Neutrinosee als DM?

SpiderPig

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Hallo an alle,

ich habe da eine Frage, die mich seit einigen Tagen beschäftigt, auf die ich aber keine Antwort finde. Eventuell habe ich auch nur eine falsche Vorstellung von Neutrinos. Das wird mir hoffentlich hier erklärt.

Der BB(BigBang für Urknall) hat viele Neutrinos erzeugt.
Seit dem entstehen in Sternen und SN weitere Neutrinos.

Nun ist seit einigen Jahren bekannt, dass Neutrinos eine Masse haben (sonst würden die nicht oszilieren).

Da Neutrinos somit nicht wie Licht an die Expansion des Universums gebunden sind, werden die anfänglich mit (fast) Lichtgeschwindigkeit fliegenden Neutrinos auf ihrem Weg durch das expandierende Universum lokal langsamer. Zudem werden auch andere Effekte dafür sorgen, dass die Neutrinos langsamer werden.
Das gilt vor allem für die BB-Neutrinos.

Damit wären Neutrinos ein schöner Kandidat für die DM, wenn die Geschwindigkeit auf nahezu 0 geht. :)

Ich habe noch nie von einer solchen Überlegung gehört, und möchte nun wissen, wo mein Denkfehler oder meine Wissenslücke ist. :eek:


SpiderPig
 

MGZ

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Ich glaube, man kann ganz gut abschätzen, wieviele Neutrinos so kurz nach den Urknall entstanden sind, dass ihre Geschwindigkeit heute sehr gering ist. Es sind nicht annähernd genug, um die dunkle Materie zu erklären.
 

mac

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Hallo SpiderPig,


http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt_m05.html#miss

Wie steht's mit Neutrinos?

Neutrinos haben eine Masse, wie die Cerenkov-Detektoren von Super-Kamiokande (Kamioka Neutrino Detection Experiment) in Japan belegen. Sie werden in großer Zahl in Sternen wie der Sonne (solare Neutrinos) und in Supernovae erzeugt; aber sie wechselwirken kaum mit Materie: etwa 70 Milliarden der solaren Neutrinos treffen pro Sekunde allein einen menschlichen Daumennagel - ohne eine Reaktion mit den Atomen einzugehen. Das macht den Charakter der schwachen Wechselwirkung aus und gestaltet die Detektion der Neutrinos so schwierig.
Der Knackpunkt ist, dass trotz dieser unglaublich großen Zahl Neutrinos sie aufgrund ihrer Leichtigkeit nicht entscheidend zur Gesamtmasse des Kosmos beitragen. Neutrinos werden zur so genannten heißen Dunklen Materie (engl. hot dark matter, HDM) gerechnet.

Herzliche Grüße

MAC
 

SpiderPig

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Nun, wie erwartet, war ich nicht der erste....
Danke Chrischan, das habe ich wohl damals verpasst.

Das ist aber eine Theorie über bisher unbekannte Teilchen. Ich will aber nun etwas über die schon bekannten Neutrinos erfahren.


Allerdings zeigt der Artikel von mac, dass meine Idee nicht mal so schlecht ist.
Danke MAC,


Sind dann die "normalen" Neutrinos aus dem Urknall heute noch schnell? Wie viel ist denn ein "kleiner Teil" der DM der mit diesen Neutrinos erklärt werden kann?

Und könnte es sogar so sein, dass die langsamen Neutrinos aus dem Urknall (noch) nicht detektiert werden können, weil die halt langsam sind?
Wenn man sich dann noch verschätzt, wie viele Neutrinos beim Urknall entstanden sind.....
OK. Nun drifte ich in eine eigene Theorie zur DM ab.
Eigentlich möchte ich jetzt nur noch wissen, ob die Größenordnung (Menge) der Urknallneutrinos recht gut bekannt ist, und ob diese Neutrinos heute langsam sind oder nicht.


SpiderPig
 

Lina-Inverse

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Hallo SpiderPig,
Der BB(BigBang für Urknall) hat viele Neutrinos erzeugt.
Seit dem entstehen in Sternen und SN weitere Neutrinos.
Es entstehen in der Tat bei so ziemlich jeder Kernreaktion Neutrinos. Das gibt uns aber bereits eine Grundlage um abzuschätzen, wieviel die in Sternen erzeugten Neutrinos überhaupt an Masse ausmachen können - die erzeugenden Teilchen sind dort stinknormale Materie (P, N, e- und e+). Sollen daraus entsprechend viele Sonnenmassen Neutrinos entstehen, nimmt die Menge baryonischer Materie entsprechend ab, d.h. gegen diese These lässt sich allein schon aus dieser Überlegung heraus jedes Argument dagegen anführen das man gegen baryonische dunkle Materie anführen kann (ganz ohne überhaupt einmal die Teilchenmassen anzuschauen).
Holen wir die Teilchenmassen nach, für Neutrinos haben wir nur eine Obergrenze, 2ev laut Wiki. Demgegenüber stehen die ~939Mev von Proton/Neutron, das sind nahezu 9 Grössenordnungen Differenz. Um auch nur einen nennenswerten Bruchteil der Bayronischen Masse in Neutrinos umzuwandeln müsste also jedes Baryon an vielen Kernreaktionen teilnehmen - das widerspricht aber fundamental unsereren Beobachtungen - Wasserstoff ist das häufigste Elemen, d.h. diese Protonen haben offensichtlich noch nicht an vielen Kernraktionen teilgenommen, sonst wäre kaum noch Wasserstoff da und aller Wasserstoff wäre schon zu schwereren Elementen fusioniert.
Ich denke die in Sternen erzeugte Neutrinomasse können wir damit getrost unter "ferner liefen" abhaken :)

In den 80'er waren Neutrinos sehr populäre Kandidaten für die Dunkle Materie - seitdem hat es mehrere Experimente gegeben um die Massen zu bestimmen. Ich zumindest sehe allerdings bei den Ergebnissen eine eindeutige Tendez: Die Massenobergrenze ist seit Ende der 80'er von 22-28ev (IIRC) die in einem russischen Experiment bestimmt wurden durch jedes neue Experiment immer weiter nach unten korrgiert worden, auf nun aktuell 2ev und in naher Zukunft durch weitere Experimente könnte sie als noch niedriger bestimmt werden. Wenn das so weitergeht müssen wir uns doch noch was anderes überlegen um die Oszillation zu erklären, da wir nicht ausschliessen können das die Ruhemasse von Neutrinos doch Null ist :p

Wie man die Anzahl der Neutrinos die beim Urknall entstanden sind geschätzt hat weiss ich leider auch nicht. Allerdings, wenn man sich überlegt das alle Teilchen durch Prozesse wie spontane Paarbildung aus Strahlung entstanden sein sollen, dann kann man sagen Neutrinos nur unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen entstehen können - ist die Energiedichte noch zu hoch, ist die Strahlung zu energiereich entstehen schwerere Teilchen - sink die Energiedichte dann weit genug ab, können gar keine Teilchen mehr enstehen, weil die Strahlung nicht mehr energiereich genug ist. Eine Abschätzung sollte für einen Kernphysiker demnach schon drin sein.

Gruss
Michael
 

SpiderPig

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Ich habe hier die Dichte für den heutigen Urknall Neutrinosee gefunden. Durch eine astronomische Strukturobergrenze für die Neutrinodichte soll der höchst mögliche Wert recht sicher sein.
Demnach gibt es je qm ca. 130 Neutrinos pro flavor. Das erscheint zunächst recht viel und genug für die DM, aber die Neutrinos wiegen so gut wie nix so dass der Anteil an der DM viele Nachkommastellen benötigt.

Den Satz: "Große Neutrinomassen verhindern Strukturbildung auf kleinen Skalen
im frühen Universum
" verstehe ich dabei aber nicht, denn was ist ein aus langsamen Neutrinos bestehender Neutrinosee anderes als die DM?
Vieleicht kann mir hier jemand die Seite 14 im Paper erläutern?

@Michael,
Die solaren Neutrinos habe ich in meiner Überlegung kaum betrachtet. Ich vermute die Urknall-Neutrinos als heutigen, langsamen Neutrinosee als einen nennenswerten DM-Beitrag.
Der oben genannte Link hat mir gezeigt, das dem vermutlich nicht so ist, auch wenn dort einige der Zusammenhänge nicht weiter erklärt sind.


SpiderPig
 

Lina-Inverse

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Den Satz: "Große Neutrinomassen verhindern Strukturbildung auf kleinen Skalen
im frühen Universum
" verstehe ich dabei aber nicht, denn was ist ein aus langsamen Neutrinos bestehender Neutrinosee anderes als die DM?
Vieleicht kann mir hier jemand die Seite 14 im Paper erläutern?
Meinst du mit Paper die Präsentation die du verlinkt hast? Die Masse der Teilchen spielt, soweit ich das richtig verstehe, keine Rolle bei der Grösse der entstehenden Strukturen, nur die Geschwindigkeit - so steht es auch auf Seite 13 unten (Effekt auf Strukturbildung).

Im Gegensatz zu baryonischer Materie, können Neutrinos doch nur über die Gravitation Impuls austauschen. Daraus kann man ableiten das der Radius einer Zusammenballung von Neutrinos nur von den Parametern Masse und Geschwindigkeit der Neutrinos abhängt.

Im frühen Universum kann es auch noch keine der von dir postulierten "langsamen" Neutrinos gegeben haben, das Universum hatte ja noch nicht genug Zeit um sich soweit auszudehnen das die "rotverschiebung" die Neutrinos gross abbremsen konnte. Jetzt überlege dir, wie würde sich, sagen wir einmal eine Sonnenmasse Neutrinos auf dem Radius der Sonne zusammengepfercht verhalten? Kannn die Gravitation sie festhalten? Nein, die Geschwindigkeit liegt viele Grössenordnungen über der Fluchtgeschwindigkeit, also verteilen sich die Neutrinos in alle Richtungen.
Also müssen die Strukturen die Neutrinos bilden sehr massereich und gross sein (wären sie klein erhielten wir ein SL, wären sie massearm lösen sie sich auf).

Geht man noch weiter zurück Richtung Urknall, kommt der Zeitpunkt an dem die Massedichte so hoch gewesen sein muss, das die Neutrinos trotz ihrer geringen Wechselwirkungswahrscheinlichkeit Einfluss auf die baryonische Materie hatten (siehe auch hier, Abschnitt "Energiedieb bei Sternexplosionen"). Da wirken sie wegen ihrer hohen Energie dann aber der Zusammenballung von Baryonen entgegen.

Gruss
Michael
 

SpiderPig

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Hallo Michael,

danke für deine Interpretationshilfe.
Im Gegensatz zu baryonischer Materie, können Neutrinos doch nur über die Gravitation Impuls austauschen. Daraus kann man ableiten das der Radius einer Zusammenballung von Neutrinos nur von den Parametern Masse und Geschwindigkeit der Neutrinos abhängt.
Du hast mich verstanden. (*freu*)

Im frühen Universum kann es auch noch keine der von dir postulierten "langsamen" Neutrinos gegeben haben, das Universum hatte ja noch nicht genug Zeit um sich soweit auszudehnen das die "rotverschiebung" die Neutrinos gross abbremsen konnte.
Ist das wirklich so?
Ich dachte, das Universum wäre schon deutlich vor der Inflation für die Neutrinos durchsichtig geworden. Dann hätte die Inflation die nötige Verlangsamung der Neutrinos bewerkstelligen können.

Wenn das falsch ist, ist meine Idee hinfällig.


SpiderPig
 
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