Erstens muss man bei Starlink unterscheiden zwischen dem Erscheinungsbild in den Tagen nach dem Start (das, woran sich alle Amateur-Starlink-Kritiker abarbeiten), wo alle Satelliten noch 1. nahe beieinander, 2. in einem tiefen Erdorbit und 3. noch immer so ausgerichtet sind, dass sie viel Licht reflektieren, und dem Erscheinungsbild später, wenn sie den operativen Orbit und die operative Ausrichtung erreicht haben. Im letzteren Fall ist nur eine kleine Minderheit von Auge sichtbar (übrigens kann man schon heute Satelliten von Auge sehen, wenn man nur lange genug raufschaut). Die Sorgen der IAU betreffend astronomischer Beobachtungen gelten nicht dem Erscheinungsbild in den Tagen nach dem Start (da kann man darum herum arbeiten), sondern dem operativen Einsatz: denn selbst wenn die Satelliten von Auge nicht sichtbar sind, so sind sie doch extrem hell für ein grosses Teleskop. Das ist natürlich schon heute so, bloss vervielfacht sich das Problem mit jeder weiteren Konstellation, die operativ wird (da müsste man auch OneWeb, Projekt Kuiper, Teledesic und wie sie alle heissen nennen). SpaceX arbeitet aktiv daran, dieses Problem zu beheben (und natürlich nicht das Erscheinungsbild in den Tagen nach dem Start -sie sind ja nicht dumm...), zuerst mit abgedunkelten Satelliten, nun mit Schattenwerfern, die die Antennen vor direktem Sonnenlicht bewahren sollen.
Zweitens führt die ganze Kapitalismus-Diskussion komplett am Ziel vorbei, denn Musk will nicht reich sein um des Geldes willen (zur "persönlichen Bereicherung") - wenn dem so wäre, hätte er sich schon längst ausklinken und den Lebensabend auf einer Karibik-Insel geniessen können. Er hat eine Vision, und all sein Geld fliesst darin, diese umzusetzen: nämlich die Menschheit zur multiplanetaren Spezies zu machen. Das das enorm viel Geld kostet, steht ausser Frage. Er hat auch immer wieder gesagt: Starlink existiert nur, um das Starship-Entwicklungsprojekt langfristig zu finanzieren (natürlich hat es nette Nebenwirkungen wie gutes Internet weltweit etc., aber das ist nicht die Hauptmotivation, auch wenn es natürlich das Verkaufsargument ist). Und natürlich hat Musk immer mit dem US-Militär zusammen gearbeitet: SpaceX startet schon lange US-Militärsatelliten, das ist gut verdientes Geld und es wäre dumm, darauf freiwillig zu verzichten. Musk ist übrigens, wie viele Einwanderer, ein US-Turbopatriot (was nicht heisst, dass er politisch rechts stehen würde - er ist recht zentristisch in seinen Ansichten) und hat, wie übrigens eine überwiegende Mehrheit aller Amerikaner aller politischer Orientierungen, kein Problem damit, das US-Militär als Institution zu verteidigen. Denn die Unterstützung für das Militär und die Unterstützung dessen, was die jeweils gerade gewählte US-Regierung damit anstellt, sind zwei komplett verschiedene Schuhe.
Drittens muss man, denke ich, realisieren, dass sich die Zeiten eben ändern und dass man sich entsprechend anpassen muss. Natürlich hat man im frühen 19. Jahrhundert Spinnereien abgefackelt - ihren Siegeszug hat das nicht aufhalten können. Genauso kann man sich jetzt an Musk abarbeiten, aber das ändert nichts daran, dass sich grosse Satellitenkonstellationen früher oder später durchsetzen werden (mit ihm wohl etwas früher als ohne ihn, aber das ist eine Frage von 10 Jahren oder so). Genauso wie astronomische Beobachtungen in Städten irgendwann nicht mehr mit solchen ausserhalb von Städten mithalten konnten, weil das Streulicht zu viel wurde, können Teleskope an der Erdoberfläche irgendwann eben nicht mehr mit jenen im Erd- (oder gar Sonnen-) Orbit mithalten. Da Starlink das Starship finanziert, welches gerade in diesem Bereich bisher ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, sollte man in der Astronomie nun eben vorwärts schauen und sehen, wie man diese Entwicklung für sich nutzen kann. Zum Beispiel mit einer grossen Serie von baugleichen Weltraum-Teleskopen, die nicht nur von Starship gestartet, sondern auch damit gewartet werden können.
Viertens hoffe ich, Astrofreund, dass du trotz abbestelltem Tesla bei einem Stromer für dein nächstes Auto bleibst, denn bei den Argumenten, die für einen Stromer sprechen, kommt Musk nirgends vor. Aber bevor du jetzt aus Abneigung gegen Musk ein mutmasslich unausgereiftes Konkurrenzprodukt kaufst (Tesla ist ja wirklich klar der Marktführer bei den Stromern), dann lass dir gesagt sein, dass Musk nur eine Minderheit der Tesla-Aktien hält (ca. 20% oder so).