Philosophie und Physik

Hajoe

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Philosophie und Physik waren bis ins 18 Jht. das Gleiche (nicht dasselbe!). Dann trennten sich bedauerlicherweise die Wege. Ich habe den Versuch gemacht durch ein neuartiges philosophisches Prinzip Physik und Philosophie wieder einander anzunähern. Das Ganze nennt sich "Transzendentaler Konditionalismus". Wen's interessiert: http://www.sine-metaphysica.de/ZeitExistenz.pdf
 

FrankSpecht

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Sissy

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Hallo Hajoe,

wilkommen im Forum.

Schaue ich mich in meiner Wohnung um, finde ich viele Gegenstände, die von Physikern und Ingenieuren erforscht/ausgedacht/umgesetzt wurden, die mein Leben erleichtern. Der einzige Bezug meinerseits zur Philosophie ist ein verstaubter Wälzer von Kant, den ich nach dem 5. Anlauf frustriert unverstanden ins Regal zurückgestellt hab. Geh mir weg mit dem Kram. Das ist ne Beschäftigung für Männer, die von anderen ernährt und am Leben gehalten werden.

Also, ich für meinen Teil bin sehr froh, daß sich Physik und Philosophie getrennt haben. Physik ist verständlich, anschaulich und bringt überwiegend vorhersagbare und nachvollziehbare Ergebnisse. Physik und die gesamten Naturwissenschaften ernähren die Welt. Ich sehen Null Bedarf, sie wieder mit der Philosophie zu "verheiraten". Und ein Buch, welches das Wort "Transzendenter Konditionalismus" hat, werde ich nicht lesen. Transzendent ist für mich ein Reizwort. Da kommen sehr unangenehme Erinnerungen an völlig durchgeknallte, spinnerte Esotheriker hoch. Und alles, was "Meta" vor der eigentlichen Bezeichnung hat, fällt für mich in die selbe Schublade.

Sorry, daß ich das so hart formuliere, aber ich bin gebranntes Kind. Hab schlechte Erfahrungen mit Philosophen gemacht... Diese Zunft hatte früher ihre Berechtigung, heute ist sie für mich so überflüssig wie ein Kropf.

Sissy
 

ralfkannenberg

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Transzendent ist für mich ein Reizwort. Da kommen sehr unangenehme Erinnerungen an völlig durchgeknallte, spinnerte Esotheriker hoch.
Hallo Sissy,

in der Mathematik gibt es auch Transzendenz. Das sind Zahlen, die nicht Nullstelle eines Polynoms mit rationalen Koeffizienten sein können. Eine rationale Zahl, also p/q beispielsweise, ist Nullstelle des Polynoms qx-p=0, und die Quadratwurzel von 2 ist Nullstelle des Polynoms x^2-2=0. Auch die imaginäre Einheit i ist Nullstelle eines solchen Polynoms, nämlich von x^2+1=0.

Man nennt solche Zahlen, die Nullstelle eines Polynoms mit rationalen Koeffizienten sein können, "algebraisch", und man kann mit Hilfe des Hauptsatzes der Algebra zeigen, dass sie gleichmächtig zu den natürlichen Zahlen sind, also "abzählbar unendlich".

Cantor hat in seinem berühmten Diagonalbeweis gezeigt, dass die Menge aller reellen Zahlen zwischen 0 und 1 aber nicht "abzählbar unendlich" ist, d.h. man kann keine Bijektion dieser Menge in die Menge der natürlichen Zahlen finden. Man nennt die Menge der nicht-algebraischen Zahlen "transzendent" und kommt damit in die verwunderliche Situation, dass man zwar eine riesig grosse Menge an Zahlen hat, die "überabzählbar unendlich" gross ist, aber kein einziges Element dieser Menge angeben kann, weil alle Zahlen, die wir üblicherweise kennen, eben algebraisch sind.

Der Nachweis der ersten nicht-algebraischen, also transzendenten Zahl gelang Liouville im Jahre 1844, es handelt sich dabei aber um eine "theoretische" Zahl, nämlich um 0.11000100000000000000000100... - überall, wo die Kommastelle die Nummer einer Fakultät hat, ist sie 1, ansonsten 0. Diese Zahl hat also nur an der ersten (1!) Kommastelle, an der zweiten (2!) Kommastelle, and der 6. (3!) Kommastelle, an der 24. (4!) Kommastelle und dann wieder an der 120. (5!) Kommastelle eine 1. Der Beweis ist recht elementar und verwendet im Wesentlichen nur den Mittelwertsatz der Infinitesimalrechnung.

Im Jahre 1873 gelang Hermite der Beweis, dass die Euler'sche Zahl e transzendent ist; der Beweis verwendet die partielle Integration der Funktion e^x * x^n; wäre die Euler'sche Zahl algebraisch, so wäre sie Nullstelle eines rationalkoeffizientigen Polynoms n.-ten Grades und der Beweis untersucht dann wenn ich mich recht entsinne ein Polynom P= (e^x * x^n) * (x-1)*(x-2)*...*(x-n), wobei n der Grad des vorher genannten Polynoms ist. Das dann alles richtig zusammenzusetzen und einen Widerspruch herzuleiten erfordert aber noch "ein bisschen" Aufwand.

Im Jahre 1882 gelang Lindemann darauf aufbauend dann der Beweis, dass auch die Kreiszahl pi transzendent ist.

Damit war ein Problem der Klassik gelöst, nämlich die Unmöglichkeit der Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal (und unmarkiertem Einheitsmaßstab).

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Nachweis der beiden ersten "prominenten" transzendenten Zahlen vor dem Cantor'schen Diagonalbeweis gelang, der ja aussagt, dass die Menge der transendenten Zahlen riesig gross ist.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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Bernhard

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Das ist ne Beschäftigung für Männer, die von anderen ernährt und am Leben gehalten werden.
Hallo Sissy,

[zeigefinger]in gewisser Weise ist diese Aussage sexistisch[/zeigefinger]. Zudem blendest Du dabei aus, dass nicht nur Berufsphilosphen von Steuergeldern finanziert werden.

Da kommen sehr unangenehme Erinnerungen an völlig durchgeknallte, spinnerte Esotheriker hoch. Und alles, was "Meta" vor der eigentlichen Bezeichnung hat, fällt für mich in die selbe Schublade.
Das finde ich ehrlich gesagt ziemlich schade, weil die Philosophie auch heute noch wichtige Aufgaben in der Politik übernimmt, zumindest nach meiner persönlichen Einschätzung.

Sorry, daß ich das so hart formuliere, aber ich bin gebranntes Kind.
Da solltest Du Dir auf jeden Fall enen anderen Zugang zur Philosophie verschaffen. Anfänger auf diesem Gebiet sollten Philosophie eher mit Geschichte oder Archäologie vergleichen. Die alten Philosophen aus der griechischen Antike, wie Platon oder Aristoteles, werden auch heute noch gelesen. Ich gebe aber zu, dass man sich da oftmals durch ziemlich altmodische Ansichten durchkämpfen muss. Man braucht dabei wohl eine gewisse Freude daran sich in andere und fremde Welten versetzen zu lassen, so ähnlich wie Exoplaneten-Jäger :) . Die modernere Philosophie mit Hegel und Marx (*duck*) bis hin zur Frankfurter Schule hat und hatte immer starke Bezüge zur Politik und oder Soziologie und dafür muss man bekanntlich auch eher berufen sein.

Kant wird immer wieder gerne als Schnittstelle zur Naturwissenschaft hergenommen. Sein Hauptverdienst liegt in der Entwicklung einer modernen Logik, die später von Gödel und vielen anderen weiterentwickelt wurde.

Man sollte am Anfang ohne gute Lehrer also nicht mit den schwersten Themen anfangen, weil man sonst völlig verständlicherweise die Lust daran komplett verliert. Beim Begriff der Transzendenz werden sogar die Fortgeschrittenen unsicher. "Verheize" beispielsweise Dein verstaubtes Buch von Kant und schmökere lieber etwas in der Wikipedia, um schlechte Erfahrungen zu verarbeiten.
MfG
 
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Hajoe

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LIKE :cool:

Alles schon in besserer Form gelesen:
- Philosophie und Physik der Raum-Zeit
- Der Zeitbegriff in der Physik

Seit nun beinahe 100 Jahren nicht mehr!

Zunächst mal Danke für die konstruktive Kritik, sowas suche ich.
Natürlich bezieht sich der Satz "Die Naturwissenschaften zeigen Kausalzusammenhänge auf, sie zeigen, dass ein Sachverhalt notwendigerweise so und so gesehen werden muss. Ihre Methode besteht in der Abstraktion alles Zeitlichen" nicht auf die moderne Physik, das muss ich noch deutlich machen.
 

Hajoe

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Hallo Sissy,
Zunächst mal: Ich bin Informatiker und bestreite damit auch meinen bescheidenen Lebensunterhalt.
Zweitens sind deine Ausführungen völlig ahistorisch. Wenn du Wissen willst warum wir heute so denken, wie wir denken, gerade auch im naturwissenschaftlichen Bereich, kommst du um die Philosophie nicht herum. Ist dir z.B. der Begriff "kritischer Rationalismus" bekannt? Nein? Sollte er aber. Diese Philosophie ist ein Fundament der modernen Naturwissenschaft.
Ich bin auch der Ansicht, dass der überwiegende Teil der Philosophie ziemlicher Schrott ist, aber der Rest hat's in sich. Vor allem: Man kommt nicht wirklich um die Philosophie herum wenn man sich um ein tieferes Verständnis der Welt um uns herum bemüht.
 

Sissy

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Hallo Ralf,

merci für die Mühe, die Du Dir gegeben hast. Leider verstehe ich von Deinen Ausführungen nicht viel und kann vor allem die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, nicht abschätzen.

Ich habe kein Abitur (das hat mein philosophisch angehauchter Vater verhindert, als er mich 1976 zwangsweise von der Schule nahm und mich in eine Fabrik + ein paar Stunden Berufsschule stecken wollte, damit ich die Aussteuer für meinen von ihm vorgesehenen zukünftigen Ehemann verdiene). Resultat war, daß ich abgehauen bin und mich ohne weitere Schulbildung durchschlug, bis ich endlich 18 war. Dann habe ich zuerst eine Leere gemacht und dann auf dem 2. Bildungsweg versucht, neben dem Broterwerb zusätzliche Bildung zu erhalten. Aber ab Mathematik der 12. Klasse (Infinitisimalrechnung) schauts mau aus. Das kapiere ich einfach nicht. Ich hab da anscheinend kein Talent für. So blieb es bei Fachhochschulreife (mit ner sehr wackeligen 4 in Mathe) und deshalb statt Ingenieursstudium eben Technikerberuf...

Bodenständige Anwendung von Physik und den anderen Naturwissenschaften. ;)

Grüße
Sissy
 

Solarius

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Hallo Sissy,
ich glaube ich weiß, was du denkst. Ich konnte früher in der Schule mit der Philosophie auch nichts anfangen. Das war nicht mein Fall. Bis mir mein Bruder mal vor vielen Jahren ein Buch geschenkt hat. Bitte nicht lachen: Er hat mir Sofies Welt geschenkt. Es ist ein Lehrbuch für Kinder. Seit dem finde ich Philosopie interessant. Ich wußte vorher zum Beispiel nicht, was es mit Epikur auf sich hat. Epikur ist toll.

Ich hatte das Glück, das ich den Film "Sofies Welt" nicht gesehen hatte. Den habe ich erst hinterher gesehen. Der Film ist Schrott. Vergiss ihn. Vom Film kann man nicht auf das Buch schließen. Das Buch ist toll.

Jetzt habe ich schon wieder ein Buch geschenkt bekommen: "Warum gibt es alles und nicht nichts?" von Richard David Precht. Der ist übrigens noch am leben. Das ist auch ein spannendes Buch. Einfach geschrieben. Auf keinen Fall verstaubt und langweilig.

Ich finde es im nachhinein sehr schade, das ich nicht schon früher in der Schule die Philosophie geschätzt habe. Philosophie ist toll. Das ist nicht angestaubt und trocken. Ich hätte mir gewünscht, das man statt Religionsunterricht Philosophie unterrichtet hätte...
 

ralfkannenberg

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Ich hätte mir gewünscht, das man statt Religionsunterricht Philosophie unterrichtet hätte...
Hallo Solarius,

ich habe in der Schule beides abgewählt. Musste deswegen mit meiner Mutter beim Rektor vorsprechen.

Dafür konnte dann ich alle möglichen Naturwissenschaften, die angeboten wurden, belegen, und hatte sogar noch 2 Grundkurse übrig, die ich mir dann in Musik gegönnt habe, als einziger, der kein Instrument gespielt hat. In den Naturwissenschaften setzte es meist eine sehr gute Note und selbst der Musiklehrer hat mein Engagement, das mir grossen Spass bereitet hat, mit einer guten Note honoriert, einer Note, die ich in Religion oder Philosophie selbst mit enormem Lernaufwand nie erzielt hätte.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Sissy

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Hallo Bernhard,

[zeigefinger]in gewisser Weise ist diese Aussage sexistisch[/zeigefinger]. Zudem blendest Du dabei aus, dass nicht nur Berufsphilosphen von Steuergeldern finanziert werden.

wieso? Ich hab nix von Steuergeldern geschrieben. Und ich hab auch nicht geschrieben, daß andere meine Meinung teilen sollen/müssen. Gab/gibt es bedeutende Frauen in der Philosophie der letzten beiden Jahrhunderte? Mir ist keine im Gedächtnis...

Ich hab geschrieben, daß ich da sehr schlechte Erfahrungen gemacht hab. Gemeint war damit mein Oberarschloch von Vater und seine Philosophenkumpels. Denen ich das Essen kochen mußte, statt Hausaufgaben zu machen, denen ich den Dreck hinterherräumen mußte und der sich vor lauter Philosophie nicht um die Ernährung/Bildung seiner zufällig gezeugten Mädchen gekümmert hat. Wenn kein Geld in der Haushaltskasse war, mußte ich in der Nachbarschaft Babys hüten, Autos waschen oder Rasen mähen um mit den paar Mark für den Rest der Woche Brot zu kaufen. Sonst wäre ich und meine jüngeren Schwestern hungrig zu Bett und noch hungriger in die Schule gegangen. Meinem Bruder wurde Zucker in den Popo geblasen, schließlich war das sein Erbfolger. Ich und meine beiden Schwestern waren blos "Dienstboten" und durften hungern.

Das war sexistisch. Volle Kanne. Aber als Kind konnte ich mich nicht dagegen wehren und kannte nicht mal den Begriff. Mit 16 hab ich es nicht mehr ausgehalten und bin abgehauen.

Das finde ich ehrlich gesagt ziemlich schade, weil die Philosophie auch heute noch wichtige Aufgaben in der Politik übernimmt, zumindest nach meiner persönlichen Einschätzung.

Ähm, welche? Kannst Du da bitte ein aktuelles Beispiel bringen? So aus den letzten 30 Jahren?

Da solltest Du Dir auf jeden Fall enen anderen Zugang zur Philosophie verschaffen. Anfänger auf diesem Gebiet sollten Philosophie eher mit Geschichte oder Archäologie vergleichen. Die alten Philosophen aus der griechischen Antike, wie Platon oder Aristoteles, werden auch heute noch gelesen.

Geschichte und Archäologie sind weitere Hobbys von mir. Und die "alten" Philosophen habe ich selbstverständlich alle mittlerweile gelesen. Deren Bücher sind wichtig, um das Weltbild der Antike überhaupt zu verstehen. Das Wissen und die Vorstellungen dieser Zeit war noch recht übersichtlich, das konnte ein Einzelner noch in sich aufnehmen.

Die modernere Philosophie mit Hegel und Marx (*duck*) bis hin zur Frankfurter Schule hat und hatte immer starke Bezüge zur Politik und oder Soziologie und dafür muss man bekanntlich auch eher berufen sein.

tja, dann bin ich nicht berufen. Deren Theorien (soweit ich sie verstanden habe) sind nach meinem Gefühl allesamt Mumpiz. Der Welt wäre es ohne deren verquehre Ansichten (z.B. die ganzen "ismusse") besser gegangen. Die haben Luftschlösser gebaut auf "idealen" Menschen und völlig das "Raubtier" im Mensch übersehen.

Du kannst das eventuell nicht nachvollziehen, aber wer als Kind und Jugendliche jahrelang gehungert hat, selisch und körperlich mißhandelt wurde und Machtausübung aus purer Freude an der Macht erlebt hat, der hat für Fragen nach "existiert die Welt überhaupt, was ist Realität, was ist Zeit, was ist Wahrnehmung..." nix über. So wenig wie ich für Religion, Esotherik und Tarokartenlesen, Hühnerblut lesen, Knochen werfen oder Astrologie was übrig hab. Egal, was ein "heutiger Philosoph" (ab dem 18./19. Jahrhundert) von sich gab/gibt, meine Schmerzen, mein Hunger, meine Quahlen waren für mich sehr real und es hat mich 20 Jahre meines Lebens gekostet, sie zu überwinden.

Aus meiner Sicht ist die Wissenschaftstheorie das letzte, was an "sinnvollem" von den Philosophen gekommen ist...

Sissy
 

Sissy

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Hallo Hajoe

Zunächst mal: Ich bin Informatiker und bestreite damit auch meinen bescheidenen Lebensunterhalt.

aha, Und neben der Informatik hast Du auch noch Philosophie und Physik studiert, um dann eine Symbiose dieser beiden Disziplinen zu versuchen? Hut ab. Oder sind Philosophie/Physik eher ein Hobby für Dich?

Zweitens sind deine Ausführungen völlig ahistorisch.

das ist starker Tobak. Du kennst mich nicht. Woher willst Du wissen, welches Geschichtsbewußtsein/Wissen zur Geschichte der Menschheit ich habe?

Ich sehe eben starke Parallelen zwischen der Entwicklung von Astronomie/Astrologie und Naturwissenschaften/Philosophie von damals zu heute. Für mich sind sowol Astrologie als auch Philosophie zwar gemeinsame Wurzeln, aber in der heutigen Zeit überflüssig. Ich kann mich mit dieser Einschätzung irren. Aber im Moment sehe ich das so.

Wenn du Wissen willst warum wir heute so denken, wie wir denken, gerade auch im naturwissenschaftlichen Bereich, kommst du um die Philosophie nicht herum. Ist dir z.B. der Begriff "kritischer Rationalismus" bekannt? Nein? Sollte er aber. Diese Philosophie ist ein Fundament der modernen Naturwissenschaft.

den Begriff kannte ich tatsächlich nicht. Ich hab ihn extra in Wikipedia nachgelesen.
Für mich ist in dem Artikel das die Kernaussage:
Die von Einstein empfohlene Herangehensweise deutet an, wie wissenschaftliche Probleme mittels Versuch und Irrtum gelöst werden können: Hätte seine Theorie die vorgeschlagenen Prüfungen nicht bestanden, so hätte man eine andere ausprobieren können. Vor Einsteins Revolution der Physik war die Ansicht weit verbreitet, dass Beweise von wissenschaftlichen Theorien durch die Methode der Induktion möglich seien. Das ist die Verallgemeinerung eines Sachverhalts ausgehend von einzelnen Beobachtungen. Die wissenschaftstheoretischen Grundaussagen des kritischen Rationalismus sind daher die Verneinung der Möglichkeit einer solchen Induktionsmethode und der Gegenvorschlag der Methode der Falsifikation. Das ist der Versuch, durch Experimente und Beobachtung Gegenbeispiele zu finden.

Dabei habe ich festgestellt, daß das ein alter Hut ist. Die Menschheit sammelt schon seit den Neanderthalerzeiten mit "Try & Error" Wissen an. Bis die monotheistischen Religionen Dogmen einführten um den ihnen genehmen Status Quo zu bewahren. Das brachte uns nach der Christianisierung in Europa über 1100 Jahre Stillstand und wir vergaßen das meiste vorher erworbene Wissen. Das ist nun wirklich nix neues. Die Philosophen haben da blos ne andere Worthülse für erfunden. :D

Da wir uns in einem astronomischen Forum befinden, beginnt für mich die "moderne Naturwissenschaft" mit dem Heliozentrischen Weltbild des Nicolaus Kopernicus und nicht mit Einstein. ;)

Sissy
 

Sissy

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Hi Solarius,

ich glaube ich weiß, was du denkst.

nein, das glaube ich nicht.

Ich wußte vorher zum Beispiel nicht, was es mit Epikur auf sich hat. Epikur ist toll.

Oha, das kann ich als Frau nicht. Ein Typ, der sich aus purem Egoismus (Maximierung seiner Lust) um die Verantwortung für Frau und Kinder drückt, den kann ich nicht toll finden. An der Sichtweise, daß Frau und Kinderversorgen als mögliche "Störquelle der Seelenruhe" betrachtet wird, habe ich stark zu knabbern.
Hätte die Menschheit sich strikt an seine Schule gehalten, wäre sie inzwischen ausgestorben. Glücklicherweise war das nur eine von vielen Schulen.

Seine Natur- und Erkenntnislehre und auch seine theologischen Ansichten zum Wirken der Götter kann ich dagegen nachvollziehen.

Das Wiederaufkommen der Epikureer in der Neuzeit hat stark zur Verbreitung der Syphillis und anderer Krankheiten beigetragen. Auch das finde ich nicht "toll"...


Grüße
Sissy
 

Solarius

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Oha, das kann ich als Frau nicht. Ein Typ, der sich aus purem Egoismus (Maximierung seiner Lust) um die Verantwortung für Frau und Kinder drückt, den kann ich nicht toll finden. An der Sichtweise, daß Frau und Kinderversorgen als mögliche "Störquelle der Seelenruhe" betrachtet wird, habe ich stark zu knabbern.
Davon hatte ich bis jetzt nichts gelesen oder gehört. Aber in der Wikipedia steht das tatsächlich. Es steht aber nicht darin, das er sich vor der Verantwortung gedrückt hat. Ich verstehe den Artikel in der Wikipedia so, das er offenbar nicht heiraten wollte. - Und das ist sein gutes Recht. Niemand ist verpflichtet, zu heiraten und Kinder zu bekommen.

Wenn man mal seine Aussagen zur Maximierung der Lust googelt, dann erhält man eigentlich die Aufforderung zur Enthaltsamkeit:
http://www.aphorismen.de/zitat/3761
Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.
Oder hier:
http://www.aphorismen.de/zitat/3783
Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinen Reichtümern hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.

Von soetwas bekommt man keine Syphilis. Ich möchte noch aus dem Wikipediaartikel zitieren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Epikur
Sie war und ist durch ein verbreitetes Missverständnis des epikureischen Lustbegriffs Fehldeutungen ausgesetzt.

Die Meinung, das die Lehre von Epikur zur Verbreitung der Syphillis und anderer Krankheiten beigetragen hat, kommt also vermutlich aus einer solchen Fehldeutung. Wo wird denn soetwas behauptet?
 

Solarius

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Dafür konnte dann ich alle möglichen Naturwissenschaften, die angeboten wurden, belegen, und hatte sogar noch 2 Grundkurse übrig, die ich mir dann in Musik gegönnt habe, als einziger, der kein Instrument gespielt hat.
Die Musik ist auch so ein Fall. Ich habe einen kleinen Sohn. Fast 4 Jahre alt. Er singt sehr gern. Und nun habe ich ein Problem: Ich kann keine Noten lesen. Da habe ich ein Liederbuch, einen Text mit Noten, und ich weiß trotzdem nicht, wie man das Lied singt. Ich muß mir das Lied erstmal auf Youtube anhören. Da läuft etwas schief im Schulunterricht. Ich bin der Meinung, das Notenlesen zur Allgemeinbildung gehört. Jeder sollte das können.
 

zabki

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Die Musik ist auch so ein Fall. Ich habe einen kleinen Sohn. Fast 4 Jahre alt. Er singt sehr gern. Und nun habe ich ein Problem: Ich kann keine Noten lesen. Da habe ich ein Liederbuch, einen Text mit Noten, und ich weiß trotzdem nicht, wie man das Lied singt. Ich muß mir das Lied erstmal auf Youtube anhören. Da läuft etwas schief im Schulunterricht. Ich bin der Meinung, das Notenlesen zur Allgemeinbildung gehört. Jeder sollte das können.

Habe mir erlaubt, dieses Statement in einem Forum zur klassischen Musik zu zitieren, wo gerade über Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen diskutiert wird.

http://www.capriccio-kulturforum.de...ildenden-schulen-heute/index8.html#post291378

:)
 

Bernhard

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Ähm, welche? Kannst Du da bitte ein aktuelles Beispiel bringen? So aus den letzten 30 Jahren?
Vor einiger Zeit kam mal auf Arte eine interessante Biografie über unseren ehemaligen Außenminister J. Fischer. Der hat in seinen frühen Jahren demnach auf etwas abenteuerliche Weise Philosophie studiert. Ich wusste das vorher auch nicht, denke aber, dass ihn das doch ziemlich stark geprägt hat und das durchaus in positiver Weise. Der ehemalige Verteidigungsminister v. Guttenberg liest/las angeblich Platons "Der Staat" in der altgriechischen Originalfassung. Bei der Linkspartei und quer durch den gesamten Bundestag findest Du mit Sicherheit viele Politiker, die noch das alte humanistische Bildungsideal gut kennen.

Die Philosophie, wie sie an den Universitäten gelehrt wird, wird also noch lange nicht aus den Köpfen der Menschen veschwinden.
 
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Sissy

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Hi Solarius,

Ich verstehe den Artikel in der Wikipedia so, das er offenbar nicht heiraten wollte. - Und das ist sein gutes Recht. Niemand ist verpflichtet, zu heiraten und Kinder zu bekommen.

Selbstverständlich darf ein Mann sich entscheiden, nicht zu heiraten, keine Kinder zu zeugen. Da hast meine volle Zustimmung.

Ich empfinde es aber als krassen Wiederspruch zu seinen restlichenen Ansichten (lieber mit einer rechten Gesinnung einige Ziele zu verfehlen als zufallsbedingt zeitweise auf dem rechten Weg zu sein), öffentlich in einer Schule die Verantwortung für die eigene Familie (wenn sich denn ein "Schüler" zur Heirat entschlossen hat) als mögliche Störquelle der Seelenruhe zu lehren, die es möglichst zu umghen gilt. Das ist Bestandteil seiner Briefe (die leider nicht komplett erhalten sind), auf die sich mehrere Philosophen und Chronisten seiner Zeit (Seneca, Cicero, Huratz? andere fallen mir jetzt auf die Schnelle nicht ein, sorry) beziehen...

Freundschaft zu anderen Männern (platonisch oder als "Lustknaben") und privates Lebensglück/Seelenheil weg von der übergeordneten Staats- oder Religionsgemeinschaft, Sturz der Priesterkasten und der Götter hin zum Individuum (geistig im Sinne von persönlichem Erkenntnisgewinn, körperlich im Sinne von Essen/Trinken genießen und auch Sex mit Männlein/Weiblein, sogar Viechern?) ist nach seiner Lehre wichtiger als die Sorge um den Fortbestand der eigenen Familie? Sich ohne Rücksicht auf Verlußte die Geilheit aus dem Leib vögeln bringt persönliches Selenheil, Wohlbefinden und Erkenntnisgewinn? Nach mir die Sintflut, Scheiß auf alle Konsequenzen? Hallo? Gehts noch? Was ist denn daran ethisch? Bin ich die einzige, die den Wiederspruch bemerkt? Das ist für mich Chauvenismus in Reinkultur, Größenwahnsinn und Menschenverachtend.

Die Meinung, das die Lehre von Epikur zur Verbreitung der Syphillis und anderer Krankheiten beigetragen hat, kommt also vermutlich aus einer solchen Fehldeutung. Wo wird denn soetwas behauptet?

Von Historikern, Kunsthistorikern, Epidemologen, Medizinern.

Nicolo Leonicenco, "De epidemia quam Itali morbum Gallicum, Galli vero Neapolitanum vocant, libellus", 1496 oder 1497 war meines Wissens der erste, der eine Beschreibung der Symptome der Syphilis veröffentlichte. Auch nachzulesen in seinen Briefen an Angelos Poliziano. Ich bin da leider auf englische und deutsche Besprechungen/Übersetzungen/Interpretationen angewiesen, da ich das Original mangels Sprachkenntnisse nicht lesen kann.

Etwas später dann auch in den Archiven des Vatikan, in diversen Bibliographien kirchlicher Würdenträger, unter Dichtern und anderen Künstlern und Philosophen nachzulesen... Da man zu der Zeit noch nix von der wahren Natur der Krankheitserreger wußte und Hexerei, Bösen Blick, Strafe Gottes... als Ursache ansah, und Krankheiten mit Aderlaß, Gebeten und ähnlichem Unsinn behandelte, findest Du natürlich keine Beschreibung des korrekten Zusammenhangs aus der damaligen Zeit. Dazu müßtest Du die Erlaubnis von Familienangehörigen einholen, die Leichen exhumieren und durch Forensiker/Epidemologen auf entsprechende Spuren untersuchen lassen. Ein anderer Weg ist die Betrachtung von Bibliografien, Gedichten, Romanen und Opern. Syphilis war damals eine weitverbreitete Krankheit in den Städten, auf dem Land in den bäuerlichen Gegenden eher weniger vertreten...

Es gibt jedenfalls deutliche Zusammenhänge zwischen der Zielgruppe der "orgienfeiernden Oberschicht" die sich auf eventuell falsch verstandenen Lehre der Epikureer berief, den klassischen Symtomen der Syphilis mit Geschwüren/Hautläsionen und den Wahrnehmungsstörungen im 4. Stadium, denen eine kurze Phase kognitiver Genialität vorausgeht. Die Bibliografien vieler Künstler ab 1430 weisen indirekt auf eine solche Infektion mit Syphilis hin, ohne die Krankheit beim Namen zu nennen. Der Name Syphilis kam ja erst viel später auf. Vorher war es die "venezianische Krankheit", "neapoletanische Krankheit", "genueser Krankheit" bzw. im deutschsprachigen Raum die "Franzosenkrankheit"...

Sissy
 
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