Doomsday-Argument versus Unendlichkeit

Lina-Inverse

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Vorweg: Eine Interpretation worauf und ob sich das Doomsday-Argument mit welcher Aussagekraft anwenden lässt ist nicht das Thema. Das ist in diesem Thread schon zur Genüge diskutiert worden, wer dazu weiteres zu sagen zu hat, tue es bitte dort oder in einem neuen Thread. Danke.

Hier soll es darum gehen ob das Doomsday-Argument in einem unendlichen Universum mit Quantenfluktuationen funktioniert.

Als Vorbereitung sollte man sich den Artikel Die Invasion der Boltzmann-Gehirne von Bynaus durchlesen.

Der Artikel dreht sich im Kern darum das durch Quantenfluktuationen spontan Beobachter entstehen können - das ist zwar sehr sehr unwahrscheinlich, aber in einem unendlich grossen (oder unendlich lange existierenden) Universum müssten solche Ereignisse trotzdem eintreten.
Wenn duch Quantenfluktuationen tatsächlich Beobachter entstehen können, dann würden darunter auch welche sein die von Menschen (oder beliebigen anderen Beobachtern) ununterscheidbar wären.

Dadurch würde das Doomsday-Argument ausgehebelt, da alle Mengen auf die man das DA anwenden könnte unendlich gross wären. Man könnte sich zwar darauf festlegen das DA nur auf Teilmengen anzuwenden, z.B. Menschen die von einem bestimmten Menschen abstammen - aber es gäbe keine Möglichkeit diese Abgrenzung für ein beliebiges Sample zu überprüfen (Es wird ein beliebiger Mensch vorgezeigt und man kann nicht entscheiden ob er zur Menge gehört oder nicht, ein DNA-Vergleich würde nicht helfen - es existieren ja irgendwo, irgendwann, Boltzmann-Menschen, die passende DNA besitzen).

Also entweder ist das Universum nicht unendlich (weder in Zeit noch Raum), oder das Doomsday-Argument ist im Universum nicht anwendbar.
 

Schmidts Katze

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Hallo Lina,

du versuchst hier nur wieder, und nicht als erster, eine statistische Überlegung durch das Einführen von Unendlichkeiten kaputtzumachen.

Aber das funktioniert nicht.
Ein Boltzmann-Gehirn, das 1E1000 Jahre in der Zukunft spontan entsteht, gehört nicht zum Sample "Homo sapiens des 3. Planeten der Sonne", auch wenn es zufällig die selbe DNA hätte.

Grüße
SK
 

frosch411

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Ich würde sagen, da wird mal wieder ein mathematisches Modell überstrapaziert. Extrem kleine Wahrscheinlichkeiten werden m.M.n. nie eintreten, da andere Mechanismen dies verhindern.
Ein Beispiel: Bestimmte Wahrscheinlichkeiten des Aufenthaltsortes von Elementarteilchen werden für den Zerfall von radioaktiven Isotopen verantwortlich gemacht. So ist es rein von der Wahrscheinlichkeitslehre durchaus möglich, dass dies auch bei stabilen Atomkernen passiert, tut es aber nicht, die sind und bleiben stabil.
Anderes Beispiel: Es ist theoretisch möglich, dass beim Würfeln hundert Mal hintereinander eine 6 kommt. Würfelt aber ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spieler tatsächlich nur Sechsen, so wird er irgendwann von seinen Mitspielern wegen dem Verdacht des Betrugs disqualifiziert.
 

Ich

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Extrem kleine Wahrscheinlichkeiten werden m.M.n. nie eintreten, da andere Mechanismen dies verhindern.
Was für Mechanismen sollen das sein? Das einzige, was Argumente mit unendlichen Universen verhindert wäre, wenn sie nicht annähernd homogen sind.
Ein Beispiel: Bestimmte Wahrscheinlichkeiten des Aufenthaltsortes von Elementarteilchen werden für den Zerfall von radioaktiven Isotopen verantwortlich gemacht. So ist es rein von der Wahrscheinlichkeitslehre durchaus möglich, dass dies auch bei stabilen Atomkernen passiert, tut es aber nicht, die sind und bleiben stabil.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein stabiler Atomkern zerfällt, ist exakt 0. Und selbst wenn es 1e-100/s wäre, ist ein empirisches Argument (wir haben das noch nie beobachtet) ziemlich albern.
Anderes Beispiel: Es ist theoretisch möglich, dass beim Würfeln hundert Mal hintereinander eine 6 kommt. Würfelt aber ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spieler tatsächlich nur Sechsen, so wird er irgendwann von seinen Mitspielern wegen dem Verdacht des Betrugs disqualifiziert.
Ja, mit p=1.5e-78. Ein sehr begründeter Verdacht. Aber das belegt nicht, dass unwahrscheinliche Dinge nie eintreten, es belegt nur dass das Eintreten eben... unwahrscheinlich ist. Was nicht viel weiter hilft.

Zum unendlichen Universum: Tegmark hat mal argumentiert, dass in einem unendlichen homogenen Universum alles unendlich oft (d.h. gleichzeitig an unendlich vielen Orten) passiert. Das ist m. E. auch so. Als Beispiel schätzt er, dass eine Kopie unserer kosmischen Umgebung ungefähr 1e(10e91) Meter entfernt existieren müsste.
Ich sehe aber nicht, wie das irgendwie das Doomsday-Argument beeinflussen sollte. Wie Schmidts Katze schon sagt, betrachtet man sinvollerweise immer nur eine definierte Teilmenge.
 

spacewalk1

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Also entweder ist das Universum nicht unendlich (weder in Zeit noch Raum), oder das Doomsday-Argument ist im Universum nicht anwendbar.

Hallo Lina-Inverse

Das Doomsday-Argument ist im Universum anwendbar.

Eine mögliche DA Aussage wäre:

Mit 95% Wahrscheinlichkeit wird unser Universum, noch während den nächsten 260 Mrd. Jahren, spontan Beobachter hervorbringen.


Gruss
Spacewalk1
 

Lina-Inverse

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Ich sehe aber nicht, wie das irgendwie das Doomsday-Argument beeinflussen sollte. Wie Schmidts Katze schon sagt, betrachtet man sinvollerweise immer nur eine definierte Teilmenge.
Ich habe auch nicht behauptet das dies das DA beeinflusst, das hat SK wohl aus meiner (bewusst provokativ gewählten) Formulierung interpretiert. Ich habe auch gar nicht vor das DA anzugreifen. Im Gegenteil.

Zur definierten Teilmenge - natürlich kann man die Menge so definieren wie SK es angedeutet hat und das DA wird damit bestens funktionieren, die Menge ist ja endlich. Solche Definitionen interessieren mich aber jetzt nicht, daraus kann ich keine neuen Erkenntnisse ziehen.

Ich glaube aber wir können das DA verwenden um einen Hinweis zu den die Eigenschaften unseres Universums zu erhalten (möglicherweise auch zu Multiversen). Nehmen wir mal als Mengendefinion meine aus dem Eröffnungspost: Zur Menge gehören Beobachter die als Homo Sapiens durchgehen, egal wo sie herkommen. Das würde implizieren das, wenn es Boltzmann-Menschen gibt, wie im verlinken Artikel von Bynaus skizziert, es unendlich viele Boltzmann-Menschen geben müsste.
Nun sind wie uns aber ziemlich sicher keine Boltzmann-Menschen zu sein, wenden wir das DA mit obiger Definiton an wäre es aber beliebig unwahrscheinlich als Nicht-Boltzmann-Mensch zu existieren. Darin sehe ich einen Widerspruch.

Ich sehe nun folgende Möglichkeiten den Widerspruch aufzulösen:
- Es gibt keine Boltzmann-Menschen (Warum auch immer)
- Das Universum ist nicht unendlich, weder in Raum noch Zeit (und damit ist auch die Menge der Boltzmann-Beobachter endlich)
- Das Universum ist unendlich, aber zwinged in Raum und Zeit, daher sind beide Mengen (Boltzmann und Nicht-Boltzmann Beobachter unendlich), das DA ist deshalb nicht anwendbar (vielleicht ist es das doch, wenn wir annehmen können das eine Menge unendlich viel grösser sein muss als die andere, aber hier fehlt mir das mathematische Rüstzeug - wir könnten dann möglicherweise zu einem Hinweis ¨ber die zeitliche Entwicklung in der Zukunft des Universums kommen).

Für ausgeschlossen halte ich damit ein Universum das unendlich in Raum oder Zeit, aber nicht beides ist. Das finde ich schon bemerkenswert, da wir so einen indirekten Hinweis darauf erhalten das unser Universum keine konstant positive Krümmung der Raumzeit haben kann - dann wäre es räumlich endlich.

Weiter habe ich noch nicht gedacht :)
 
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Alex74

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Wir haben ja im Prinzip zwei Erkenntnis die uns sagen, daß kein Universum unendlich lange existieren kann.

1. Wenn es Universen gibt die unendlich lange existieren, unabhängig von ihrer Möglichkeit Leben zu generieren, dann wird es darunter welche geben die Boltzmann-Gehirne gebieren.

2. Wenn es Universen gibt, in denen unendlich langes Leben möglich ist, dann kann es niemals vor meiner jetztigen Existenz ein solches Universum gegeben haben, da ich, sollte eine Art "Wiedergeburt" oder so existieren, dann irgendwann als solches unendlich lange lebendes Wesen in einem solchen Universum "gefangen" wäre.
Angesichts unserer Existenz under der sog. "Goldlöckchen" ihrer Bedingungen in unserem Universum kann man davon ausgehen daß es praktisch unbegrenzt viele solche Welten gab/gibt/geben wird. Die Wahrscheinlichkeit, daß ich also ein unsterbliches Wesen (evtl. ein unsterbliches Boltzmann-Gehirn) wäre, wäre sehr viel höher als die meiner jetztigen, gewiss endlichen Existenz.

Folgerungen sind, wie gesagt:
a) In einer Welt mit vielen Universen gibt es keines, das unendlich lange existieren kann...und kann es gar nicht geben,
b) Oder meine jetztige Existenz beruht auf einem unglaublichen Zufall da es entweder nur dieses Universum gibt und mich trotzdem hervorbrachte oder ich in der gegenüber der Unendlichkeit unglaublich kurzen Zeit meines Lebens lebe.

(Diese Argumentation geht wieder in die von mir mal hervorgebrachte Richtung des philosophischen GdM-Threads über die Frage warum nicht "Nichts" existiert, ist konform mit Folgerung a) (Da ein chaotischer Urgrund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit jedes darin entstandene Universum igrendwann auch einfach so zerstören könnte) und berührt natürlich wieder die Frage, ob die Entstehung meines Ichs in anderen Universen möglich sein kann - und auch blockiert werden kann - und ob dies Auswirkungen auf andere Universen hat......bei Interesse siehe dortiger Thread von mir....Fakt ist daß wir mit der Diskussion über die Unendlichkeit der Welt (oder nicht) nicht zu einem letzten wort hier finden werden...erfahrungsgemäß...obwohl ich von meiner Argumentation sehr überzeugt bin :D )

Gruß Alex
 

Boris Arkadi

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Hallo Alex,
falls Du den von dir gestarteten Thread 'Das anthropologisches (sic) Prinzip' meinst, in dem Du ziemlich krachend gescheitert bist, finde ich das schon sehr gewagt. Halbwissen ist immer gefaehrlich, philosophisches & naturwissenschaftliches Halbwissen dann auch noch zu vermengen, kann nur in die Hose gehen, in diesem wie in jenem Thread.
Gruss Boris
 

FrankSpecht

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Gähn!
in dem Du ziemlich krachend gescheitert bist
Das sagt ausgerechnet einer, der sich an dem Thema bisher nicht beteiligt hat :rolleyes:

Alex ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit NICHT gescheitert. Es gibt nämlich noch andere Befürworter von Alex's Thesen (die er sich auch nicht grundlos hergesaugt hat).
 
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Alex74

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@Boris:
Die Eingangsfragestellung bezieht sich darauf welche Aussagen man mit dem DA treffen kann wenn das Universum in irgendeiner Hinsicht unendlich ist.

Ich wollte lediglich zeigen, daß, wenn man das Postulat zugrunde legt daß dieses Universum nicht das einzige ist (da es recht unwahrscheinlich ist, daß direkt bei einem Versuch alle Parameter stimmen um uns hervorzubringen), es auch keines geben kann das unendlich lange existiert.
Es sei denn meine Existenz ist alleine auf dieses Universum beschränkt; aber dann hat man die gleiche Ausgangslage wie wenn es nur ein einziges - dieses -Universum gäbe und direkt die Parameter dafür stimmen müssen.
Die Existenz meines Bewußtseins ("mein" steht hier für jeden der sich das überlegt) ist wohl also auf irgendeine Weise den Universen übergeordnet.
Und wenn dem so ist kann es äußerst wahrscheinlich keine unendlich lange existierenden Universen geben da ich dann ein unsterbliches Boltzmann-Gehirn wäre.

Daß ich das nicht bin, dafür gibt es einen recht guten Hinweis: alle wissenschaftlichen Beobachtungen die ich selbst gemacht habe sind äußerst konsistent zueinander. Wäre meine Welt nur Einbildung (und wie meine Existenz das Produkt eines Zufalls) gäbe es keine Notwendigkeit daß dem so ist.

Und aus der Endlichkeit aller Universen kann man schließen, daß das DA für jeden Beobachter in einem beliebigen Universum korrekte Ergebnisse liefert.

Du kannst gerne Annahmen oder Folgerungen meiner Argumentation angreifen, damit habe ich kein Problem, aber bitte bleib bei der Sache und weiche nicht darauf aus wie sehr ich nun Ahnung habe oder nicht. Wenn ich falsch liege wirst Du das anhand der Argumente zeigen können.

Gruß Alex
 
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