künstliche Schwerkraft durch Rotation?

AdMon

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Hallo Leute,

ich habe Probleme mir vorzustellen, wie man in einem Raumschiff dauerhaft künstliche Schwerkraft durch Rotation erzeugen kann. Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man doch Schwerkraft im All nur durch Ausnutzen der Masseträgheit simulieren, in dem man konstant beschleunigt, wobei die Trägheitskraft entgegengesetzt zur Beschleunigungsrichtung wirkt. Das bedeutet doch aber, dass Konzepte mit einem rotierenden Ring, wie beispielsweise in Kubricks "Odyssee im Weltraum", so garnicht funktionieren dürften. Wenn überhaupt, dann müsste man doch den Ring in Kammern unterteilen, wobei eine künstliche Schwerkraft nur an den der Drehbewegung entgegengesetzten Wänden spürbar wäre und auch nur dann, wenn sich der Ring beschleunigt dreht. Irgendwann ist aber auch hier das Maximum erreicht und man muss wieder konstant abbremsen - das was vorher Boden war ist nun Decke.
Das Ringsegment durchlaufen, so wie im Film oder wie man sich das allgemeinhin vorstellt, geht garnicht. Einzige Möglichkeit ist eine Leiter, die man im Kreis klettern kann - oder? Hab ich hier einen Denkfehler?

Viele Grüße
AdMon
 

mac

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Hallo AdMon,

erst mal willkommen hier im Forum. :)
Hab ich hier einen Denkfehler?
ja, den machst Du!

Denk mal an das Gefühl, daß Du im Auto bei einer Kurve hast. Du wirst nach außen gedrückt, und zwar so lange, wie daß Auto in der Kurve die Fahrtrichtung ändert. Fährt es im Kreis, dann dauernd. Stell Dir zusätzlich vor, daß dabei die Erdanziehung nicht da ist. Dann wäre die Kurvenaußenseite 'unten'.

Herzliche Grüße

MAC
 

jonas

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Hi AdMon

Du hast Dich vergalloppiert ;)

Dein in Kammern unterteilter Ring, der mit stets höherer Geschwindigkeit rotiert erzeugt gleich zwei "Schwerkraftfelder". Einmal drückt es dich gegen die seitliche Kammerwand (das ist der Effekt, den Du im Auge hast) aber zum Anderen drückt es dich auch gegen die Aussenseite des ringförmigen Raumschiffs. Das ist die schlichte Zentrifugalkraft.

Wenn Du etwas aus der geraden Bewegungsrichtung ablenken willst, dann musst Du Kraft aufwenden. Genau das passiert bei der Kreisbewegung, denn dort wird das kreisende Objekt (z.B. der Astronaut) permanent aus seiner momentanen Bewegungsrichtung abgelenkt. Und wenn der Kreis schön rund ist und nicht etwa ein Ei :)D), dann ist die Kraft auch bei gleichmässiger Rotation schön konstant.

Vielleicht kommst Du mal zu mir aufs Oktoberfest, da gibt es einige Fahrgeschäfte, welche die Zentrifugalkraft spektakulär veranschaulichen :) Das tollste war das Teufelsrad, eine etwa 10 Meter grosse rotierende Scheibe aus Parkettholz, auf der man so lange wie möglich sitzen bleiben soll ... bis es einen von der Scheibe schleudert. Oder der Rotor: Eine überdimensionale rotierende Raviolidose, in die man einsteigt. Nachdem sie sich dann zu drehen angefangen hat weicht der Boden unter den Füssen weg und man "pappt" an der Dosenwand :)
 
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AdMon

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ok

Hallo Mac, hallo Jonas,

danke für das nachträgliche Willkommen ;) und eure Antworten,

ja, Fliehkraft ist schon klar, aber wann setzt die ein? Ich könnte mich doch schwebend bis auf Milimeterabstand der sich rotierenden Innenenhaut nähern und sehen, wie die Hülle des Rings an mir vorbeizieht. Wenn ich jetzt den Finger ausstrecke und die an mir vorbeiziehende Wand berühre, würde sich ein geringer Teil der Kraft auf mich übertragen und ich würde eine Axialbewegung machen, aber keinesfalls schlagartig gegen die Hülle, dann Boden gedrückt!? Auf der Erde allerdings erfahre ich ja schon eine Beschleunigung, die mich sozusagen an das kraftübertragende Medium bindet. Im All habe ich das aber nicht, denn da befinde ich mich relativ zum Raumschiff und somit auch zu einem rotierenden Ring in Ruhe. Ich bräuchte also sozusagen erst eine entsprechend große Initialbeschleunigung die mich mit ausreichender Kraft gegen die Wand drückt und dann genug Haftung, damit sich die Wand nicht unter, neben, über oder an mir vorbeidreht und ich nur Purzelbäume mache.
Ich benöge also erstmal eine stabilisierende Vorrichtung, die mich an die Drehbewegung "anpasst", um dann der Auswirkung der Fliehkraft kontrolliert begegnen zu können.
Richtig?

Grüße AdMon
 

mac

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Hallo AdMon,

stimmt! Auch das war schön bei 2001 zu sehen. Du mußt mit der Außenwand, die dann der 'Fußboden' ist, mitrotieren. Damit Dir dabei nicht kotzübel wird, muß der Durchmesser dieses 'Rades' ziemlich groß sein, oder z.B. Zwei Zylinder, die durch ein langes Seil verbunden sind und umeinander herum wirbeln.

Herzliche Grüße

MAC
 

AdMon

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wie schnell?

Hallo

ähm, nachdem ich mich nun, durch mangelndes Wissen über die Erzeugung künstlicher Gravitation durch Rotation, etwas blamiert habe, würde ich nun auch noch gern wissen, wie schnell sich ein Ring, von sagen wir mal 50m Durchmesser, drehen müsste, um 1 g zu erzeugen.
Ich schätze, dass die gleichmäßige Ablenkung von der Fluchtrichtung bei ca 10m/s Drehgeschwindigkeit etwa 1/3 g bringt (in Abhängigkeit vom Durchmesser und damit dem Ablenkungswinkel).

Kennt jemand die Formel nachder man das genau ausrechnen kann?


Ich danke euch!
 

jonas

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Hi AdMon
Die Formel findest Du in Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/zentripetalkraft

Also entweder: F=m*v^2/r
mit m= Masse des körpers, v= Geschwindigkeit auf der Kreisbahn und r= Radius
oder: F=m*[omega]^2*r
mit omega=Winkelgeschwindigkeit (Hinweis: omega ist bei einer vollen Umdrehung pro Sekunde=2*pi)

Wie geht es nun weiter?
Links soll 1g resultieren. Für 1 kg Masse wirkt bei 1g eine Kraft von 9,81 Newton. Also liegt setzt man in die Formel die Masse 1 kg ein, für F: 9,81 N. Den Radius von 25 metern ist durch Deine Annahme festgelegt. Jetzt nur noch die Formel nach omega auflösen und Wurzel ziehen:
omega=sqrt(F/(m*r))=sqrt(9,81 kg m/s^2/(1 kg*25 m))=0,6264 s^-1

Um es in Umdrehungen pro Sekunde auszudrücken, müssen die 0,6 noch durch 2pi dividiert werden. In U/s sind es also 0,09969

Also ca. 0,1 Umdrehungen pro Sekunde (bzw. einer Umdrehung in 10 sekunden) in einem Kreisel von 25 Metern Radius erzeugen 1g.

In der Hoffnung mich nicht verrechnet zu haben
Grüsse
Jonas
 
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AdMon

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uii

Hi Jonas,

das ging ja schnell - ich danke Dir vielmals!

Das entspricht bei einer Umdrehung in 10s, etwa 15,7 m/s.
Wenn man den Radius nun verdoppelt, kommt man auf eine Umdrehung in 14,2 s was wiederum 22,15 m/s entspricht.
Das Verhältnis zwischen r und U/s für 1 g wird nun deutlich - die Auswirkung des Radius auf die Drehgeschwindigkeit ist aber bei weitem nicht so groß, wie ich erst annahm. Ich denke, bei der Konstruktion eines solchen Raumschiffs wird dann wohl eher auf die Kosten geachtet, als auf den Brechreiz.

Danke nochmal!

Gruß AdMon
 

AdMon

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Damit Dir dabei nicht kotzübel wird, muß der Durchmesser dieses 'Rades' ziemlich groß sein, oder z.B. Zwei Zylinder, die durch ein langes Seil verbunden sind und umeinander herum wirbeln.
MAC

Hallo Mac,

damit könnte man zwar einen großen Durchmesser bei relativ geringen Kosten realisieren, aber Navigation dürfte doch ziemlich schwierig werden. Selbst im stationären Umlauf sind Korrekturen notwendig - wie bewerkstelligt man das mit so einem Gebilde?

Gruß AdMon
 

mac

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Hallo AdMon,
... aber Navigation dürfte doch ziemlich schwierig werden. Selbst im stationären Umlauf sind Korrekturen notwendig - wie bewerkstelligt man das mit so einem Gebilde?
also ich denke wir sprechen von einem sehr lange dauernden Flug? Da braucht man Monate lang keine Korrekturen.

Kleine Korrekturen, mit schnell reagierenden Steuerdüsen kann man in jeder Bewegungs- und Schlingerlage durchführen. Natürlich nicht per Hand. Braucht man über längere Zeit ordentlich Schub vom Haupttriebwerk, bremst man die Rotation ab, zieht die Zylinder wieder zusammen, verbindet sie, richtet sie aus und gibt Stoff. ;)


Herzliche Grüße

MAC
 
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AdMon

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ok

Hi Mac,

naja, ok, es wäre so schon möglich, aber ist das wirklich praktikabel?!

Insgesamt erscheint's mir zu instabil! Die Zylinder selbst könnten zum Beispiel anfangen sich in der Längsachse zu verdrehen, da ein Seil dies nicht verhindern würde. Das Problem dabei sind sicher nicht schnellreagierende Steuerdüsen, sondern eine genaue Positionsbestimmung ausgehend von einer permanent spiralförmigen Fortbewegung.

Gut, vielleicht funktioniert das Ganze ja auf dem Papier, aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass man so ein Konzept wirklich in Erwägung ziehen würde.

Viele Grüße
AdMon
 

Ich

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Gut, vielleicht funktioniert das Ganze ja auf dem Papier, aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass man so ein Konzept wirklich in Erwägung ziehen würde.
Das A und O bei Weltraummissionen ist die Masse. Der zweitwichtigste Punkt ist, wie sperrig die Nutzlast ist.
Und bei beiden Punkten hat die Lösung mit dem Seil die Nase vorn.
 

Protagoras

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Weiterführende Fragen

Mich beschäftigen in diesem Zusammenhang schon seit einiger Zeit ein paar Detailfragen:

Wir nehmen an, wir befinden uns in einer Raumstation, die durch Rotation Schwerkraft simuliert, also letztendlich durch eine Beschleunigung nach außen wie in einer Zentrifuge. Diese Kraft wirkt nur auf mich, wenn ich den "Boden" mit den Füßen berühre.

Dann müsste es doch möglich sein, mich aus dem System durch einen kräftigen Sprung zu lösen, und innerhalb der rotierenden Station mehr oder mindern unkontrolliert schwerelos dahinzutreiben.

Gleiches müsste doch für Objekte gelten, z.B. für einen Ball, den ein Insasse quer durch die Station wirft, ohne dass seine Flugbahn von der Kraftwirkung abgelenkt wird, auch er fliegt schwerelos durch den Raum, bis er irgendwo anstößt.

Wenn ich nun einen Ball in die Höhe werfe und dieser die Decke berührt (der Ball sollte sehr langsam fliegen, um den direkten Abprall durch actio-reactio zu vermeiden), wie reagiert er auf die nach außen wirkende Kraft? Ich nehme nicht an, dass durch die Kraft unmittelbar zurückgelenkt wird, sondern sich eher an der Deck bis zu einer Wand bewegen und dann die Wand "heruntenfallen" würde.

Last not least: Haare. Wenn sich ein Mensch mit langen Haaren durch die Raumstation bewegt, hängen seine Haare herab, weil sie Kontakt mit einem Objekt haben, das ja nach außen gedrückt wird oder zieht er sie mehr oder minder freischwebend hinter sich her?

Ich würde mich freuen, wenn mir jemand bei der Beantwortung dieser Fragen behilflich sein könnte und vielleicht auch noch das ein oder andere interessante Gedankenexperiment zum Verhalten von Objekten unter simulieter Schwerkraft beitragen könnte.

Merci
 

jonas

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Hi Protagoras

Willkommen im Forum :)

Befindet man sich in einer rotierenden Raumstation, so haben alle Personen und auch Gegenstände wie Bälle einen Bewegungsimpuls, der durch die Drehrichtung vorgegeben ist.

Ein Ball, den man in einem fahrenden Zug hochwirft, kommt senkrecht wieder herunter, denn er hat die selbe horizontale Geschwindigkeit wie der Reisende und der Zug.

Ist der Zug nun eine Achterbahn, die gerade einen Looping vollführt, so ändert sich die Sache ein wenig.

Stell Dir vor, der Zug macht einen Looping im Uhrzeigersinn, und der Ball wird genau in dem Moment hochgeworfen, wenn der Zug am untersten Punkt des Loopings durchfährt (also auf sechs Uhr Position). Für den Zuschauer von Aussen hat der Ball nun einen Bewegungsimpuls nach links (wegen der Bewegung des Achterbahnzuges) und einen Impuls nach oben (wegen der Wurfbewegung des Passagiers).

Wie sieht es nun aus, wenn sonst keine Kraft auf den Ball mehr wirkt, insbesondere keine Gravitation, so wie es eben in der "Weltraumachterbahn" sein soll. Der aussenstehende Beobachter sieht den Ball nun von der sechs Uhr Position aus nach links oben fliegen. Und zwar bewegt sich der Ball geradlinig auf irgendeiner Bahn durch das "Zifferblatt", je nachdem wie schnell der Zug fährt und wie stark der Ball nach oben geworfen wurde.

Die Flugbahn des Balls schneidet dann irgendwo den Rand des Zifferblattes. Und dies ist genau die Stelle, an der der Ball wieder auf den Boden des Achterbahnzuges herabfällt.

Es hängt aber von der Stärke des Wurfs ab, ob sich an dieser Stelle wieder der Werfer befindet, oder ob der Ball vor oder hinter dem Werfer wieder zurückkommt.

Allein durch kräftiges Abstossen kann man nicht erreichen, dass man unkontrolliert innerhalb der rotierenden Raumstation herumschwebt. Man kommt auf alle Fälle irgendwo wieder "runter". Egal welchen Bewegungsvektor man innerhalb des Achterbahnkreises wählt, er schneidet immer irgendwann wieder den Kreis.

Last but not least: Ein Mensch mit langen Haaren, der in der Raumstation steht wird nur dann seine Haare frei schwebend am Kopf tragen, wenn sich sein Kopf in der Nabe der sich drehenden Station befindet. Ansonsten unterliegen die Haare genauso der Zentrifugalkraft wie die Füsse des Astronauten. Und zwar nicht, weil sie Kontakt zu einem Objekt haben, dass nach aussen drückt, denn sie drücken ja selbst nach aussen.
 

mac

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Hallo Protagoras,

herzliche willkommen hier im Forum. :)
Wir nehmen an, wir befinden uns in einer Raumstation, die durch Rotation Schwerkraft simuliert, also letztendlich durch eine Beschleunigung nach außen wie in einer Zentrifuge. Diese Kraft wirkt nur auf mich, wenn ich den "Boden" mit den Füßen berühre.
Nein, das hat nur indirekt mit der Berührung des 'Bodens' zu tun, sondern mit Deiner eigenen 'Umlauf'geschwindigkeit um die Drehachse. Ohne den Boden, auf dem Du stehst, würdest Du nur, ebenso wie ein Tropfen Wasser vom sich derehenden Fahrradreifen, mit Deiner momentanen Geschwindigkeit und Richtung Dich aus der 'Umlaufbahn' entfernen.

Du wärst nur dann schwerelos und könntest trotzdem 'am Ort' bleiben, wenn Du keinen Kontakt zu den rotierenden Teilen hast, und diese an dir vorbei rotieren. Machst Du oder sonst ein Körper die Rotation mit, dann 'fällst' Du so lange nach Außen (Unten) bis der Boden diese Fallbewegung auffängt. Wie beim Sprung vom Sprungturm.


Dann müsste es doch möglich sein, mich aus dem System durch einen kräftigen Sprung zu lösen, und innerhalb der rotierenden Station mehr oder mindern unkontrolliert schwerelos dahinzutreiben.
fast. Du darfst nicht nach 'oben' springen, sondern mußt gegen die Rotation rennen, genau so schnell wie die Umlaufgeschwindigkeit, dann kannst Du sanft abspringen und 'fliegen'

Gleiches müsste doch für Objekte gelten, z.B. für einen Ball, den ein Insasse quer durch die Station wirft, ohne dass seine Flugbahn von der Kraftwirkung abgelenkt wird, auch er fliegt schwerelos durch den Raum, bis er irgendwo anstößt.
ohne Luftwiderstand und ohne Kollision und in die richtige Richtung geworfen wäre er wie ein Satellit auf einer Umlaufbahn für Dich.

Wenn ich nun einen Ball in die Höhe werfe und dieser die Decke berührt ...
wie gesagt, nach 'oben' werfen nützt nichts, gegen die Rotationsrichtung werfen ist der Trick.


Last not least: Haare. Wenn sich ein Mensch mit langen Haaren durch die Raumstation bewegt, hängen seine Haare herab, weil sie Kontakt mit einem Objekt haben, das ja nach außen gedrückt wird oder zieht er sie mehr oder minder freischwebend hinter sich her?
freischwebend nur, wenn der Kopf an der Position der Rotationsachse ist.

Herzliche Grüße

MAC

PS. @Jonas, hatte Deinen Post noch nicht gesehen, als ich mit meiner Antwort anfing und sie gepostet hatte.
 
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