Panspermia: Entstand das Leben in Kometen?

mac

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Hallo Aurora,

Sie wären demnach nicht soo viel älter als die Erde. Der "Kernbrennstoff" müsste dann nicht soo lange reichen um Wasser flüssig zu halten. Siehe Erde nur 3-6 Mio. Jahre.
kann und will ich auch gar nicht bestreiten. Mein ‚Zeitfenster’ zielte auf das zweite Zeitargument (viel älter als das Sonnensystem) aus dem Artikel. :)

Aber auch bei den kürzeren Halbwertzeiten, bei denen man weniger radioaktives Material braucht, um für kürzere Zeit die gleiche Wärme zu erzeugen, kommt man um die 0,006 bar nicht herum, wenn man (für die Entwicklungszeit) flüssiges Wasser haben will.

Herzliche Grüße

MAC
 

jonas

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Zum Thema Entstehung des Lebens habe ich mal ein altes posting von Ispom wieder ausgegraben: http://www.astronews.com/forum/showpost.php?p=16719&postcount=126

Dort verlinkt er einen recht interessanten Artikel: http://www.spaceref.com/news/viewpr.html?pid=21264
Dieser Artikel beschreibt die Rolle von Mineralien, die möglicherweise eine entscheidende Rolle auf der frühen Erde gespielt haben können organisches Material zu sortieren und so vielleicht als Katalysator für das Leben gedient haben.
 

Herbert

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Tut mir leid, wenn ich die Diskussion damit von ihrem hohen Niveau etwas runterhole, aber erlaubt mir die dumme Frage:
Wie kommt Lehm in die Kometen? Was ist eigentlich Lehm? Bei Wikipedia find ich da nur etwas über Sedimentgesteine in unterschiedlichen Korngrössen, so was gibt’s ja wohl nicht auf Kometen

ratlose Grüsse von
Herbert
 

Mahananda

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Hallo Herbert,

Lehm wird tatsächlich nur über Korngröße und Konsistenz definiert. Eine andere Definition ist diese: "... ein aus der chemischen Gesteinsverwitterung hervorgegangener gelblicher oder bräunlicher, im allgemeinen kalkarmer bis kalkfreier sandiger Ton. Lehm ist weniger plastisch als Ton."

Weiterhin: "In der Bodenkunde unterscheidet man die Körnungsarten Sand, anlehmiger Sand, lehmiger Sand, sandiger Lehm, Lehm, Schluff, lehmiger Schluff, Schlufflehm, schluffiger Ton, lehmiger Ton, sandiger Ton und Ton. Nach der Dominanz der jeweiligen Körnungsartengruppe (Grobboden, Sand, Schluff oder Ton) kann man die Böden einteilen in Skelettböden (über 50 Vol.-% Grobbodenanteil), Sandböden (über 50 Masse-Prozent Sand), Lehmböden (wechselnde Anteile von Sand, Schluff und Ton, wobei der Sand meistens vorherrscht), Schluffböden (über 50 Masse-Prozent Schluff) und Tonböden (über 30 Masse-Prozent Ton)."

(entnommen aus: "Die Entwicklungsgeschichte der Erde - Brockhaus Nachschlagewerk Geologie" Leipzig 1981 S. 617 und 621)

Was hat nun Lehm auf Kometen verloren? Chemische Verwitterung wie auf der Erde dürfte dort nicht stattfinden und wegen der äußerst geringen Gravitation auch keine Sedimentation. Daher bezieht sich der Begriff "Lehm" wohl eher auf Korngröße und Zusammensetzung der gemessenen Partikel. Diese Partikel wiederum sind nichts weiter als interstellarer Staub, der während der Entstehung der Kometen gemeinsam mit den Wassereispartikeln akkretiert wurde. Die meisten Staubteilchen bestehen aus Silikaten mit Eismantel. Im Eismantel sind u.a. auch Kohlenstoffverbindungen enthalten, die zu komplexeren Molekülen reagieren. Spektroskopisch konnte man eine Vielzahl solcher Komplexe bereits detektieren.

Kommt es nun im Zusammenhang mit der Entstehung eines Sterns zur Zusammenballung von Kometen, gelangen diese Komplexe im Gemisch mit Wassereis, Silikaten, Tonmineralien usw. in den Kometenkern und werden dort im Innern konserviert. In den oberflächennahen Bereichen findet hingegen Sublimation von Wassereis und anderen gefrorenen Gasen statt, so dass die silikatreichen Staubkerne sich dort zunehmend anreichern und eine dicker werdende Kruste bilden, die das darunterliegende Eismaterial abschirmt. In größerer Nähe zum Mutterstern wirkt dieser fast schwarze Mantel jedoch wie eine Heizung, da er einen großen Teil der Strahlung absorbiert und nach innen weiterleitet. Die Folge ist, dass dann nach und nach der innere Eiskern letztlich doch restlos verdampft.

Mit der zunehmenden Anreicherung des Staubmaterials auf der Oberfläche des Kometenkerns bildet sich eine durchaus bodenähnliche Schicht heraus, die in ihrer Konsistenz lehmig wäre, wenn die Wasseranteile flüssig sein könnten. Die Korngröße dieses "Lehms" ist jedoch vorgegeben durch die Größe der interstellaren Staubpartikel und hat nichts mit chemischer Verwitterung zu tun. Insofern ist die Anwendung des Begriffs "Lehm" auf die Nicht-Eis-Bestandteile eines Kometen eigentlich irreführend.

Viele Grüße!
 

ispom

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In a paper published in the International Journal of Astrobiology, Professor Chandra Wickramasinghe and his colleagues at the Cardiff Centre for Astrobiology suggest the watery environment of early comets, together with the vast quantity of organics already discovered in comets, would have provided ideal conditions for primitive bacteria to grow and multiply during the first 1 million years of a comet's life.

http://www.universetoday.com/2009/0...early-comets-suggest-possible-origin-of-life/

ein großer Teil der etwa 100 milliarden Kometen in unserem sonnensystem hatten einflüssigs Inneres und die bakterien konnten sich dort gut entwickeln..

repräsentiert die hier dikutierte Angelegenheit nun neuere Forschungsergebnisse oder ist es ein alter Hut....wie man aus der vorangeganenen Diskussion entnehmen könnte....
 
Zuletzt bearbeitet:

Bynaus

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http://www.technologyreview.com/view/513781/moores-law-and-the-origin-of-life/

Entstand das Leben vor der Erde? Extrapoliert man die Komplexität des Genoms von Lebewesen zeitlich zurück (in dem man sich anschaut, zu welchem Zeitpunkt Lebewesen mit einer bestimmten Genomkomplexität zum ersten Mal aufgetreten sind), so ergibt sich erstaunlicherweise eine exponentielle Kurve, mit einer Verdoppelungszeit von ca. 380 Ma. Doch extrapoliert man das auf 4.5 Mrd Jahre zurück, so erreicht man nicht etwa Komplexität "Null" - das geschieht erst, wenn man weitere ~5.2+-2.5 Mrd Jahre weiter zurück geht. Das könnte man (mit vielen Vorbehalten, natürlich) so verstehen, dass die frühesten Vorstufen des Lebens vielleicht woanders entstanden sind.

Hier das Arxiv-preprint: http://arxiv.org/abs/1304.3381
 

Alex74

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Das ganze hat schon einen Fehler inhärent:

Die Komplexität von Leben bzw dem Genom kann gar nicht bei 0 beginnen.
Wenn die Vorraussetzung es ist, daß das erste Genom Eigenschaften zur Replikation hat, und ich glaube das ist unzweifelhaft, dann hat dieses Molekül bereits eine gewisse Komplexität.

Es ist also nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit (des spontanen Auftretens eines solchen Moleküls) und der Menge an Molekülen die miteinander reagieren, sich verbinden etc.; das erste zur Reproduktion fähige Molekül entstand also aus einer zufälligen Anordnung, und ging damit von 0 direkt auf eine gewisse Komplexitätsebene - nämlich auf das Mindestmaß Genomgröße, das zur Reproduktion fähig ist. Wir sind uns sicher einig darin daß ein Genom der Größe 1 oder 2 oder 3 etc. das so nicht kann.

Die exponentielle Kurve muß also am Anfang einen starken Knick haben. Den sehe ich hier nicht, würde sich aber natürlich irgendwann nach der Entstehung der Erde anbieten.

Auf das im Artikel angesprochene Moorsche Gesetz übertragen würde das heißen, daß man die Entstehung des ersten Computers anhand der Leistungsfähigkeit heutiger Rechner rückrechnen kann.
Wir würden vermutlich dann irgendwann im Mittelalter landen. Wieso? Weil der erste Computer nunmal nicht mit 1 Hz getaktet war, die Rückrechnung das aber als Ergebnis liefert.

Gruß Alex
 

Bynaus

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Die Komplexität von Leben bzw dem Genom kann gar nicht bei 0 beginnen.

Ja, natürlich. Deshalb hatte ich das in Anführungszeichen gesetzt. Aber man kann die Komplexität bei "1" ansetzen, z.B. einem einzelnen Nukleotid. Dass sich dieses bereits selbständig replizieren kann, muss man nicht annehmen. Es reicht, wenn es in einer Umgebung existiert, in der es ein bisschen häufiger kopiert als zerstört wird.

Auf das im Artikel angesprochene Moorsche Gesetz übertragen würde das heißen, daß man die Entstehung des ersten Computers anhand der Leistungsfähigkeit heutiger Rechner rückrechnen kann.

Kann man. Irgendwann in den 60er Jahren gab es einen einzigen Schaltkreis auf einem Chip. Ähnlich kann man das mit der wissenschaftlichen Literatur machen, die sich alle 15 Jahre verdoppelt - die erste wissenschaftliche Publikation stammt nach der Extrapolation aus dem Jahr 1710 - also in etwa der Zeit Newtons. Das passt also in beiden Fällen.
 

Alex74

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Aber man kann die Komplexität bei "1" ansetzen, z.B. einem einzelnen Nukleotid.
Das Problem ist die unterschiedliche Entstehung in dieser Phase;
Spätere Lebewesen gehen immer auf sich selbst zurück, es gibt eine Stammlinie.
Das ist bei den frühesten Molekülen die zur Replikation neigten nicht notwendigerweise der Fall. Solche Moleküle können sich in geeigneter Umgebung durch Polymerisation oder ähnliches spontan gebildet haben;
mathematisch würde das bedeuten, daß Moleküle auf dieser Ebene extrem viel schneller und viel mehr entstanden, als die dem nachfolgende erste, in Richtung effektiverer Replikation mutierte Generation. Denn diese ersten Generationen können nur auf Basis der Minorität der geeignetsten ersten Moleküle entstanden sein.
Die ersten geeignestsen Moleküle die sich etwas mehr kopieren als zerstören wiederum können durch mannigfaltige Reaktionen aller möglichen weitverbreiteten Vorgängermoleküle entstanden sein - ganz ohne Abstammungslinie.
Das ergibt eine wesentlich schneller aussehende Entwicklung beim allerersten Schritt in Richtung Leben.
Wenn das ganze so angefangen haben sollte daß sich eine Art Vorläufer-DNS in einer bestimmten Umgebung selbst durch Polymerisation vergrößert (und durch unabsichtliche Brüche und Unfälle eben teilt), dann liegt die Anfangslänge zwangsläufig nicht bei 1 oder 2 oder 3 sondern so bereits schon wohl bei vielen tausend. Von den Myriaden an polymerisiterten Strängen würden dann nur jene solche Nachkommen haben, die wir heute als Lebewesen kennen, die sich von den anderen Strängen durch irgendwas unterschieden was ihnen Vorteil verschaffte. Das wäre dann etwa die erste wirkliche Generation und sie hätte durchaus bereits ein recht langes Genom.
 

Major Tom

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Ein wirklich ausgefallener interessanter Ansatz mit vielen Fragezeichen.
Die kambrische Explosion vor ca. 550 Mio Jahren brachte schlagartig die meisten grundlegende Konstruktionen mehrzelliger Tierstämme hervor.
Mich irritiert daher die Annahme einer kontinuierlich ablaufenden linearen Entwicklung.
Dinge wie eventuelle Änderungen von Selektionsdruck, Generationsdauer, Größe von Populationen alles Dinge, welche Anzahl und Selektion von Mutationen beeinflussen werden nicht berücksichtigt
Die Bezugnahme auf das DA, für welches uns diese Theorie eine sehr frühe (und daher nicht durchschnittliche) Position zuweist ist daher ebenso diskussionswürdig
Gruß
MT
 

Bynaus

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@Alex: Warum soll die durchgehende Stammlinie sich nicht auch auf einzelne Nukleotiden reduzieren lassen? (nur um das klarzustellen: ich sage keineswegs, dass die beiden mit ihrer Beobachtung recht haben und dass diese Panspermie impliziert - aber wie so oft möchte ich verhindern, dass neue, kreative Ideen allzu leichtfertig zurückgewiesen werden, und muss sie deshalb mehr verteidigen, als ich würde, wenn die Idee mehr andere Verteidiger hätte) Du hast natürlich recht dass man sich einen solchen, anfänglichen Komplexitätssprung denken könnte. Aber es spielt doch keine Rolle, ob eine auch noch so kurze Nukleotidkette durch auf ihr selbst kodierte Anweisungen repliziert wird, oder durch eine entsprechend förderliche Umgebung. Die kodierten Anweisungen für Selbstreplikation könnte man als evolutionäre Anpassung derjenigen Nukleotidketten betrachten, die jene förderliche Umgebung verlassen wollen/müssen/können.

Ein interessanter Test für diese Hypothese wäre natürlich, dass man in anderen, nicht so lebensförderlichen Umgebungen (z.B. auf dem Mars) Genome von der typischen Komplexität von vor ~4.5 Mrd Jahren finden sollte (ca. 10'000 - 100'000 Basenpaare) - vielleicht sogar auch in Meteoriten und/oder Kometenmaterial. Tatsächlich gibt es viele komplexe chemische Moleküle in Meteoriten, aber ich bezweifle, dass man bisher etwas von der notwendigen Komplexität gefunden hat (eine "Spore", sozusagen). Das kann aber auch daran liegen, dass die meisten Meteoriten auf ihren Mutterkörpern relativ hohe Temperaturen gesehen haben. Anderseits dürfen solche Temperaturen auch nicht alle Sporen zerstören, sonst hätten wir auf der Erde gar kein Leben.

@Major Tom:

Die kambrische Explosion vor ca. 550 Mio Jahren brachte schlagartig die meisten grundlegende Konstruktionen mehrzelliger Tierstämme hervor.

Das könnte man ja auch so verstehen, dass eine einmal erlangte Komplexität plötzlich eine ganz neue Anzahl von neuen Konstruktionen zulässt. So wie man mit einem Alphabet mit drei Buchstaben bereits auf einfachster Ebene kommunizieren kann - aber erst bei 20 oder mehr Buchstaben kann man wirklich komplexe, vielschichtige Sätze hervorbringen.

Dinge wie eventuelle Änderungen von Selektionsdruck, Generationsdauer, Größe von Populationen alles Dinge, welche Anzahl und Selektion von Mutationen beeinflussen werden nicht berücksichtigt

Man muss natürlich auch sehen, dass die y-Achse der Grafik logarithmisch ist. Änderungen von einem Faktor <10 fallen da nicht gross auf (tatsächlich plotten die Genome ja auch nicht "perfekt" auf der Geraden).

Die Bezugnahme auf das DA, für welches uns diese Theorie eine sehr frühe (und daher nicht durchschnittliche) Position zuweist ist daher ebenso diskussionswürdig

Ich glaube nicht, dass man das sagen kann. Denn wenn noch viele erst in der Zukunft kommen sollen (was oder wer auch immer mit diesen "vielen" gemeint ist) - warum gehören wir dann nicht zu diesen? Warum gehören wir zu den ersten? Darauf gibt dieses Konzept keine Antwort.
 

Monod

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Hier wurde bereits vor drei Jahren über die bewusste Grafik diskutiert, die in einem ähnlichen Artikel veröffentlicht war, der im Journal Of Cosmology - einer Zeitschrift mit recht zweifelhaftem Ruf - erschienen war. Das Fazit ist eindeutig: Fünf frisierte Datenpunkte (es wurden nur nichtredundante Genom-Anteile berücksichtigt, um daraus morphologische Komplexität abzuleiten - der Rest wurde geflissentlich ausgeblendet!) genügen nicht, um eine so weitreichende Schlussfolgerung zu ziehen. Abgesehen davon: Genome sind erst dann Genome, wenn sie exprimiert werden. Und das erfordert einen hinreichend komplexen biochemischen Kontext, der sich nicht mit mathematischen Tricks auf 10 Milliarden Jahre Entstehungsdauer runterbrechen lässt. Die ganze Idee ist von Anfang bis Ende ein einziger Quatsch.
 

Major Tom

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@Bynaus
Zu meiner Aussage zum DA : wenn das Universum ca. 14 Mrd Jahre alt ist, und Leben wie wir es kennen eine Sonne der Population 1 (wegen der Metallizität) voraussetzt, und Leben ca. 10 Milliarden Jahre Entwicklungszeit bis zur Intelligenz braucht, könnten wir wohl nicht viele ältere Zivilisationen erwarten.

MT
 

Bynaus

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@Monod: Okay - dass sie das im "Journal of Cosmology" veröffentlich haben, spricht nicht wirklich für sie... Aus der von dir verlinkten Seite im Cosmoquest-Forum fand ich diesen Kommentar doch recht erleuchtend:

I don't know anything about "gradualism", but I must say that the graph in Sharov's paper is extremely dubious. In figure 2, it shows a grand total of five data points...and three of them are "functional non-redundant genome" instead of "total genome", because...why? Well, the latter doesn't fit a neat straight line on the log plot--or rather, they do but the slope of the line is much steeper, suggesting that it crosses the bottom around the formation of Earth. Oops! That doesn't square with the desired conclusion...

Selbst wenn der Ansatz der beiden Unsinn ist - grundsätzlich spricht ja nichts dagegen, die "molekulare Uhr" dafür zu verwenden, um den Zeitpunkt der Entstehung des Lebens zu bestimmen, oder? Wenn sich das Genom der existierenden Lebewesen tatsächlich exponentiell verdoppelt, dann legt das doch nahe, dass ein universeller Prozess dem ganzen zu Grunde liegt: nämlich die Art und Häufigkeit der Mutationen und die Robustheit des Genoms gegen Mutationen. Beide haben sich wohl im Verlauf der Erdgeschichte nicht gross verändert. Gibt es auch seriösere Publikationen, die versuchen, den Zeitpunkt der Entstehung des Lebens mit molekularen Uhren zu bestimmen?

@Major Tom: In diesem Szenario würden in nächster Zukunft (dh, zu einer Zeit, da das Universum innerhalb des Fehlers etwa gleich alt ist wie heute) unzählige Zivilisationen entstehen. Warum gehören wir nicht zu denen? Deine Argumentation würde dann Sinn machen, wenn es noch etliche Milliarden (oder etliche 10 Milliarden) Jahre dauern würde, bis der Grossteil der Zivilisationen entsteht - dann könnten wir unsere Messung eines jungen Universumsalters nehmen um daraus abzuleiten, dass wir früh dran sind. Aber es ist nicht einsichtig, warum dieselbe, fast deterministische Entwicklung auf der Erde um viele Milliarden Jahre weniger lange gebraucht hat als anderswo. Würden wir andere Genome finden und feststellen, dass sie stabiler gegen Mutationen sind, oder aber in Umgebungen existieren, wo sie weniger häufig mutiert werden, dann hättest du allerdings wieder recht damit.
 

Monod

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@ Bynaus:

Selbst wenn der Ansatz der beiden Unsinn ist - grundsätzlich spricht ja nichts dagegen, die "molekulare Uhr" dafür zu verwenden, um den Zeitpunkt der Entstehung des Lebens zu bestimmen, oder?

Das denke ich schon, denn die "molekulare Uhr" taugt zwar dazu, Artaufspaltungen zurückzudatieren (vorausgesetzt, die durchschnittliche Mutationsrate ist über sehr lange Zeiträume konstant, was keineswegs sicher ist!) und Verwandtschaftsbeziehungen in Kladogrammen zu erstellen, aber sie taugt nicht, etwas über Genomgrößenentwicklung zu ermitteln - schon gar nicht für die Zeit, als das Leben entstanden ist. Allenfalls kann man rekonstruieren, wann und wie oft sich Genverdoppelungen ereignet haben. Über die ursprüngliche Genomgröße der ersten Lebewesen lässt sich auf diesem Weg allerdings nichts herausfinden. Dazu muss man den Top-Down-Ansatz wählen, um aus bestehenden Genomen durch Abzug aller redundanten Funktionen den Kernbestand an Proteinen zu ermitteln, die unbedingt notwendig sind, um die Lebensprozesse aufrechtzuerhalten. Man kommt dabei auf eine Größenordnung von etwa 50 bis 100 Proteinen mit jeweils etwa 100 Aminosäuren. Das sind dann etwa 15.000 bis 30.000 Nukleotide als Minimalgenom. Hinzu kommen die Bestandteile des Translationsapparats (verschiedene RNA's und Ribosomen, die wiederum aus RNA und Proteinen bestehen), die nötig sind, damit das Genom exprimiert werden kann.

Genome mit der Größe von einem Basenpaar sind schlichtweg Unsinn, weil Leben damit nicht funktionieren kann. Daher ist die einfache Rückextrapolation auf Null schon allein aus diesen Überlegungen heraus verfehlt. Dass die fünf Datenpunkte frisiert sind, hatte ich bereits geschrieben. Der Artikel bei Biology Direct gibt darüber genauer Auskunft - ebenso die Reviewer-Kommentare. Doch selbst wenn man das gelten ließe - man erhält keine Auskunft darüber, ob die veranschlagten Genomgrößen zur veranschlagten Zeit tatsächlich so groß gewesen sind. Folgt man den Überlegungen von Richard Egel (Primal Eukaryogenesis ...) resultieren Bakterien aus einem Prozess der reduktiven Evolution - sprich: Die ursprüngliche Genomgröße hat sich verringert zugunsten effizienterer Stoffwechselprozesse, indem redundante Genomteile verlorengegangen sind. Zieht man weiterhin in Betracht, was Carl Woese vermutet (The universal ancestor) , dann hat sich die Mutationsgeschwindigkeit nach einer kurzen "Hitzephase" auf ein erheblich niedrigeres Level "abgekühlt" und ist auf die heutige durchschnittliche Rate "eingefroren". Also alles in allem: Der Ansatz von Sharov ist höchst zweifelhaft!

Zur Frage nach seriösen Untersuchungen zur Altersbestimmung der Lebewesen auf der Basis von Genom-Untersuchungen kann ich nur auf Manfred Eigens Buch "Stufen zum Leben" verweisen. Hier wird ebenfalls darauf verwiesen. Das Alter des genetischen Codes und damit der Translation und damit auch des Lebens lässt sich auf eine Obergrenze von 3,6 Milliarden Jahre bestimmen. In seinem Buch äußert sich Manfred Eigen wie folgt:

Manfred Eigen schrieb:
Uns sind etwa tausend Sequenzen von Transfernucleinsäuren (tRNA) bekannt. ... Für fünfzehn verschiedene Organismen - Bakterien, Algen, Pflanzen, Tiere - kennen wir die Sequenzen von jeweils zwanzig bis vierzig individuellen tRNA-Molekülen, charakterisiert durch ihr Anticodon. Die Mitglieder einer Familie, also alle tRNA-Moleküle innerhalb eines Organismus, sind ungefähr gleichzeitig, und zwar in der Entstehungsphase des genetischen Codes, aus einer Mutantenverteilung hervorgegangen. Sie haben sich seither unabhängig voneinander etwickelt. Darüber hinaus kennen wir noch circa vierundzwanzig individuelle tRNA-Moleküle, deren Phylogenien sich ermitteln ließen. Das besagt, daß jedes dieser vierundzwanzig tRNA-Moleküle für jeweils zwanzig bis vierzig verschiedene Arten analysiert wurde. Dank dieser bekannten Phylogenien war es möglich, vierundzwanzig Sequenzen zu rekonstruieren, die sich auf die Zeit der allerersten Zellverzweigungen vor etwa drei Milliarden Jahren beziehen. Uns stehen folglich drei Zeitspannen zur Verfügung, die wir miteinander vergleichen können:

1) Von der Entstehungsphase des genetischen Codes bis zu den heutigen Organismen;

2) von den allerersten Zellaufspaltungen ... bis zu den heutigen Organismen;

3) von der Entstehungsphase des genetischen Codes bis hin zu den allerersten Zellaufspaltungen.

In allen drei Fällen kennen wir die mittlere Divergenz, das heißt, die Zahl von Positionen, um die sich zwei Sequenzen im Mittel voneinander unterscheiden. ... Dabei ist zu beachten, daß aus den relativen Abständen nicht ohne weiteres auch die relativen Zeiten resultieren. Das wäre nur möglich, wenn die Mutationsraten über den gesamten Zeitbereich der Evolution konstant geblieben wären. Es steht jedoch fest, daß die Geschwindigkeit der Evolution zu Beginn größer war als in späteren Phasen. Denn die Fehlerrate war anfangs sehr hoch und mußte mit zunehmendem Informationsumfang entsprechend abnehmen. Somit sind die relativen Abstände lediglich als obere Grenzwerte zu verstehen. Wir schließen daraus, daß die Entstehung des genetischen Codes um weniger als eine Milliarde Jahre vor der Verzweigung der Archae- und Eubakterien datiert. Mit anderen Worten: Der genetische Code ist jünger als vier Milliarden Jahre.

Quelle: Manfred Eigen: Stufen zum Leben. Piper Verlag München, 1987, S. 143 und 145

Hier ist der dazu verfasste Artikel von "Science", der das alles noch einmal im Detail darstellt.

Zu guter Letzt noch der Link zu einer Nachlese zum "Doolittle-Ereignis", dass seinerzeit für erheblichen Wirbel gesorgt hatte. Auf der Basis von Protein-Sequenz-Vergleichen gelangten er und seine Mitarbeiter auf ein maximales Alter von 2,1 bis 2,5 Milliarden Jahren für die Verzweigung von Bakterien und Archaeen, statt wie erwartet 3,2 bis 3,8 Milliarden Jahren.
 
Zuletzt bearbeitet:

Monod

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Hier ist noch ein Artikel, der kurz nach dem "Doolittle-Ereignis" geschrieben wurde. Am Ende wird die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt möglich ist, auf der Basis von molekularbiologischen Kladogrammen exakte Datierungen vorzunehmen, weil die damit ermittelten Zeiträume erheblich von den über Fossilien ermittelten abweichen. Hauptproblem ist die Annahme, dass die durchschnittliche Mutationsrate über die Zeiten konstant bleibt. Von daher ist es zweifelhaft, verlässliche Angaben über den Zeitpunkt der Entstehung des Lebens zu erhalten, wenn man die "molekulare Uhr" heranzieht.
 

UMa

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Hallo Monod,

ich habe dieses Paper gefunden.
Ciccarelli et al. , Science 311 (5765) 1283-1287.
http://www.sciencemag.org/content/311/5765/1283

Insbesondere Fig.3 und den Text dazu. Zitat aus dem Paper:
Another universal trend is that smaller genomes evolve faster[...].

Und außerdem verstehe ich das, so dass die Genomgröße, zumindest bei Bakterien, abgenommen haben muss, seit der Zeit des letzten gemeinsamen Vorfahren von Bakterien und Archea + Eukaryoten.

Vielleicht ist das Leben ja mit einem relativ großen aber unspezifischen Genom gestartet, also einer Art großen Sammlung verschiedenster DNA, und dann ist mit der Zeit schädliches oder unbrauchbares Zeug rausgeflogen? Also eine Art Spezialisierung durch Reduktion. Zumindest die Bakterien mit kleinem Genom von ca. unter 2000 Genen (Fig.3) würden nach dem Paper, wenn ich das richtig verstanden habe, so entstanden sein.
Du hast da offenbar mehr Ahnung. Was meinst du dazu?

Grüße UMa
 

Monod

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@ UMa:

Eigentlich hatte ich ja vor, mich hier zur Ruhe zu setzen, aber na ja ... ;)

Leider kann ich das Paper nur als Abstract einsehen, so dass ich auf die von Dir benannte Figur nebst dazugehörigen Text nicht eingehen kann. Aber das Zitat umreißt den Kern, den ich gemeint habe. Das Szenario der reduktiven Evolution, das auch bei Richard Egel zur Sprache kam, spielt in diesem Artikel ebenfalls eine wichtige Rolle, um die Entstehung der "Prokaryoten" aus der Stammlinie, die zu den heutigen Eukaryoten geführt hat, zu erklären.

Die Idee, dass ursprünglich das genetische Inventar vergleichsweise groß gewesen ist (sein muss) ergibt sich auch aus der in letzter Zeit favorisierten Annahme, dass ein intensiver Genaustausch durch horizontalen Gentransfer stattgefunden hat. Währenddessen wurden praktikable Genomanteile im Rahmen eines kommunalen Zustands, der bei Richard Egel genauer beschrieben wird, ausgetauscht und frei miteinander kombiniert. Da die Selektion nur das übrig ließ, was sich später in fixierter Form vertikal vererbte, muss der Ausgangspool entsprechend umfangreich gewesen sein.

Relikte dieses Ausgangszustands sind die Introns bei den Eukaryonten, die im Verlauf des Processings aus der mRNA herausgeschnitten werden, bevor die Proteinbiosynthese stattfindet. Bei Bakterien und Archaeen gibt es weder Introns noch größere Anteile sogenannter "Junk-DNA", die nicht exprimiert wird. Das entspricht der "Escape-Event"-Hypothese mit nachfolgender reduktiver Evolution, wie sie bei Richard Egel ausgeführt ist.

Soweit erst einmal meine Anmerkungen dazu.
 
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