Panspermia: Entstand das Leben in Kometen?

UMa

Registriertes Mitglied
Zuletzt bearbeitet:

Bynaus

Registriertes Mitglied
@Monod: Vielen Dank für die ausführlichen Informationen, das liest sich alles sehr interessant und sicher auch sehr viel solider als das eine arxiv-Preprint. Ich denke, du hast mich überzeugt.

Ich möchte nur noch dazu etwas sagen:

Genome mit der Größe von einem Basenpaar sind schlichtweg Unsinn, weil Leben damit nicht funktionieren kann.

Ja, aber... Im Umkehrschluss legst du hier nahe, dass das Leben bereits mit relativ hoher Komplexität starten musste - was aber a priori unwahrscheinlich ist. Es ist meines Erachtens problemlos denkbar, dass das Leben am Anfang sehr viel einfacher strukturiert war, als das was der heutige "Reproduktionsapparatus" im Minimum umfasst. Bloss war dieser primitivere, frühere Apparatus (oder: diese primitiveren, früheren Apparatii) vielleicht weniger effizient, weniger für heutige Lebewegen geeignet, unter heutigen Bedingungen nicht konkurrenzfähig, etc. Erst die einmal gewonnene Komplexität erlaubt eine höhere Effizienz: die Evolution braucht erst den Spielraum, um dann daraus einen effizienteren Reproduktionsapparatus zu rekonsturieren. Letztlich muss das Leben mit einem oder ganz wenigen "Basenpaaren" angefangen haben (bzw., mit einem viel primitiveren, vielleicht auch gar nicht an Basenpaaren gekoppelten Reproduktionsappartus, der in etwa denselben Informationsgehalt vermitteln kann wie heute in einem oder ganz wenigen Basenpaaren gespeichert ist). So lange wir keinen Beleg haben, dass Leben an unzähligen Orten, wo es hätte entstehen können (oder "sollen") in Wirklichkeit NICHT entstanden ist, gibt es keinen Grund, davon auszugehen, dass es mit einer beträchlich hohen Komplexität (die a priori unwahrscheinlich ist) gestartet ist.
 

Monod

Registriertes Mitglied
@ UMa:

Das Bild ist bei mir sehr klein in der Anzeige, so dass ich daraus nichts entnehmen kann. Aus dem Begleittext ergibt sich ebenfalls kein genauerer Hinweis, was die Graphen aussagen sollen. Trotzdem Danke!

Das stellt die Grundannahme, dass die Genomgröße mit der Zeit zugenommen haben soll, doch sehr in Frage.

Das denke ich auch. Eher scheint es mir so zu sein, dass einstmals redundante Anteile der Genome entweder verloren gingen (bei Bakterien und Archaeen), weil die Selektion jene Arten begünstigte, die sich schneller replizieren konnten (und somit diejenigen, die redundanten Ballast ohne Funktionsverlust loswerden konnten) - oder die funktionalen Anteile des Genoms wurden so verteilt, dass sie im Rahmen der späteren Chromosomenstrukturen nahe beieinander liegen. Die dazwischenliegenden Introns wurden dann mit Hilfe spezifischer Enzyme herausgetrennt.

Es ist klar, dass dieser bei Eukaryoten stattfindende komplexe Prozess sich nur entwickeln konnte, wenn der kommunale Zustand der Stammlinie noch längere Zeit beieinander blieb. In freier Konkurrenz mit Bakterien und Archaeen hätten einzelne Eukaryoten-Zellen keine Chance gehabt. Erst die Symbiose mit den späteren Mitochondrien und (bei Pflanzen) Plastiden ermöglichte das Überleben der Eukarya-Stammlinie als eigenständige Domäne.

Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem ersten "Schneeball-Ereignis" vor etwa 2,2 Milliarden Jahren, in dessen Folge sich diese Endosymbiose ereignete, die dann nach dem Auftauen der Erde zu einer adaptiven Radiation der Eukarya geführt hat. Das zweite "Schneeball-Ereignis" vor etwa 700 Millionen Jahren bewirkte möglicherweise eine Selektion von Mehrzellern (Regression in den kommunalen Zustand, der dann zu einer Funktionsaufteilung des Gesamtsystems führte), die dann Ausgangspunkt für die Evolution von Tieren, Pflanzen und Pilzen wurden. Aber das ist derzeit noch Spekulation.


@ Bynaus:

Es ist meines Erachtens problemlos denkbar, dass das Leben am Anfang sehr viel einfacher strukturiert war, als das was der heutige "Reproduktionsapparatus" im Minimum umfasst.

Das was wir heute vorfinden, ist vor allen Dingen eins - hocheffizient und hochspezifisch. Beides war zu Anfang mit Sicherheit nicht der Fall. Folglich war der Aufwand, um eine Reproduktion (also Selbsterhaltung durch Stoffwechsel und Fortpflanzung durch Zellteilung) zu bewerkstelligen zum einen umständlicher (weil primitiver) und unschärfer (weil funktional "mehrdeutig"). Das bedeutet zugleich, dass die Basisfunktionen, die heute durch etwa 100 spezifische Gene repräsentiert werden (mit etwa 30.000 Basenpaaren insgesamt, wenn ich pro Protein eine Länge von 100 Aminosäuren annehme), ursprünglich ein Mehrfaches an DNA bzw. RNA benötigte.

Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, aber irgendwo zwischen 100.000 und 300.000 Basenpaaren (also dass 3 bis 10fache des heutigen Umfangs) wird die Genomgröße von LUCA gewesen sein - ohne die redundanten und funktionslosen Anteile einzubeziehen, die heute noch als Introns mitgeschleppt werden. Falls die 2 bis 3 Prozent kodierende DNA im menschlichen Gesamtgenom repräsentativ sind, dann kommen wir auf etwa 1 bis 3 Millionen Basenpaare für das Gesamtgenom von LUCA. In dieser Größenordnung müsste die Ausgangsgröße der ersten Genome vermutet werden.

Die Komplexität der heutigen Lebewesen ergab sich sukzessive durch zunehmende Eindeutigkeit sowohl des genetischen Codes wie auch der Funktionszuordnung der synthetisierten Proteine im Gesamtstoffwechsel der Zelle. Durch Genverdoppelungen, durch Horizontalen Gentransfer z.B. über Viren oder Bakterien sowie durch Polyploidie (bei Pflanzen) ergaben sich natürlich sukzessive auch Zunahmen der Genomgrößen, die z.T. mit einer Zunahme der Komplexität des Gesamtorganismus einherging, aber daraus rückzuschließen, dass sich diese Größenzunahme a) kontinuierlich und b) beliebig weit in die Vergangenheit erstreckt hat, ist falsch.

Die ersten Lebewesen waren zweifelsohne primitiv, aber Primitivität bedeutet hier nicht Einfachheit, sondern Umständlichkeit, die später durch Selektion in größtmögliche Effizienz evolvierte. Das heißt, dass der biochemische Aufwand zur Reproduktion anfangs größer und weitläufiger gewesen ist als heute. Die Struktur der ersten Lebewesen war zwar weniger komplex, aber dafür war das Reaktionsnetzwerk, das zur Aufrechterhaltung der Lebensprozesse und zur Fortpflanzung notwendig war, komplexer als heute.

Diese große biochemische Komplexität als Voraussetzung für die Entstehung und Fortdauer der ersten Lebewesen setzt voraus, dass diese Reaktionsnetzwerke zunächst in einem geschützten Rahmen allmählich "hochwachsen" konnten, bevor die "Erfindung" der Translation als entscheidenden Schritt in der Bioproteinsynthese gelingen konnte. Von daher ergibt sich notwendigerweise ein kommunales Szenario wie es von Richard Egel in seinem Essay beschrieben wurde. Und diese "Matrix" entwickelte sukzessive ein Gesamtgenom, bevor Bakterien und später Archaeen aus dieser "entwichen". Man darf daher davon ausgehen, dass der Ausgangszustand, aus dem sich die ersten Lebewesen entwickelten, hochkomplex - allerdings infolge der noch fehlenden Rückkopplung zwischen Nukleinsäuren und Proteinen, die später zu echten Genomen führte, noch hochgradig unorganisiert war.

Mit der Zunahme der Organisiertheit wurde das Reaktionsnetzwerk in Richtung Effizienz "ausgedünnt", so dass nur noch die Zyklen übrig blieben, die das Gesamtsystem einerseits stabilisierten, andererseits aber auch genügend Freiraum für Innovationen ließen, die später über den Horizontalen Gentransfer in den späteren Genomen fixiert wurden. Mit der "Erfindung" der Translation gelang dann der Sprung von der "Matrix" hin zu einem kommunalen Zellverbund, der der gemeinsame Vorläufer für die heutigen drei Domänen wurde.

Auf diese Weise kann man sich erklären, dass zu Beginn eine hohe Komplexität vorgelegen haben muss, die aber auf eine andere Weise zum Ausdruck kam als in heutigen Lebewesen. Also kurz: Die ersten Lebewesen waren anders komplex, aber nicht notwendigerweise weniger komplex als heutige Lebewesen. So weit meine Meinung dazu.
 

Bynaus

Registriertes Mitglied
Monod schrieb:
Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, aber irgendwo zwischen 100.000 und 300.000 Basenpaaren (also dass 3 bis 10fache des heutigen Umfangs) wird die Genomgröße von LUCA gewesen sein - ohne die redundanten und funktionslosen Anteile einzubeziehen, die heute noch als Introns mitgeschleppt werden. Falls die 2 bis 3 Prozent kodierende DNA im menschlichen Gesamtgenom repräsentativ sind, dann kommen wir auf etwa 1 bis 3 Millionen Basenpaare für das Gesamtgenom von LUCA. In dieser Größenordnung müsste die Ausgangsgröße der ersten Genome vermutet werden.

Du glaubst nicht im Ernst, dass die ersten Lebewesen bzw. Replikatoren bereits so komplex waren, oder? Dass ein Lebewesen mit 1 bis 3 Mio Basenpaaren "spontan" entsteht, ist so unwahrscheinlich, dass wir nie mehr auch nur einen Gedanken an ausserirdische Lebewesen verschwenden müssten.

Nein, der biologischen Evolution muss eine chemische Evolution vorangegangen sein, an deren Ende einfache chemische Replikatoren standen, in ihrer Komplexität etwa einzelnen oder wenigen Basenpaaren entsprechend (ohne, dass sie deswegen tatsächlich Basenpaare hätten aufweisen müssen, da diese auch erst viel später Teil des Reproduktionsmechanismus' hätten werden können). Von da aus erst muss es weiter gegangen sein, bis am Ende eine reproduktionsfähige erste Zelle entstand. Die mag dann von mir aus 1-3 Mio Basenpaare gehabt haben, aber sie war das Endprodukt einer langen, komplexen Entwicklung, sicher keine spontane Neubildung aus dem Nichts.
 

blackhole

Registriertes Mitglied
...... mal so nachdenke ....... wie entstehen lehme ........ glaziale prozesse und steppensande ......... wie kommt das in einen kometen ??! ........ weiter nachdenke ....... kometen spezielle überreste aus der entstehungszeit des sonnensystems ........ hat da der "schöpfer" doch die hände im spiel ;-) .......... nein , im ernst , halte diese thesen für höchst erklärungsbedürftig ..................... wobei ich meine , daß die grundeigenschaft der materie zur "eigenorgansiation" eben auch die variante energiestoffwechselnder "systeme" , von uns biologisches leben genannt , einschließt und dies bei dafür günstigen bedingungen , egal wo in diesem universum (und ggf. auch weiteren universen) auftritt / sich entwickeln kann und wird .................. also nicht allein in lehmverschmutzten kometen , sondern eben da , wo es funktionieren kann .......................
 
Zuletzt bearbeitet:

Monod

Registriertes Mitglied
@ Bynaus:

die ersten Lebewesen bzw. Replikatoren

Ich denke, da ist das erste Missverständnis. Ein simpler Replikator (also z.B. ein RNA-Strang, der in der Lage ist, sich selbst zu vervielfältigen) ist kein Lebewesen. Ein Lebewesen ist es erst dann, wenn replikationsfähiges Material derart in den Gesamtstoffwechsel eingebunden ist, dass es zur Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems beiträgt. Also: wenn RNA als Matrize zur Proteinsynthese verwertet werden kann. Oder aber - als Vorstufe - wenn RNA als Matrize zur Synthese von Ribozymen verwertet wird, die dann in den Gesamtstoffwechsel integriert sind. Allerdings neigt solches RNA-Leben zur Stagnation, weil die Vielfalt von vier Nukleotidtypen zu gering ist, um auf Dauer hinreichend spezifische Enzymaktivitäten zu entwickeln.

Dass ein Lebewesen mit 1 bis 3 Mio Basenpaaren "spontan" entsteht, ist so unwahrscheinlich, dass wir nie mehr auch nur einen Gedanken an ausserirdische Lebewesen verschwenden müssten.

Die Basenpaare bzw. die Länge der Proto-Genome wächst in der "Matrix" sukzessive hoch. Erst wenn ein Translationsmechanismus "erfunden" wird, bekommt ein Teil der RNA-Sequenzen einen "Sinn" in Gestalt von Aminosäure-Sequenzen, die über die nachfolgende "Einpassung" in das bereits bestehende abiotisch entstandene Proteom selektiert werden. Von "spontan" im Sinne von "auf einmal" kann da gar keine Rede sein. So etwas benötigt Zeit und Gelegenheit.

Nein, der biologischen Evolution muss eine chemische Evolution vorangegangen sein, an deren Ende einfache chemische Replikatoren standen, in ihrer Komplexität etwa einzelnen oder wenigen Basenpaaren entsprechend

Kurze RNA-Ketten als Replikatoren wird es sicher gegeben haben, aber diese spielten anfangs noch nicht die zentrale Rolle im gesamten Netzwerk. Möglicherweise dienten sie als Energiereserve, weil sie Phosphat enthalten (ATP ist ja heute noch die "Energiewährung" des außergenomischen Zellstoffwechsels - im Bereich des Genoms spielt GTP eine zentrale Rolle) und bekamen erst später eine Rolle als Ribozym und noch später als Translationsmatrize zugewiesen.

Von da aus erst muss es weiter gegangen sein, bis am Ende eine reproduktionsfähige erste Zelle entstand. Die mag dann von mir aus 1-3 Mio Basenpaare gehabt haben, aber sie war das Endprodukt einer langen, komplexen Entwicklung, sicher keine spontane Neubildung aus dem Nichts.

Nichts anderes hatte ich geschrieben.
 

Monod

Registriertes Mitglied
@ Bynaus:

Noch ein Nachtrag: Die Entstehung der ersten Zellen darf man sich nicht so vorstellen, dass da irgendwelche kleinen Vesikel im Urmeer schwammen, die ein wenig RNA im Innenraum aufwiesen, welche in der Lage war, sich zu replizieren. Und aus diesen Vesikeln sollten dann später echte Zellen werden. Diese Vorstellung ist veraltet.

Die ersten Zellen entstanden gemäß neuerer Modelle nicht als Einzelorganismen, sondern im Kontext einer Anhäufung von einer Vielzahl gekammerter Teilsysteme, die locker miteinander verbunden und nicht scharf voneinander durch Membranen abgegrenzt waren. Vergleichbar ist dieser Zustand mit einem Plasmodium bei Schleimpilzen, wo sich eine Vielzahl von Zellkernen in einer gemeinsamen Plasmamasse befinden. Diese gemeinsame Plasmamasse stellt die von Richard Egel so bezeichnete "syncytisch-coenocytische Matrix" dar, die zunächst im Rahmen der chemischen Evolution heranwächst.

Innerhalb dieser Matrix finden dann die Prozesse statt, die u.a. sukzessive zur Anreicherung von RNA in einzelnen gekammerten Bereichen führen (Vorläufer der späteren Zellkerne der Eukaryoten). In denen kann dann über Ribozymaktivität in Korrespondenz mit einzelnen Aminosäuren sowie kurzen Peptiden, die die Ribozymaktivität spezifischer und effizienter werden lassen, in einem vielschrittigen Prozess Translation entstehen. Mit der Entstehung der Translation beginnt die Evolution der modernen Zellen. Carl Woese hat das darauf folgende Szenario im Detail beschrieben.

Es ist also nicht so, dass ad hoc eine Zelle mit einer Million Basenpaare entstehen musste, sondern die Entwicklung, die zu solchen Zellen führte, verlief "in die Breite", statt "in die Höhe". Gewissermaßen fand eine Umschichtung der Komplexität von der Umgebung des Systems in das System statt, bevor sie vertikal vererbt werden konnte. Von daher können wir sehr wohl noch Gedanken an außerirdische Lebensformen verschwenden ... ;)
 
Zuletzt bearbeitet:

Monod

Registriertes Mitglied
Hier ist ein recht aktueller Artikel zur Thematik Genom-Reduzierung im Verlauf der Evolution. Es scheint so, dass sich die Genom-Größe tatsächlich mit der Zeit eher reduziert als erweitert. Dies scheint sogar der Normalfall der Evolution zu sein - unterbrochen von Episoden der "Komplexifizierung":

Wolf und Koonin schrieb:
Quantitatively, the evolution of genomes appears to be dominated by reduction and simplification, punctuated by episodes of complexification.
 
Oben