Zunächst freue ich mich über die in Gang gekommene Diskussion (immerhin bereits 13 Antworten).
Zu deinem Beitrag, galileo2609, möchte ich Folgendes bemerken.
ich gehe mal davon aus, dass du schwerpunktartig über die Zukunft der Fissionskraftwerke sprechen möchtest.
Ja, mir geht es tatsächlich vor allem um die Zukunft der Fissionskraftwerke in den nächsten Jahrzehnten, die für die Begrenzung des Klimawandels von besonderer Bedeutung sind. Ein kommerzielles Fusionskraftwerk wird es voraussichtlich nicht vor 2050 geben.
Was ich mir aber wünschen würde, ist eine entideologisierte Diskussion, zu der statements wie das folgende nicht recht passen:
hardy schrieb:
Und das trotz der Tatsache, dass Kernenergie kein CO2 produziert und somit klimaneutral ist.
Keine Form der Energieerzeugung ist CO2-neutral und die AKW mit Sicherheit auch nicht. Die Frage, die sich hier stellt, ist die relative Position der Kernenergie zu den anderen Energieerzeugungen.
Du hast recht damit, dass keine Form der Energieerzeugung CO2-neutral ist. Mein Statement, dass die Kernenergie klimaneutral sei, bezieht sich nur auf den Betrieb der KKW. Das entspricht der 'Ideologie', wonach z. B. Wind- oder Solarkraftwerke auch kein CO2 erzeugen. Es geht aber, wie du sagst, um die 'relative Position der Kernenergie zu den anderen Energieerzeugungen'.
Ich verlinke mal zwei (oberflächlich gesuchte) Quellen aus dem Jahr 2007:
Ich möchte vor allem auf den zweiten Link eingehen, weil er auf Untersuchungen am schweizerischen Paul Scherrer Institut (PSI) verweist, das ich ziemlich gut kenne.
http://gabe.web.psi.ch/research/lca
Die PSI-Forscher berechnen und vergleichen unter möglichst realistischen Bedingungen die Umweltbelastungen der verschiedenen Stromerzeugungstechniken. Sie betrachten dabei die gesamte Energiekette 'von der Wiege bis zur Bahre', bei der Kernenergie also vom Abbau des Uranerzes in den Minen über die Herstellung des Kernbrennstoffs bis und mit dem Bau der geologischen Tiefenlager für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle und dem Rückbau der Kernkraftwerke.
Die Ergebnisse der PSI-Forscher für Europa zeigen, dass die Kernenergie im Vergleich zu den regenerativen Stromerzeugungstechniken sehr gut abschneidet. Pro Kilowattstunde (kWh) werden folgende Mengen an CO2 erzeugt:
- Wasserkraft: 4 g CO2/kWh
- Kernenergie: 8 g CO2/kWh
- Windkraft: 17 g CO2/kWh
- Fotovoltaik: 78 g CO2/kWh
Untersuchungen anderer Institutionen, wie z. B. des Öko-Instituts, kommen auf CO2-Emissionen durch Kernkraft, die mehr als einen Faktor 10 über den Werten des PSI liegen.
Dazu ist zu sagen, dass die CO2-Bilanz der Kernenergie in erster Linie von der Urananreicherung bzw. von dem dafür benötigten Strom abhängt. Die KKW der meisten westeuropäischen Länder beziehen ihren Kernbrennstoff vorwiegend aus Anreicherungsanlagen mit Zentrifugen oder aus der französischen Gasdiffusionsanlage EURIDIF in Tricastin (F). Letztere benötigt pro kg angereichertes Uran etwa 40mal mehr Energie als eine moderne Zentrifugenanlage. EURODIF bezieht den Strom jedoch aus den benachbarten KKW, die praktisch CO2-frei produzieren, und nicht etwa aus Kohlekraftwerken.
Im ungünstigsten Fall – etwa bei der alten energieintensiven Gasdiffusionsanlage Paducah in den USA, die von einem Steinkohlekraftwerk versorgt wird – können die CO2-Emissionen der Energiekette auf rund 60 gCO2/kWh ansteigen, also etwa in die Grössenordnung der Energiekette der Solarzellen.
Mit den vorstehenden Bemerkungen wird auch klar, weshalb das Öko-Institut deutlich höhere CO2-Emissionen durch Kernenergie berechnet: Man unterstellt die jeweils ungünstigsten Bedingungen (Urananreicherung durch Gasdiffusion, Stromversorgung dieser Anlagen durch Kohlekraftwerke, ...). Ist das nicht auch 'Ideologie', galileo?
Gruss
hardy