Gibt es Altruismus zwischen verschiedenen Spezies?

Schmidts Katze

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Ich möchte die Diskussion in Ralanders Thread nicht stören, aber ich finde das eine interessante Frage.

Es begann hier:

Altruismus kann deshalb logischerweise nur Lebewesen umfassen, mit denen man sich fortpflanzen kann. Am wenigsten wird er solche Lebewesen umfassen, mit denen man sich nicht fortpflanzen kann, die aber gleichzeitig zu potentiellen Konkurrenten um Ressourcen werden könnten (letzteres erklärt übrigens auch relativ einfach, warum ausser Homo Sapiens alle anderen Menschenarten - und viele Raubtiere an der Spitze der Nahrungskette! - ausgestorben sind).

Wer also auf "altruistische" ausserirdische Zivilisationen hofft, sehnt quasi unsere kriegerische Auslöschung durch selbige herbei.

Ich bin da anderer Meinung, denn es gibt viele Beispiele für uneigennütziges Verhalten über Spezies-Grenzen hinaus.
Z.B. kann man einer Säugetier-Mutter ein artfremdes Junges geben, das dann von ihr gesäugt und auch großgezogen wird.
Oder einem Pferd, das allein gehalten wird, kann man eine Ziege als Gesellschaft geben.

Ein Mensch, der ein hilfloses Säbelzahntiger-Baby findet, wird das sicher nicht großziehen, wenn er einigermassen bei Verstand ist, aber was macht ihr denn, wenn ihr z.B. eine kleine Dohle findet, die aus dem Nest gefallen ist?
Ich könnte die nicht selbst großziehen, aber ich würde mich auf jeden Fall ans Telefon setzen, und ein paar Freunde um Hilfe bitten.

Grüße
SK
 

Entro-Pi

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Sehe ich genauso. Es gibt sehr viele Menschen, die praktisch aus altruistischen Gründen Tierschutz betreiben oder vegetarisch/veganisch leben.

Tatsächlich denke ich, daß Altruismus einfach nur erfordert, daß die Grundbedürfnisse befriedigt sind. Muß ein Mensch also nicht um seine Ernährung, seine Unterkunft, seine Sicherheit und seine sozialen Bedürfnisse fürchten, dann hat er die Möglichkeit nach Selbstverwirklichung zu streben (das mag einigen bekannt vorkommen, denn ich habe das mal kurzerhand schamlos Maslow's Bedürfnispyramide geklaut). Und diese Selbstverwirklichung suchen einige in Wissenschaft, andere in Religion und manche auch in Altruismus gegenüber Artgenossen oder eben auch gegenüber anderen Arten.
 

Schmidts Katze

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Hallo Entro-Pi,

Tatsächlich denke ich, daß Altruismus einfach nur erfordert, daß die Grundbedürfnisse befriedigt sind. Muß ein Mensch also nicht um seine Ernährung, seine Unterkunft, seine Sicherheit und seine sozialen Bedürfnisse fürchten, dann hat er die Möglichkeit nach Selbstverwirklichung zu streben (das mag einigen bekannt vorkommen, denn ich habe das mal kurzerhand schamlos Maslow's Bedürfnispyramide geklaut). Und diese Selbstverwirklichung suchen einige in Wissenschaft, andere in Religion und manche auch in Altruismus gegenüber Artgenossen oder eben auch gegenüber anderen Arten.

da bin ich schon anderer Meinung.
Altruismus ist mMn nicht einfach ein Luxus-Effekt, sondern auch durch die Evolution der Prüfung auf Nützlichkeit ausgesetzt.

Und die Tiere, denen gegenüber ich mich altruistisch verhalte, bringen mir auch einen Mehrwert, wenn auch nur einen ästhetischen, wie in meinem Beispiel Aquarium.

Grüße
SK
 

Bynaus

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Ja, diese interessantere Diskussion ist hier viel besser aufgehoben...

Z.B. kann man einer Säugetier-Mutter ein artfremdes Junges geben, das dann von ihr gesäugt und auch großgezogen wird.

Aber hat das wirklich mit Altruismus zu tun? Ich denke nicht. Entweder, diese Mutter erkennt das Junge nicht als artfremd, was ich aber bezweifle. Gut möglich, dass das eine Art Luxus-Effekt ist: so lange es genügend Nahrung gibt (was in Gefangenschaft ja immer der Fall ist), toleriert sie es. Das kann durchaus evolutionär Sinn machen: hat sie z.B. 4 Junge + ein artfremdes Junges, und kommt ein Raubtier, dann wird sie ohne artfremedes Junges mit Sicherheit eines der ihren verlieren - mit dem artfremden Jungen besteht immerhin eine Chance von 20%, dass sie keines der ihren verliert. Dafür muss aber wirklich mehr als genug Nahrung da sein, damit sich das lohnt. Bei Nahrungsknappheit wäre das artfremde Junge das erste, das von ihr nichts mehr bekäme.

Oder einem Pferd, das allein gehalten wird, kann man eine Ziege als Gesellschaft geben.

Auch das hat nach meinem Verständnis des Begriffs nichts mit Altruismus zu tun. Artübergreifende "Freundschaften" kann es überall geben, gerade in einer Extremsituation wie Einzelhaltung. Das ist ja beim Menschen nicht anders. :) Tom Hanks hat sich ja sogar mit einem Volleyball angefreundet. ;)

Ein Mensch, der ein hilfloses Säbelzahntiger-Baby findet, wird das sicher nicht großziehen, wenn er einigermassen bei Verstand ist, aber was macht ihr denn, wenn ihr z.B. eine kleine Dohle findet, die aus dem Nest gefallen ist?
Ich könnte die nicht selbst großziehen, aber ich würde mich auf jeden Fall ans Telefon setzen, und ein paar Freunde um Hilfe bitten.

Ja. Weil wir Mitleid empfinden und die Kosten für das Telefongespräch (und die aufgewendete Zeit) geringer sind als die "emotionalen Kosten", wenn wir einfach weitergehen würden (ausserdem könnte es ein verheerendes Signal an unsere Mitmenschen aussenden, nichts zu tun: schaut mal, er/sie ist so kaltblütig, das Leid des armen Tiers interessiert ihn/sie nicht).

Und die Tiere, denen gegenüber ich mich altruistisch verhalte, bringen mir auch einen Mehrwert, wenn auch nur einen ästhetischen, wie in meinem Beispiel Aquarium.

Aber eben deshalb ist es kein Altruismus: Du hast dein Aquarium ja nicht, weil du ein paar Fischen etwas Lebensraum bieten möchtest (etwa, weil die Meere übervoll mit Fischen wären...). Sondern weil, wie du selbst sagst, DU es ästhetisch findest. Die Haltung der Fische enspringt nicht dem Willen oder der Bereitschaft, ohne Gegenleistung diesen kleinen farbigen Tieren zu helfen, sondern DU möchtest gerne Fische, und das bringt natürlich mit sich, dass du auch für sie sorgen musst. Am schönsten demonstriert wird dieser "umgekehrte Altruismus" von Menschen, die Hundesitter anstellen: sie wollen einen Hund, aber wenn sie es sich leisten können, schieben sie das Sorge tragen auf anderre ab.
 
Zuletzt bearbeitet:

Schmidts Katze

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Hallo Bynaus,

Und die Tiere, denen gegenüber ich mich altruistisch verhalte, bringen mir auch einen Mehrwert, wenn auch nur einen ästhetischen, wie in meinem Beispiel Aquarium.

Aber eben deshalb ist es kein Altruismus: Du hast dein Aquarium ja nicht, weil du ein paar Fischen etwas Lebensraum bieten möchtest (etwa, weil die Meere übervoll mit Fischen wären...). Sondern weil, wie du selbst sagst, DU es ästhetisch findest. Die Haltung der Fische enspringt nicht dem Willen oder der Bereitschaft, ohne Gegenleistung diesen kleinen farbigen Tieren zu helfen, sondern DU möchtest gerne Fische, und das bringt natürlich mit sich, dass du auch für sie sorgen musst. Am schönsten demonstriert wird dieser "umgekehrte Altruismus" von Menschen, die Hundesitter anstellen: sie wollen einen Hund, aber wenn sie es sich leisten können, schieben sie das Sorge tragen auf anderre ab.

Aber du sagst doch selbst, daß altruistisches Verhalten evolutionär entstanden ist.
Das bedeutet, daß es dir Vorteile bringt.

Warum darf ich mein Verhalten einem Tier gegenüber nicht altruistisch nennen, nur weil es mir Vorteile bringt?
Immerhin bemühe ich mich, dem Tier ein gutes und artgerechtes Leben zu ermöglichen, und kümmere mich auch noch um seine Ernährung und medizinische Versorgung.

Und es ist ja auch nicht so, daß du dich nur deinen Nachfahren und potenziellen Sexualpartnern gegenüber altruistisch verhälst, was man aus dem Zitat im Eingangspost herauslesen könnte, sondern hoffentlich allen Mitmenschen gegenüber; warum sollte so ein Verhalten nicht einer anderen Spezies gegenüber genauso möglich sein?

Grüße
SK
 

Bernhard

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Warum darf ich mein Verhalten einem Tier gegenüber nicht altruistisch nennen, nur weil es mir Vorteile bringt?
Hallo SK,

den Besitz und die Pflege eines Aquariums würde ich persönlich vorerst nicht als altruistisches Verhalten bezeichnen, weil ich dort nicht so recht die Uneigennützigkeit erkennen kann. Ganz anders liegt das bei aktiven Tierschützern, die ohne Rücksicht auf eigene Nachteile das Wohlergehen von Tieren fördern. Geht es letztlich also nur darum selber einen Gewinn zu erzielen oder will man wirklich das Leid in der Welt mindern. Ersteres Verhalten kennt man zur Genüge, bei letzterem Verhalten trennt sich die Spreu vom Weizen.

Wenn Du in Deinem Aqarium bedrohte Tierarten pflegst und schützt, wäre ich eventuell schon eher bereit Dir Altruismus zuzuerkennen.
MfG
 

Kibo

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Also vielleicht bin ich da eher ein Sonderling, aber sehe ich ein Tier in Not, und sei es ein Regenwurm der auf dem Fußweg herum kriecht, so versuch ich dem Tier doch zu Helfen, egal ob wer bei zu guckt (wenn mir jemand beim Regenwurmtransport zugucken würde fände ich das sogar eher unangenehm). Ich sehe da absolut keinen Vorteil für mich, wenn das kein Altruismus ist, dann weiß ich auch nicht.

mfg
 

Bynaus

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Aber du sagst doch selbst, daß altruistisches Verhalten evolutionär entstanden ist.
Das bedeutet, daß es dir Vorteile bringt.

Ja. Aber schauen wir uns das mal genau an. Was bedeutet "altruistisch"? Es bedeutet nach meinem Verständnis, dass ich auf etwas für mich wertvolles verzichte, das einem anderen zu Gute kommt, ohne dass ich dafür eine Gegenleistung erwarte. Altruismus ist demnach z.B., spontan einen Flüchtling aufzunehmen, oder jemandem erste Hilfe zu leisten. Ich erwarte keinerlei Gegenleistung dafür, ausser vielleicht dass das nicht zum Dauerzustand wird. Warum gibt es dieses Phänomen? Ich würde vermuten, dass eine altruistische (menschliche) Gesellschaft insgesamt erfolgreicher ist. Es überleben mehr (z.B. grösserer Genpool, mehr tradiertes Wissen), und jeder einzelne Mensch kann seinen Aktivitäten entspannter und sorgloser nachgehen, wenn er weiss, dass er im Krisenfall grundsätzlich auf Hilfe hoffen kann (statt dass seine Nächsten wie Geier über ihn herfallen, sobald er Schwäche zeigt). Das funktioniert sowohl in Zeiten der Knappheit als auch des Überflusses, und erzwingt einen Altruismus allen Mitmenschen gegenüber, nicht nur gegenüber Nachfahren und potentiellen Sexualpartnern.

Über die Artgrenze hinweg macht das aber überhaupt keinen Sinn. Keine Gesellschaft profitiert, wenn ihre Mitglieder ohne zu erwartende Gegenleistung knappe Ressourcen zugunsten von anderen Tierarten aufgeben. Ich kann mir Altruismus gegenüber anderen Tieren höchstens als eine Art Nebenwirkung des eigentlichen, artspezifischen Altruismus' vorstellen, weil wir manchmal dazu tendieren, andere Tiere zu vermenschlichen (ohne dass das jetzt abwertend gemeint ist). Weil wir Mitleid mit der armen Schnecke mitten auf der Strasse haben, tragen wir sie zur nächsten Wiese. Aber ein solcher Akt des Mitgefühls oder der Barmherzigkeit kann man nicht als Altruismus bezeichnen, weil wir dafür nichts wirklich aufgeben müssen. Was wäre denn, wenn es 1000 Euro kosten würde, die Schnecke zu retten? Oder aber einen Menschen? Eben.

Nochmals anders sieht es aus, wenn wir uns Nutz- und Haustiere ansehen.Verschiedene Menschen werden unterschiedlichste Motive haben, solche zu halten. Aber Altruismus (man vergleiche das mit der spontanen Aufnahme des Flüchtlings) hat damit aus meiner Sicht nichts zu tun. Nutztiere tragen den Nutzen schon im Namen, und Haustiere sind letztlich Spielzeuge. Auch das ist nicht abwertend gemeint: aber letztlich hat der Mensch einfach Freude an der Gesellschaft (oder dem Anblick...) und wenn er es sich leisten kann und in der persönlichen Abwägung die Vorteile die Nachteile überwiegen, dann schafft er sich eben ein solches Haustier an. Aber genau diese Abwägung führt dazu, dass man es - aus meiner Sicht - nicht als Altruismus bezeichnen kann.
 

Entro-Pi

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Was bedeutet "altruistisch"? Es bedeutet nach meinem Verständnis, dass ich auf etwas für mich wertvolles verzichte, das einem anderen zu Gute kommt, ohne dass ich dafür eine Gegenleistung erwarte.

Das sehe ich ein klein wenig anders. Für eine altruistische Tat muß man nicht zwangsweise auf etwas "wertvolles" verzichten. Wenn ich einer alten Frau die Tür zur Sparkasse aufhalte kostet mich das im schlimmsten Fall 10 Sekunden Zeit, die ich ansonsten eher am Geldautomat gewesen wäre. Oder wenn ich bremse, um einen über die Straße tappsenden Igel nicht zu überfahren kostet mich das auch nur ein paar Sekunden Zeit. Trotzdem würde ich beides als altruistisch bezeichnen. Altruismus ist einfach nur Selbstlosigkeit, also das Anbieten von Hilfe ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Es muß nicht unbedingt bedeuten, daß man dafür etwas wertvolles aufgibt/herschenkt.
 
Zuletzt bearbeitet:

Schmidts Katze

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Hallo Bernhard,


da hast du natürlich recht, Fische zu halten ist an sich noch kein altruistisches Verhalten.
Aber wenn du ein schönes südamerikanisches Becken hast, und jemand bittet dich, seinen Fadenfisch (Asien) aufzunehmen, obwohl er in dein Becken reinpasst, wie die Faust auf's Auge, dann sagst du auch nicht, dann schmeiß ihn doch ins Klo.
Du ärgerst dich über diesen Fisch (ging mir jedenfalls so), aber du kommst doch nicht auf die Idee, ihn zu töten.

Grüße
SK
 

Schmidts Katze

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Hallo Bynaus,

Es bedeutet nach meinem Verständnis, dass ich auf etwas für mich wertvolles verzichte, das einem anderen zu Gute kommt, ohne dass ich dafür eine Gegenleistung erwarte. Altruismus ist demnach z.B., spontan einen Flüchtling aufzunehmen, oder jemandem erste Hilfe zu leisten. Ich erwarte keinerlei Gegenleistung dafür, ausser vielleicht dass das nicht zum Dauerzustand wird.

ja, und jetzt stell dir mal vor, du fährst auf einer Landstrasse, und am Strassenrand liegt ein verletzter Hund.
Da wirst du doch zumindest zum nächsten Bauern fahren, anklingeln und bescheidsagen.
Du wirst den Hund doch nicht einfach seinem Schicksal überlassen, nur weil er einer anderen Spezies angehört.

Über die Artgrenze hinweg macht das aber überhaupt keinen Sinn. Keine Gesellschaft profitiert, wenn ihre Mitglieder ohne zu erwartende Gegenleistung knappe Ressourcen zugunsten von anderen Tierarten aufgeben.

Da denke ich an eine kleinbäuerliche Gemeinschaft, die vielleicht eine Ziege, ein paar Hühner und einen Hund haben.
Erstens leben diese Tiere wahrscheinlich auf engstem Raum mit den Menschen zusammen, zweitens haben sie schon auch eine ökonomische Bedeutung für diese Gemeinschaft.

Grüße
SK
 

Bynaus

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Du wirst den Hund doch nicht einfach seinem Schicksal überlassen, nur weil er einer anderen Spezies angehört.

Natürlich nicht. Nur, weil ich sage, dass Mitleid mit Tieren und Altruismus zwei verschiedene Schuhe sind (bzw. dass Altruismus nur innerhalb der Spezies funktionieren kann), heisst doch das noch lange nicht, dass ich kein Mitleid mit Tieren empfinden würde!

Da denke ich an eine kleinbäuerliche Gemeinschaft, die vielleicht eine Ziege, ein paar Hühner und einen Hund haben.

Das sind alles Nutztiere. Tiere, die man sich nicht zu nutze machen kann, werden nicht einfach mit Ressourcen bedacht, sondern man versucht im Gegenteil, sie von diesen fernzuhalten (Mäusefallen, Vogelscheuchen, etc.).

Wie gesagt: man kann gelegentlichen Altruismus gegenüber anderen Tieren quasi als Nebeneffekt des zwischenmenschlichen Altruismus verstehen. Aber das Opfer, das wir für nicht-nützliche, nicht-häusliche Tiere aufzubringen bereit sind, hält sich dann meist doch sehr in Grenzen, und beschränkt sich auf spontane, kurzfristige, nominell kostenlose Fälle. Niemand rettet die arme Schnecke, wenn es ihn 1000 Euro kostet - genauso, wie man es gemäss der Evolution auch erwarten würde.
 

Schmidts Katze

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Hallo Bynaus,

Wie gesagt: man kann gelegentlichen Altruismus gegenüber anderen Tieren quasi als Nebeneffekt des zwischenmenschlichen Altruismus verstehen.

ich glaube nicht, daß es eine Domestizierung des Wolfs gegeben hätte ohne uneigennützige Betrachtung des anderen als Wesen, das genauso ums Überleben kämpft, wie man selbst, und einer daraus resultierenden Solidarität.

Grü0e
SK
 

Schmidts Katze

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Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner und anderes Geflügel, die hat man halt einfach eingesperrt; aber den Wolf musste man in die Gruppe integrieren, um ihn zu domestizieren, er musste freiwillig bleiben.
Und das geht nur, wenn man ihm eine soziale Struktur bietet, in die er sich einordnen kann, und in der auch altruistisches Verhalten stattfindet.
 

Bynaus

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Ich glaube nicht, dass das so abgelaufen ist.

Hunde haben sich in eine ökologische Nische hineinentwickelt, die ihnen der Mensch geboten hat: Futter gegen Verteidigung: das ist ein Deal und hat mit Altruismus nichts zu tun. Wölfe sind, wie Menschen, soziale Tiere, sie leben in einer hierarchischen Gesellschaft, was sich für die Domstikation geradezu anbietet, und sie sind physisch stark. In anderen Worten: Wölfe waren gut aufgestellt, um zum Partner des Menschen bei diesem Deal zu werden. Ich glaube, man vermutet einen langsamen Übergang über viele Generationen, von Wölfen, die hungrig um menschliche Lager schlichen, zu solchen, die menschliche Abfälle assen und zunächst die Abfallhaufen verteidigten, dann die Menschen, die diese Abfallhaufen produzierten. Diejenigen, die gegenüber Menschen am wenigsten aggressiv auftraten, wurden am wenigsten weggescheucht, bekamen deshalb das meiste Futter und begannen sich schliesslich mehr mit den Menschen zu identifizieren als mit ihren Artgenossen.

Es gibt ja dieses interessante Experiment mit den Silberfüchsen, die man in der Sowjetunion domestiziert hat, in dem man stets die gegenüber dem Menschen am wenigsten aggressiven und ängstlichen Tiere herausgenommen und gezüchtet hat. Mit dem Ergebnis, dass auch sonst "hündische" Merkmale wie Bellen, Schlappohren, Schwanzwedeln hervortreten. Aggressivität und Angst gegenüber dem Menschen scheinen also sowohl in Füchsen als auch in Hunden mit bestimmten Genen verbunden zu sein. Siehe z.B. http://www.scinexx.de/dossier-detail-324-6.html
 

Schmidts Katze

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Hallo Bynaus.

Futter gegen Verteidigung: das ist ein Deal und hat mit Altruismus nichts zu tun.

ist Altruismus kein Deal?
Er ist doch evolutionär entstanden, also von Vorteil für den altruistisch handelnden.


Da heisst es am Ende:
"Dieser Vorgang könnte auch für die Evolution des Menschen von Bedeutung sein: „Unsere Hypothese ist“, so Hare, „dass eine Veränderung des menschlichen Temperaments den Weg für seine weitere sozio-kognitive Evolution bereitet hat.“ Anders ausgedrückt: Erst mit zunehmender Toleranz seinen Artgenossen gegenüber kam der Mensch zu Verstand."

Daraus schliesse ich, daß der Altruismus eine Folge der Domestikation des Menschen ist, und warum sollte diese Entwicklung nicht den Wolf mit einschliesssen?

Es gibt ja dieses interessante Experiment mit den Silberfüchsen, die man in der Sowjetunion domestiziert hat,
Martin Bäker hat zu diesem Thema einen lesenswerten Blog verfasst:
http://scienceblogs.de/hier-wohnen-...re-zu-haustieren-wurden-das-fuchs-experiment/

Grüße
SK
 

Bynaus

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ist Altruismus kein Deal?

Doch, aber nicht so einer. Futter gegen Verteidigung ist ein unmittelbarer Deal, wo die positiven Auswirkungen für beide Seiten offensichtlich sind.

Beim Altruismus entstehen die Vorteile für den altruistisch Handelnden nur sehr indirekt, indem er in einer für ihn "freundlicheren" oder "sichereren" Umgebung existiert, ohne dass er tatsächlich davon profitieren muss - oder dies auch nur erwartet.

Beim Hund erwartet man sehr wohl Kooperation, noch heute.
 

Schmidts Katze

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Beim Altruismus entstehen die Vorteile für den altruistisch Handelnden nur sehr indirekt, indem er in einer für ihn "freundlicheren" oder "sichereren" Umgebung existiert, ohne dass er tatsächlich davon profitieren muss - oder dies auch nur erwartet.

Bynaus, ich verstehe den Unterschied immer noch nicht.
Wenn ich dem Hund den Knochen von meinem Kotelett gebe, dann denke ich doch nicht daran, daß er deshalb mein Grundstück verteidigt, sondern daran, daß er Hunger hat, und ich gebe ihm den Knochen, weil ich ihn mag.
Insofern profitiere ich auch nur indirekt, und dieser Profit ist auch nicht meine Intention.
 
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