Bitte eure Meinung zu einem Artikel

Planetologist

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Hi,

mein "Heimathafen" ist die Planetologie (ich bin Geologe) und bin daher gerade bei der Kosmologie auf Sekundaerliteratur angewiesen. Ich habe soeben einen Artikel in der NZZ gelesen:

http://www.nzz.ch/nachrichten/wisse...l_der_kosmologie_unter_beschuss_1.704811.html

Was haltet ihr davon? Sowohl Buchert als auch Raesaenen und Wiltshire scheinen mir serioese Kosmologen zu sein.

Kann ich auf diesen Artikel in einem Astronomievortrag verweisen oder denkt ihr dass das Quatsch mit Sosse ist?

Cheers, Marc
 

Bynaus

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Von Wiltshire gibts schon frühere Publikationen zum Thema. Ich habe deswegen (als die Sache mit den "Uhrendifferenzen" im Januar zum ersten Mal aufgekommen ist) dem Kosmologen Ned Wright (bekannt für sein "Cosmology Tutorial") eine E-Mail geschrieben.

Aus seiner Antwort:

Unfortunately this paper Leith, Ng & Wiltshire (2008, ApJL, 672, L91)
(http://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/527034) is completely
wrong. We already know about clock rate differences between voids and
clusters, and they are due to the gravitational potential differences and
are called the gravitational redshift. These clock rate differences
generate the gravitational accelerations that we see. Since the
gravitational potential differences are only about 1E-5 of c^2, then clock
rate differences are too small to do what Wiltshire claims. But Wiltshire
claims clock rate difference of 38%, which is 38,000 times what is
expected. Presumably this means the late integrated Sachs-Wolfe effect
will be too large since it is proportional to the clock rate difference.
The CMB peak heights have not been computed for this model, but the claim
is made that the sound horizon and the luminosity distance for SNe work
out correctly. But none of the relevant formulae are included in this
Letter.

Zumindest auf Wiltshire würde ich mich also nicht unbedingt verlassen bzw. das ganze mit etwas Skepsis sehen.

Die anderen beiden kenne ich nicht, ihr Modell scheint mir aber gar nicht mal so unplausibel (aus "Laiensicht"), zumindest macht es nicht so extreme Voraussagen wie jenes von Wiltshire.

Mir persönlich wäre es recht, wenn man die beschleunigte Expansion begraben könnte. ;)
 

Planetologist

Registriertes Mitglied
Danke fuer deine Meinung.

Die anderen beiden kenne ich nicht, ihr Modell scheint mir aber gar nicht mal so unplausibel (aus "Laiensicht"), zumindest macht es nicht so extreme Voraussagen wie jenes von Wiltshire.

Genau da liegt mein Problem: Wenn ich den Artikel in der NZZ lese, scheint mir das Ganze plausibel zu sein - aber ich kann beim besten Willen nicht beurteilen, ob das nun jetzt "fundiert" ist oder nicht.

Cheers, Marc
 

McSteve

Registriertes Mitglied
Was macht...

Hallo, Planetologist !

Frage von einem Laien: Was macht ein Planetologist, bzw. was machst Du da genau und was ist Dein "Steckenpferd" in dem Sektor?

Vorsicht! Frage mit Hintergedanken :)) Ich bin verantwortlich für das Thema "2 Sonnen und ein Doppelschatten"

Liebe Grüße

Stefan
 

Nathan5111

Registriertes Mitglied
Hallo Marc,

ich würde mich Bynaus' vorsichtiger Aussage anschließen. Die NZZ halte ich für ein seriöses Blatt, nicht jedoch für ein physikalisches Fachblatt. Der Artikel scheint mir gut recherchiert, und ich denke, man kann ihn zitieren, aber nicht als Argument gegen Dunkle Energie sondern als Beleg dafür, dass im kosmologischen Bereich bei weitem noch nicht das vorletzte Wort gesprochen ist.
Auch 'wir hier' sind nicht die absoluten Profis, sondern interessierte, vorgebildete Beobachter knapp vor der 'ersten Reihe'.

@Bynaus
Die Aussage von Ned Wright wiegt natürlich schwer, ich kann sie nicht überprüfen, mein mathematisches Handwerkzeug reicht da nicht mehr aus.
Das zitierte Verhalten
Andere Kosmologen begnügen sich mit dem Hinweis, dass das Konkordanzmodell mit verschiedenen Beobachtungen im Einklang stehe und es daher keiner Alternative zur dunklen Energie bedürfe.
halte ich jedoch ebenfalls nicht für angemessen.

Gruß Nathan
 

komet007

Registriertes Mitglied
guten Abend

ich hatte vor längerer Zeit in diesem Forum die Idee geäußert, dass die Expansion alleine auf die Struktur der Universums, also eines geometrischen Effektes zurückzuführen sein könnte. Die Expansion würde auf großen Skalen dadurch begünstigt, dass die Fäden, in denen sich die Galaxien aufreihen, aufgrund der gravitativen WW immer dünner und dabei länger werden, wodurch das Universum letztendlich expandieren müsste.

Syksy Räsänen beschreibt im nachfolgenden Zitat den Beginn dieser Phase, welche letztendlich in den Galaxienfäden endet, worin sich der Expansionseffekt räumlich immer weiter verstärkt, so zumindest meine Interpretation daraus.

Das wesentliche Prinzip lasse sich allerdings auch mit einer simplen Überlegung plausibel machen. Wenn sich die ursprünglich homogen verteilte Materie irgendwo zu verdichten beginne, so verlaufe die Expansion in dieser Region langsamer als im Mittel. Das Gegenteil sei in jenen Regionen der Fall, aus denen die Materie abgezogen werde. Da das Volumen der unterdichten Regionen schneller wachse als das der überdichten, dominierten diese die Ausdehnung mehr und mehr – mit dem Resultat, dass die mittlere Expansionsrate zunehme.

Dass sich die Materie aus den Vakuumräumen in den Galaxienfäden angesammelt hat, muss also ebenfalls zu einer Expansionsphase geführt haben. Ganz ohne Dunkle Energie kommt dieses Modell meiner Ansicht nach allerdings nicht aus, wobei die DE im Wesentlichen "nur" noch für die Inflationsphase relevant wäre, nicht aber für die heute beobachtbare zunehmende Beschleunigung, womit sich das Skalenproblem weitgehend auflösen würde.

Gruß
 

Nathan5111

Registriertes Mitglied
Hallo komet007,

ich hatte mir diesen Vorgang als 'räumliche Konvektion' vorgestellt: in den Voids quillt 'Raum' hervor, in den Cluster-Strukturen läuft 'er' wieder zusammen, das Ganze ergäbe dann differierende Expansionsraten.
Aber, wie gesagt, das ist mein Bild für meinen eigenen Bedarf.

Gruß Nathan
 

komet007

Registriertes Mitglied
Hallo komet007,

ich hatte mir diesen Vorgang als 'räumliche Konvektion' vorgestellt: in den Voids quillt 'Raum' hervor, in den Cluster-Strukturen läuft 'er' wieder zusammen, das Ganze ergäbe dann differierende Expansionsraten.
Aber, wie gesagt, das ist mein Bild für meinen eigenen Bedarf.

Hallo Nathan

Nachdem ich das erste Rechenmodell vom MPA über die Struktur unseres Universums gesehen habe, war für mich die Sache, wie die Expansion in anderer Art und Weise vonstatten gehen könnte, eigentlich klar. Es hat mit den Voids zu tun und mit der Tatsache, dass sich die gravitativen Verhältnisse im Universum verlagert haben, nachdem sich die Strukturen immer weiter ausbildeten. Das heisst, es muss definitiv eine Auswirkung haben, dass es in den Voids immer weniger Gravitation gibt, da hier die Materie abgezogen wurde und sich spinnennetzartig formiert hat.
Für mich ist es eine Frage der geometrischen Betrachtungsweise, wenn ich mir vor Augen halte, dass im Grunde die Materie, die zuvor relativ gleichmäßig im Universum verteilt war, begonnen hat zu kondensieren, und eine kompakte Struktur aufzubauen. Wenn ich mir diese Strunktur nun ansehe, so handelt es sich beim Universum um ein geschlossenes Objekt, das sich aufgrund gravitativer Verlagerung strukturell verändert; das Resultat ist, dass sich die gesamte Struktur aufdehnt, was wir letzendlich als beschleunigte Expansion wahr nehmen. Bis sich eben die Struktur ausgebildet hatte, wie wir sie heute beobachten, war die Expansionsrate relativ langsam, was man ja auch beobachtet. Als sich die Form des Universums in den letzten 5 Mrd. Jahren letztendlich vollständig ausgebildet hatte, streckte sich die Struktur immer schneller, da die Voids immer mehr Volumen einnahmen, die Gravitation darin immer schwächer wurde und die Materie (baryonische und dunkle) nun vollständig in die Struktur aufgenommen war.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das Universum immer noch nicht als das betrachten, was es ist, nämlich ein kompaktes, sich ständig veränderndes Objekt, unter möglicherweise vielen anderen. Auch unser Universum ist nicht einmalig, so wie unsere Erde noch vor kurzem. ;)
 

Planetologist

Registriertes Mitglied
Danke fuer eure Meinungen und die Erklaeuterungen.

@McSteve: als Geologe habe ich natuerlich einen sehr starken Bezug zu Oberflaechenstrukturen in unserem Planetesystem - aber ich interessiere mich generell fuer Planetologie. Waehrend meiner Studienzeit habe ich auch einmal Edelgase des Gold - Basin Meteroiten Spektrometrisch untersucht und habe mir echt ueberlegt, ob ich in die Planetologie als Beruf einsteigen soll. Dann hat aber doch die "Vernunft" (Geld) gesiegt und ich arbeite jetzt als beratender Hydrogeologe fuer die Minenindustrie - spezialisiert auf Tiefbohrungen und Untertagebau.
 

Orbit

Registriertes Mitglied
Hallo Planetologist
arbeite jetzt als beratender Hydrogeologe fuer die Minenindustrie
Dann sagen Dir bestimmt die jüngsten Erdbeben von Basel etwas.
Darfst Du Dich hier dazu äussern? Würde mich sehr interessieren, wie Du das beurteilst.
MfG Orbit
 

Planetologist

Registriertes Mitglied
Hi Orbit,

natuerlich darf ich mich dazu aeussern - ich bin schliesslich nicht in dieses Projekt involviert. Gib mir ein bisschen Zeit...
 

UMa

Registriertes Mitglied
Hallo Marc,

ich bin auch sehr skeptisch, dass sich die dunkle Energie durch ein inhomogenes Modell verflüchtigt. Ich kann es aber nicht nachrechnen. Andererseits läuft das Licht zweier Supernovae, dass bei uns fast zeitgleich und fast aus der gleichen Richtung kommt aber verschiedenen Entfernungen, den letzten Teil der Strecke praktisch parallel. Abweichungen der Rotverschiebung und der Helligkeit sollten also für den gemeinsamen Teil nicht allzuverschieden sein.

Grüße UMa
 

Planetologist

Registriertes Mitglied
Da die ganze Geschichte mit Deep Heat Mining in Basel nicht zu diesem Thread gehoert, werde ich einen neues Thema unter "Ueber den Tellerrand" eroeffnen.

Marc
 

komet007

Registriertes Mitglied
Andererseits läuft das Licht zweier Supernovae, dass bei uns fast zeitgleich und fast aus der gleichen Richtung kommt aber verschiedenen Entfernungen, den letzten Teil der Strecke praktisch parallel.

Hallo UMa

Mit einer Fehlertoleranz von nahezu 10% bei SN1A Messungen, ist es auch noch zu früh, um exakte Aussagen über die Homogenität der Expansion zu treffen. Die einzige Aussage aus den Daten, welche mit allergrößter Wahrscheinlichkeit zutrifft, ist eben eine beschleunigte Expansionsrate.

Abweichungen der Rotverschiebung und der Helligkeit sollten also für den gemeinsamen Teil nicht allzuverschieden sein.

Das verstehe ich nicht ganz.
 
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