Die Venus ist nicht der ernäheste Planet ! ? !

TomS

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Hallo zusammen,

im Artikel Venus is not Earth’s closest neighbor wird behauptet, dass wenn man die mittleren Abstände der Planeten berechnet, Merkur der ernäheste Planet sei.

Ich versuche, die erste Formel in dem Artikel verstehen und sehe zwei Probleme:


  1. Wenn ich die beiden Radien gleichsetze, müsste der Abstand logischerweise Null sein; ist er nach der Formel aber nicht
  2. Wenn ich die Rechnung durchführe, erhalte ich eine ähnliche Formel, allerdings mit der Differenz der Radien - was wieder zu 1. passt

Skizze: ich setze zwei kreisförmige Bahnen an und berechne den momentanen Abstand zweier Planeten zu

$$ d_{12}(t) = \sqrt{r_1^2 + r_2^2 - 2 r_1 r_2 \, \cos(\omega_1 - \omega_2)t} $$

Für den mittleren Abstand folgt nach Substitution

$$ \bar{d}_{12} = \frac{1}{2\pi} \int_0^{2\pi} d\phi \sqrt{r_1^2 + r_2^2 - 2 r_1 r_2 \, \cos\phi} $$

Wegen Symmetrie integriere ich nur über das halbe Intervall und führe außerdem eine Substitution durch, so dass ich den Sinus zum Quadrat erhalte:

$$\cos\phi = \cos 2\theta = 1 - 2\sin^2\theta $$

Einsetzen liefert

$$ \sqrt{(r_1 - r_2)^2 + 4 r_1 r_2 \, \sin^2\theta} $$

Das liefert zum einen ein relatives Minuszeichen, zum zweiten ein Minuszeichen des Parameters im elliptischen Integral.

Zum dritten stelle ich gerade fest, dass ein zusätzlicher Parameter fehlt! Für identischen Orbit muss der Abstand nicht Null sein, sondern kann bei phasenverschobenen Umlauf auch konstant jedoch größer Null sein. Dieser Fall fehlt in meiner Berechnung - und im Artikel.

Übersehe ich etwas? Oder ist der Artikel wirklich so falsch?
 
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MGZ

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Ich hab die Studie mit eher geringen Interesse verfolgt weil es doch eine irrelevante Frage ist.

Ich vermute mal die betrachten einen Planeten als Wahrscheinlichkeitsverteilung auf einer elliptischen Bahn, und rechnen dann den Erwartungswert des Abstands aus. Der Fall von zwei Planeten mit gleichen Bahnparametern ist ein irrelevanter Grenzfall, der im Sonnensystem nicht vorkommt. Stell dir vor die Radien und Umlaufbahnen der Planeten wären nicht identisch, sondern minimal verschieden und dadurch würde der Abstand nicht konstant, sondern eben irgendein Durchschnittswert sein.
 

TomS

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Ich vermute mal die betrachten einen Planeten als Wahrscheinlichkeitsverteilung auf einer elliptischen Bahn, und rechnen dann den Erwartungswert des Abstands aus.
Der Artikel rechnet mit kreisförmigen Bahnen und nennt es mittleren Abstand.

Der Fall von zwei Planeten mit gleichen Bahnparametern ist ein irrelevanter Grenzfall, der im Sonnensystem nicht vorkommt.
Trotzdem sollte für diesen Grenzfall das korrekte Ergebnis rauskommen.

Stell dir vor die Radien und Umlaufbahnen der Planeten wären nicht identisch, sondern minimal verschieden und dadurch würde der Abstand nicht konstant, sondern eben irgendein Durchschnittswert sein.
Ich bin daran interessiert, die Mathematik korrekt zu verstehen, oder den Fehler zu finden.
 
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MGZ

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Der Artikel rechnet mit kreisförmigen Bahnen und nennt es mittleren Abstand.

Dann ist der Artikel noch schlechter als ich dachte.

Trotzdem sollte für diesen Grenzfall das korrekte Ergebnis rauskommen.

Nicht zwangsläufig. Wenn du sin(x)/x ausrechnen willst dann musst du dir auch bei x=0 ein bisschen besser überlegen, was rauskommen muss. So ähnlich ist es hier.


Ich bin daran interessiert, die Mathematik korrekt zu verstehen, oder den Fehler zu finden.

Wie gesagt, es ist für den Fall identischer Radien irrelevant, ob das Ergebnis der Formel richtig ist, weil dieser Fall so im Sonnensystem nicht vorkommt. Es wird die Autoren nicht interessiert haben, ob dieser Fall korrekt beschrieben wird.
Im Sonnensystem ist der Bahnwinkel von Planet 1 zu jedem Zeitpunkt unabhängig vom Bahnwinkel von Planet 2. Deswegen sollte man einfach über die gesamte Bahn mitteln, um den durchschnittlichen Abstand auszurechnen.
 

TomS

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Nicht zwangsläufig. Wenn du sin(x)/x ausrechnen willst dann musst du dir auch bei x=0 ein bisschen besser überlegen, was rauskommen muss.
Wir reden hier nicht über Schulmathematik.

Es wird die Autoren nicht interessiert haben, ob dieser Fall korrekt beschrieben wird.
Physiker prüfen gerne Spezialfälle zuerst, um offensichtliche Fehler zu finden.

Im Sonnensystem ist der Bahnwinkel von Planet 1 zu jedem Zeitpunkt unabhängig vom Bahnwinkel von Planet 2. Deswegen sollte man einfach über die gesamte Bahn mitteln, um den durchschnittlichen Abstand auszurechnen.
Das haben sowohl die Autoren als auch ich getan. Die Ergebnisse stimmen nicht überein - siehe meine o.g. Herleitung.

Kannst du den Fehler in einer der beiden Herleitungen identifizieren?

Das würde helfen.
 

ralfkannenberg

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Hallo zusammen,

ohne das im Detail nachgeschaut zu haben vermute ich, dass Ihr die Autoren missverstanden habt. Es geht ein bisschen um dieselbe Situatiuon wie bei der Frage, welche Uhr genauer geht: eine die immer steht und somit zweimal am Tag die richtige Uhrzeit angibt oder eine, die permanent 1 Minute nachgeht und somit niemals die richtige Uhrzeit angibt.

Und zum Schluss schreiben die Autoren ja auch, dass der Merkur der "durchschnitts-nächste" Planet von allen Planeten unseres Sonnensystems sei, und das kann schon sein - im Minimum mögen andere Planeten zwar näher sein, aber die meiste Zeit ihrer Umlaufbahn sind die eben doch weiter von der Erde (bzw. jedem anderen betrachteten Planeten) entfernt als der Merkur.

Allerdings stellt sich schon die Frage, welchen Mehrwert an Erkenntnis eine solche wenig überraschende Feststellung ergibt.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

TomS

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Ralf, ich habe den Artikel nicht missverstanden.

Auch an dich die Frage: kannst du die erste Formel in dem Artikel herleiten, oder findest du einen Fehler in einer der Rechnungen?
 
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ralfkannenberg

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Auch an dich die Frage: kannst du die erste Formel in dem Artikel herleiten, oder findest du einen Fehler in einer der Rechnungen?
Hallo Tom,

ich habe mich zu diesem Thema im Abenteuer-Universum geäussert.

Es ist ein Brain-Teaser und wird wohl darauf hinauslaufen, dass man da eine Kenngrösse definiert und dann prüfen muss, ob diese Kenngrösse das gewünschte liefert. Der Rest ist dann Rechnerei.


Astronomisch jedenfalls erscheint mir das Resultat plausibel, da sich von einem beliebigen Planeten unseres Sonnensystems die meiste Zeit seiner Umlaufbahn der Merkur der nächstgelegene Planet ist und nur zu wenigen Ausnahmezeiten ein anderer Planet näher steht.

Stark vereinfacht muss man also m.E. die Abstände bestimmen und diese danach geeignet über Zeiten aufintegrieren.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Herr Senf

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Also ich hab jetzt mal nicht gerechnet, ein weißes Blatt Papier genommen und auf die Bahngeometrien geschaut.
In erster Näherung sind Merkur und Venus im Durchschnitt beide über einige Erdenjahre gerechnet ca 1 AU = 150 Mio km von der Erde weg.
Die Durchschnittsentfernung > 1 AU muß für den Merkur etwas kleiner sein als für Venus, weil die "Kreisbahn" näher an der Sonne liegt.
 

TomS

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Hallo zusammen,

könnt ihr nicht einfach mal die Rechnung in meinem ersten Beitrag prüfen?

Mit

$$ r_\pm = r_1 \pm r_2 $$

$$ k^2 = \frac{4r_1r_2}{r_\pm^2} $$

folgt

$$ \bar{d}_\pm = \frac{2}{\pi} \, r_\pm \, E(\pm k) $$

Der Artikel kommt auf das “+”, ich auf das “-“.
 

Bernhard

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$$ \bar{d}_{12} = \frac{1}{2\pi} \int_0^{2\pi} d\phi \sqrt{r_1^2 + r_2^2 - 2 r_1 r_2 \, \cos\phi} $$
Geht man von Bild 1b aus, müssen sich die Radien bei Phi = 0 addieren, d.h.
$$ \bar{d}_{12} = \frac{1}{2\pi} \int_0^{2\pi} d\phi \sqrt{r_1^2 + r_2^2 + 2 r_1 r_2 \, \cos\phi} $$
Geht man damit zu Wolframalpha bekommt man ein Ergebnis, das nur noch etwas in Form gebracht werden muss und bereits den Vorfaktor (r1+r2) aus dem Artikel enthält.
 

TomS

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Danke!

Ausgehend von 1a erhält man mein Vorzeichen. Aber unter dem Integral führt das auf das selbe Ergebnis, die beiden Integranden sind lediglich phasenverschoben.

Außerdem erfüllt das vollständige elliptische Integral zweiter Art die Beziehung

$$ (1-x) \; E\left(-\dfrac{4x}{(1-x)^2}\right) = (1+x) \; E\left(\dfrac{4x}{(1+x)^2}\right) $$

und damit sind beide Herleitungen und Ergebnisse äquivalent.

Der Fall identischer Radien ist etwas komplizierter; man muss die Phasenverschiebung berücksichtigen. Im Falle unterschiedlicher Radien und damit Frequenzen mittelt sich dieser Effekt jedoch heraus.

EDIT:

Die Abstandsfunktion hat ein Minimum für den Bahnradius des inneren Planeten.

plot
 
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TomS

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Welche Phasenverschiebung?
Für zwei Planeten mit identischem Bahnradius, jedoch an unterschiedlichen Orten auf dem Orbit, und daher ggf. mit Abstand größer Null.

Dieser Fall funktioniert anders:

Skizze: zwei kreisförmige Bahnen mit Phasenverschiebung gamma zwischen beiden Planeten

$$ d_{12}(t) = \sqrt{r_1^2 + r_2^2 - 2 r_1 r_2 \, \cos[(\omega_1 - \omega_2)t + \gamma]} $$

Wie oben folgt für den mittleren Abstand

$$ \bar{d}_{12} = \frac{1}{2\pi} \int_0^{2\pi} d\phi \sqrt{r_1^2 + r_2^2 - 2 r_1 r_2 \, \cos(\phi + \gamma)} $$

Der Effekt der Phasenverschiebung fällt bei Integration weg.


Wenn jedoch beide Planeten auf dem selben Orbit umlaufen

$$ r_1 = r_2 $$

und wenn - wie im Falle des Keplerproblems - auch die Frequenzen übereinstimmen, dann folgt

$$ \omega_1 = \omega_2 $$

$$ d_{12}(t) = \sqrt{2r^2 - 2 r^2 \, \cos\gamma} $$

Dies wurde im Artikel nicht betrachtet.


Die von mir o.g. Argumente bzgl. dieses Spezialfalls sind nicht stichhaltig, da ich diese Phasenverschiebung übersehen hatte.

Insbs. hängt die gesamte Berechnung nicht vom dritten Keplerschen Gesetz ab und gilt allgemein für beliebige Frequenzen.
 
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Bernhard

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Der Artikel will scheinbar die Bedeutung der oberen Konjunktion der inneren Planeten hervorheben. Falls die Venus von der Erde aus gesehen genau hinter der Sonne steht (obere Konjunktion), ist sie natürlich erheblich weiter von der Erde entfernt als Merkur.

Wie wesentlich diese Einsicht ist, können wohl nur Berufsastronomen beurteilen, weil man dort dann ggf. den allgmeinen Sprachgebrauch anpassen muss.
 

TomS

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Die wesentliche Aussage folgt deutlich einfacher, wenn man das mittlere Abstandsquadrat betrachtet:

$$ \overline{d^2}_{12} = \frac{1}{2\pi} \int_0^{2\pi} d\phi \, [r_1^2 + r_2^2 - 2 r_1 r_2 \, \cos(\phi + \gamma)] = r_1^2 + r_2^2 $$

Bei festgehaltenem Bahnradius eines Planeten erhält man offensichtlich kleinere mittlere Abstandsquadrate für kleinere Bahnradien des anderen Planeten.

Ich hatte die Rechnung schon zu Beginn dastehen, jedoch den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen - Exzentrizität und elliptische Funktionen sind letztlich irrelevant.
 
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