Entfernungsbestimmung

Sanctitas

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Hallo,

Ich habe als Laie folgende Verständnisfrage:

Wie werden Entfernungen von astronomischen Objekten bestimmt?

Ich kann nachvollziehen, dass nahe Objekte eine Parallaxenverschiebung aufweisen (Beobachtung mit einem halben Jahr Abstand). Daraus kann man die Entfernung bestimmen.

Aber wenn keine Parallaxenverschiebung messbar ist, dann habe ich nur Licht. Aufgrund des Spektrums kann ich Zusammensetzung des Objektes und Relativbewegung abschätzen (unter der Annahme, dass nichts dazwischen sein Spektrum verändert).

Aber woher erhalte ich die Laufzeit des Lichtes? Diese Laufzeit ist in etwa gleichbedeutend zum Abstand des Objektes.

Danke für jede fundierte Info.
 

Spearmint

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Cepheiden

Cepheiden gehören zu den sogenannten pulsationsvariablen Sternen. Sie verändern ihre Leuchtkraft durch eine Veränderung der Oberflächentemperatur und dem Durchmesser des Sterns. Riesen und/oder Überriesen aller Spektraltypen können ein Cepheidenstadium durchlaufen. Die Frequenz der Pulsation ist für den jeweiligen Stern konstant und wird zur Berechnung der wahren Leuchtkraft herangezogen. Die scheinbare Leuchtkraft m wird gemessen, davon die wahre Leuchtkraft M abgezogen, und schon hat man die tatsächliche Entfernung. Deshalb werden sie auch als "Leuchttürme des Kosmos" bezeichnet.
 

Sanctitas

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Danke - und Anschlussfragen

Hallo,

@Spearmint: Danke für Deine Erklärung.

Verstehe ich also folgendes richtig?
Es gibt genügend Cepheiden-Sterne, für die eine Entfernungsbestimmung über Parallaxenmessung möglich ist, so dass ich einen funktionalen Zusammenhang zwischen Entfernung und Pulsfrequenz belegen kann. Nur dann kann ich solch eine "Standardkerze" definieren.

Dann müssen Cepheiden also in allen Galaxien in genügender Anzahl vorkommen. Korrekt?

Wie bestimme ich nun Entfernungen von Objekten, bei denen ich keine Cepheiden finde oder keine mehr identifizieren kann?

Sehr weit entfernte Objekte haben ihr Licht vor sehr langer Zeit abgestrahlt. Ist sichergestellt, dass Cepheiden auch zu jeder Zeit mit denselben physikalischen Eigenschaften existiert haben?

Ganz blöde Laienfrage: Man kennt ja dynamische Systeme, die durch stetige Energiezufuhr eine Art pulsierendes Pumpen zeigen. Können Cepheiden anstelle durch Eigenschaften des Sternes auch durch äußere Eigenschaften entstehen? Z.B. durch auftreffende Gas- oder Staubmaterie?

Auch hier im voraus Dank für jede Erklärung.
 

Spearmint

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Cepheiden-Methode
1912 legte die amerikanische Astronomin Henrietta Swan Leavitt den Grundstein zur Bestimmung der absoluten Helligkeit eines Sterns. Sie hatte Beobachtungen von mehreren veränderlichen Sternen vom Cepheiden-Typ in der Kleinen Magellanschen Wolke gemacht. "Diese Sterne verändern in regelmäßigen Abständen von ein paar Tagen oder Wochen durch innere Instabilität ihre Durchmesser und gleichzeitig ihre Leuchtkraft."4 Dabei entdeckte sie folgendes: Je größer die Periodendauer eines veränderlichen Sterns war, desto größer war auch dessen durchschnittliche scheinbare Helligkeit. Da alle beobachteten Veränderlichen sich in der Kleinen Magellanschen Wolke befanden und somit alle in etwa gleich weit von der Erde entfernt waren, konnte man annehmen, dass der Unterschied zwischen der gemessenen, scheinbaren Helligkeit und der unbekannten, absoluten Helligkeit bei allen Veränderlichen gleich war. Somit konnte man schließlich den Zusammenhang aufstellen: Je größer die Periode, desto größer die absolute Helligkeit. Dieser Zusammenhang wird Perioden-Leuchtkraft-Beziehung genannt.
Ejnar Hertzsprung erkannte, dass wenn man nun die absolute Helligkeit des nächstgelegenen Veränderlichen vom Cepheiden-Typ bestimmen könnte, man die Entfernung aller Cepheiden mit Hilfe ihrer Periode und der scheinbaren Helligkeit berechnen kann. Dieses Verfahren musste also zunächst geeicht werden. Mit Hilfe der Bewegung von 13 relativ nahen Cepheiden, gelang es ihm 1913 über deren Entfernung ihre absolute Helligkeit zu bestimmen, was ihn somit erstmals ermöglichte, die Entfernung der Kleinen Magellanschen Wolke mit 37.000 Lichtjahren anzugeben.
Zwischen 1916 und 1918 verbesserte Harlow Shapley Hertzsprungs Messungen, in dem er für seine Eichungen eine viel größere Anzahl an Sternen verwendete. So musste die Entfernung der Kleinen Magellanschen Wolke auf 95.000 Lichtjahre korrigiert werden (heute angenommener Wert: 200.000 Lichtjahre).
Für die absolute Helligkeit M (in mag) hat man heute durch genauere Eichungen folgenden Zusammenhang festgestellt:
M= -1,67-2,541 * lg P
, wobei P die Periode des veränderlichen Sterns in Tagen ist.
Diese Art der Entfernungsbestimmung hat nichs Parallaxenmessung zu tun, sondern es wird die sichtbare Helligkeit mit der tatsächlichen, (nach den Standartkerzen) geichten Helligkeit ins verhältnis gesetzt und woraus sich die Entfernung ableiten lässt.

Über die Cepheiden-Methode können Entfernungen bis zu 100 Millionen Lichtjahre gemessen werden. Für größere Entfernungen haben die amerikanischen Astronomen R. Brent Tully und J. Richard Fisher ein Verfahren entwickelt, das auf der Rotationsgeschwindigkeit von Galaxien beruht. Über die Geschwindigkeit, mit der eine Galaxie rotiert, kann man ihre absolute Helligkeit ermitteln. Auch hier verrät der Vergleich der absoluten mit der relativen Helligkeit die Entfernung. Die Tully-Fisher-Relation wurde durch Tests mit der Cepheiden-Methode «geeicht» und gilt als sehr zuverlässig.


Die entferntesten Objekte, ferne Galaxien und Quasare, messen Astronomen anhand der so genannten Rotverschiebung. Diese Verschiebung des Lichtes zum roten Rand des Spektrums hin ist ein Indiz für die Geschwindigkeit, mit der sich eine Lichtquelle von der Erde fort bewegt. Bei sehr entfernten Objekten ist diese Rotverschiebung aufgrund der Expansion des Universums besonders groß.

Die entferntesten Galaxien, die mit dieser Methode untersucht wurden, liegen mehr als 12 Milliarden Lichtjahre entfernt. Solche extrem weit entfernten Regionen sind für die Astronomen besonders interessant. Denn das Licht, das uns aus solcher Ferne erreicht, stammt aus einer Zeit, als das Universum nur einen Bruchteil seiner heutigen Ausdehnung hatte. Jeder Blick in die Tiefe des Alls ist so auch ein Blick zurück in die Anfänge des Universums.
 

Sanctitas

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Und noch mehr Fragen ...

Hallo,

@Spearmint: Vielen Dank für Deine Ausführungen.

Bist Du Astronom? Kannst Du alle Aussagen, die Du gemacht hast, nachvollziehen oder - besser noch - herleiten? Ich will Dich nicht kritisieren. Ich möchte nur folgendes klären: Ist dieses Wissen von Dir nachvollzogen? Oder ist es von anderen übernommen?

Es kann ja passieren, dass man "Wissen" von anderen kritiklos übernimmt: Bücher, Lehrer, Vorlesung, allgemeine Überzeugung etc. pp.

Ich kenne auch die von Dir dargelegten Methoden, nicht alle, aber die meisten davon. Aber ich kann sie nicht durch eigenes logisches Überlegen bestätigen.

Es kommt mir vor wie eine Kette: In galaktischer Nähe gibt es pulsierende Sterne (Cepheiden), die scheinbar alle dieselbe Abhängigkeit zwischen Leichtkraft und Pulsfrequenz aufweisen.

Mögliche Kritik bisher: Woher weiß ich, dass sie wirklich alle aus demselbem Raumgebiet (Kleine Magellanschen Wolke) stammen? Wie kann ich aus der scheinbaren Helligkeit auf die absolute schließen? Könnte ja sein, dass Licht auf seinem Wege zu uns irgendwie in seiner Intensität gedämpft wird. Du schreibst selbst, dass die Entfernung der Wolke später korrigiert werden musste. Wie ist sichergestellt, dass das Pulsieren Sterneigenschaft ist und nicht durch stellare Materieströme induziert wird?

Auf Cepheiden stützen sich dann andere Methoden zur Entfernungsmessung bis hinauf zur Rotverschiebung.

Warauf ich hinaus will: Wie fundiert sind diese Methoden? Wie fundiert sind damit die Entfernungsangaben? Schließlich basieren unsere kosmischen Modelle (Galaxien, andere Objekte, Urknall) allesamt auf diesen Daten.

Könnte es sein, dass die Cepheiden-Methode einen Denkfehler enthält, so dass alle Ableitungen zu Fehlinterpretationen führen?

Ich kenne leider keine Literatur (für Nicht-Berufs-Astronomen/physiker), die mir das irgendwie fundiert erklärt.

Dank im voraus für meine laienhaften Fragen,
Sanctitas =:]
 

Emil

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Hallo!

Die Entfernungsbestimmung ist eine recht intressante Fragestellung. Die Astronomie hat sich mit der Entfernungsbestimmung schon immer schwer getan, und daher unterschiedliche Methoden entwickelt. Mein Vorgänger hat einige davon aufgezählt. Die einzige "direkte" ist die Parallaxenmethode.

Erwähnt wurde auch die Delta-Cephei-Methode, doch es gibt noch etliche andere, z.B. HRD-Anpassung, Rotverschiebung, Galaxienhelligkeit im Haufen usw. Jede von ihnen ist leider nur für ein gewisses Entfernungsintervall ganz brauchbar, und alle Methoden zusammen ergeben eine Entfernungsleiter. Der Knackpunkt liegt nun in der Abgleichung der jeweiligen Teilstücke. Die Delta-Cephei-Methode hat Spearmint sehr schön erklärt: Delta Cephei ist ein pulsierender Sterntyp, der regelmäßig seine Helligkeit ändert. Anhand der Änderungsperiode kann man auf seine wahre, absolute Helligkeit (M) schließen. Wenn man diese hat, so braucht man nur noch seine scheinbare (m) zu messen. Die Differenz zwischen der scheinbaren und der absoluten, m - M, wird "Entfernungsmodul" genannt und wird in der Astronomie für die Entfernungsabschätzung immer wieder gebraucht.

Das Geheimnis der Entfernungsleiter liegt aber in der Kalibrierung. Dazu hat man zuerst von mindestens einem Delta-Cephei-Stern die Paralaxe ermitteln müssen, und somit die Skala geeicht. Je mehr, desto besser. Leider stehen die Delta Cepheiden allesamt so weit weg, daß sich ihre Parallaxen nur schwer messen lassen. Man hat sie also zunächst über Umwege (andere Methoden) geeicht, und jede von ihnen ist ihrerseits fehlerbehaftet. Man konnte aber im Laufe der Zeit ein wahrscheinlichstes Gesamtbild erstellen. Doch bis heute ist man sich über die Entfernungen nie vollständig sicher, weil es alles indirekte Entfernungsmethoden sind (abgesehen von der Parallaxenmessung).

Schöne Grüße, Emil

Edit: Während ich schrieb, ist ein neues Posting eingegangen.
@Sanctitas: Ja, du hast die Schwierigkeiten erkannt. So in etwa ist es auch! Die Korrektur der Magellanischen Wolke lag darin, daß man die Extinktion damals noch nicht berücksichtigt hatte.
 
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Spearmint

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Erkenntnisse:
Was bleibt uns dann eigentlich? Erkenntnistheoretische Sicherheit jedenfalls nicht. Entgegen der Hoffnung vieler Philosophen gibt es keinen Königsweg zum Wissen, auch nicht in der Erkenntnistheorie. All unser Wissen ist Vermutungswissen, hypothetisch, vorläufig und korrigierbar.

Der hypothetische Charakter all unserer Erkenntnis gilt natürlich auch für diese Einsicht; sie ist auf sich selbst anwendbar. Aber darin liegt kein Widerspruch: Daß all unser Wissen hypothetisch ist, bedeutet, auf sich selbst bezogen, nur, daß auch dies falsch sein könnte. Ist es aber falsch, ist also das Gegenteil wahr, so wäre damit natürlich nicht alle Erkenntnis sicher, sondern nur nicht alles unsicher. Hierin liegt noch kein Widerspruch.

Der grundsätzlich vorläufige Charakter aller menschlichen Erkenntnis bedeutet freilich nicht, daß unser Wissen völlig unverbindlich bleiben müßte, daß wir - da es nicht beweisbar ist - ebensogut darauf verzichten könnten. Die Wissenschaftstheorie hat Kriterien entwickelt, nach denen eine erfahrungswissenschaftliche Theorie zu bewerten ist. Unverzichtbare Merkmale einer guten Theorie sind danach innere und äußere Widerspruchsfreiheit, Erklärungswert und Prüfbarkeit. Die gleichen Forderungen stellen wir auch an jede erkenntnistheoretische Position, die wir ernst zu nehmen bereit sind:

Sie muß in sich widerspruchsfrei sein (interne Konsistenz); sie muß mit den anerkannten Fakten der empirischen Forschung vereinbar sein (externe Konsistenz); sie muß unsere erkenntnistheoretischen Fragen beantworten, insbesondere das Zustandekommen von Erkenntnis erklären können (Erklärungswert); sie muß an empirischen Fakten prüfbar sein (Prüfbarkeit).
 

Kalex

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hallo leute ich habe 2 Fragen...also 1. Wie groß wäre unsere Erde ,wenn die Sonne einen Durchmesser von 10 Meter hätte?
2. Welchen Abstand hätten "dann" Erde und Sonne voneinander??? :confused:

jetzt schon mal danke für die Hilfe und cu leutz :)
 

Spearmint

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Wenn die Sonne auch dann noch die gleiche Masse hätte wie jetzt, würde sich am Abstand zwischen Sonne und Erde nichts ändern (wenn wir einmal die Differenz ihrer jetzigen Größe zu einem Durchmesser von 10 km vernachlässigen). Der Durchmesser der Erde steht in keinem kausalen Zusammenhang mit dem Durchmesser der Sonne.

Solltest Du das rein rechnerich meinen, brauchst Du lediglich auszurechenen um welchen Faktor Du die Sonne verkleineren möchtest und setzt diesen dann ins Verhältnis zur jetzigen Größe der Erde. Mit dem Abstand funktiert es genau so.

Gruß Spearmint
 
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Kalex

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Ja aber ich schaffe ja nicht das auszurechnen und so deswegen frage ich ja und nicht auf Kilometer sondern auf meter :(


hoffe auf baltige antwort und sage jetzt schon mal danke :) :D
 

Bynaus

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Wirklich? Ich glaube, dir ist ein Fehler unterlaufen.

Wenn die Sonne nur 10 m gross wäre (in einem "Modell" des Sonnensystems), dann wäre die Erde 9 cm gross und rund 1,05 km von der Sonne entfernt.
 

Spearmint

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^Sorry, bin von 10 km ausgegangen und habe mir nicht die Mühe gemacht den genauen Erdradius einzusetzen, auch beid AE habe ich gerunded.Du hast natürlich recht und daher nehme ich meine Zahlen zurück! Danke! :) :)
 
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Orbit

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Es ist zwar schon mehr als anderthalb Jahre her, dass hier der letzte Beitrag geschrieben wurde; aber ich möchte nun doch nochmals darauf zurück kommen, und zwar aus zwei Gründen:
1. möchte ich die Antwort auf Kalex's Frage ergänzen.
2. möchte ich zur sehr interessanten Ausgangsfrage von Spearmint zurück finden.

1. Auf die Frage von Kalex habt Ihr, Spearmint und Byanus, lediglich Massstab-Rechnungen angestellt, wie sie jeder Erbauer eines Planetenweges machen muss. Schade, dass man nicht auf die Vorstellung einer kleineren aber gleich schweren Sonne eingegangen ist; denn hier hätte man Kalex zeigen können, dass es die Sonne mit einem Radius von 10 m gar nicht geben kann, weil der kleinstmögliche Radius, der Schwarzschildradius
Rs = 2GM/c^2 = 2940 m beträgt.

2. In der Eingangsfrage von Spearmint, welche die Unsicherheiten bei den Eichdistanzen anspricht, steckt m.E. auch die Frage, ob man bei diesen Eichdistanzen berücksichtigt, dass sie selbst sich im Laufe der Zeit ändern. In einem expandierenden Universum bleiben die 'Standardkerzen' ja nicht wo sie sind, sondern entfernen sich. Und hier stelle ich mir nun die Frage, ob sie sich wirklich mit der für ihre jeweilige Distanz errechneten Hubblegeschwindigkeit entfernen, also mit rund 71'000 m/s bei einem Objekt in der Entfernung von 1 Mpc. Ich bin nämlich der Meinung, dass sich nur die Eichdistanz mit dieser Geschwindigkeit verlängert, Objekte in dieser Distanz sich aber langsamer entfernen und erst noch stetig verlangsamt.

Gruss Orbit
 
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