Ich halte es für höchst zweifelhaft, dass die Menschheit in ihrer gegenwärtigen Form zu dieser Zeit überhaupt noch da sein wird. Ich will nicht prinzipiell ausschliessen, dass irgend eine Form von Zivilisation noch bis dahin existiert, aber ich bin überzeugt dass wir sie nicht als "Menschheit" erkennen würden. Das hat nicht nur mit dem Doomsday Argument zu tun, sondern auch damit, dass wir mit der Technologie eine "evolutionäre Technik" gefunden haben, die nicht nur tiefgreifende Auswirkungen auf die Biosphäre der Erde hat, sondern auch uns selbst fundamental verändern wird. So lange die Menschheit (oder wie auch immer man die sich entwickelnde "terragene Zivilisation" auch nennen will) sich im Prozess dieser Transformation nicht selbst ausrottet, werden wir sie bereits in ein paar Jahrhunderten nicht mehr wiedererkennen. Ich vermute auch, dass einer solchen Zivilisation die Flucht von der Erde am Ende der Sonne gleichzeitig trivial und lächerlich erscheinen wird. Eine solche Zivilisation wird ganz andere Ziele und Ansprüche haben als wir: eine Atmosphäre mit 22°C, 21% Sauerstoff und 1 bar Druck gehört wohl kaum dazu.
Desweiteren muss man bedenken, dass all diese Vorgänge (Entwicklung der Sonne zum Unterriesen, dann zum Roten Riesen, zurück zum Helium-Brenner, wieder zum Roten Riesen und schliesslich zum Weissen Zwerg) fast allesamt über enorme Zeiträume stattfinden. Selbst wenn ich mich täuschen würde, und die menschliche Zivilisation für die nächsten 1 Mrd Jahre der westlichen Zivilisation des späten 20./frühen 21. Jahrhunderts gleichen würde: Die Verschiebung wäre auf jeden Fall sehr, sehr langsam, graduell, sicher nicht panikartig. Es bliebe mehr als genug Zeit für eine langsame Wanderung von Planet zu Planet, und natürlich auch mehr als genug Zeit um allfällige Habitate langsam zunächst nach aussen, dann (nach der zweiten Rote Riese Phase) wieder nach innen zu bewegen. Sich über den "Tag, an dem wir die Erde verlassen müssen" Gedanken zu machen, ist in etwa so sinnvoll wie die Frage, was wir denn an dem Tag tun, an dem Afrika mit Europa kollidiert. Die Frage, ob es "möglich sein wird, die Erde rechtzeitig zu verlassen", ist in etwa so müssig wie die Frage, ob man denn für all die Leute, die heute im Mittelmeertourismus angestellt sind, rechtzeitig einen anderen Job finden wird, wenn das Mittelmeer aufgrund der Kollision von Afrika und Europa geschlossen wird.
Eine Merkur-Kolonie halte ich grundsätzlich (hier, heute) für eine gute Idee, die man gerne in einem gesonderten Thread diskutieren sollte. Dass die Mehrheit der Kepler-Planeten auf Bahnen enger als jene von Merkur um ihre Sterne kreisen, ist keine besondere Überraschung, da Kepler vor allem diese Planeten finden kann. Das muss also nicht heissen, dass solche Planeten an sich häufiger sind als andere, weiter entfernte. Gravitationsmikrolinsen-Surveys deuten ja auch darauf hin, dass auch Planeten jenseits der Eisline enorm häufig sind.
Lesezeichen