Warum ist die Sonne kein Roter Zwerg?

Bynaus

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Ich muss hier Mahananda etwas rehabilitieren. Ich habe zwei interessante Arbeiten gefunden:

http://www.liebertonline.com/doi/pdfplus/10.1089/ast.2006.0127
http://www.liebertonline.com/doi/pdfplus/10.1089/ast.2006.0128

Hier wurde die Frage untersucht, wie sich Koronale Massenauswürfe (CME) von Roten Zwergen auf die Atmosphären von gebunden rotierenden und nur schwache Magnetfelder besitzenden potentiell lebensfreundlichen Planeten auswirken. ;)

Rote Zwerge besitzen zwar wie erwähnt nur einen schwachen Sternwind, aber diese CMEs haben es in sich: wenn ein Planet kein Magnetfeld hat, so kann das vom Stern freigesetzte Plasma tief in die Exosphäre des Planeten eindringen und dort Teile der Atmosphäre mitreissen. In Simulationen wurden dabei, je nach Abstand zum Stern, über grosse Zeiträume bis zu hunderte von Millibars der Atmosphäre "weggerissen". Magnetfelder sind wegen der gebundenen Rotation oft nur sehr schwach (immerhin dreht der Planet ca. einmal in 30 Tagen um die eigene Achse, so dass ein Restfeld bleibt), einige Prozent des Wertes auf der Erde. Die extreme UV/Röntgenstrahlung der Flares hilft beim Wegreissen der Atmosphäre, weil sie die obersten Atmosphärenschichten ionisiert, so dass diese dann leichter weggetragen werden.

Die Autoren schliessen daraus, dass zumindest erdgrosse Planeten mit erdähnlicher Atmosphäre und Temperatur bei Roten Zwergen als unbewohnbar gelten müssen. Sie schlagen jedoch vor, sich stärker auf supermassive Planeten von ca. 10 Erdmassen in dieser Zone zu konzentrieren. Solche Planeten hätten - gemäss den Autoren - trotz der Rotation ein starkes Magnetfeld, eine dichte Atmosphäre, die durch die höhere Gravitation auch kompakter ist, so dass die Exosphäre weniger ausgedehnt wäre und somit weniger den CMEs ausgesetzt wäre.

Das Rote-Zwerge-Problem bleibt also noch immer bestehen: Warum haben wir keinen "supermassiven" Heimatplaneten? Ein solcher würde auch seine Innere Wärme länger behalten und wäre während der anfänglichen Flare-Phase seines Sterns ohnehin eine Lava-Wüste (oder ein kochender, planetenumspannender Ozean). Doch nach einigen 10 Milliarden Jahren hätten sich sowohl Stern als auch Planet beruhigt und die Evolution hätte einige 10 Milliarden Jahre Zeit, eine Zivilisation hervor zu bringen.
 
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Mahananda

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Hallo Bynaus,

Die Autoren schliessen daraus, dass zumindest erdgrosse Planeten mit erdähnlicher Atmosphäre und Temperatur bei Roten Zwergen als unbewohnbar gelten müssen.

... und ich hatte doch recht! ;)

Warum haben wir keinen "supermassiven" Heimatplaneten?

Eigentlich hast du die Frage schon selbst beantwortet:

Doch nach einigen 10 Milliarden Jahren hätten sich sowohl Stern als auch Planet beruhigt und die Evolution hätte einige 10 Milliarden Jahre Zeit, eine Zivilisation hervor zu bringen.

So viel Zeit ist seit dem Urknall noch nicht vergangen. Aber dennoch: Ein Planet mit 10 Erdmassen ist verdammt nah an einem Gasriesen dran (Zur Erinnerung: Uranus hat 14 Erdmassen, Neptun 17). Ein solcher Planet hätte bei einer angenommenen Dichte von 5 kg/dm³ einen Radius von etwa 14.000 km. Die Atmosphäre wäre erheblich kompakter, so dass ein Wasserkreislauf möglicherweise nicht mehr zustande kommt (ab einem kritischen Druck von ca. 220 at ist die Dampfphase von der Flüssigphase nicht mehr zu unterscheiden - es gibt damit keine Wasseroberfläche mehr, sondern einen allmählichen Übergang von Gas zu Flüssigkeit).

Ein so massiver Körper würde wahrscheinlich prozentual mehr Wasser an sich binden als gewöhnliche terrestrische Planeten, weil die Chance des Entweichens von Wasser während der Entstehungsphase vermindert ist. Also wäre ein globaler Ozean von einigen hundert km Tiefe am ehesten zu erwarten. Für eine Hochtechnologie-Zivilisation sind das sehr ungünstige Startbedingungen.

Doch selbst wenn der Glücksfall eintreffen würde, dass nennenswerte Landmassen entstünden, würde es wegen der größeren Gravitation schwieriger sein, den Planeten zu verlassen. Das schließt eine Zivilisationsentwicklung zwar nicht aus, aber die Chancen für eine kosmische Entfaltung sind schlechter als auf der Erde.

Viele Grüße!
 

mac

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Hallo Mahananda,

... und ich hatte doch recht! ;)
Ja. Anders zwar, aber daß ein (erdgroßer) Planet durch Flares seine Atmosphäre verlieren kann, wußte ich nicht, auch wenn es im Nachhinein gar nicht so abwegig erscheint :eek:.

Ich denke aber, daß mit M=0,8M0 Runon und Alden schon weit jenseits dieser Gefahr liegen. ;)

Herzliche Grüße

MAC
 
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Bynaus

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So viel Zeit ist seit dem Urknall noch nicht vergangen.

Natürlich - aber gibt es einen speziellen Grund, warum wir also so "früh" dran sind, dass unsere Heimatwelt eben doch kein supermassiver Gesteinspanet um einen Roten Zwerg sein kann? Die typische Zivilisation auf einem solchen Planeten würde dann halt eben messen, dass seit dem Urknall, sagen wir, 25 Mrd Jahre vergangen sind.

Ein solcher Planet hätte bei einer angenommenen Dichte von 5 kg/dm³ einen Radius von etwa 14.000 km.

Gesteinsplaneten skalieren etwa mit M^0.27, das gibt ca. 24000 km Durchmesser.

Aber es müssen ja nicht zwingend 10 Erdmassen sein. 5 würden es wohl auch schon tun.

Also wäre ein globaler Ozean von einigen hundert km Tiefe am ehesten zu erwarten.

Möglich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher supermassiver Planet einen nicht allzu tiefen Ozean erhält (keine Ahnung, vielleicht wirft ein naher Gasriese alle eisigen Planetesimale aus dem System), muss einfach so klein sein, dass die grössere Verbreitung von Roten Zwergen "kompensiert" wird.

Für eine Hochtechnologie-Zivilisation sind das sehr ungünstige Startbedingungen.

Darüber gibt es allerdings divergierende Ansichten... ;)

würde es wegen der größeren Gravitation schwieriger sein, den Planeten zu verlassen.

Naja. Das ist letztlich ein vergleichsweise kleiner Unterschied. Zumal die Atmosphäre dichter und weniger hoch ist, könnten sich auf so einem Planeten atmosphärenstartende Raumfahrzeuge richtig lohnen!
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

... gibt es einen speziellen Grund, warum wir also so "früh" dran sind, ...

Der spezielle Grund ist unsere Sonne. G-Sterne haben ein kleineres Zeitfenster, und wenn irgendeine Möglichkeit besteht, innerhalb dieses Zeitfensters eine Biosphäre auszubilden, dann findet sich ein Angehöriger dieser Biosphäre auf einem sehr erdähnlichen Planeten wieder. Die K- und M-Sterne sind mit massiveren Planeten halt erst später dran, starten vielleicht jetzt erst mit ersten Protobionten und haben in fünf bis zehn Milliarden Jahren ihre große Zeit - wenn wir sie nicht dabei unterdrücken ...

Viele Grüße!
 

Bynaus

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Der spezielle Grund ist unsere Sonne.

Nein, du verstehst mich nicht. Ich weiss schon dass G-Sterne weniger langlebig sind als M-Sterne. ;)

Die K- und M-Sterne sind mit massiveren Planeten halt erst später dran, starten vielleicht jetzt erst mit ersten Protobionten und haben in fünf bis zehn Milliarden Jahren ihre große Zeit

Genau das ist der Punkt. Da es auch nach der Korrektur der Breite der bewohnbaren Zone immer noch mehr bewohnbare Planeten um Rote Zwerge geben sollte als um Gelbe (wie erwähnt ca. 2:1), sollten Zivilisationen auf diesen Rote-Zwerge-Planeten dominieren: die typische Zivilisation käme dann von einem solchen Planeten und würde entsprechend auch automatisch ein älteres Universum beobachten. Das kleinste beobachtbare Alter des Universums, das eine Zivilisation bestimmen kann, ist in diesem Modell also - vereinfacht gesagt - schlicht eine "Funktion" des Spektraltyps ihres Heimatsterns.

Das wiederum würde uns zu einer exotischen, frühen Zivilisation machen. Das ist zwar möglich, aber was, wenn wir sagen, wir gehen davon aus, dass wir bezüglich Planet und Heimatsterntyp typisch sind? (eine vernünftige Einstellung angesichts dessen, dass wir gar nichts über die Verteilung von Zivilisationen über die Sterntypen wissen) Darum geht es mir ja bei der ganzen Sache. In dem Fall müsste einfach ein Grund da sein, warum Rote Zwerge - egal zu welchem Zeitpunkt - niemals viele Zivilisationen beherbergen können. Gründe dafür hast du ja z.B. in deinem letzen Beitrag genannt, ich weiss bloss nicht, ob sie ausreichend sind oder ob wir nicht doch so etwas wie die im Artikel auf meiner Seite genannten Replikatorkatastrophen (oder sonstwelche Eingriffe in die Wahrscheinlichkeit des künftigen Universums, Leben hervorzubringen) in Betracht ziehen müssen.
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

In dem Fall müsste einfach ein Grund da sein, warum Rote Zwerge - egal zu welchem Zeitpunkt - niemals viele Zivilisationen beherbergen können.

Vielleicht gibt es diesen Grund gar nicht, aber wir können das bisher noch nicht feststellen, weil noch nicht genug Zeit vergangen ist. Wäre das Universum zehn Milliarden Jahre älter, würden wir vielleicht feststellen können, dass Zivilisationen um M-Sterne der Regelfall sind und dass wir als G-Stern-Habitat-Bewohner die Abweichung von der Norm darstellen. Das Problem ist, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entscheiden können, ob es gewichtige Gründe gibt, dass M-Sterne keine Zivilisationen hervorbringen können.

Wenn es im Universum Zivilisationen gibt, dann ist derzeit die G-Stern-Variante am häufigsten vertreten und somit stellen wir statistischen Durchschnitt dar. Wenn die kurzfristig entstandenen Zivilisationen auf ihr Heimatsystem beschränkt bleiben (vielleicht, weil die relativ kurze Lebensdauer des Heimatsterns im Durchschnitt eine Entwicklung zur Raumkolonisation nicht zulässt), dann hätten die später entstehenden Zivilisationen infolge des längeren Entwicklungszeitfensters die Chance, in aller Ruhe galaktische und möglicherweise sogar intergalaktische Siedlungsprogramme durchzuführen. Und wenn diese sich begegnen, werden sie durch Vergleich von der M-Stern-Normalität ausgehen.

In diesem Fall kann es durchaus sein, dass wir die frühen Exoten im Universum sind und sich die Annahme, wir seien durchschnittlich, als falsch erweist. Bis zum Nachweis des Gegenteils gehen wir aber üblicherweise von unserer Durchschnittlichkeit aus. Das Heranziehen von Replikatorkatastrophen erscheint mir allerdings verfrüht. Es ist ja noch nicht einmal erwiesen, ob sie vielleicht verfehlt ist ;)

Viele Grüße!
 

mac

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Hallo,

1:2 ist ja so exotisch nicht, daß man sich schon wundern müßte, oder?

statistisch geladene Grüße :D

MAC
 

Bynaus

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@mac: Du hast schon recht, seit du die Sache mit den Breiten der bewohnbaren Zone eingebracht hast, bewege ich mich hier auf vergleichsweise dünnem Eis, wenn ich das Wort "unwahrscheinlich" / "untypisch" benutze...

@Mahananda:

Vielleicht gibt es diesen Grund gar nicht, aber wir können das bisher noch nicht feststellen, weil noch nicht genug Zeit vergangen ist.

In dem Fall wären wir aber untypisch.

dann hätten die später entstehenden Zivilisationen infolge des längeren Entwicklungszeitfensters die Chance, in aller Ruhe galaktische und möglicherweise sogar intergalaktische Siedlungsprogramme durchzuführen.

"Siedlungsprogramme" von M-Zivilisationen mit Milliarden von Kolonien würden den Anteil der G-Zivilisationen an der Gesamtzahl noch weiter drücken und den Bedarf nach einem "Grund" / einer "Erklärung" für unseren G Heimatstern nochmals erhöhen. Dieses Argument hilft also nicht (bzw., es macht nur Sinn, wenn wir untypisch sind).
 

MGZ

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Prinzipiell sollte man auch die Möglichkeiten von Gesteinsmonden von Gasriesen um G-Klasse-Sterne mit in die Überlegung einbeziehen. Kann ein Gasriese ein so starkes Magnetfeld haben, dass es seine Monde wirksam vor Sternenausbrüchen schützt? Ich bezweifle es.
Da fällt mir noch eine Möglichkeit ein, warum sich keine Aliens melden:
Vielleicht leben sie vorwiegend in Systemen mit einem schweren Neutronenstern mit starkem Magnetfeld, einem G-Stern und einem Planeten, der direkt an den Neutronenstern gebunden ist. Der dürfte natürlich nicht im Röntgenkegel liegen und der Neutronenstern sollte auch sonst friedlich sein.
Durch das enorme Magnetfeld würde sich die Chemie auf dem Planeten drastisch ändern, sodass die Aliens nicht weg können. :D
 

jonas

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Vielleicht leben sie vorwiegend in Systemen mit einem schweren Neutronenstern mit starkem Magnetfeld, einem G-Stern und einem Planeten, der direkt an den Neutronenstern gebunden ist.
Ein Neutronenstern hat sein Leben in einer Supernova ausgehaucht. In einem solchen System kann ich mir dann keine Planeten mehr vorstellen.
 

Mahananda

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Hallo Bynaus,

so ganz verstehe ich dein Problem anscheinend doch noch nicht. Die Annahme, wir seien typische Durchschnittsbewohner ist allein dem Umstand geschuldet, dass sich das Gegenteil bislang nicht nachweisen lässt. Oder verschärfter: Wir nehmen an, wir seien typisch, auf Grund des kompletten Fehlens von Vergleichsdaten, die diese Annahme einschränken könnten. Wir könnten mit demselben Argument jedoch auch annehmen, wir seien untypisch. Insofern ist das Argument keine Hilfe. Der Nachweis, ob die Annahme unserer Durchschnittlichkeit zutreffend ist, kann nur erbracht werden, wenn Vergleichsdaten zu anderen Zivilisationen vorliegen. Ich will das hier nicht vertiefen, weil das an anderer Stelle schon mal diskutiert wurde, aber ohne "verwertbare", sprich "harte" Daten bleibt es beim Nebelstochern. Die Vermutung, wir seien typisch, ist zwar nicht unvernünftig, bleibt aber eine wohlwollende Annahme, die ich persönlich zwar nicht teile (Ich interpretiere das Fehlen "harter" Daten anders.), aber als Diskussionsgrundlage akzeptiere. Allerdings befürchte ich, dass wir aus den Gründen, die ich nachfolgend anführe, keine Argumente für oder gegen unsere Durchschnittlichkeit gewinnen können.

In dem Fall wären wir aber untypisch.

Nicht unbedingt, denn ich schrieb:

Wenn es im Universum Zivilisationen gibt, dann ist derzeit die G-Stern-Variante am häufigsten vertreten und somit stellen wir statistischen Durchschnitt dar.

Auf lange Sicht kann sich das aber ändern, da sich dann das Zeitfenster für M-Sterne öffnet, wenn die Überlegungen hinsichtlich Flare-Aktivität zutreffend sind. Das heißt, dass wir die "Frühchen" sind, kann gar nicht anders sein, da das G-Stern-Zeitfenster das erste ist, das Hochtechnologiezivilisationen (kurz: HTZ) überhaupt zulässt. Und damit sind wir derzeit Durchschnitt. Wenn einer jetzt existierenden HTZ der Durchbruch zu interstellaren Reisen gelingt, dann kann es sein, dass sie alle übrigen HTZ überflügelt und dominiert, die anderswo autochthon entstanden sind - muss aber nicht. Das kann sich auch auf M-Stern-Habitate auswirken, so dass dort die autochthone Entwicklung unterdrückt wird - muss aber ebenfalls nicht. Dasselbe Argument gilt natürlich auch umgekehrt: Wenn M-Stern-HTZ beginnen aktiv zu werden, weil ihre zeitlichen Vorläufer (also solche wie wir) es "versäumt" haben, sie zu unterdrücken, dann gewinnen sie allein auf Grund ihrer größeren Verteilungsdichte nach und nach die Überzahl und lösen uns als Mainstream ab. Insofern ist dein Einwand

"Siedlungsprogramme" von M-Zivilisationen mit Milliarden von Kolonien würden den Anteil der G-Zivilisationen an der Gesamtzahl noch weiter drücken und den Bedarf nach einem "Grund" / einer "Erklärung" für unseren G Heimatstern nochmals erhöhen.

nicht stichhaltig, weil das "Drücken" zeitversetzt auftritt.

Viele Grüße!
 
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Bynaus

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Oder verschärfter: Wir nehmen an, wir seien typisch, auf Grund des kompletten Fehlens von Vergleichsdaten, die diese Annahme einschränken könnten. Wir könnten mit demselben Argument jedoch auch annehmen, wir seien untypisch.

Nein, eigentlich nicht. Denn es gibt sehr viel mehr typische als untypische Zivilisationen im Universum. Die Vermutung, dass wir in irgend einer Hinsicht typisch sind, wird also in mehr Fällen von Erfolg gekrönt sein als nicht. Natürlich wissen wir dummerweise nicht, in welchen Fällen ;) das heisst, wir wissen nicht, ob die Frage des gelben / roten Heimatsterns ein solcher Fall ist, in dem wir richtig liegen würden mit der Annahme, dass wir typisch sind - oder eben nicht. Das ist nicht entscheidbar. Aber wenn uns als Alternative das Raten bleibt (in diesem Fall: 50:50), dann liegt man mit der Annahme, dass man typisch ist, im Schnitt aller dieser "Voraussagen" häufiger richtig als mit raten. Also ist es vernünftiger, diese Strategie einzuschlagen.

Auf lange Sicht kann sich das aber ändern, da sich dann das Zeitfenster für M-Sterne öffnet, wenn die Überlegungen hinsichtlich Flare-Aktivität zutreffend sind. Das heißt, dass wir die "Frühchen" sind, kann gar nicht anders sein, da das G-Stern-Zeitfenster das erste ist, das Hochtechnologiezivilisationen (kurz: HTZ) überhaupt zulässt. Und damit sind wir derzeit Durchschnitt.

Es geht nicht um den jetzigen Durchschnitt - das wäre doch viel zu anthropozentrisch. "Typisch" umfasst alle Zeiten des Universums. Stell dir vor, du könntest von jeder intelligenten Spezies, die jemals existiert hat, existiert und existieren wird ein Exemplar in einem (grossen ;) ) Raum versammeln, und dann eine Umfrage starten, wie sich ihnen in ihrer Zeit auf ihrem Planeten die Dinge so darstellen. Wenn nun M-Zivilisationen typisch sind, dann werden die meisten Vertreter sagen, "Wir beobachten ein Universum, das 30 Mrd Jahre alt ist, unser Planet hat 6 Erdmassen und unsere Sonne ist ein M-Zwerg" (so was in der Art). Dann wären da noch so ein paar Exoten wie die Menschheit, die sagen, "Na so was, unser Universum ist erst 14 Mrd Jahre alt, unser Planet hat 1 Erdmasse und unsere Sonne ist ein G-Zwerg". Ein Raunen geht durch den Raum: "Wow, die sind aber extrem - so früh dran, so einen winzigen Planeten und dann noch ein so seltenen Sterntyp als Heimatsonne... Fast so exotisch wie diese Pulsarspezies aus der Sombrero-Galaxie..." :)

Oder aber wäre es doch so, dass das von den Vertretern gemeldete, beobachtete Alter des Universums bei ca. 14 Mrd Jahren läge und die Heimatsterne im grossen und ganzen G-Zwerge wären?

(beides ist jetzt natürlich stark vereinfacht dargestellt: natürlich gäbe es in beiden Fällen eine gewisse Verteilung über Sterntyp, Planetenmasse und Alter des Universums - doch der Schwerpunkt liegt anders, und darum geht es)

Im ersten Szenario gehören wir einer Minderheit an, dafür gibt es keinerlei Erklärungsbedarf, warum M-Zwerge so "lebensfeindlich" sind: sie sind es gar nicht. Im zweiten Szenario sind wir keine Minderheit, aber es besteht Erklärungsbedarf.

Im Replikatorkatastrophenszenario (das steht im übrigen nur stellvertretend für jedes beliebige andere Szenario mit dem gleichen Effekt) besteht ebenfalls kein Erklärungsbedarf, denn auch hier wären M-Zwerge eigentlich lebensfreundlich, bekommen aber einfach nie Gelegenheit, Zivilisationen hervorzubringen.

EDIT: Ich muss noch etwas anfügen, betreffend dem Replikatorszenario. Wir denken, heute zu wissen, dass seit etwa 6 Mrd Jahren erdähnliche Planeten überhaupt erst möglich sind. Das heisst, wenn unsere Evolutionsgeschwindigkeit hin zur Zivilisation in etwa typisch ist für diejenigen Planeten, auf denen sich überhaupt jemals irgend eine Zivilisation entwickelt, dann könnten andere Zivilisationen uns in etwa 1.5 Mrd Jahre voraus sein. Wenn wir annehmen, dass sich die Replikatoren irgendwann mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, würde das "Gründerzivilisationen" im Umkreis von 1.5 Mrd Lichtjahren ausschliessen (bei geringeren Ausbreitungsgeschwindigkeiten der Replikatoren wäre diese Entfernung natürlich geringer, bei, sagen wir, 10% c sind es auch nur 150 Mio Lichtjahre). Wenn man nun Abstände von Mrd (oder, bei geringeren Geschwindigkeiten, 100erte Mio) Lichtjahren zwischen "Gründerzivilisationen" für unglaubwürdig hält, dann ist wohl auch das Replikatorenszenario (oder allgemein das "Zerstörungsszenario") unglaubwürdig. Sind die Abstände nämlich deutlich geringer, dann hätte längst irgend eine der "Gründerzivilisationen" in unserem Vergangenheitslichtkegel, die noch früher dran waren als wir auf die Idee kommen können, Replikatoren zu bauen, bzw. es ist unwahrscheinlich, dass diese Erfindung für Mrd Jahre / 100erte Mio Jahre einfach überall ausblieb.
 
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Mahananda

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Im ersten Szenario gehören wir einer Minderheit an, dafür gibt es keinerlei Erklärungsbedarf, warum M-Zwerge so "lebensfeindlich" sind: sie sind es gar nicht. Im zweiten Szenario sind wir keine Minderheit, aber es besteht Erklärungsbedarf.

O.K., das habe ich jetzt verstanden :)

Das hier aber nicht:

Aber wenn uns als Alternative das Raten bleibt (in diesem Fall: 50:50), dann liegt man mit der Annahme, dass man typisch ist, im Schnitt aller dieser "Voraussagen" häufiger richtig als mit raten.

und ich sehe keinen Weg, den Grad der Richtigkeit dieser Annahme zu bestimmen, so lange uns verwertbare Daten fehlen. Wenn "typisch" bedeuten soll, auch die zukünftige Entwicklung einzubeziehen und M-Sterne potenziell lebensfreundlich sind, dann sind wir naturgemäß "extrem" und stellen eine - nicht erklärungsbedürftige - Ausnahme dar. Wenn zudem das Replikatorenszenario gelten soll, dann stellen wir - wiederum nicht erklärungsbedürftig - keine Ausnahme dar. Mir ist unklar, auf welchem Weg man hier eine Entscheidung treffen kann, da uns der Blick rückwärts auf vollzogene Entwicklungen noch nicht möglich ist - ich habe da leider keine zündende Idee :(

Viele Grüße!
 

Bynaus

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und ich sehe keinen Weg, den Grad der Richtigkeit dieser Annahme zu bestimmen, so lange uns verwertbare Daten fehlen.

Natürlich können wir das nicht.

Für diesen Fall eignet sich das von mir so häufig gebrauchte Urnenbeispiel. Stell dir vor, du stehst vor einer Urne mit Losen drin, du hast aber keine Ahnung wie viele es sind. Alle Lose sind durchnummeriert. Nun greifst du hinein und ziehst EIN EINZIGES Los und schaust dir die Nummer an.

Sagen wir, sie wäre "2053".

Wieviele Lose sind wohl in der Urne?

a) Genau 2053.
b) einige tausend
c) einige Trilliarden

Natürlich kann jeder Fall an sich zutreffend sein. Trotzdem wird in den allermeisten Fällen b) zutreffend sein: nur dort ist die Stichprobe in etwa "typisch". Genauso ist es mit den Zivilisationen: da wir schon - und das ist die einzige Stichprobe einer Zivilisation, die wir haben, genauso wie du im Beispiel oben nur ein einziges Los hast - einen G-Zwerg als Stern haben, wird das wohl einigermassen typisch sein.

Die Ursprungsfrage des Threads kommt nur deshalb auf, weil das, was wir über die Natur zu wissen glauben, nicht unbedingt die Sicht, wir seien typisch mit unserem G-Zwerg, unterstützt. Etwa so, wie wenn die Urne 100 m Kantenlänge hätte und randvoll mit Losen wäre, wir aber trotzdem das Los "2053" gezogen hätten... Dann stünde man genauso vor der Wahl, dass man entweder zufälligerweise ein sehr kleines Los gezogen hat (man ist untypisch), oder dass die grosse Mehrheit der Lose in der Megaurne "nicht ziehbare" Nieten sind... (man ist typisch, aber es gibt eine andere Erklärung für die beobachtete Diskrepanz)
 

Mahananda

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Die Ursprungsfrage des Threads kommt nur deshalb auf, weil das, was wir über die Natur zu wissen glauben, nicht unbedingt die Sicht, wir seien typisch mit unserem G-Zwerg, unterstützt.

Genau. Aber was heißt in diesem Zusammenhang "nicht unbedingt"? Es kann sein, dass sich M-Zwerge als typisch erweisen, wenn genügend Zeit vergangen ist, es kann aber auch das Gegenteil eintreten. Wenn wir in unserer Naturerkenntnis weiter fortschreiten, finden wir vielleicht Gründe, warum M-Sterne per se lebensunfreundlich sind (u.a. aus Gründen, die ich weiter oben dargelegt hatte und darüber hinaus solche, die wir noch nicht kennen). Dann bleiben G-Sterne die wahrscheinlichsten Kandidaten für Biosphären, ohne zivilisatorische Effekte berücksichtigen zu müssen. Finden wir diese Gründe nicht, dann müssten wir abwarten, ob sich M-Sterne als Brutstätten von HTZ erweisen - zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir das einfach noch nicht beurteilen, weil die M-Sterne noch nicht "herangereift" sind.

Das Problem ist doch, dass wir aus unserer Binnenperspektive (noch) keinen anderen als anthropozentrischen Maßstab anlegen können, und daher (noch) keine Möglichkeit haben, zu beurteilen, ob und in welchem Maße wir dabei möglicherweise falsch liegen. Dieses Dilemma wird sich auf absehbare Zeit leider nicht auflösen lassen, so dass wir hier dazu verurteilt sind, im eigenen Saft zu schmoren. Was wir brauchen, sind verwertbare Daten über existierende andere Zivilisationen. So lange die ausbleiben, ist alles was wir uns hier aus den Fingern saugen nur graue Theorie - zugegebenermaßen nicht frei daherphantasiert, sondern mit plausiblen Gründen erwogen.

Viele Grüße!
 

Bynaus

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Dieses Dilemma wird sich auf absehbare Zeit leider nicht auflösen lassen, so dass wir hier dazu verurteilt sind, im eigenen Saft zu schmoren. Was wir brauchen, sind verwertbare Daten über existierende andere Zivilisationen. So lange die ausbleiben, ist alles was wir uns hier aus den Fingern saugen nur graue Theorie - zugegebenermaßen nicht frei daherphantasiert, sondern mit plausiblen Gründen erwogen.

Dem kann ich vollumfänglich zustimmen. :)
 
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