No-Hair-Theorem und Informationserhaltung

Alex74

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Hallo,

ich wollte den Beitrag erst im aktuellen Thread "Feuerwand" bei schwarzen Löchern?" posten, dachte mir aber daß es vielleicht geschickt ist die laufende Diskussion nicht zu unterbrechen; daher hier meine Fragen zum No-Hair-Theorem und Informationsverlust durch SL;

Ich verstehe das No-Hair-Theorem nicht im geringsten. Könnte mir jemand kurz und anschaulich erklären, worauf sich die Annahme begründet es dürfe keine Information verloren gehen, hinsichtlich folgender Informationen und/oder Meinungen die ich habe:

1. Mir ist die Definition von "Information" in dieser Hinsicht unklar. Information besteht doch nur dann wenn es Signale gibt, die einer bestimmten Ordnung unterliegen die für jemd. oder etwas einen Sinn ergeben. Sinn an sich gibt es im Universum aber nicht.

2. Auch mit einem gewissen Ordnungsgrad ist Information nicht erklärt, da die Entropie ja allgemein anerkannt immer zunehmend ist und daher auch Information zwangsläufig verloren geht in dem Sinn wie ich sie verstehe. Es sei denn Information wäre irgendwie anders definiert. Aber wie?

3. ...was zu der konkreten Frage führt wie sich zunehmende Entropie allgemein (die gesichert ist) und Informationsverlust in einem SL (was dahingegen unmöglich sein soll) eigentlich miteinander vertragen?

4. Und ich frage mich wieso es überhaupt dieses Problem mit dem Informationsverlust gibt. Alleine die mikroskopische Unschärfe vernichtet doch ständig Information.

5. Wo kam das mit der Informationserhaltung überhaupt her? Gibt es ein Experiment das zeigt daß man bestimmte Informationen nicht vernichten kann? Oder hat man bestimmte Informationsveränderung einfach noch nie beobachtet und daraus indirekt geschlossen daß es sie wohl nicht gibt?

6. Gibt es einen Zusammenhang mit der Energieerhaltung?

Danke schonmal :)

Gruß Alex
 

Bernhard

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1. Mir ist die Definition von "Information" in dieser Hinsicht unklar. Information besteht doch nur dann wenn es Signale gibt, die einer bestimmten Ordnung unterliegen die für jemd. oder etwas einen Sinn ergeben. Sinn an sich gibt es im Universum aber nicht.
Informationen sind in diesem Zusammenhang immer quantenmechanische Wellenfunktionen. Bei Berücksichtigung aller Wechselwirkungen kann man von denen verlangen, dass sie nicht einfach verschwinden oder entstehen, weil dadurch die Energieerhaltung verletzt werden würde.
 

TomS

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Das "no-hair theorem" besagt, dass der Endzustand einer kollabierenden Materieverteilung, d.h. die Geometrie, ausschließlich durch die Parameter M, J und Q bestimmt wird. D.h. die Geometrie hat keine Erinnerung an die Materieverteilung (Elektronen oder Antiprotonen? Ein paar zusätzliche Neutronen? ...)


Information ist hier im quantenmechanischen Sinn zu verstehen. Prinzipiell liegt vor dem Kollaps ein reiner Quantenzustand vor. Dieser hat die Entropie S = 0. Und die unitäre Zeitentwicklung der QM besagt, dass die Entropie nicht zunimmt, sondern identisch Null bleibt (dabei geht es nicht darum, dass wir den Zustand aufgrund unserer Unkenntnis durch ein statistisches Gemisch beschreiben, das Entropie S > 0 hat). D.h. dass ein Quantenzustand zu einem späteren Zeitpunkt exakt durch den Anfangszustandes determiniert ist. Und damit kann der Anfangszustandes prinzipiell aus der exakten Kenntnis des Endzustandes bestimmt werden (das widerspricht nicht der Unbestimmtheit; diese ist eine Eigenschaft einer Observablen in einem Quantenzustandes, verringert jedoch nicht die Information).


Im Falle eines SLs funktioniert dies jedoch nicht, da der Endzustand immer ein exakt thermischer Zustand ist. D.h. dass unterschiedliche Anfangszustände zum selben Endzustand führen; die Information über unterschiedliche Anfangszustände geht also verloren - im Widerspruch zur QM.


Zu 1) Information ist eine Eigenschaft des Quantenzustandes. Statt von Information sprechen wir besser von Unitarität. Die QM ist unitär. Der Kollaps + die Hawkingstrahlung verletzen die Unitarität. Konsequenz: die Beschreibung des SLs ist unvollständig (oder die QM ist falsch)


Zu 2) Für einen reinen QM-Zustand ist S = 0 = const. (undauch allgemein nimmt Entropie nicht immer zu; sie nimmt lediglich nicht ab)


Zu 3) Siehe 2)


Zu 4) Die Unschärfe einer Observable in einem QM-Zustand bedeutet nicht Informationsverlust


Zu 5) Informationserhaltung = Unitarität ist eine direkte Folge der (nach heutigem Kenntnisstand) universell gültigen Schrödingergleichung

Kennst du den QM-Formalismus? Hilbertraum? Unitäre Operatoren? Dichteoperatoren? von-Neumann-Entropie?
 

Alex74

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Nein, Quantenmechanisch bin ich Laie.
Es geht also mehr um eine Variable von Elementarteilchen, die durch das was (nach bisherigem Wissen) in SL passiert so nicht passt - wenn ich das vereinfacht ausdrücken darf. Es geht also nicht wirklich um Information sondern tatsächlich eher um Energieerhaltung, bzw. einen quantenmechanischen Aspekt dieser?
 

TomS

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Es geht also mehr um eine Variable von Elementarteilchen, die durch das was (nach bisherigem Wissen) in SL passiert so nicht passt - wenn ich das vereinfacht ausdrücken darf. Es geht also nicht wirklich um Information sondern tatsächlich eher um Energieerhaltung, bzw. einen quantenmechanischen Aspekt dieser?
Nein, es geht schon eher um Information; mit Energieerhaltung hat das nichts zu tun.


Zur mathematischen Repräsentation des qm Systems stell dir eine Kugeloberfläche vor, auf der ein Zeiger eine Kurve beschreibt; dies ist ein recht gutes Bild des Quantenzustandes (Zeiger), der Information (Position des Zeigers) und der Zeitentwicklung (Kurve). (Im Falle der QM ist die Kugeloberfläche nicht zwei- sondern unendlich-dimensional; und sie hat auch nichts mit unserem vertrauten Raum zu tun)

Die Dynamik der QM besagt, dass wenn die Position des Zeigers zu einem Zeitpunkt bekannt ist, sowohl Vergangenheit als auch Zukunft, d.h. die Kurve, exakt berechnet werden können (dies widerspricht nicht der Unschärfe; diese ist trotz der exakt bekannten Zeigeposition inhärent vorhanden und zeigt sich erst, wenn man aus der Zeigerposition auf der abstrakten Kugeloberfläche z.B. Ort, Impuls, Energie, ... berechnet)

Im Falle der Hawkingstrahlung liegt nun sozusagen nicht genau ein Zeiger vor, sondern ein Ensemble von statistisch verteilten Zeigern; im Gegensatz zum einzelnen Zeiger kennt man nicht die genaue Position, sondern lediglich die Wahrscheinlichkeit je Zeiger, dass dieser eine Zeiger aus dem Ensemble bzw. seine Position das System repräsentiert.

Der Übergang von dem einzelnen Zeiger zum Ensemble statistisch verteilter Zeiger und damit der Verlust an Information (Verlust der exakten Kenntnis der Position des Zeigers) ist in der QM verboten.
 
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Alex74

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Ich versuche mal Dir zu folgen indem ich Verständnis-Gegenfragen stelle:

Du sagst die Wellenfunktion sei immer exakt definiert, unabhängig von der Unschärfe; widerspricht das nicht der Vorstellung, daß die Welt auf unterstem Level eben doch unscharf und nicht deterministisch ist? Daß es also, und das scheint ja ebenfalls bejaht zu werden, es keine "verborgenen Parameter" gibt, die die Späße der QM deterministisch begründen?

Letztlich ist es ja genau diese Unschärfe aus einem Schaum aus virtuellen Partikeln die zur Hawking-Strahlung führt. Und da diesem Gewusel ebenfalls keine Information inhärent ist darf es dann doch auch nicht verwundern daß diese Strahlung keine Information in sich trägt.

Oder noch ein Vergleichsbeispiel:
Sagen wir, wir haben ein Uran-Atom, alles wunderbar definiert. Plötzlich zerfällt es aufgrund völlig unvorhersehbarer Quanteneffekte. Geht hier nicht auch Information verloren?
 

TomS

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Du sagst die Wellenfunktion sei immer exakt definiert, unabhängig von der Unschärfe; widerspricht das nicht der Vorstellung, daß die Welt auf unterstem Level eben doch unscharf und nicht deterministisch ist?
Die Wellenfunktion ist als Funktion immer exakt definiert. Ihre Zeitentwicklung ist absolut deterministisch. Das widerspricht auch nicht der Unschärfe. Eine Wellenfunktion wird i.A. eine gewisse Breite, also Unschärfe, in der entsprechenden Variablen aufweisen. Unschärfe ist also eine direkte Konsequenz aus einer eindeutig und exakt definierten Funktion.


Letztlich ist es ja genau diese Unschärfe ... die zur Hawking-Strahlung führt. Und da diesem Gewusel ebenfalls keine Information inhärent ist darf es dann doch auch nicht verwundern daß diese Strahlung keine Information in sich trägt.
Die Hawkingstrahlung hat nichts mit dieser Unschärfe zu tun. Die von dir genannten Quanteneffekte existieren auch in anderen Systemen, ohne dass es dort eine entsprechende Strahlung gäbe.


Ursache der Hawkingstrahlung ist nicht die Unschärfe sondern die spezielle Geometrie der Raumzeit.


Sagen wir, wir haben ein Uran-Atom, alles wunderbar definiert. Plötzlich zerfällt es aufgrund völlig unvorhersehbarer Quanteneffekte. Geht hier nicht auch Information verloren?
Im Falle des Uranatoms existiert ebenfalls ein definierter Quantenzustand, der in wiederum exakt definierbare Quantenzustände zerfällt. Die Zeitentwicklung ist wieder unitär und damit prinzipiell in beide Richtungen berechenbar. Es geht keine Information im quantenmechanischen Sinn verloren, obwohl der Zeitpunkt des Zerfalls nicht berechenbar ist.


Ich denke, dich verwirrt der Begriff Information mehr, als er dir hilft, weil du die quantenmechanischen Bedeutung von Information nicht verstehst.
 

Alex74

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Ich denke, dich verwirrt der Begriff Information mehr, als er dir hilft, weil du die quantenmechanischen Bedeutung von Information nicht verstehst.
Vermutlich machts das schwieriger; aber Du hast mir schon viel geholfen - genug um eindeutig sagen zu können daß ich hier einerseits nicht mitreden kann, andererseits verstehe ich jetzt daß es eine Größe gibt bei der man nicht versteht wieso sie verschwindet (falls sie das tut).

Also danke erstmal ;-)
 

TomS

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aber Du hast mir schon viel geholfen -
gerne


- genug um eindeutig sagen zu können daß ich hier einerseits nicht mitreden kann
glaube ich nicht ;-)


andererseits verstehe ich jetzt daß es eine Größe gibt bei der man nicht versteht wieso sie verschwindet (falls sie das tut)
eigtl. glauben alle, dass sie das nicht tut; eine Quantisierung der Gravitation sollte die Unitarität retten; das haben eigtl. alle mir bekannten Ansätze gemeinsam
 
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TomS

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Noch eine Anmerkung:

Das "no-hair Theorem" gilt ausschließlich für klassische SLs; man geht jedoch davon aus, dass bei identischer makroskopischer Geometrie unterschiedliche quantenmechanische Mikrozustände existieren - sog. "quantum hair" - die prinzipiell die vollständige Information tragen.

Wenn der genaue Mikrozustand unbekannt ist, entspräche ein SL bekannter makroskopischer Geometrie einem statistischen Ensemble der dazu passenden Mikroszustände; dies würde die sog. Bekensteins-Hawking-Entropie des SLs mikroskopisch erklären.

Wenn die Forschungsprogramme zur Quantengravitation wie z.B. LQG, Stringtheorie u.a. diese Aussagen bestätigen - und dafür gibt es einige sehr gute Indizien - dann wäre das Informationsparadoxon tatsächlich vollständig gelöst.
 
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