Präsolare Materie: Boten von einem anderen Stern

astronews.com Redaktion

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Vor 20 Jahren entdeckte man in einem Meteoriten erstmals Einschlüsse, die so alt waren, dass sie offenbar schon vor unserer Sonne entstanden sein mussten. Aus der Analyse dieser präsolaren Körner hat die Wissenschaft seitdem einiges über die Bedingungen in der Umgebung von Riesensternen gelernt, dem Ursprung dieser Boten von einem anderen Stern. (2. August 2007)

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Raumgleiter

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Das verstehe ich ehrlich gesagt nicht so ganz. Besteht nicht alles um uns herum (außer Wasserstoff und Helium) aus präsolarer Materie? Die Materie, aus der z.B. die Erde besteht, wurde doch von präsolaren Sternen erbrütet.
 

mac

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Hallo Raumgleiter,

damit hast Du natürlich recht. Es ist mit dieser präsolaren Materie Material gemeint, das nicht aus der (gut durchmischten) Gaswolke stammt, aus der sich unser Sonnensystem gebildet hat, sondern von irgendwo anders her stammendes Material. Es hat eine andere Isotopenmischung und in Festkörpern messbare Verhältnisse von noch nicht zerfallenen Isotopen/zu bereits zerfallenen. Aus diesem Verhältnis kann man bei bestimmten (genügend langsam zerfallenden) Isotopen das Alter eines solchen Materials ermitteln.

Genaueres kann Dir hierzu vielleicht Bynaus erklären.

Herzliche Grüße

MAC
 

Orbit

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Kann man es nicht auch so sagen:
Es handelt sich um Material, dessen radioaktive Zerfallskette vor etwas mehr als 4 Milliarden Jahren nicht neu gestartet wurde:

http://de.wikipedia.org/wiki/Radiometrische_Datierung

Wenn ein Material, das die Zerfallsprodukte selektiv absondert, erhitzt wird, gehen alle Zerfallsprodukte, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, durch Diffusion verloren, so dass die Isotopen-"Uhr" auf Null zurückgesetzt wird. Die Temperatur, bei der dies geschieht, wird "Sperrtemperatur" genannt und ist spezifisch für ein bestimmtes Material.

Oder anders gesagt: Material, dessen Isotopen-Uhr nicht in der heissen protosolaren Wolke auf Null zurückgesetzt wurde, weil es sich damals nicht dort aufhielt.

Gruss Orbit
 

Water

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Hallo

Mir ist unklar wie dabei die Diamanten entstehen. Soweit ich weiß ist dazu hoher Druck (6 Gigapascal) und Temperaturen um etwa 1400°C notwendig. Dann müsste sich während der Abkühlung der Hülle aus Sternenmaterie irgendwann der Punkt einstellen, bei dem Druck und Temperatur die Voraussetzungen zur Diamantenbildung erfüllen. Das beides passt kann ich mir aber nicht so recht vorstellen.
Mir ist bekannt dass es noch mittels chemischer Gasphasenabscheidung möglich ist Diamanten zu erzeugen. Die Voraussetzungen hier passen meiner Meinung nach schon eher: Vakuum und Temperaturen unter
1000°C. Näheres weiß ich dazu aber nicht.
Ist hier jemanden bekannt ob es zu dem Prozess der Diamantentstehung in den Hüllen aus Sternenmaterie Erkenntnisse gibt?

Gruß Water
 

Orbit

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Hallo Water
Ist hier jemanden bekannt ob es zu dem Prozess der Diamantentstehung in den Hüllen aus Sternenmaterie Erkenntnisse gibt?
Da müssen wir wohl auf 'Bynaus' oder 'Planetologist' warten.
Gruss Orbit
 

Bynaus

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Da dies Thema meiner Diss(ertation) ist, sollte ich mich hier in der Tat gut auskennen. Wie schon angetönt wurde, natürlich ist letztlich jedes Atom unserer Welt, das schwerer Bor ist, in Sternen entstanden. Doch dass "makroskopisches" Material noch in der Zusammensetzung existiert, wie es in der Hülle eines Sterns vorhanden ist, das ist wirklich selten und deshalb besonders. Präsolare Körner sind die einzigen "Proben" von Sternen, die wir haben. Ähnlich wie uns Meteoriten (oder viel aufwändiger, Sample Return Missionen) echte Proben von Körpern im Sonnensystem auf die Erde bringen. Wie bei den Meteoriten kommen die meisten Körner von einer "Gruppe" von Objekten: von AGB-Sternen (Asymptotic Giant Branch Sterne =+- Rote Riesen). (bei Meteoriten sind es vor allem Asteroiden) Es gibt aber unter den präsolaren Körnern auch einige Sonderlinge (so wie es auch Mars- und Mondmeteoriten gibt), etwa Körner, die in Supernova-Explosionen entstanden sind.

Da ich in meiner Arbeit vor allem mit Siliziumkarbid-Körnern zu tun habe, kann ich zu den Diamanaten nur sagen, dass die Gasphasendeposition die beste Annäherung an die Prozesse darstellt, welche die präsolaren Diamanten gebildet haben. Diese Diamanten sind übrigens winzig klein.

Im Allgemeinen sind diese Körner so klein, dass man sie nicht wirklich radiometrisch datieren kann. Man kann ihr Alter durch verschiedene Überlegungen versuchen einzugrenzen, dabei kommt in der Regel raus, dass sie nicht viel älter als etwa 500 Mio Jahre älter als das Sonnensystem sein können.
 

mac

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Hallo Bynaus,

Du hältst Dich etwas bedeckt bei der Erklärung zur Altersbestimmung?

Ich habe z.B. die Verbindung zu Edelgasen, die in dem Astronews-Artikel erwähnt wird nicht verstanden:
"Man hat sie entdeckt, als Forscher Meteoritenproben analysierten und sich für die darin vorhandenen Edelgase interessierten. Sie fragten sich, was der Träger dieser Edelgase ist." Durch gründliche Untersuchungen fanden sie schließlich die Antwort: Präsolare Diamanten, Graphit und Siliziumkarbide.
sollen die am Ende einer Zerfallsreihe stehen? Welcher? Oder hat diese ‚Trägerschaft’ für Edelgase gar nichts mit Zerfall zu tun? (vermute ich mal) Aber wie stellt man dann das Alter fest?

Herzliche Grüße

MAC
 

Bynaus

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Das Alter stellt man nicht fest, und die Trägerschaft der Edelgase hat nichts mit dem Zerfall zu tun. Die genannten 500 Mio Jahre sind reine Schätzungen aufgrund von Modellrechnungen, wie lange solche Körner im interstellaren Medium überleben können, bevor sie von Supernovaschockwellen vaporisiert werden. Dass sie so alt sind, weiss man bloss augrund ihrer extremen isotopischen Zusammensetzung - es gibt keinen bekannten Prozess, der diese Körner hätte so extrem / exotisch anreichern können, der zudem gleichzeitig alles Nachbarmaterial unbehelligt lässt. So beträgt z.B. das Verhältnis zwischen 12C und 13C etwa 98:1, aber in solchen Körnern kann es auch mal 500:1 oder 10:1 betragen. Das liegt soweit abseits aller anderen beobachteten Verhältnisse, dass die Körner einfach präsolar sein müssen.
 

mac

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Hallo Bynaus,

Das Alter stellt man nicht fest, und die Trägerschaft der Edelgase hat nichts mit dem Zerfall zu tun. Die genannten 500 Mio Jahre sind reine Schätzungen aufgrund von Modellrechnungen, wie lange solche Körner im interstellaren Medium überleben können, bevor sie von Supernovaschockwellen vaporisiert werden.
die sind demnach im nicht eingeschlossenen Zustand sehr viel empfindlicher als das Leben auf der Erde?

Dass sie so alt sind, weiss man bloss augrund ihrer extremen isotopischen Zusammensetzung - es gibt keinen bekannten Prozess, der diese Körner hätte so extrem / exotisch anreichern können, der zudem gleichzeitig alles Nachbarmaterial unbehelligt lässt. So beträgt z.B. das Verhältnis zwischen 12C und 13C etwa 98:1, aber in solchen Körnern kann es auch mal 500:1 oder 10:1 betragen. Das liegt soweit abseits aller anderen beobachteten Verhältnisse, dass die Körner einfach präsolar sein müssen.
demnach ist der Prozess, wie sie entstehen verstanden? Der Kernspin in einem Magnetfeld kann auch kein Selektionsmechanismus zwischen C12 und C13 sein?

Herzliche Grüße

MAC
 

Bynaus

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Der Kernspin in einem Magnetfeld kann auch kein Selektionsmechanismus zwischen C12 und C13 sein?

Zumindest nicht in diesem Ausmass, und selbst wenn, dann hat man immer noch nicht erklärt, warum andere Isotopen davon nicht betroffen sind...

Die Erklärung ist recht naheliegend: die verschiedenen Kernfusionsprozesse, die in verschiedenen Sterntypen vorgehen, produzieren bestimmte Isotope bevorzugt. 13C kann nur in neutronenreichen Umgebungen entstehen, und diese Neutronen müssen von irgendwo her kommen, etc.
Das lässt sich - teilweise - auch durch direkte Beobachtungen von Sternatmosphären überprüfen.

die sind demnach im nicht eingeschlossenen Zustand sehr viel empfindlicher als das Leben auf der Erde?

Sicher! Das sind ja nur sehr kleine Körner in Mikrometergrösse - da reicht schon recht wenig Strahlung oder ein recht dünnes Plasma. Die Erde wird ja nicht nur von ihrem Magnetfeld geschützt, sondern auch von ihrer Atmosphäre.
 
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