Hi Solarius,
Ich verstehe den Artikel in der Wikipedia so, das er offenbar nicht heiraten wollte. - Und das ist sein gutes Recht. Niemand ist verpflichtet, zu heiraten und Kinder zu bekommen.
Selbstverständlich darf ein Mann sich entscheiden, nicht zu heiraten, keine Kinder zu zeugen. Da hast meine volle Zustimmung.
Ich empfinde es aber als krassen Wiederspruch zu seinen restlichenen Ansichten (lieber mit einer rechten Gesinnung einige Ziele zu verfehlen als zufallsbedingt zeitweise auf dem rechten Weg zu sein), öffentlich in einer Schule die Verantwortung für die eigene Familie (wenn sich denn ein "Schüler" zur Heirat entschlossen hat) als
mögliche Störquelle der Seelenruhe zu lehren, die es möglichst zu umghen gilt. Das ist Bestandteil seiner Briefe (die leider nicht komplett erhalten sind), auf die sich mehrere Philosophen und Chronisten seiner Zeit (Seneca, Cicero, Huratz? andere fallen mir jetzt auf die Schnelle nicht ein, sorry) beziehen...
Freundschaft zu anderen Männern (platonisch oder als "Lustknaben") und privates Lebensglück/Seelenheil weg von der übergeordneten Staats- oder Religionsgemeinschaft, Sturz der Priesterkasten und der Götter hin zum Individuum (geistig im Sinne von persönlichem Erkenntnisgewinn, körperlich im Sinne von Essen/Trinken genießen und auch Sex mit Männlein/Weiblein, sogar Viechern?) ist nach seiner Lehre wichtiger als die Sorge um den Fortbestand der eigenen Familie? Sich ohne Rücksicht auf Verlußte die Geilheit aus dem Leib vögeln bringt persönliches Selenheil, Wohlbefinden und Erkenntnisgewinn? Nach mir die Sintflut, Scheiß auf alle Konsequenzen? Hallo? Gehts noch? Was ist denn daran ethisch? Bin ich die einzige, die den Wiederspruch bemerkt? Das ist für mich Chauvenismus in Reinkultur, Größenwahnsinn und Menschenverachtend.
Die Meinung, das die Lehre von Epikur zur Verbreitung der Syphillis und anderer Krankheiten beigetragen hat, kommt also vermutlich aus einer solchen Fehldeutung. Wo wird denn soetwas behauptet?
Von Historikern, Kunsthistorikern, Epidemologen, Medizinern.
Nicolo Leonicenco, "De epidemia quam Itali morbum Gallicum, Galli vero Neapolitanum vocant, libellus", 1496 oder 1497 war meines Wissens der erste, der eine Beschreibung der Symptome der Syphilis veröffentlichte. Auch nachzulesen in seinen Briefen an Angelos Poliziano. Ich bin da leider auf englische und deutsche Besprechungen/Übersetzungen/Interpretationen angewiesen, da ich das Original mangels Sprachkenntnisse nicht lesen kann.
Etwas später dann auch in den Archiven des Vatikan, in diversen Bibliographien kirchlicher Würdenträger, unter Dichtern und anderen Künstlern und Philosophen nachzulesen... Da man zu der Zeit noch nix von der wahren Natur der Krankheitserreger wußte und Hexerei, Bösen Blick, Strafe Gottes... als Ursache ansah, und Krankheiten mit Aderlaß, Gebeten und ähnlichem Unsinn behandelte, findest Du natürlich keine Beschreibung des korrekten Zusammenhangs aus der damaligen Zeit. Dazu müßtest Du die Erlaubnis von Familienangehörigen einholen, die Leichen exhumieren und durch Forensiker/Epidemologen auf entsprechende Spuren untersuchen lassen. Ein anderer Weg ist die Betrachtung von Bibliografien, Gedichten, Romanen und Opern. Syphilis war damals eine weitverbreitete Krankheit in den Städten, auf dem Land in den bäuerlichen Gegenden eher weniger vertreten...
Es gibt jedenfalls deutliche Zusammenhänge zwischen der Zielgruppe der "orgienfeiernden Oberschicht" die sich auf eventuell falsch verstandenen Lehre der Epikureer berief, den klassischen Symtomen der Syphilis mit Geschwüren/Hautläsionen und den Wahrnehmungsstörungen im 4. Stadium, denen eine kurze Phase kognitiver Genialität vorausgeht. Die Bibliografien vieler Künstler ab 1430 weisen indirekt auf eine solche Infektion mit Syphilis hin, ohne die Krankheit beim Namen zu nennen. Der Name Syphilis kam ja erst viel später auf. Vorher war es die "venezianische Krankheit", "neapoletanische Krankheit", "genueser Krankheit" bzw. im deutschsprachigen Raum die "Franzosenkrankheit"...
Sissy