diese (unglückliche) Formulierung
Ich finde diese und ähnliche Formulierungen schon lange nicht mehr "unglücklich", wie du es höflich formulierst. Das hat System. Und schuld sind m. E. nicht einmal die populärwissenschaftlichen Journalisten, sondern die Forscher selbst bzw. deren Presse-/Marketingabteilungen. Es geht um Fördermittel, und da wird die eigene Arbeit immer so wichtig und bahnbrechend wie möglich dargestellt, die Ergebnisse so positiv wie möglich. Das geht manchmal nachgerade ins Absurde, und es ist nervig, diese Übertreibungen immer aus den Mitteilungen rausfiltern zu müssen. Gute wissenschaftliche Arbeit sollte das nicht nötig haben.
Ein Beispiel ist hier diese "Große Überraschung am Sternenhimmel: Die Zahl der Galaxien im beobachtbaren Universum ist mindestens um einen Faktor Zehn größer, als man bislang dachte." Man hat bisher die lokale Galaxiendichte genommen und auf die Größe des "beobachtbaren Universum" extrapoliert. Wobei letzteres üblicherweise eine Kugel mit (mitbewegtem) Radius ~46 Mrd LJ meint - den Bereich des
heutigen Universums, aus dessen Vergangenheit uns Informationen erreichten. Und daran hat sich nichts geändert.
Es ist auch bekannt, dass die heutigen großen Galaxien durch Verschmelzung kleinerer Galaxien entstanden sind, im frühen Universum also kleinere und entsprechend mehr Galaxien vorhanden waren. Wie klein genau war oder ist noch Gegenstand von Spekulation, aber ein Faktor von zehn ist auf keinen Fall eine besonders hohe Schätzung.
Was in Summe bedeutet, dass niemand auch nur im Ansatz überrascht ist (außer ein paar Kreationisten, die solche Fakten aber schon immer ausblenden konnten) und auch keine Zahl größer ist als bisher angenommen. Man hat nur das "beobachtbare Universum" uminterpretiert und meint damit (unüblicherweise) das Universum zum Zeitpunk der Lichtaussendung. Was immer der Inhalt dieser Arbeit war, mit solchen dreisten Behauptungen hat er nichts zu tun.
Nächstes Beispiel im selben Artikel: diese bahnbrechende Erkenntnis könne möglicherweise Olbers' Paradoxon aufklären helfen. WTF? Als nächstes lösen sie das Zwillingsparadoxon, oder was?
Nächstes Beispiel im
Nachbarthread: Man verkackt die Software, weshalb eine sündteure Sonde abstürzt, mit fettem Krater und allem. Alle sind glücklich, die Mission ein "96%-iger" Erfolg, höchstens die Landung ein bisschen unsanft. Das ist nur das letzte Kapitel einer erstaunlichen Entwicklung hin zu ungemein erfolgreichen, alle positiv überraschenden Weltraummissionen. Wobei offenbar alles mitgezählt wird, wo die Rakete erst nach dem Start explodiert ist und nicht schon davor.
Oder ein Klassiker von vor ein paar Jahren: dieses Wundermaterial Spinnenseide, siebenmal fester als Stahl und auch noch siebenmal so leicht.
Ich würde es gern sehen, wenn sich in diesem Wettbewerb auch mal wieder etwas Seriositat durchsetzen könnte.