Ein Gedicht

Schmidts Katze

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Der Rabe Ralf

Der Rabe Ralf
will will hu hu
dem niemand half
still still du du
half sich allein
am Rabenstein
will will still still
hu hu

Die Nebelfrau
will will hu hu
nimmt's nicht genau
still still du du
sie sagt nimm nimm
's ist nicht so schlimm
will will still still
hu hu

Doch als ein Jahr
will will hu hu
vergangen war
still still du du
da lag im Rot
der Rabe tot
will will still still
du du


Christian Morgenstern


Welche Gedichte mögt ihr?
 

Monod

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Fisches Nachtgesang von Christian Morgenstern ist für mich immer noch eins der tiefsinnigsten Gedichte.
 

spacewalk1

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Die Entwicklung der Menschheit

Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
Behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
Und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
Bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
In zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon,
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
Wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
Mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
Und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übriglässt,
Das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
Dass Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
Bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
Noch immer die alten Affen.

Erich Kästner
 

Bernhard

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Welche Gedichte mögt ihr?
Hallo SK,

ich fand als Schüler die Gedichte von Georg Trakl sehr interessant, weniger wegen der schwierigen Themen, sondern eher wegen der großartigen Begabung mit der (deutschen) Sprache umzugehen. Friedrich Hölderlins "Hyperion" habe ich dann während des Studiums mit großer Faszination gelesen. Und auch wenn's auch nicht immer Lyrik ist, würde ich in diesem Zusammenhang unbedingt auch Max Frisch und Hermann Hesse empfehlen.

Mittlerweile beschäftige ich mich jedoch lieber mit dem Gesamtwerk der Gedichte und Balladen von Friedrich Schiller :) .

Ich finde es eine gute Idee, die Leser dazu zu ermutigen sich auch der Lyrik zu widmen. Das bildet einen wertvollen Gegenpol zur Wissenschaft und/oder Astronomie.
MfG
 

StarWolf

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Von Gedichten bin ich geheilt, unser Deutschlehrer hat uns jedes Semester ein Gedicht zum Lernen gegeben.

Die Bürgschaft
Die Glocke
Der Taucher
Der Erlkönig

Den Rest hab ich vergessen.
Ich nehm lieber ein Buch zur Hand.

StarWolf
 

Monod

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Bernhard schrieb:
Friedrich Hölderlins "Hyperion" habe ich dann während des Studiums mit großer Faszination gelesen.

Ach ja, der "Hyperion" ... Kurz vor seiner Anklage gegen die Deutschen ("So kam ich unter die Deutschen ...") findet sich darin Hyperions Schicksalslied. Insbesondere die dritte Strophe finde ich sehr beeindruckend:

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.


Sehr ergreifend auch Hölderlins Gedicht "Hälfte des Lebens":


Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.


Er schrieb das kurz bevor er in den Wahnsinn abtauchte, der seine sprachliche Genialität zerstörte. Ich bekomme da immer wieder eine Gänsehaut.
 

Bernhard

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Warum, weil er Schiller-Fan war, oder gehts ums Auswendiglernen.
Hallo SW,

meine Lehrer waren eher der Überzeugung, dass mit dem Auswendiglernen hauptsächlich das Erinnerungsvermögen geschult wird. Deine Unmutsäußerungen bezüglich Lyrik zeigen zudem recht klar, dass der Lehrer sein pädagogisches Ziel genau genommen nicht erreicht hat.

Vermutlich ist das wie bei Medikamenten: Zu viel davon schadet eher.
MfG
 

Schmidts Katze

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Ich

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Bernhard schrieb:
ich fand als Schüler die Gedichte von Georg Trakl sehr interessant
Ja, das war prägend. "Im Winter", beim spätheimgekehrten Deutschlehrer. Wir haben drei Wochen lang Stück für Stück seziert, ich war hin und weg.
Später vielleicht "Verfall", intoniert von Das Er (muss da noch was machen mit den Namensrechten, kann sich ja nicht jeder dahergelaufene für mich ausgeben).
Naja, und zum Ausgleich was mir als Kind gut gefallen hat:
"Wer wagt es, Knappersmann oder Ritt,
zu schlunden in diesen Tauch?
..."
 

Schmidts Katze

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Für mich ganz schön schwerer Stoff.

@ Trakl:
kannte ich nicht; "Im Winter" ist schon bewegend, aber mit dem meisten anderen kann ich so ohne weiteres nicht viel anfangen.

@ Mörike:
sagt mir jetzt auch nicht viel.

Habt ihr konkretere Empfehlungen?
Ich hab jetzt bei beiden Autoren bei http://gutenberg.spiegel.de/ mir einige Gedichte angesehen.

Grüße
SK
 

Frankie

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Das Sprungbrett (Eugen Roth)

Ein Mensch, den es nach Ruhm gelüstet,
besteigt, mit großem Mut gerüstet,
ein Sprungbrett - und man denkt, er liefe,
nun vor und sprünge in die Tiefe.
Mit Doppelsalto und dergleichen,
der Menge Beifall zu erreichen.
Doch lässt er, angestaunt von vielen,
zuerst einmal die Muskeln spielen,
um dann erhaben vorzutreten,
als gelt's, die Sonne anzubeten.
Ergriffen schweigt das Publikum.
Doch er dreht sich gelassen um,
und steigt, fast möcht‘ man sagen, heiter
und voll befriedigt von der Leiter.
Denn, wenn auch scheinbar nur entschlossen,
hat er doch sehr viel Ruhm genossen,
genau genommen schon den meisten -
was sollt‘ er da erst noch was leisten?

:)
Grüße,
Frankie
 
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