, dass KKW eben nicht durchgehen sollen. Und sie ist auch 'problematisch', wie dir Martin 2009 dargelegt hat:
Ich finde solche Vergleiche doch etwas problematisch, weil hier Aepfel mit Spreewaldgurken verglichen werden.

Ich bin pro Kernenergie, aber diese Totenaufrechnung stimmt so nicht. Die Foerderung von Uran hat auch sehr viele Menschenleben gefordert, in der DDR etwa 20.000 bis 30.000 durch Lungenkrebs und Silikose. Aehnlich sieht es in anderen Staaten aus (USA, GUS usw.). Allerdings lassen diese sich zum ueberwaeltigenden Teil auf den Anfang des Uranbergbaus (1940er bis 1960er Jahre) zurueckfuehren. Deswegen halte ich wenig davon den modernen Uranbergbau z.B. in Australien oder Kanada diese Faelle aus den 1950ern anzurechnen. Analog moechte ich aber auch nicht die heutigen Kohlebergwerke in Deutschland oder Australien mit jenen in China oder Russland vergleichen oder einen brechenden Staudamm aus den 1940ern der heutigen Wasserkraft anlasten.

Man kann dann ja auch weitergehen: Dann koennte man z.B. auch den Sinn von Katalysatoren in PKW heute in Frage stellen, weil der groesste Teil des Palladiums dafuer aus dem wunderschoenen Norilsk in Nordrussland kommt, wo der Schnee niemals weiss ist. Oder das Indium bzw. Germanium fuer Duennschichtsolarzellen aus Zinkhuetten in China.
Solche Aufrechnungen bringen also nichts. Sie zeigen wiederum nur, dass wir in der Bewertung des Titelthemas zu wenig wissen, wenn wir uns dazu äussern.

Grüsse galileo2609
 

Bynaus

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@galileo: Als Mediation kann man deinen Post vielleicht nicht bezeichnen :) , aber ich kann gerne auf die von dir aufgebrachten Punkte eingehen.

die angesichts der Willensbildungen und politischen Wirklichkeiten in den europäischen Staaten eher Wunschgebilde sind.

Wenn Europa aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (und vielleicht noch ein paar wenigen mehr) besteht, dann ja. Andere europäische Staaten sehen das aber nicht so eng. Die Generation IV Initiative hat genau dieses von mir angesprochene Ziel: Die Entwicklung von Reaktoren der 4. Generation.

Mag sein, dass das, was ich schreibe, im Moment nicht unbedingt mit dem gefühlten "Zeitgeist" entspricht: und genau deshalb schreibe ich es auch. Der gefühlte Zeitgeist ist wankelmütig - nach ein paar Jahren, nach ein paar weiteren Klimakonferenzen wird die Erinnerung an Fukushima wieder von der Dringlichkeit des Handelns in der Klimawandelfrage verdrängt werden. Ich gebe hier keine Zukunftsprognosen von mir (ich bin ja kein Prophet), sondern meine Einschätzung, was getan werden sollte und warum. Ich will nicht Teil sein einer Gesellschaft, in der alle stumm nickend ihren Ängsten vor der Atomenergie nachgeben und niemand darüber nachdenkt, ob denn der Ausstieg nicht auch mit Nachteilen verbunden sein könnte. Es mag ein Kampf "gegen Windmühlen" sein, aber das heisst nicht, dass er nicht wichtig wäre.

Ich bin nicht Kernkraftbefürworter aus Grundsatz und Überzeugung, sondern aus genau einem Grund: es ist die einzige zur Zeit verfügbare, CO2-freie Stromquelle. Wir können damit das drängenste Problem, die grösste Gefahr für die Menschheit als Hochtechnologiezivilisation, nämlich den menschgemachten Klimawandel, lösen oder zumindest effektiv anpacken. Kernenergie ist all das, was die Kernfusion sein sollte, mit dem Unterschied, dass sie schon heute verfügbar ist und nicht erst in 50 Jahren. Abzüglich dem Abfallproblem natürlich, das wir aber - da bin ich überzeugt - in einer, zwei Generationen technisch lösen können, wenn wir es wirklich anpacken. Sei es über die Generation IV Reaktoren, sei es über Transmutation.

Das Gesetz über die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen KKW 2010 war wesentlich dadurch geprägt, Gewinnabschöpfungen aus den durch die abgeschriebenen Investitionen profitablen Altanlagen generieren zu können. Ein solcher Ansatz fällt aus, wenn KKW jeweils nach neuestem Sicherheitsstandard ersetzt werden sollen (so etwa wie Jahreswagen).

Mag sein. Aber Klimaschutz wird und darf auch etwas kosten, und sei es über die Besteuerung von Kohle (deren Rentabilität kaum jemand in Frage zu stellen scheint). Es stellt sich natürlich auch die Frage, wie die ökonomischen Rechnungen, die der Kernkraft eine geringe Renatbilität bescheinigen, sich mit der Realität dieses Laufzeitgesetzes vertragen... Wenn sie nicht rentieren, wie kann dann Gewinn abgeschöpft werden? Werden KKW mit Ablauf der von mir genannten 25 Jahre schlagartig rentabel? Hier müsste man eben genauer hinschauen.

Dass KKW so teuer sind, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass so wenige davon gebaut werden. Würden sie viel häufiger, sagen wir, "am Fliessband" hergestellt, wären sie auch deutlich günstiger. Möglich würde das, wenn sehr viele kleine (und am besten passiv sichere) Reaktoren gebaut würden. Nicht dass ich denke, dass das von heute auf morgen realistisch ist.

Fukushima hat diese Hochglanzwerbung als zu bequem und haltlos geoutet.

Das kann man so nicht sagen. Tschernobyl war nicht zwingend ein Schrottreaktor, aber dort wurden sicherheitstechnisch fahrlässige Tests gemacht, die in einem westlichen Land nicht möglich gewesen wären. Zudem hat die Vertuschung des ganzen Vorfalls - ebenfalls unmöglich in einem westlichen Land - dazu geführt, dass die Menschen nicht rechtzeitig an Iodtabletten kamen. Auch Liquidatoren, die in diesem Sinn zur Aufräumarbeit gezwungen wurden, sind bei uns nicht möglich.

Doch was ist denn nun mit Fukushima? Wie man heute weiss, bestand dort eine äusserst enge Verflechtung zwischen Staat und dem involvierten Energieunternehmen. Schon vor der Katastrophe war bekannt, dass es schwere Sicherheitsmängel gibt, die vertuscht wurden, dass Berichte gefälscht wurden - aber niemand hat je irgend etwas unternommen. Auch das ist bei uns in solcher Form nicht möglich. Unsere Gesellschaft ist offener, kritischer gegenüber solchen Vorgängen. Und schliesslich muss man noch sagen, dass zumindest die schweizer Reaktoren (wie das bei deutschen aussieht, weiss ich nicht) deutlich besser gegen den Ausfall der Notsysteme geschützt sind als Fukushima es war. So sind die Notsysteme genauso stark gebunkert wie der Reaktor selbst, was das zentrale Problem in Fukushima gelöst hätte.

Das heisst nicht, dass bei uns solche völlig Unfälle unmöglich wären. Das AKW Mühleberg in der Schweiz (mittelfristig auch Beznau I&II), oder Fessenheim in Frankreich sind alte Reaktoren mit bekannten Problemen und Mängeln, die möglichst schnell abgeschaltet - und ersetzt! werden sollten. Aber wie ich schon in meinem Artikel auf final-frontier.ch schrieb: Bloss weil ein Flugzeug abstürzt, steigen wir auch nicht aus der Luftfahrt ab.

Sie verletzt den bisher gültigen Konsens, dass KKW eben nicht durchgehen sollen. Und sie ist auch 'problematisch', wie dir Martin 2009 dargelegt hat

Wenn man die Anzahl Toten, die eine gewisse Energietechnologie bisher gefordert hat, auflistet, dann ändert das doch nichts an diesem "Konsens". Es ist bloss eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten und Probleme, unabhängig von "Konsensen", Absichtserklärungen und technischen Entwicklungen.

Martins' Post habe ich gelesen, aber ich teile seine Einschätzung nicht. Ich sehe nicht, warum man nicht eine qualitative Einschätzung der Gefährlichkeit verschiedener Energietechnologien aufgrund der Anzahl Toten (pro Kilowattstunde), die sie gefordert hat, versuchen sollte. Vielleicht, weil man Angst vor den Konsequenzen hat, die man aus diesen Überlegungen ziehen müsste?

Ich kann es auch hier gerne nochmals wiederholen: Kohle - die neue Energiequelle der Wahl der deutschen "Grünen" - ist die mit Abstand gefährlichste Energiequelle (und nebenbei die wichtigste (menschliche) Quelle von freigesetztem Uran und Thorium in der Umwelt, sowie natürlich Klimakiller Nr 1):

http://nextbigfuture.com/2011/03/deaths-per-twh-by-energy-source.html
http://nextbigfuture.com/2011/03/lowering-deaths-per-terawatt-hour-for.html
Quellen dazu: http://nextbigfuture.com/2011/04/background-information-and-analysis-for.html
 

Alex74

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Zudem hat die Vertuschung des ganzen Vorfalls - ebenfalls unmöglich in einem westlichen Land - dazu geführt, dass die Menschen nicht rechtzeitig an Iodtabletten kamen. Auch Liquidatoren, die in diesem Sinn zur Aufräumarbeit gezwungen wurden, sind bei uns nicht möglich.
Man sollte hier zur Entlastung der Sowjetregierung sagen, daß die zuständigen Behörden selbst keine Informationen an den Kreml herausgaben und dieser nur sehr zögernd und unvollständig informiert wurde. In den Sozialistischen Ländern allgemein hatte die Zentralregierung ja - wie man heute weiß - weit weniger Macht als angenommen, Ruderführend waren die Behörden und Funktionäre an den neuralgischen Punkten; und die haben in gewohnter, restriktiver Weise gehandelt.
 

Luzifix

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Hallo!

Ich zitiere hier mal nix, weil es dadurch lang und übersichtlich würde. Ein bißchen bin ich aber doch erstaunt, weil die Diskussion hier jetz in eine Richtung gegangen ist, wo der Ehrgeiz, als Ingenieur auch gefährlichste Technologien beherrschen zu wollen, in den Vordergrund getreten zu sein scheint. Gerade auch, weil ich weiß, daß Bynaus hier auf der Basis seines fundierten Fachwissen schreibt, glaube ich nicht, daß das die richtige Motivation ist.

Richtig ist, daß die Technologien zur Entfernung des CO² aus Atmosphäre oder Abgasen längst in Arbeit sind, und zwar in den USA auf privatwirtschaftliche Initiative hin. In Deutschland deswegen nicht, weil die Grünen das zu ihrer Regierungszeit (aber auch die große Koalition danach) nicht für förderungswürdig hielten. (Das weiß ich, weil ich das selber vorgeschlagen hatte.) Also selbst wenn die berühmten Solarzellen der nächsten Generation nicht oder nicht schnell genug kommen, werden die KKW nicht die Methode der ersten Wahl bleiben, genügend sauberen und billigen Strom für Industriestaaten zu erzeugen.

Das sage ich als jemand, der das Ausstiegsszenario der Rot-Grünen Regierung für gelungen hielt und im Interesse einer optimalen ökonomischen Ausbeutung des Status Quo eine Laufzeitverlängerung von maximal 5 Jahren bei technisch einwandfreien KKW für erträglich gehalten hatte. Vor Fukushima, versteht sich.

Und zu den Russen möchte ich noch sagen, die haben einen ungeheuren Vorteil. Die haben nämlich sehr viel Platz, wo sie notfalls auch 10 Mill Menschen einfach umsiedeln können. In Frankreich, D, Japan oder China würde da zivilrechtlich der jüngste Tag anbrechen!
 
Zuletzt bearbeitet:

Luzifix

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Noch eine Kleinigkeit: http://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Das-Erbe-des-Reaktorungluecks-article3184166.html

Im Übrigen hat im bayrischen Fernsehen jemand über Ostern behauptet, es würden in D heute noch jedes Jahr 1000 Wildschweine als radioaktiver Sondermüll entsorgt werden müssen, weil sie so stark verstrahlt seien (weil sie so gerne Pilze fressen). Mich interessiert in dem Zusammenhang: Wie entsorgt man das eigentlich? Weiß jemand was darüber? Gibt es da eine spezielle Verbrennungsanlage?
 

Alex74

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Ich glaube das ist Unsinn.
Ich kenne selber einen Jäger der am liebsten bei "Sausonne" jagt und das Fleisch wird im Verein unter Freunden verteilt; ich bin überhaupt kein Freund der Jagd, weiß aber durch ihn daß das sehr stark reguliert ist und bei Verordnungen über die Verwertung diese den Jägern auch bekannt wären und durchgeführt würden (z.B. muß auch jede einzelne verschossene Patrone genau mit Standort und Richtung dokumentiert werden).
 

Bynaus

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Luzifix schrieb:
Richtig ist, daß die Technologien zur Entfernung des CO² aus Atmosphäre oder Abgasen längst in Arbeit sind, und zwar in den USA auf privatwirtschaftliche Initiative hin.

Darauf würde ich mich nicht verlassen wollen. Die Entfernung aus Abgasen ist, wie schon angesprochen, grundsätzlich gefährlich: irgendwo müssen die Milliarden Tonnen von CO2, die die Menschheit jährlich ausstösst, ja gelagert werden... Und im Gegensatz zu Atommüll ist Kontakt mit einem offenen CO2-Lager sofort tödlich (man google z.B. nach "Lake Nyos", um einen Eindruck zu bekommen, was da so geschehen könnte).

Die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre ist nochmals deutlich anspruchsvoller als die Gewinnung von Energie aus der Atmosphäre. CO2 ist extrem diffus, und es wird viel Energie nötig sein, um es aus der Atmosphäre effizient zu binden. Auf dieser Grundlage stellt sich dann natürlich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit: wer soll das ganze am Ende bezahlen? Und woher kommt die Energie dafür?

Da wäre es viel besser, gleich von Anfang an dafür zu sorgen, dass kein CO2 in die Atmosphäre kommt. Die Einstellung, man könne ja eigentlich soviel Dreck produzieren, wie man will, es werde dann schon irgendjemanden geben, der hinterher aufräumt, ist gefährlich. Denn ganz zu schweigen davon, dass nicht sicher ist, dass das dann wirklich auch geschieht, kann der Müll natürlich auch jetzt sofort Probleme verursachen. So führt der steigende CO2-Pegel in der Luft schon heute zur Versäuerung der Ozeane und damit zu einem verbreiteten Korallensterben, verbunden mit einem generellen Verlust an Biodiversität im Meer.

Nur dass wir uns nicht falsch verstehen: wie ich schon mal geschrieben habe, werden wir, wenn wir unsere Küstenstädte und damit einen gewaltigen Teil des Kulturerbes der Menschheit behalten wollen (neben einer ganzen Reihe anderer Dinge wie Nahrungs-Versorungssicherheit, etc.) langfristig nicht darum herum kommen, das CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entfernen und auf eine Konzentration um die 350 ppm herunterzubringen (von gegenwärtig 395 ppm, und vermutlich bis zu ca. 550 ppm Mitte des Jahrhunderts). Aber das ist eine Fussnote einer Erfolgsgeschichte des Ausstiegs aus den fossilen Energien, nicht der Haupttext! Ohne AKW werden wir in nützlicher Zeit niemals schnell genug von den fossilen Energien wegkommen und gleichzeitig genügend Energie übrig haben, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. CO2-Entfernung ist ein Anliegen einer Menschheit, die die Energiekrise überwunden hat, und sicher keine Rechtfertigung, mit den fossilen Energien weiterzumachen wie bisher (nebenbei ändert sie nichts an der Freisetzung von Russ, Uran, Thorium durch Kohlekraftwerke).

Diese ganze Situation ("Dreck verhindern statt darauf zählen, dass ihn jemand wegräumt") ist übrigens nur oberflächlich ähnlich zu jener beim Atommüll: Hier wissen wir, dass es Reaktoren gibt, die Atommüll verbrennen können, weil diese - in experimenteller Form - schon gebaut wurden. Radioaktive Abfälle nehmen nur wenig Platz ein, können also in konzentrierter und sicherer Form zwischengelagert werden. So lange das korrekt ausgeführt wird, wird dadurch auch niemand gefährdet. Selbst wenn die Menschheit morgen verschwinden würde, wäre nur ein winziger Teil der globalen Umwelt von den nicht mehr beaufsichtigten Abfällen betroffen - im Gegensatz zum Klimawandel, der weiterhin die ganze Erde betreffen würde.
 

Kibo

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Ich glaube das ist Unsinn.
Googeln hilft, das Fleisch wurde nicht vom Markt genommen sondern normal verzehrt wie in verschiedenen links steht. ganz Aktuell der von gestern:
http://www.mdr.de/thueringen/8514925.html
und
http://www.swr.de/nachrichten/rp/-/id=1682/nid=1682/did=7942920/1byixgi/index.html

Die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre ist nochmals deutlich anspruchsvoller....

Wie im parallelen Thread mit den Algen schon darauf hingewiesen wurde, werden durchaus energietechnisch günstige Verfahren entwickelt die neben der Reduktion des CO2-Gehalts auch noch weitere Vorteile haben. Nur um ein Beispiel zu nennen, die Diesel prodizierenden Cyanobakterien. Ich würde ja da weiter schreiben, aber solange da nicht übers eigentliche Threadthema diskutiert wird spar ich mir das.:(

Also in dem Artikel steht auch folgendes:
Der Diesel-Jahresverbrauch in Österreich hat vergangenes Jahr 9,7 Milliarden Liter betragen. Um ihn mit dem "Bakteriendiesel" zu decken, müsste man Treibstoff-Sonnenfarmen auf 680 Quadratkilometern Fläche errichten, d.h. auf etwas weniger als einem Prozent der Gesamtfläche Österreichs
Das halte ich für sehr interessant. Wenn man im großen Stil Benziner gegen Dieselfahrzeuge ersetzen würde und auch Flugzeuge so betankt, könnte man auf Fossiles Öl verzichten. Ich hab das jetzt mal durch Excel gejagt und bin auf 939594 km² Fläche gekommen um den Weltenergiebedarf mit den Bakteriendiesel zu decken (nur Heizwert, mit Umwandlung in Strom ist es etwas mehr Fläche). Das ist dann in etwa 3 mal Deutschland:). Stellt man noch mehr Fläche mit den Bioreaktoren zu, lagern wir mehr CO2 ein als wir verbrauchen.

mfg Kibo
 
Zuletzt bearbeitet:

Bynaus

Registriertes Mitglied
@Kibo: Wie ich in dem "Algenthread" ja auch schon schrieb (es blieb aber, wegen der letztlich sinnlosen Off-Topic-Diskussion offenbar nichts hängen), nützen die Algen gar nichts, um den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu senken, wenn der so erzeugte Biodiesel nach ein paar Tagen Zwischenlagerung gleich wieder verbrannt wird.

Nehmen wir an, alles Benzin wird durch den Algendiesel bereitgestellt, und es wird kein weiteres Benzin aus Erdöl mehr hergestellt (die Frage ist, ob das jemals wirtschaftlich ist, denn ich stelle mir die Versorgung von unzähligen Quadratkilometern Algen als sehr viel teurer vor als das simple Herauspumpen des Erdöls aus dem Boden...). In diesem Fall bekommt die Erdatmosphäre keinerlei zusätzlichen Eintrag von CO2 aus Benzin mehr, ab diesem Moment. ABER: Wir haben dann immer noch Kohle, Gas, Methan aus Landwirtschaft, Verbrennung von Wäldern etc. Algendiesel kann einen gewissen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstosses leisten, aber so lange der Diesel nicht zurück in den Boden gepumpt wird (und dort bleibt!), wird die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre deswegen nicht abnehmen: sie wird höchstens etwas weniger schnell zunehmen.
 

galileo2609

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Hallo Bynaus,
@galileo: Als Mediation kann man deinen Post vielleicht nicht bezeichnen :)
ich weiss ja, dass ich mich nicht besonders dafür eigne, aber ich wollte eine mögliche Erklärung anbieten, warum Nathan so auf dich und Alex angesprungen ist.
Mag sein, dass das, was ich schreibe, im Moment nicht unbedingt mit dem gefühlten "Zeitgeist" entspricht: und genau deshalb schreibe ich es auch. Der gefühlte Zeitgeist ist wankelmütig - nach ein paar Jahren, nach ein paar weiteren Klimakonferenzen wird die Erinnerung an Fukushima wieder von der Dringlichkeit des Handelns in der Klimawandelfrage verdrängt werden. Ich gebe hier keine Zukunftsprognosen von mir (ich bin ja kein Prophet), sondern meine Einschätzung, was getan werden sollte und warum. Ich will nicht Teil sein einer Gesellschaft, in der alle stumm nickend ihren Ängsten vor der Atomenergie nachgeben und niemand darüber nachdenkt, ob denn der Ausstieg nicht auch mit Nachteilen verbunden sein könnte. Es mag ein Kampf "gegen Windmühlen" sein, aber das heisst nicht, dass er nicht wichtig wäre.
Ich finde das gut und richtig und deine Texte sind immer wieder eine Inspiration, die zum Nachdenken auffordern. Sie haben aber eine 'visionäre Lastigkeit', die in diesem Kontext möglicherweise als blinde Technikgläubigkeit wahrgenommen werden kann (wie gerade im letzten Post von Luzifix ablesbar). Ich bin der letzte, der Technologieskepsis das Wort redet, im Gegenteil. Mir wird bange, wenn ich mir die oft irrationalen 'Begründungen' dafür ansehe. Je weniger die Menschen von Technik verstehen (wer repariert heute noch selbst sein Fahrrad), desto skeptischer stehen sie ihr gegenüber, selbst wenn sie ungehemmt Hochtechnologieprodukte nutzen.

Mir scheint im Falle der Kernenergie ein wichtiger Faktor hinzuzukommen. Die Kernenergiegegner misstrauen nicht nur der Technik an sich, sondern vor allem dem System Mensch-Maschine. Anders gesagt, der Glaube an eine technische Sicherheit wird hinfällig, weil die Tendenz zum menschlichen Versagen bei Planung und Betrieb dieser Anlagen im Zweifel als ausschlaggebender Faktor wahrgenommen wird. Jeder Zugewinn an technischer Sicherheit bei neuen Reaktortypen (auch bezüglich der Fehlertoleranz bei menschlichem Eingriff) wird in der Wahrnehmung durch das Risiko Mensch kompensiert. Ein wesentlicher Teil der Kritik an der Nutzung der Kernenergie wird demzufolge durchaus davon getragen, dass Menschen (Unternehmen) letztendlich nicht in der Lage sind, diese Anlagen sicher zu betreiben.

Zur Situation in Deutschland. Es wird viel darüber spekuliert, warum sich dieses Land scheinbar so vehement (und mittlerweile in einem neuen überparteilichen Konsens) der "Energiewende" verschreiben will. Es gab vor gut einer Woche eine interessante Umfrage für die F.A.Z., die auch einen Vergleich mit der Stimmungslage nach dem Unglück von Tschernobyl enthält.
F.A.Z. schrieb:
In diesem Zusammenhang ist die Frage interessant, wieweit der gesellschaftliche Druck heute tatsächlich wesentlich größer ist als vor fünfundzwanzig Jahren unter dem Eindruck von Tschernobyl. Vergleicht man die Reaktionen der Bevölkerung auf Fukushima mit den Reaktionen nach Tschernobyl, so gibt es einige bemerkenswerte Unterschiede.
Die unmittelbare persönliche Gefährdung wird durch Fukushima geringer eingeschätzt, die Ansicht, dass ein Unfall wie in Japan auch 'bei uns' passieren könnte, dagegen wesentlich höher.
F.A.Z. schrieb:
Die Zweifel an den Sicherheitsstandards und -maßnahmen in deutschen Reaktoren sind zurzeit weitaus größer als unmittelbar nach Tschernobyl. Damals bezweifelten 38 Prozent der westdeutschen Bevölkerung, dass die Sicherheitsvorkehrungen in deutschen Reaktoren ausreichen, heute 59 Prozent. Dazu hat auch die spektakuläre Stilllegung der sieben Reaktoren beigetragen, die sich ja nur mit einer veränderten Bewertung ihrer Risiken begründen lässt. Die politischen Reaktionen haben diesmal die Auswirkungen des Ereignisses selbst auf die öffentliche Meinung erheblich verstärkt, anders als 1986, als die damalige Regierung angesichts von Tschernobyl auch mit dem Argument der Sicherheitsstandards deutscher Reaktoren die Kernenergie verteidigte.
Das 'Argument der höheren Sicherheitsstandards' scheint deshalb zumindest etwas anachronistisch und defensiv, wenn es jetzt nach Fukushima weiter auf die Differenzierung innerhalb der westlichen Industriegesellschaften heruntergebrochen wird.

Das kann man so nicht sagen. Tschernobyl war nicht zwingend ein Schrottreaktor, aber dort wurden sicherheitstechnisch fahrlässige Tests gemacht, die in einem westlichen Land nicht möglich gewesen wären. Zudem hat die Vertuschung des ganzen Vorfalls - ebenfalls unmöglich in einem westlichen Land - dazu geführt, dass die Menschen nicht rechtzeitig an Iodtabletten kamen. Auch Liquidatoren, die in diesem Sinn zur Aufräumarbeit gezwungen wurden, sind bei uns nicht möglich.

Auch das ist bei uns in solcher Form nicht möglich. Unsere Gesellschaft ist offener, kritischer gegenüber solchen Vorgängen. Und schliesslich muss man noch sagen, dass zumindest die schweizer Reaktoren (wie das bei deutschen aussieht, weiss ich nicht) deutlich besser gegen den Ausfall der Notsysteme geschützt sind als Fukushima es war. So sind die Notsysteme genauso stark gebunkert wie der Reaktor selbst, was das zentrale Problem in Fukushima gelöst hätte.
Wer nichts weiss, muss alles glauben. Umgekehrt wird auch ein Schuh daraus. Die Menschen wollen im Bereich der Kernenergie solchen Expertisen nicht mehr glauben, weil diese nach Tschernobyl gerade einmal 25 Jahre standhielten. Das Vertrauen in solche Differenzierungen ist nachhaltig gestört. Und dazu haben die Energieversorger und die Politik durch ihre bequeme Einteilung in 'gute' und 'schlechte' Nukleartechnologie wesentlich beigetragen.

Ein weiterer interessanter Aspekt aus der F.A.Z.-Umfrage ist die Verknüpfung mit der Einschätzung des Nutzens der Kernenergie:
F.A.Z. schrieb:
Untersuchungen zur Akzeptanz der Kernenergie zeigten immer wieder, dass die gesellschaftliche Akzeptanz keineswegs nur von der Einschätzung ihrer Risiken abhängt, sondern im hohen Maße auch von der Einschätzung ihres Nutzens und ihrer Bedeutung für die Energieversorgung. In den achtziger Jahren war die große Mehrheit der Bevölkerung überzeugt, dass die Kernenergie in den nächsten Jahrzehnten einen großen Beitrag zur Stromversorgung leisten würde. Tschernobyl änderte an dieser Einschätzung nichts. Erst Ende der neunziger Jahre, nach dem Regierungswechsel zu einer rot-grünen Koalition, ging die Überzeugung, dass die Kernenergie auf Jahrzehnte eine der tragenden Säulen der Energieversorgung sein wird, auf vierzig Prozent zurück. Auf diesem Niveau bewegten sich die Erwartungen auch noch im letzten Jahr.
Deutschland hat sich in der Regierungszeit von Rot-Grün auf einen massiven Ausbau der regenerativen Energien eingestellt. Im globalen Vergleich hat dieses Land daher einen Startvorteil gegenüber jenen Ländern mit Kernenergienutzung, die in der Stromproduktion wesentlich abhängiger von dieser Technologie sind. Es ist einfach aus der Ist-Situation in Frankreich, den USA oder Japan völlig illusorisch, dass diese Länder eine ähnliche kurzfristige 'Wende' wie in Deutschland einleiten könnten.

Zum Rest deines Beitrags muss ich mich erstmal weiter informieren, da ich meinem eigenen Anspruch treu bleiben und nicht mit gefährlichem Halbwissen in Spekulationen abdriften will. Die jetzt andiskutierte verstärkte Nutzung der Kohleenergie ist meiner Erinnerung nach nicht Bestandteil des vor Fukushima projektierten Ausstiegs aus der Kernenergie, sondern Teil der Überlegungen für einen noch beschleunigteren Zeitpfad bis zum Abschalten aller Reaktoren. Ich bin mir grad nicht mal sicher, ob diese Option pro Kohle, die eine Gefährdung der Klimaziele in Deutschland beinhaltet, wirklich bei den Grünen angesiedelt ist oder doch eher bei der SPD. Unumstritten ist dieser Kurs aber wohl nicht: Kohleausstieg bis 2030

Ich denke, es reicht erstmal von meiner Seite aus. Vielleicht mag sich ja Nathan erst nochmal zu Wort melden.

Grüsse galileo2609
 

Luzifix

Registriertes Mitglied
...irgendwo müssen die Milliarden Tonnen von CO2, die die Menschheit jährlich ausstösst, ja gelagert werden... Und im Gegensatz zu Atommüll ist Kontakt mit einem offenen CO2-Lager sofort tödlich (man google z.B. nach "Lake Nyos"...

Da bin ich hundertprozentig Deiner Meinung. Deswegen wird der Kohlenstoff (ohne das O²) bei meinem Vorschlag auch in PE gespeichert. Und substituiert gleichzeitig, um einen weltweiten ganzheitlichen Effekt zu erzielen, die CO²-intensive Zementindustrie. Daß Du als wissenschaftlicher Allrounder davon noch nichts gehört hast, freut mich ganz besonders, denn das ist ein starker Hinweis darauf, daß man diese Biotechnologie eines nicht fernen Tages in den USA teuer einkaufen wird. Die größte Gefahr dabei besteht übrigens darin, daß unkontrolliert modifizierte und freigesetzte Organismen das CO² aus der Atmossphäre völlig entfernen, selbst dann, wenn sie anaerob konstituiert sind. Aber zum Glück kann man das PE jederzeit in beliebigen Mengen wieder verbrennen, wenn nötig. (Es war auch vorgesehen, das PE als Verbund mit CO²-Schaum herzustellen oder Blasen aus CO² in den Bauelementen zu kapseln.) Als völlig ungefährlich kann man diese Technologie also auch nicht bezeichnen.

Vielleicht scheitert auch das an dem, was Gallileo oben über den Glauben an die technische Sicherheit gesagt hat. Die Politik kann den Willen der Massen jedenfalls nicht mehr so übergehen, wie das früher einmal der Fall war, nicht einmal im Namen der Vernunft. In Baden-Wü. bekommen sie jetzt anstelle eines Bahnhofes vielleicht das atomare Endlager. Ist doch auch was Schönes!
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Nur kurz, auf den Beitrag von galileo gehe ich später ein: @Luzifix: PE? Das Problem, dass jegliche Auftrennung von C und O Energie erfordert, die irgendwoher kommen muss (Sonne: Flächenintensiv, Stromnetz: Woher die Energie für signifikante Verändernungen der Zusammensetzung nehmen?), hast du leider nicht angesprochen.

In Baden-Wü. bekommen sie jetzt anstelle eines Bahnhofes vielleicht das atomare Endlager. Ist doch auch was Schönes!

Vielleicht sollten die Bürger von BW zusehen, dass sie kurz nach dem Bau des Lagers von Deutschland unabhängig werden. Mit einem solchen Atommülllager werden sie dereinst zum Saudi-Arabien des Zeitalters der Atommüllverbrennung... :)
 

Luzifix

Registriertes Mitglied
Das Problem, dass jegliche Auftrennung von C und O Energie erfordert, die irgendwoher kommen muss...

Ja natürlich, vom Standpunkt der Entropie her ist die Existenz von Menschen in milliardenstarken Populationen auch äußerst unwahrscheinlich. Ich hatte keine fertige Technologie vorgeschlagen sondern dazu aufgefordert, ein Forschungsprogramm bezüglich der Verwendung und Modifikationsmöglichkeiten ethylenproduzierender Mikroorganismen aufzulegen. Wie das die Enzyme im Detail zurechtwerkeln, das können vielleicht Experten erklären. Und die, das kennst Du vielleicht selber, sind grundsätzlich aufgeschlossen, solange dafür Gelder fließen.
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Hm... also PE = Polyethyhlen? Auch der Verweis auf die Menschen in milliardenstarken Populationen ist für mich hier eher kryptisch. Wäre gut, wenn du da einen Link einstellen könntest, damit wir sehen, wovon du redest. Wenn es Mikroorganismen sind, kommt die Energie von der Sonne - damit ist das ganze sehr flächenintensiv, muss bewirtschaftet und mit Wasser versorgt werden, etc. Es wäre viel effizienter, die selbe Fläche für Solarstrom zu verwenden und die Autos statt mit Algendiesel mit Strom fahren zu lassen: Das ist energieffizienter UND CO2-frei.

CO2-Rückgewinnung kann, bei der heutigen Energiesituation, nur eine minimale Rolle beim Kampf gegen die Klimaerwärmung spielen. Nichtdestotrotz hast du recht: Man sollte in solche Dinge investieren. So lange man dabei nicht den Fokus auf das drängenste Problem (nämlich die Bereitstellung grosser Mengen CO2-freien Stroms) verliert.
 
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