Der gesunde Menschenverstand

Aurora

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Hallo zusammen,

der so genannte gesunde Menschenverstand wurde hier bis zum Erbrechen strapaziert. Aber was ist das eigentlich? Ich denke unter gesundem menschenverstand versteht man Schlussvolgerungen aus dem Offensichtlichen, Erkenntnisse aus Alltagserfahrungen u.ä. Eine Schlussfolgerung aus dem Offensichtlichen wäre z.B. "die Sonne dreht sich um die Erde". Das ist aber schlicht falsch und wie in dem genannten Fall kann der gesunde Menschenverstand immer wieder zu Fehlschlüssen führen, für wisenschaftliche Arbeit untauglich.
Ich weiß nicht, wann man begann sich auf diese Phänomen zu berufen.
Fakt ist aber eines, die Anrufung desselben erfolgt immer dann, wenn man sich mit etwaigen Rätseln nicht auseinander setzten will, wenn man irgendwelche phantastischen Theorien etablieren will u.ä. Die Kritiker der RT sind hierbei durchaus keine Ausnahme. Solche Leute trifft man auch in anderen Wissenschaftsbereichen u.a. der Archäologie. Hier werden Alterdatierungen nicht anerkannt, Interpretationen und/oder Experimente ignoriert, menschliche Leistungen kleingredet, weil unsere Altvorderen ja so doof waren uvam.
Ich frage mich oft, was soll das Ganze.

Gruß Aurora
 

ralfkannenberg

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Hallo Aurora,

ich will mir ein paar unfertige Gedanken erlauben: Ich denke da ist es ähnlich (was auch immer nun "ähnlich" heissen mag) wie bei der "Liebe" (ich meine Liebe, nicht Sex !): Eigentlich jeder auf Welt, unabhängig von der Kultur, wird der Liebe einen sehr hohen Stellenwert geben, ja es als eines der höchsten Werte überhaupt beschreiben, neben denen der Gerechtigkeit oder Freiheit oder auch Barmherzigkeit. Dennoch ist die Liebe etwas hochgradig ungerechtes, sie ist hochgradig undemokratisch und eigentlich auch unfrei (obgleich zwei Verliebte ihre Unfreiheit als Erfüllung erleben werden).

Ich denke auch der "gesunde Menschenverstand" erhebt keinerlei Anspruch auf Wahrheit oder formale Richtigkeit; der gesunde Menschenverstand wird sich etwas überlegen, wenn das Experiment etwas anderes als die Vorstellung aussagt. Insbesondere wird der gesunde Menschenverstand staunen, wenn er sich irrt - er wird das als Bereicherung empfinden.

Und genau hier glaube ich liegt der grundlegende Unterschied zu all' diesen Anti's: Diese reagieren mit vollumfänglicher Ablehnung und nicht mit Staunen oder Faszination, wenn der gesunde Menschenverstand etwas anderes ergibt als die Resultate.

Gewiss, der gesunde Menschenverstand ist eine Prüfung, ob man nun völlig auf dem Irrwege ist oder nicht, aber diese Prüfung lässt als Ergebnis beide Optionen offen: Sowohl die Ablehnung als auch die Anerkennung der neuen Erkenntnisse ! Die Anti's aber akzeptieren nur die Ablehnung.

Freundliche Grüsse, Ralf


PS: Ausgezeichneter Beitrag von Dir heute nachmittag um 15:28 Uhr ! Kompliment !
 
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Le Baron

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Hallo Aurora,

Aurora schrieb:
der so genannte gesunde Menschenverstand wurde hier bis zum Erbrechen strapaziert. Aber was ist das eigentlich?
der gesunde Menschenverstand ist der Denkprozess
eines Individuums, der ihm eine Meinung liefert, die mit
der Mehrheitsmeinung seiner Umgebung übereinstimmt.

GS ist also zeitlich und räumlich veränderlich und
ist ausserdem anfällig für Ammenmärchen, die alle
unbeirrt glauben. Sagen wir - äh - rutscht eine Münze
durch einen Geldautomaten, so sollte man sie am Automaten
kratzen bevor man sie dann nochmal in den Schlitz steckt.

Totaler Quatsch, aber der GS sagt einem "jau, das wird wohl
so sein".

Der GS ist natürlich auch hochgradig anfällig für
Manipulationen. So wurde der gesunde Menschenverstand
vor einigen Jahrzehnten systematisch und schleichend
in ein Gesundes Volksempfinden umprogrammiert. Wie wir
alle wissen.

(Wikipedia)

Also ist der Bezug auf den GS der Pseudowissenschaftler eigentlich
verfehlt. Denn der GS sagt einem, dass die RT von Einstein richtig
ist! Wer's nicht glaubt, soll halt eine Umfrage machen.

Ich denke, die Pseudowissenschaftler meinen vielmehr "Intuition",
wenn sie GS sagen.

Sie sagen, eine Theorie sie kontraintuitiv ("paradox") und deshalb falsch.

Was bekanntlich Blödsinn ist.

Gruss
LB
 
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Aurora

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Ok, der gesunde Menschenverstand ist dynamisch, hat dann allerdings wenig mit dem, im ersten Post strapazierten Vehikel zu tun.
Auf dieser Basis kann ich dann auch ein bisschen philosophieren. Ich gehe jetzt mal ganz weit zurück, bis zum Entstehen unserer Art (HSS) vor ca. 200.000 Jahren. Da diente dieser Verstand noch dem Erkennen der unmittelbaren Umwelt und dem Überleben. Neue Erkenntnisse wurden tatsächlich noch aus dem Alltag geschöpft, war die Welt als Ganzes noch weitgehend unverständlich - magisch.
Spätestens in der griechischen Antike dürfte aber klar geworden sein, dass man allein mit dem gesunden Menschenverstand allein nicht mehr weiterkommt, dass es Dinge gibt die sich diesem entziehen. Ich denke hier an Demokrit und seine Postulation des Atoms oder an Archimedes und die Beschreibung der Hebelgesetze. Heute ist das aber Bestandteil unseres Denkens und niemand kommt mehr auf die Idee zu behaupten, solche sachen entzögen sich dem gesunden Menschenverstand.
Ich behaupte jetzt einfach mal, der Menschenverstand bleibt so lange gesund, wie er in der Lage ist Erkenntnisse mit einzubeziehen, die sich einfacher Alltagserfahrungen und-beobachtungen entziehen. Wenn er beginnt intuitiv zu funktionieren. :) Intuition wiederum bedarf aber m.E. umfangreicher Grundkenntnisse.
Hier landen wir dann wieder bei den "Antis" jeglicher Coleur, die nicht bereit sind sich diese Kenntnisse anzueignen, den gesunden Menschenverstand als etwas mehr oder weniger statisches betrachten und sich dann auf dieser Basis eine Weltsicht zusammen basteln.
Was dabei dann herauskommt haben wir hier im Forum erlebt und habe ich zur Genüge in Foren erlebt, in denen es um die Frühgeschichte der menschlichen Kultur und Zivilisation ging.
Das ist der Stoff aus em zu guter letzt auch Verschwörungstheorien entstehen.

Gruß Aurora
 
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Ich

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Da gibts ein schönes Zitat von Albert Einstein:
„Der gesunde Menschenverstand ist die Summe der Vorurteile, die man bis zu seinem 18. Lebensjahr angesammelt hat".
Das trifft es ausgezeichnet, finde ich.
Wir Erwachsenen können ja nur überleben, weil wir nicht alles immer wieder neu erfinden. So viel Zeit hat niemand. Also verlassen wir uns auf Erfahrung.
Ein Problem wird es dann, wenn man "Erfahrung" unzulässig extrapoliert und nie gelernt hat (oder nicht in der Lage ist), Fehler zu erkennen oder darauf zu reagieren.
Also: "gesunder Menschenverstand" ist nützlich, ist sogar eng verwandt mit Intuition, die man oft braucht. Nur wenn man nicht kapiert, dass man von den Vorurteilen mal das eine oder andere über Bord werfen muss, wirds kritisch. Auch Intuition muss man sich lange, mühsam und immer wieder neu erarbeiten.
 

kosmos

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Eine Definition des gesunden Menschenverstands stelle ich mir schwierig vor. Ich glaube aber, dass der gesunde Menschenverstand viel mit Intuition und Erfahrung zu tun hat.

Ich erlebe in der Praxis immer wieder, dass bei einigen meiner Mandanten bei verlockenden Angeboten gewisser "Finanzexperten" der Verstand aussetzt.

Es werden an meine Mandanten öfters "exklusive" Angebote herangetragen, ihr Geld in Projekte mit hohen Gewinnerwartungen, in Anlagen mit extrem hohen Zinsen, in Diamanten mit garantiertem Wertzuwachs etc. anzulegen. Geblendet von den tollen Gewinnaussichten übersehen sie die Risiken und Gefahren der an sie herangetragenen Angebote. In allen mir bekannten Fällen waren die hohen "Gewinne" immer mit einem extrem hohen Verlustrisiko oder gar dem Totalverlust des eingesetzten Geldes verbunden.


In solchen Fällen appelliere ich an den gesunden Menschenverstand meiner Mandanten. und bitte sie, nach Aufklärung über die Risiken und "Nebenwirkungen" der Investition ihres Geldes in solche Anlagen, ihre Investitionsabsicht nochmals zu überdenken. Bisher hat der Verstand (gesunder Menschenverstand ?) bei fast allen Anlegern nach einer gewissen Bedenkzeit wieder eingesetzt und sie haben Abstand von solch unseriösen Angeboten genommen.

Vielleicht liegen solche Verhältnisse ja auch bei den Gegnern der Relativitätstheorie vor. Geblendet vom bevorstehenden Ruhm, die Relativitätstheorie und Einstein widerlegt zu haben, setzt bei ihnen der gesunde Menschenverstand aus und sie blenden in Bezug auf die Lehrbuchphysik alle Erklärungen aus, die ihrem Weltbild zuwider laufen.:)

Gruß kosmos
 

Aurora

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Vielleicht liegen solche Verhältnisse ja auch bei den Gegnern der Relativitätstheorie vor. Geblendet vom bevorstehenden Ruhm, die Relativitätstheorie und Einstein widerlegt zu haben, setzt bei ihnen der gesunde Menschenverstand aus und sie blenden in Bezug auf die Lehrbuchphysik alle Erklärungen aus, die ihrem Weltbild zuwider laufen

Nicht nur bei Gegnern der Relativitätstheorie. Ich habe schon erwähnt, dass ich solches verhalten auch die Archäologie betreffend, erlebt habe. Da ist die Rede vom "Stillen Kämmerlein", dem "Dornröschenturm" oder schlicht von Betonköpfen. Welche Intentionen genau dahinterstecken, weiß ich nicht, ob nun die eigene Weltsicht, mangelndes Wissen oder Aussicht auf Ruhm. Manchmal habe ich den Eindruck, in vielen Fällen ist die Motivation ein einfaches "das nicht sein kann, was nicht sein darf".

Der gesunde Menschenverstand (Betonung auf Verstand) und Intuition können m.E. auch zu neuen Erkenntnissen führen. Nicht aber bei genannten Gruppierungen. Ich denke in diesen Leuten geht es unter dem Deckmantel der Vereinbarkeit mit gesundem Menschenverstand allein um das Infragestellen bestimmter Erkenntnisse.

Ja, es ist schwierig, gesunden Menschenverstand zu definieren. Könnte man sagen, es ist der Denkprozess an sich? Ob nun mit oder ohne den Zusatz gesund?
In Deinem Beispiel (und da gibt es viele) setzt dieser Denkprozess eigentlich völlig aus und macht bestimmten Phantasien Platz.
Kann man also gesunden Menschenverstand mit Verstand/Ratio gleichsetzen?

Gruß Aurora
 

Ich

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Gesunder Menschenverstand ist sicher nicht gleich Ratio.
Ratio bedeutet, die Fakten vonGrund auf zu prüfen und dann "optimal" zu entscheiden.
Das ist im wirklichen Leben so gut wie unmöglich.
Deshalb gibt es den gesunden Menschenverstand: Wir prüfen eben nicht jedesmal aus neue, sondern übertragen erfahrenes, gelerntes und ererbtes auf die Fakten. Wenn da irgendwo der Wurm drin ist, fällt das eben wegen der fehlenden Prüfung nicht auf.
Um aber Crank zu werden muss noch eine irgendwie geartete Störung vorliegen, die es dem Betroffenen verbietet, die Prüfung der Fakten wenigstens nachzuholen, wenn ihm die ganze Welt erklärt, dass er sich irrt.
 

komet007

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Ich schrieb:
Da gibts ein schönes Zitat von Albert Einstein:
„Der gesunde Menschenverstand ist die Summe der Vorurteile, die man bis zu seinem 18. Lebensjahr angesammelt hat".

Ich würde eher sagen: "Der gesunde Menschenverstand ist die Summe der Fehler die man selbst und andere bereits begangen haben."
 

Le Baron

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Aurora schrieb:
Ja, es ist schwierig, gesunden Menschenverstand zu definieren. Könnte man sagen, es ist der Denkprozess an sich? Ob nun mit oder ohne den Zusatz gesund?
In Deinem Beispiel (und da gibt es viele) setzt dieser Denkprozess eigentlich völlig aus und macht bestimmten Phantasien Platz.
Kann man also gesunden Menschenverstand mit Verstand/Ratio gleichsetzen?
Ich hab oben gesunden Menschenverstand definiert.

Die Evolution hat ihn "erfunden", damit in einer sozialen
Gemeinschaft mit 100 Menschen über ein alltägliches
Problem nicht 100 verschiedene Meinungen auftauchen.

Der gesunden Menschenverstand wirkt also harmonisierend
und fördert den sozialen Zusammenhalt.

Selbst wenn die allgemeine Meinung falsch ist
(siehe mein Beispiel mit dem Automaten), bewirkt
der gesunde Menschenverstand ein allgemeines
Festhalten an dieser falschen Meinung! Die Wahrheit
wird dem Konsenz untergeordnet.

Daraus wird klar, dass der gesunde Menschenverstand eine
überrragende Bedeutung für soziale Gemeinschaften hat.

Allerdings versagt der gesunde Menschenverstand
katastrophal in Bereichen, die weit über den eigenen
Lebensraum hinausgehen (dafür wurde er auch
nicht designed).

Offensichtliches Beispiel ist bekanntlich die RT!

Anderes Beispiel, wo der Appell an den gesunden
Menschenverstand versagt:

Es gibt Trilliarden von Sternen in unserem gigantischen
Universum, also muss es einfach noch viele andere
intelligente Zivilisationen geben.


Gruss
LB
 

Aurora

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Hallo LB,

ich habe deine Definition (wikipedia) doch gar nicht ignoriert. Siehe mein Post weiter oben. Dennoch scheint das nicht ganz zu treffen bzw wird etwas als gesunder Menschenverstand interpretiert, was dem eigentlich gar nicht entspricht. Was die cranks und die Anhänger von Pseudowissenschaften im allgemeinen betrifft, so trifft die Manipulierbarkeit und das Glauben von Ammenmärchen zwar zu, läuft m.E. aber einer sozialen Hamonisierung entgegen. Fördert also mehr die Herausbildung antagonistischer Gruppen.

Wenn gesundr Menschenverstand ursprünglich ein evolutionärer Vorteil war, kann er sich aber unter bestimmten Bedingungen auch als Nachteil erweisen.

Es gibt Trilliarden von Sternen in unserem gigantischen
Universum, also muss es einfach noch viele andere
intelligente Zivilisationen geben.

Warum muss hier ein Apell an den gesunden Menschenverstand versagen? Ich halte es mit der Astronomin (vergesse den Namen immer wieder) aus Carl Sagans "Contact" ... es wäre eine enorme Platzverschwendung :)
Gruß Aurora
 
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Le Baron

Registriertes Mitglied
Hallo Aurora,

Aurora schrieb:
ich habe deine Definition (wikipedia) doch gar nicht ignoriert. Siehe mein Post weiter oben. Dennoch scheint das nicht ganz zu treffen bzw wird etwas als gesunder Menschenverstand interpretiert, was dem eigentlich gar nicht entspricht. Was die cranks und die Anhänger von Pseudowissenschaften im allgemeinen betrifft, so trifft die Manipulierbarkeit und das Glauben von Ammenmärchen zwar zu, läuft m.E. aber einer sozialen Hamonisierung entgegen. Fördert also mehr die Herausbildung antagonistischer Gruppen.

ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich hier die
immer gleichen Mechanismen perpetuieren.

In Wer waren Einsteins Gegner?, veröffentlicht von
der Bundeszentrale für Politische Bildung, liest man
über die heftige Einstein-Kritik der Zwanziger Jahre:

Einstein beschrieb die Natur mathematisch, er unternahm keine Wesensschau. Unanschaulichkeit und Ausklammerung der Wahrheitsfrage wurde ihm nicht nur von Physikern wie Gehrcke und Lenard, sondern auch in der Tagespresse und in Anti- Einstein-Pamphleten aus dem Bildungsbürgertum vorgeworfen. Anschaulichkeit und Wahrheit gingen dabei Hand in Hand. Anschaulichkeit wurde als Kriterium für Wahrheit angesehen: Nur was dem gesunden Menschenverstand ohne große mathematische Vorbildung einsichtig ist, kann wahr sein.

Dieser zunächst einmal rein epistemologische Kritik
an der Relativitätstheorie weist die Autorin aber
zugleich eine politische Komponente nach:

Dennoch hatte die Auseinandersetzung mit der Relativitätstheorie selbst in dieser epistemologischen Dimension bereits politische Qualität. Die Forderung der Einstein-Gegner nach Anschaulichkeit, Einfachheit und Wahrheit bezog sich fast immer auf eine weltanschauliche Bedeutung der Naturwissenschaft. Auch war die Berufung auf den "gesunden Menschenverstand" nur vordergründig unpolitisch: Was der "gesunde Menschenverstand" als "gesund" und "normal" ansieht, ist höchst variabel. Der "gesunde Verstand" wurde etwa bei Lenard, der aus seinen antisemitischen Überzeugungen keinen Hehl machte, sofort mit dem "gesunden deutschen Denken" identifiziert und in Gegensatz zum "abstrakten", ja "wirren" jüdischen Denken gesetzt: hier deutsche Naturforschung, dort die Auflösung der Wirklichkeit in einen Tanz von Symbolen.


Wo gesunder Menschenverstand drauf steht, da ist
halt nicht immer gesunder Menschenverstand drin.

Da sollte man im Einzelfall immer genau hinschauen.

Um mal diese Behauptung

"Nur was dem gesunden Menschenverstand ohne große mathematische
Vorbildung einsichtig ist, kann wahr sein. "

kritisch zu würdigen:

diese Vorstellung ist typisches Magical Thinking. Und zwar von der
archaischten aller Magien: wie innen, so auch aussen.

Darauf basiert Astrologie, Tarokarten-Lesen, Voodoo und vieles mehr.

Im Prinzip wird eine kausale Verbindung zwischen einem inneren
Zustand und dem äusseren der Welt postuliert.

"Meine eigene Denkweise steht in kausaler Verbindung zum Wesen
dieser Welt."

"Meine Vodoo-Puppe steht in kausaler Verbindung zum Wesen eines
bestimmten Menschen."

"Mein Leben steht in kausaler Verbindung zur Konstellation der Sterne."

Alles der gleiche magische Mist!

Von den Magiern des gesunden Menschenverstandes würde ich auch mal
gerne folgendes wissen:

wie zum Henker wusste der Kosmos über seine gesamte Entstehungs-
geschichte, dass vor ein paar Jahren irgendein Lebewesen daherkommt,
nach dessen "gesunden Verstand" sich der Kosmos gefälligst zu richten
habe?


It's a kind of magic!! :D

Und hey:

Vielleicht gibt es ja doch noch andere intelligente Zivlisationen.

Tja, nach wessen "gesunden Verstand" soll sich der Kosmos dann ausrichten?
Dem gesunden Menschenverstand oder dem gesunden Klingonenverstand?


Ein echtes Dilemma, woll? :D

Gruss
LB
 
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Aurora

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Hallo LB,

den Einsatz des gesunden Menschenverstandes für das Lösen von Alltagsproblemen und zur sozialen Harmonisierung der gemeinschaft verantwortlich zu machen, gehe ich noch mit.

diese Vorstellung ist typisches Magical Thinking. Und zwar von der
archaischten aller Magien: wie innen, so auch aussen.

Das ist schlicht falsch, ja sogar unwissenschaftlich. Die frühgeschichtlichen Menschen dachten nicht magisch, sondern dualistisch, nicht innen wie außen, sondern oben wie unten. Dieses Denken entsprang einer zutiefst menschlichen Eigenschaft - dem Drang nach Wissen, dem Wusch die Welt und ihre Wirkmechanismen zu ergründen und zu erklären. Schon in den Anfängen kamen in sehr hohem Maße Ratio und Logos zum Einsatz.

Und nein - Astrologie hat nix mit innen und außen zu tun.
Auch wenn man's nicht glauben mag, die Astrologie ist die "Mutter" der Astronomie. Die Beobachtung des Sternenhimmels und die Bewegung der, mit bloßen Auge, sichtbaren Himmelskörper war untrennbar mit der Deutung dieser Bewegung verbunden. Man versuchte aus sich periodisch wiedrholenden Konstellationen einen Bezug zu Ereignissen in der Natur herzustellen. Daraus entstanden erste Kalender und so genannte Sonnenobservatorien. An Gebiet mit dem sich Archäologie und Archäoastronomie eingehend beschäftigen und Ursprünge und Motivation zu ergründen suchen. Eines ist allerdings nicht möglich, nämlich die Entwicklung derselben ohne grundlegende mathematische (oder sollte ich besser sagen - rechnerische) Kenntnisse, ohne Ration ebenfalls nicht. Eine Reduktion auf gesunden Menschenverstand ist im Falle der Astrologie fehl am Platz.
Mit Sicherheit wurde vieles als magisch, weil nicht erklärbar angesehen. Daraus entstanden Götterglauben und Religionen.
Und damit kommen wir zum Voodoo. Die Ursprünge dieser Religion sind bisher nicht gklärt. Mit Sicherheit beschränkt sich Voodoo jedoch nicht auf "Püppchen piecksen"

Alles der gleiche magische Mist!

Vom heutigen Standpunkt aus gesehen vielleicht. Man darf jedoch nicht den Fehler machen und heutige Denweise und -strukturen auf frühgeschichtliche Kulturen zu übertragen. Obwohl der HSS vom Beginn seiner Existenz an über das gleiche intellektuelle Potential verfügte wie wir, haben sich denkweise und -struktur über die Jahrtausende gewandelt, einfach aus dem Grund, weil Wissen und Erkenntnisse ständig expotentiel gewachsen sind.

Insbesondere in der Astrologie sind mehr Ratio und Intuition drin, als der so genannte gesunde Menschenverstand.
Unter diesem Aspekt kann man durchaus davon ausgehen, dass auch dieser sich gewandelt hat, bzw als nur ein Synonym ist.

Gruß Aurora
 
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Le Baron

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Hallo Aurora,
Aurora schrieb:
Das ist schlicht falsch, ja sogar unwissenschaftlich.
mein Gott - wenn's doch wenigstens ausschliesslich
falsch wäre. :D

(Danke für den Hinweis: es muss Oben-wie-Unten
und nicht Innen-wie-Aussen heissen. Das ändert
aber nichts am Inhalt.)

Aurora schrieb:
Die frühgeschichtlichen Menschen dachten nicht magisch, sondern dualistisch, nicht innen wie außen, sondern oben wie unten. Dieses Denken entsprang einer zutiefst menschlichen Eigenschaft - dem Drang nach Wissen, dem Wusch die Welt und ihre Wirkmechanismen zu ergründen und zu erklären. Schon in den Anfängen kamen in sehr hohem Maße Ratio und Logos zum Einsatz.
Dualistisches und magisches Denken schliessen sich ja nicht aus.
Ich halte sie sogar für eng verwandt.

Aurora schrieb:
Und nein - Astrologie hat nix mit innen und außen zu tun.
Ich fürchte doch. Astrologie ist ein klassisches Beispiel für Oben-wie-Unten Magie:

Astrology, in its traditional form, is a type of divination based on the theory that the positions and movements of celestial bodies (stars, planets, sun, and moon) at the time of birth profoundly influence a person's life. In its psychological form, astrology is a type of New Age therapy used for self-understanding and personality analysis (astrotherapy). In both forms, it is a manifestation of magical thinking.

Aurora schrieb:
Und damit kommen wir zum Voodoo. Die Ursprünge dieser Religion sind bisher nicht gklärt. Mit Sicherheit beschränkt sich Voodoo jedoch nicht auf "Püppchen piecksen"
Trotzdem, es hilft nichts: Vodoo ist pures magisches
Denken. Klassifiziert als Sympathetic Magic

(Ich hoffe, es macht nichts, dass alles auf Englisch ist.)

Aurora schrieb:
Vom heutigen Standpunkt aus gesehen vielleicht. Man darf jedoch nicht den Fehler machen und heutige Denweise und -strukturen auf frühgeschichtliche Kulturen zu übertragen.
Im Prinzip richtig. Es wird aber angenommen, dass
Magisches Denken tief im menschlichen Verstand
versenkt und unauslöschbar ist. Trotz unserer
Fähigkeit rational zu denken, fallen wir immer
wieder darauf rein:

Ich drück dir die Daumen - dann wird's schon klappen! :D

Das ist unausrottbar.

Gruss
LB
 

ispom

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Le Baron schrieb:
Anderes Beispiel, wo der Appell an den gesunden
Menschenverstand versagt:

Es gibt Trilliarden von Sternen in unserem gigantischen
Universum, also muss es einfach noch viele andere
intelligente Zivilisationen geben

ich denke (mein gesunder Menschenverstand sagt mit), daß dies eine Frage der Wahrscheinlichkeiten (--> Drake-Formel) ist.

Und in diesem Fall sollte der gM für die Aliens sprechen :)

meint Ispom
 

Aurora

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Hallo LB,

Ich drück dir die Daumen - dann wird's schon klappen!

Was wird klappen? Ich vermute wir gehen hier von unterschiedlichen Ansätzen an die Sache ran. Wird wohl daran liegen, dass ich mich neben Astronomie viel mit Archäologie und Anthropologie beschäftige und insbesondere zu Archäologie Gasthörer and der hiesigen Uni bin. ;)

Im Prinzip richtig. Es wird aber angenommen, dass
Magisches Denken tief im menschlichen Verstand
versenkt und unauslöschbar ist.

Nicht nur im Prinzip. Aufgrund archäologischer Befunde, die bis in die Zeit des. H.erectus zurückreichen, wird davon ausgegangen, dass dualistisches/magisches Denken sogar die früheste Form menschlichen Denkens und Erkenntnisprozesses ist. Ganz besonders die Höhlenmalereien des Gravetién, Solutreen und Magdalenién (also zwischen 30.000 bis 15.000 Jahren) werden als Zeugnisse dieses Denkens interpretiert.

Dualistisches und magisches Denken schliessen sich ja nicht aus.
Ich halte sie sogar für eng verwandt.

Sind sie auch, dennoch gibt es bei der Betrachtung frühgeschichtlicher Kulturen Unterschiede, die entweder bis zum Untergang der Kultur erhalten blieben oder sich bei Weiterentwicklung verwischten.
Die Mayas beispielsweise dachten streng dualistisch. Für sie hatte alles in der Natur zwei Aspekte, obwohl oder gerade weil sie die gesamte Natur als belebt und magisch betrachteten.

Ich fürchte doch. Astrologie ist ein klassisches Beispiel für Oben-wie-Unten Magie:

Im Prinzip ja, aber für frühe Kulturen war Astrologie wesentlich komplexer und komplizierter. Ihre gesamte Gesellschaft war auf bestimmte Sternenkonstellationen und/oder Ereignisse am Himmel ausgerichtet. Daher war die Beobachtung des Sternenhimmes von so großer Bedeutung und ganz nebenbei wurden das astronomische Wissen vergrößert und für so "weltliche" Dinge wie Vermessungen eingesetzt. Darum lässt sich auch bei vielen antiken Bauwerken eine astronomische Ausrichtung nachweisen, anhand derer sogar das Alter festgestellt werden kann.
Ändert aber alles nichts an der Tatsache, dass Astrologie die "Mutter" der Astronomie ist. :)

Trotz unserer
Fähigkeit rational zu denken, fallen wir immer
wieder darauf rein:

Das habe ich auch nicht bestritten. Dennoch kann man wenn man die ganze Sache mit auf die Geschichte der menschlichen Kultur/Zivilisation projiziert/ vom aus geschichtlicher Sicht betrachtet, sie nicht auf gesunden Menschenverstand (wie wir ihn heute versten) reduziert werden, eben weil dualistisches/magisches Denken und rationales Denken eine Einheit bildeten.

Gruß Aurora
 
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Le Baron

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Aurora schrieb:
Was wird klappen? Ich vermute wir gehen hier von unterschiedlichen Ansätzen an die Sache ran.
Hi Aurora,

"Daumendrücken" hab ich als Beispiel für alltägliches Magical Thinking genannt!

Daumendrücken!

Viele Grüsse
LB
 
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