Urknalltheorie - was ich als Laie nicht verstehe ....

neuron

Registriertes Mitglied
hallo zusammen,

ersteinmal lob :D für dieses glungene forum. ich habe mich bereits ein bisschen durch die threads gelesen, bitte trotzdem um eure 'nachhilfe' bzgl. verständnis der urknalltheorie:

was ich genau nicht ganz verstehe, ist, warum man, sofern man die urknalltheorie des expandierenden universums entstanden aus einer 'ur-singularität' - oder einer zumindest konzentrierten region - akzeptiert, warum man dann diesen entsteheungspunkt/die entstehungsregion im raum nicht lokalisieren kann ...

ich habe soweit verstanden, dass man dabei nicht an eine herkömmliche explosion mit explosionskern denken darf, sondern dass das 'tue einen schlaffen luftballon in ein vakuum'-modell oder 'rosinenkuchen-modell' eher hilfreich ist, dennoch:

müßte die region oder das gedachte zentrum, nicht irgendwie herleitbar sein ?
wenn man die beobachtungen heranzieht

- je weiter entfernt eine galaxie ist, desto schneller entfernt sie sich vom betrachter, und
- die galaxienbewgungen sind meines wissens (bitte korrigieren, falls nicht stimmig) nicht rein chaotisch und haben einen bewgungsimpuls erhalten,

dann müßte doch beim rückverfolgen z.b. 10 verschiedener galaxien im raum ein punkt/eine region herleitbar sein, an dem diese galaxien sich zum zeitpunkt t(null) befunden haben, oder ? galaxien einer gruppe (z.b. lokale gruppe, virego-haufen) 'fliegen' ja auch gemeinsam durchs all (ähnlich explosionstrümmern) und haben den gemeinsamen bewegungsimpuls erhalten ...

danke vorab für eure erklärungen und denkansätze .... :eek: :eek: :eek:

gruß,
neuron
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Schau dir die Animation auf der folgenden Seite an:

http://www.atlasoftheuniverse.com/bigbang.html

Es gibt keinen "Punkt", von dem die Expansion ausgeht. Jeder Punkt ist quasi gleichberechtigt, sich als "Mittelpunkt" des Universums zu fühlen. Eine Annäherung an dieses Modell bekommst du, wenn du einen schlaffen Ballon aufbläst, wobei unser Universum durch die OBERFLÄCHE des Ballons dargestellt wird (es fehlt eine Dimension, aber dafür wird das ganze vorstellbar). Jeder Punkt auf der Oberfläche entfernt sich von den anderen, aber keiner steht tatsächlich im Zentrum der Expansion.

Tatsächlich könnte es sein, dass sich das Universum wie in diesem "Ballonmodell" in sich selbst zurückkrümmt, also dass man in eine bestimme Richtung reisen kann, und irgendwann zum Ursprungsort zurück kommt. Messungen dieser Krümmung bestätigen, dass der Ballon in diesem Fall einen "Umfang" von mindestens 150 Milliarden Lichtjahren haben müsste. Möglicherweise ist das Universum aber auch flach, das heisst, der Radius des Ballons ist unendlich, womit du wieder ein Bild hättest, wie es in der Illustration der oben verlinkten Seite zu sehen ist.

Die Eigenbewegungen der Galaxien sind sehr klein gegenüber der Expansionsgeschwindigkeit des Universums, zumindest auf grosse Distanzen. Zudem ist das ganze recht chaotisch (Galaxien verschmelzen miteinander, und dies lässt sich später nicht mehr zweifelsfrei feststellen), womit eine Rekonstruktion weit in der Zeit zurück nicht mehr möglich ist.
 

Joachim

Registriertes Mitglied
Möglicherweise schon immer unendlich

Hallo neuron,

...und vielen dank, Bynaus, für den Link.

Dort steht genau das, was ich immer wieder in Foren auszudrücken versuche:
Although space may have been concentrated into a single point at the Big Bang, it is equally possible that space was infinite at the Big Bang.

Es kann ebenso gut sein, dass der Raum nicht in einem Punkt entstand, sondern dass der Raum schon immer unendlich war. Aufgrund der homogenen kosmischen Hintergrundstrahlung wissen wir, dass der Bereich aus dem der für uns sichtbare Bereich des Universums früher mal so klein war, dass er im Gleichgewicht war. Aber das Universum kann durchaus unendlich groß sein. Also: Was wir sehen entstand alles in einem Punkt, aber ob das ganze Universum aus einem Punkt kommt, kann man nicht wissen. Aber vor allem: Selbst wenn das Universum in einem Punkt entstanden ist, ist dieser Punkt jetzt nach der Expansion überall. Er ist zum ganzen sichtbaren Universum expandiert.

Übrigens: Selbst wenn es eine positive Krümmung gibt, impliziert das nicht die fünfte Dimension, in die die Raumzeit gebogen ist. Die Einsteingleichungen sagen nur etwas über die 4D-Raumzeit aus, ob man die Krümmung vielleicht eher als Verzerrung auffassen muss, geht aus der allgemeinen Relativitätstheorie nicht hervor. Hier ist Raum für Spekulationen.

Gruß,
Joachim
 

neuron

Registriertes Mitglied
danke ...

hallo joachim und bynaus,

danke euch beiden für die erklärungen und den link. habe das soweit, glaube ich, verstanden. wenn ich akzeptiere, dass zb. der raum schon immer da und unendlich war, sich aber 'nur' die materie seitdem ausgebreitet hat, könnte man dann nicht aber den punkt bestimmen, wo die materie einst ihre expansion begann ?

nicht dass ich an der idee krampfhaft festhalten möchte, ich möchte nur die fragen meines kleinen skeptikers inside endgültig beantworten, bevor ich diese idee dann beruhigt ad acta legen kann ... :)

gruß,
neuron
 

Orbit

Registriertes Mitglied
Hi neuron
Willkommen im Forum!
wenn ich akzeptiere, dass zb. der raum schon immer da und unendlich war, sich aber 'nur' die materie seitdem ausgebreitet hat...
Dann stellst Du Dir einen Hyperraum vor, in dem sich die Materie ausbreitet. Und wenn Du dann noch nach dem ursprünglichen Ort der verdichteten Materie fragst
könnte man dann nicht aber den punkt bestimmen, wo die materie einst ihre expansion begann ?
dann landest Du bei der Urexplosion. Sowohl Hyperraum wie auch Urexplosion sind aber falsche Vorstellungen.

Guck vielleicht auch, was wir z.Z. in diesen beiden Threads diskutieren:
http://www.astronews.com/forum/showthread.php?t=1705
http://www.astronews.com/forum/showthread.php?t=1732
Deine Fragen sind dort bereits von andern gestellt worden.

Herzliche Grüsse
Orbit
 

mac

Registriertes Mitglied
Hallo neuron,

nicht die Materie ‚fliegt’ im schon vorhandenen Raum auseinander, sondern der Raum mit der Materie. Sehr weit weg von uns (aber immer noch gut sichtbar) ist diese Ausdehnungsgeschwindigkeit größer als die Lichtgeschwindigkeit.

Joachim hat das eigentlich sehr schön formuliert. Der Ursprungs(punkt?) ist überall. Wenn Du es im mathematischen Sinne auffasst und dir vorstellst, dass der Raum und die darin enthaltene Energie (Materie in unserem Sinne gab es so früh noch nicht) auf einen (mathematischen) Punkt ‚konzentriert’ war, dann gibt es keine Stelle in dem später aufgeblähten Punkt, die mehr in der Mitte war, als irgend eine andere Stelle. Alle Stellen kommen aus der Mitte, aus dem Punkt.

Wenn Du es mehr physikalisch sehen willst, weil ein mathematischer Punkt zu (bisher?) unlösbaren praktischen Problemen führt, dann stell Dir vor, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt direkt nach dem Beginn der Expansion ‚Licht’ und auch die schon etwas eher entstandene Gravitation von allen Quellen (zunächst nur Photonen, später auch, wenn es sie dann endlich gibt, auch von den Baryonen) in diesem Raum gleichzeitig mit Lichtgeschwindigkeit in ihre Umgebung ausbreiten. Nehmen wir an, Du kannst diesen Vorgang bereits beobachten. Egal wo Du in dem sich ausdehnenden Raum bist, Du kannst immer nur die wenigen Photonen oder die Gravitation aus Deiner unmittelbaren Umgebung sehen. Die anderen sind noch nicht angekommen. Wenn das z.B. gerade 1E-30 Sekunden nach dem Beginn ist, dann siehst Du eine Umgebung, die Lichtgeschwindigkeit * Zeit = 3E8 m/s * 1E-30 s = 3E-22 m groß ist, also krass viel kleiner, als der Durchmesser eines Atomkerns. Größer ist ‚Dein’ Universum noch nicht, und Du hast überhaupt keine Möglichkeit zu ‚sehen’, was dahinter ist. Das könnten tausende von Milliarden mal Milliarden mal Milliarden und noch ein paar mal mehr Lichtjahre sein, das könnten gerade mal 2 Atomkerndurchmesser weiter sein, zu diesem Zeitpunkt gibt es keine Möglichkeit, das voneinander zu unterscheiden, weil von so ‚weit’ hinten ist einfach noch keine Information zu Dir gelangt.

Gut, inzwischen, ein paar Sekunden später ;), wissen wir es waren nicht nur ein paar Atomkerndurchmesser, aber ob es 1/100.000.000 Lichtjahr war, oder doch die zig Milliarden Lichtjahre, werden wir nach dem heutigen Stand der Dinge niemals erfahren, weil uns das Licht und die Gravitation aus dieser weiter entfernten Gegend niemals (auch nach unendlich langer Zeit nicht) erreichen werden. In diesem, uns umgebenden Raum gibt es keine Möglichkeit herauszufinden, wie groß das Universum denn nun wirklich ist.

Alle Beobachtungen die uns möglich sind sagen uns aber, dass es nirgendwo in dem damals noch winzig kleinen Raum, der sich inzwischen auf viele Milliarden Lichtjahre ausgedehnt hat, einen Ort gibt, der sich von anderen Orten unterscheidet. (Wenn man den Maßstab groß genug, aber immer noch klein gegen das sichtbare Universum wählt.)

Was Bynaus (nicht Toni!) mit dem Luftballon erklärt hat, ist folgendes:

Stell Dir vor, eines Tages gelingt es uns doch, mit beliebiger Geschwindigkeit zu reisen (damit sage ich nicht das ich daran glaube!) dann könnte man sich ja sozusagen auf die Suche nach der ‚Außenwand’ des Universums machen.

Diesem Unterfangen ist etwa das gleiche Schicksal beschieden, wie die Suche nach dem Goldtopf am Fuße des Regenbogens. Diesen ‚Rand’ in unserem 3D-Sinne, gibt es nicht! Das ist zunächst einmal völlig unvorstellbar. Wenn es eine begrenzte Größe gibt, dann muß es doch auch einen Rand geben?

Weil es eben für uns diese Schwierigkeit der Vorstellung eines solchen ‚absurden’ Raumes gibt, hat man sich die Sache mit dem Luftballon einfallen lassen. Das ist nur eine lahme Krücke für unseren lahmen Verstand. Sie dient nur und ausschließlich dazu sich einen in sich geschlossenen Raum vorstellen zu können. Dazu wird das ganze Universum kurzerhand um eine Dimension reduziert, von einem Raum auf eine Fläche. Natürlich ist das Quatsch, aber anders können wir uns das was nun folgt, leider nicht vorstellen.
Diese Fläche kann man an ihren ‚Enden’ so schließe, dass das Ende genau am Anfang endet. Oder viel einfacher: Wie die Oberfläche einer Kugel geformt ist. Die Oberfläche einer Kugel hat eine begrenzte Zahl von Quadratmetern und ist dennoch ohne Grenze (in der Fläche), in sich geschlossen eben.

Bläht man die Kugel auf, dann entfernt sich jeder Punkt ihrer Oberfläche von allen anderen und es gibt keinen einzigen Punkt auf ihrer Oberfläche, der irgend eine privilegierte Position gegenüber den anderen Punkten hätte.

Sobald man versucht dieses recht anschauliche Modell auf den Raum zu übertragen, verliert es seine Anschaulichkeit. Ein in sich geschlossener Raum ist halt in eine Richtung gekrümmt, in die wir nicht zeigen können.

Auch der Hefeteig mit den Rosinen, oder Toni’s Luftballon in der Vakuumkammer erklärt zwar die räumliche Ausdehnung, hat aber eine Grenze. Diese Grenze gibt es aber im ‚wirklichen Leben’ nicht.

Herzliche Grüße

MAC
 

Uli45

Registriertes Mitglied
Raumkrümmung

Darf ich die Überlegungen zu eienem gekrümmten Raum noch ergänzen um eine Überlegung von Prof. H. Haber (Unser Weltall, Fernsehen der 50er Jahre):
wenn man einen 4-dimensionalen Raum gerade durchschneidet, ist die Schnittfläche eine Kugel.
Vergleich:Schnittfläche einer Kugel: Kreis
Schnittfläche des Kreises: Linie
Schnittfläche einer Linie: Punkt.
 
Oben