Entitäten als Manifestation von Relationen ohne Unabhängige Existenz

Sky Darmos

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Hallo an (fast) alle,

Im Forum wurde bereits die Frage erwähnt was denn der konkrete Unterschied zwischen Postulat (Physik), Axiom (Mathematik), und Dogma (Religion) ist. Es geht dabei um den Konflikt zwischen Rationalismus und Irrationalismus. Es wurde behauptet Axiome hätten einen ähnlichen Charakter wie Dogmen. Ich will deshalb das Thema Axiome diskutieren. Es geht mir dabei aber nicht primär um den Rationalismus-Irrationalismus-Konflikt.
Mir geht es eher um etwas erkenntnistheoretisches. Ich will mit einem Beispiel beginnen: In einer meiner Theorien, und auch in der Twistortheorie, gibt es eine Komplexe Raumzeit, mit einer Realteil und einem Imaginärteil. Das sind wieder Raumzeiten. Ich will darauf nicht näher eingehen, denn es soll sich hier nur um ein Beispiel handeln. Was aber für das Thema relevant ist: Ich habe die komplexität als eine Verallgemeinerung betrachtet. Mir erschien der reelle Raum zu speziell! Dieser Gedanke mutet einem Physiker vielleicht sehr seltsam an, aber für einen Mathematiker ist das Reelle in der Tat etwas sehr spezielles! Hier ist die Frage interessant: Habe ich hier nun ein Postulat gemacht oder habe ich eines fallen gelassen? Man wird dazu schwerlich etwas konkretes Sagen können ohne die Theorien zu kennen.
Tatsächlich ist diese Frage nicht leicht zu beantworten.
An einem weiteren Beispiel sehen wir das noch deutlicher:

Die SRT folgt aus der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, doch ist diese Konstanz ein Postulat? Oder ist der Äther den man alternativ annehmen müsste ein Postulat? Für letzteres spricht, dass sich die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus der Theorie des Elektromagnetismus ableitet! Die Postulate der SRT sind daher vielleicht eher Anti-Postulate! Übrigens leitet sich auch umgekehrt der Elektromagnetismus aus der SRT ab.

Wenn es sich bei der komplexen Raumzeit um eine Veralgemeinerung handelt, warauf beruht diese dann?
Wohl auf einer rein mathematischen Überlegung. Im Grunde handelt es sich um die selbe Verallgemeinerung die schon in der reinen Mathematik durchgeführt wurde! Hier scheint sich also die Mathematik und die Physik langsam anzunähern.
Nun lässt sich in der Mathematik aber mit verschiedenen Axiomen sehr viel konstruieren. Was aber davon ist wirklich fundamental? Ich denke die konstruierte Arithmetik muss die reellen Zahlen zumindest als Grenzfall enthalten, d.h. wenn bestimmte Koeffizienten Null werden, dann sind wir wieder bei den reellen Zahlen.

In der Physik haben wir durch Verallgemeinerungen oder besser Vereinheitlichungen, immer eine enorme Reduzierung der grundlegenden Postulate erreicht. Hier sind die Postulate den Axiomen analog. Verringert sich in der Mathematik durch Verallgemeinerungen auch die Anzahl der Axiome? Man würde eher eine größere Anzahl an Postulaten erwarten, da man exotische Regeln wie ij = - ji = k und i^2 = j^2 = k^2 = - 1 und solche Scherze aufnimmt. Doch der Schein trügt. Etwa folgt i^2 = j^2 = k^2 = - 1 bereits aus ij = - ji = k, und mit der Einführung von i^2 = - 1 hat man tatsächlich eher ein Axiom abgeschaft als eines hinzuzufügen. Wenn man vereinbart, dass die multiplikation mit einer positiven Zahl das Vorzeichen erhält und die multiplikation mit einer negativen Zahl es umkehrt, dann erhält man die reelle Arithmetik in denen die schon genannten 7 Punkte gelten.
Vereinbart man aber dass die multiplikation mit einer positiven Zahl das Vorzeichen umkehrt und die multiplikation mit einer negativen Zahl es erhält, dann erhält man die Arithmetik der imaginären Zahlen. Die dann allerdings keine Gruppe bildet. Unsere Vereinbarungen die wir A und B nennen könnten, können wir in die Einheiten 1 und i "packen" um sie nicht konkret angeben zu müssen. i^2 = - 1 scheint zuerst ein zusätzliches Axiom zu sein. Tatsächlich aber ist es ein Anti-Axiom das andere Axiome begründet und sie somit diesen Titels beraubt.

Ohne das "Anti-Axiom" i^2 = - 1 braucht man folgende Axiome um die Algebra der Reellen Zahlen herzuleiten. Dies wären:

1) Für beliebige Zahlen m, n gilt:

m + n = n + m

2) Für beliebige Zahlen m, n, k gibt:

(m + n) + k = m + (n + k) und (mn)k = m(nk)

3) Für beliebige Zahlen m, n, k gilt:

m (n + k) = mn + mk

4) Es gibt eine Zahl 0 mit der Eigenschaft, dass für jede Zahl n gilt:

n + 0 = n

5) Es gibt eine Zahl 1 mit der Eigenschaft dass für jede Zahl n gilt:

n * 1 = n

6) Für jede Zahl n gibt es eine weitere Zahl k so dass gilt:

n + k = 0

7) Für beliebige Zahlen m, n, k gilt:

wenn k ungleich 0 und kn = km, dann m = n

Für die Arithmetik der natürlichen Zahlen brauchen wir zunächst folgende Postulate:

1) Null ist eine Zahl
2) Der unmittelbare Nachfolger einer Zahl ist eine Zahl
3) Null ist nicht der unmittelbare Nachfolger einer Zahl
4) Es gibt keine zwei Zahlen die denselben unmittelbaren Nachfolger haben.
5) Jede Eigenschaft, die der Zahl Null zukommt und die auch dem unmittelbaren Nachfolger einer jeden Zahl zukommt, welche selbst diese Eigenscht besitzt, kommt allen Zahlen zu.

Wir haben hier die Begriffe "Zahl", "Null" und "Unmittelbarer Nachfolger von" undefiniert gelassen, b.z.w. ihre Kenntnis stillschweigend vorrausgesetzt.
Hierbei ist die Vorstellung von Gottlob Frege sehr interessant. Wir können nämlich den Begriff Zahl, selbst weiter definieren! Um etwa weiter zu definieren was wir mit "3" meinen müssen wir zunächst den Begriff der "Dreiheit" definieren. "Dreiheit" ist die abstrake Eigenschaft von Ansammlungen oder Mengen, die drei Gegenstände enthalten. Jede Menge mit drei Elementen hat also diese Eigenschaft der "Dreiheit". Weiterhin lässt sich "3" selbst als die Menge aller Mengen mit der Eigenschaft der "Dreiheit" definieren. Jede Menge die drei Elemente enthält ist also selbst ein Element von "3".
Man kann tatsächlich weiter gehen und auch andere Zahlenmengen als Mengen von Mengen definieren, doch darauf will ich hier nicht eingehen.

Interessant ist hier auch dass je nach betrachteter Relation ein mathematisches Ding, einmal eine Menge ist, dann ein Element und dann wieder eine Zahl! Hier sieht man: Eine Entität wird nur durch ihre Relation zu anderen Entitäten bestimmt. Die Entität selbst existiert gar nicht wirklich. Was existiert sind nur die Beziehungen! Das meine ich jetzt nicht nur im mathematischen Sinne! Ich denke das Geometrische Prinzip in der Physik muss uns am Ende dahin führen dass sich die Entitäten in der Physik auflösen! Mit Entitäten sind hier die verschiedenen Elementarteilchen gemeint. Wir sprechen heute von einem Elektronenstoff von einem Photonenstoff, von einem Neutrinostoff, u.s.w. genauso wie wir früher von einem Eisenstoff, einem Kupferstoff, einem Luftstoff, u.s.w. gesprochen haben. Heute wissen wir dass es sich hier nicht um verschiedene Stoffe handelt sondern dass die Eigenschaften durch die sie Definiert sind, durch die Relationen bestimmt sind die bestimmte fundamentalere Einheiten untereinander haben - die Elektronen.
Karl Popper wollte immer "Was-ist-das-Fragen" vermeiden und stellte stattdessen lieber Was-tut-das-Fragen. Solche Fragen sind im Grunde fragen nach den Beziehungen zwischen verschiedenen Dingen. Nun verlangt das Geometrische Prinzip dass wir niemals an einem Punkt ankommen an dem wir doch "Was ist das?" fragen müssen. Anders formuliert: Es darf keine Entitäten geben! Genauso wie sich in der Mathematik die Entitäten aufgelöst haben und nur zu "Schatten" ihrer Relationen geworden sind, müssen auch die Entitäten in der Physik ihre "Identität" verlieren.
Entitäten sind Illusionen abgleitet aus unserer Alltagserfahrung. Eine Welt ohne sie könnte abstrakter nicht sein, doch: Sie könnte auch logischer nicht sein.

Schöne Grüße,
Sky.
 

Sky Darmos

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Russelsche Menge

Ich will noch etwas allgemeines zum Mengenbegriff sagen:
Das Russelsche Paradoxon sollte es eigentlich nicht geben wenn Mengen immer nur als Beziehungen definiert sind. Die Prädikatenlogik sollte es doch gar nicht zulassen, dass sich etwas auf dieser Art auf sich selbst beziehen kann. Für mich sind Beziehungen alles was es auf der Welt gibt. Wenn man Mengen als Beziehungen auffasst sollte sich die Russelsche Menge gar nicht definieren lassen. Aber der Mengenbegriff wird wie ich finde etwas seltsam definiert. Man stellt sich heute soetwas wie einen Sack mit Elementen vor. Die Eigenschaft die die Elemente verbindet rückt in den Hintergrund und es ist völlig legitim einen Kreis zu Zeichnen, ein paar Symbole reinzusetzen und das ganze dann Menge zu nennen. Ich denke man sollte das nicht ohne eine erzeugende Aussage machen dürfen. Ich meine es sollte

A = {x|P(x)} B = {x|Q(x)}

P(x) = Q(x) <=> A = B

gelten. Dann stünde die Relation im Vordergrund. Dann gäbe es außerdem unendlich viele Verschiedenen Leeren Mengen.

Die Russelsche Menge ist übrigens die Menge aller Mengen die sich nicht selbst als Elemente enthalten. Die Frage "Ist die Russelsche Menge Element von sich selbst oder nicht" ist unentscheidbar.
 

Sky Darmos

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Darstellung der Menge der Natürlichen Zahlen in der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre

Nach Frege ist "3" die Menge aller Mengen mit der Eigenschaft der Dreiheit (also mit der Mächtigkeit 3). Es sollte darauf hinweisen werden dass natürliche Zahlen in der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre (ZF) nicht gemäß Frege definiert werden. Nach Freges Definition wäre jede Menge mit drei Elementen, Element einer bestimmten Fregeschen Menge.

{a, b, c} Є 3

In der ZF himgegegen sind nur Leere Mengen die weitere Leere Mengen enthalten Elemente von 3. Die Natürlichen Zahl werden hier so dargestellt:

N = {Ø, {Ø}, {Ø, {Ø}}, {{Ø, {Ø}, {Ø, {Ø}}}, ...} = {0, 1, 2, ...}

Diese Menge N ist aber nur ein Grenzfall einer echten Fregeschen Menge von Mengen. Man betrachtet hier wohl aus Sparsamkeitsgründen nur leere Mengen. Das macht für mich keinen rechten Sinn. Es erscheint mir als eine unnötige Einschränkung hier nicht mehr die Menge aller Mengen mit der Eigenschaft der Dreiheit zu betrachten, sondern die 3 lediglich als Menge mit drei leeren Elementen zu betrachten. Das zielt ja an der Logik der Sache total vorbei.
Es sollte viel mehr hervorgehoben werden dass bei 2 + 4 alle möglichen Dinge addiert werden, somit braucht man auch Mengen die alles mögliche umfassen. Zahlen beziehen sich zwar auf nichts bestimmtes, aber bestimmt eher auf alles mögliche als auf ausschließlich Nichts.
 

Dilaton

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Frage 1:

Was bedeutet Entität? Der Begriff ist doch so allgemein, dass er eigentlich überhaupt keine Information trägt. Also in meinen Wortschatz, musste ich diesen Begriff noch nicht aufnehmen.

Frage 2:

Wo steht das Karten in der ART reell sein müssen?
Ganz einfaches Beispiel für komplexe Karten in der gewöhnlichen ART: Newman - Janis Algorithmus
 

Sky Darmos

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Element, das nicht wiederum eine Menge ist = Entität

Dilaton schrieb:
Was bedeutet Entität? Der Begriff ist doch so allgemein, dass er eigentlich überhaupt keine Information trägt. Also in meinen Wortschatz, musste ich diesen Begriff noch nicht aufnehmen.

Hier bedeutet Entität konkret, eine Etwas dessen Eigenschaften nicht geometrisch begründet werden können. Eine Welt aus Entitäten wäre eine Welt deren Grundbausteine, ihrem Wesen nach völlig verschiedene Dinge wären, die sich nicht auf ein Prinzip zurückführen lassen könnten.
In der mathematischen Logik ist eine Entität noch klarer und einfacher zu definieren. Elemente sind Entitäten. Ein wichtiges Konzept ist hier, Elemente, die nicht selbst Mengen sind nicht zuzulassen. Diese würden das geometrische Prinzip verletzen - um mal den physikalische Ausdruck zu verwenden. Das ist hier ein leitendes Prinzip.
Ich erwarte übrigens nicht unbedingt dass diese genau definition von Entität, mit der allgemein verwendeten Terminologie übereinstimmt. Aber ich denke der Begriff suggeriert etwas in die Richtung und ich kann die Definiton so eng fassen, da ich von keiner genaueren Definition weiss die dieser Hier widersprechen würde. Der Begriff wird meist, wie du ja auch sagst, sehr wage verwendet. Ich hab, wie du auch, etwas gegen eine wage ausdrucksweise und bemühe mich um Exaktheit. Natürlich gelingt das nicht immer.

Dilaton schrieb:
Wo steht das Karten in der ART reell sein müssen?
Ganz einfaches Beispiel für komplexe Karten in der gewöhnlichen ART: Newman - Janis Algorithmus

Ich meine Konkret Raumzeiten mit einem komplexen Hypervolumen. Das Volumen soll also eine Komplexe Zahl sein. Es wird nirgends ein Absolutbetrag gebildet. Den Newman - Janis Algorithmus kenne ich nicht. Wenn du willst kannst aber gerne erklären was das ist.

Schöne Grüße,
Sky.
 

Sky Darmos

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Dilaton schrieb:
Aber wie sind diese dann mit Messgrößen verknüpft?

Die komplexen Elementrräume enthalten jeweils einen reell - und einen imaginärwertigen Raum. Außerdem gibt es noch positive und negative Räume. Bestimmte Räume machen sich als Dunkle Materie bemerkbar. Mehr sag ich dazu wirklich nicht. Außerdem ist es nicht Thema des Threads. Es geht um Axiome und Postulate im Allgemeinen. Es geht um Erkenntnistheorie, also ein philosophisches Thema, und um mathematische Logik. Vielleicht interessiert sich ja jemand dafür.
 

Sky Darmos

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Falls das nicht klar sein sollte: Eine zentrale Frage dieses Threads is, inwiefern sich die Axiome der Arithmetik reduzieren lassen.
Einmal durch Axiome wie i^2 = - 1 und andererseits durch Betrachtung von Fregeschen Mengen.
Nur mal so dass die Thematik klarer wird.

Eine Erkenntnistheoretische Diskussion über die Unterschiede zwischen Axiom, Postulat und Dogma, wäre hier auch angebracht.
@galileo: Das wäre sicher auch was für dich.
 
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