Hallo,
da sind ja eine Menge interessanter Beiträge zusammengekommen! Zur Ausgangsfrage kommt meinerseits ein klares Ja. Und weil das so ist, lassen sich keine statistischen Schätzungen zur Häufigkeit intelligenten Lebens im Universum bzw. in der Galaxis vornehmen. Bereits die Entstehung von Lebewesen in Gestalt von Einzellern ohne Zellkern (Prokaryonten wie z.B. Bakterien) ist an eine Reihe von Unwägbarkeiten geknüpft, von denen (noch) nicht entschieden werden kann, ob sie essentiell sind oder nicht.
Einig ist man sich lediglich über die Notwendigkeit für das Vorhandensein von Kohlenstoffbasierter Chemie in Wasser. Die für flüssiges Wasser nötigen Druck- und Temperaturverhältnisse finden sich im Sonnensystem derzeit an mindestens drei Stellen (Erde, Jupitermond Europa, Saturnmond Enceladus), dürften also insgesamt im Kosmos recht häufig sein. Kohlenstoffverbindungen bis hin zu Aminosäuren (den Grundbausteinen der Proteine) entstehen im interstellaren Staub und sind sowohl in Kohligen Chondriten wie auch in Kometenkernen reichlich vorhanden. So weit, so gut.
Völlig unklar ist jedoch, welche weiteren Rahmenbedingungen gegeben sein müssen, damit sich aus diesen Zutaten der Ursuppe auch etwas zusammenfügt, das sich selbst lange genug erhält, um sich zu vervielfältigen. Können diese Prozesse auf dem Grund eines tiefen Ozeans ablaufen? Dann müsste erklärt werden, wie die höhere Entropie des umgebenden Meerwassers lokal gesenkt wird, damit sich die passenden Agenzien konzentrieren und lokal begrenzt miteinander ko-agieren können. Bedarf es einer abdeckenden Eisschicht, um die chemischen Prozesse hinreichend langsam ablaufen zu lassen? Welche Energiequelle steht dann in einem eisbedeckten kilometertiefen Ozean zur Verfügung? Black Smoker? Sonnenenergie? Radioaktive Einsprengsel im Eis? - Keine Ahnung! Jedenfalls sprechen bereits diese simplen Einwände gegen die Entstehung von Lebewesen auf Europa und Enceladus - die Ozeane dort sind zu tief und die Eisschichten zu dick, um eine biologische Evolution in Gang zu setzen.
Also vielleicht doch Land und Meer? Dann muss der Atmosphärendruck stimmen, damit Wasser flüssig bleibt. Weiterhin wären Flachwassergebiete und Gezeiten nötig, damit entstandene essentielle Stoffe sich hinreichend ansammeln können und damit während der Ebbe Umgebungswasser nicht alles wieder kaputthydrolysiert. Gezeiten setzen (mindestens) einen großen Mond voraus, der nicht ohne weiteres entsteht. Bei der Erde war es mit großer Wahrscheinlichkeit ein großer Impakt, der Teile des Erdmantels in den Orbit beförderte - wann passiert schon einmal so etwas? Aber selbst wenn große Monde häufiger sein sollten, Ozeane mit Landmassen und flachen Meeresbuchten ebenso und auch geeignete Atmosphären - eine Garantie für das Zünden des Lebensfunkens ist das noch nicht.
Doch blicken wir optimistisch weiter in die Zukunft: Bakterien sind ja eigentlich perfekt. Sie passen sich allen möglichen Umweltveränderungen an. Zuviel Sauerstoff durch Cyanobakterien? Kein Problem: Eine Atmungskette in der Zelle schafft Abhilfe. Kein Sauerstoff mehr da? Kein Problem: Umsteigen auf Gärung, auf Schwefelwasserstoff, auf Eisenoxid usw. usf. Wozu bedarf es eines Zellkerns? Wozu Neukombination der Erbanlagen, wenn einfache Zellteilung ausreicht? Wozu Mehrzelligkeit? Wozu Spezialisierung in Organe? Wozu Besiedlung des Festlands? Und schließlich: Wozu Bewusstsein, Intelligenz, Technik, Raumfahrt usw. usf.? Ich denke, dass unser Planet nicht ausschließlich von Bakterien verschiedenster Art besiedelt ist, ist kein simpler Automatismus, sondern schlicht die Verkettung einer Vielzahl glücklicher Umstände, die nicht hätten eintreten müssen.
Wäre die Erde vor etwa 600 Millionen Jahren nicht zugefroren (Schneeballhypothese), gäbe es heute nicht die verschiedenen Tierstämme, aus denen sich die Wirbeltiere entwickelt haben. Vielleicht gäbe es andere Tierstämme, die aber möglicherweise nicht Intelligenz hervorgebracht hätten, oder viel schneller als Wirbeltiere - wer weiß? Wären zum Ende der Permzeit nicht 90% der Lebewesen ausgestorben, gäbe es Intelligenz vielleicht schon seit 200 Millionen Jahren - oder die Säugetiere hätten nie eine Chance gehabt, 130 Millionen Jahre später das Erbe der Saurier anzutreten, weil die Nischenbereinigung ausgeblieben wäre. Und weiter: Hätten sich nicht auch intelligente Saurier entwickeln können - vielleicht schon vor 50 oder 30 Millionen Jahren, wenn der Chicxulub-Meteorit nicht eingeschlagen wäre? Und wir selber: Würden wir nicht immer noch in Afrikas Urwäldern herumspringen, wenn Teile Ostafrikas nicht ausgetrocknet wären? So kann man immer weiter suchen und immer neue Zufälle ausmachen, die, wenn sie ausgeblieben wären, intelligente Lebewesen entweder schneller oder nie hervorgebracht hätten.
Es ist einfach nicht abschätzbar, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich intelligente Lebewesen sind, die - ich greife ein Kriterium heraus, das ich für entscheidend halte - in der Lage sind, Raumfahrt zu betreiben. Auch die vermeintlichen Evolutionstrends helfen da nicht weiter, denn diese sind kein Programm, sondern lediglich a posteriori formulierbar. Was sich bewährt, setzt sich durch. Neben Progression läuft stets auch Regression ab - siehe die Evolution der Wale. Es gibt keinen Trend zum Großhirn, es sei denn, man setzt die Anthropogenese als Muster für evolutionäre Prozesse fest. Dann muss man allerdings fragen - mit welcher Begründung? Warum nicht die Evolution des Regenwurms ... oder des Darmbakteriums Escherichia coli?
Gegenwärtig legt die Hirnmasse des Kraken enorm zu - entsteht hier langfristig Konkurrenz zu Homo sapiens? Würden wir diese Entwicklung nicht zuletzt auch durch unsere Neugier unterbinden, weil wir dann eine ungestörte Evolution gar nicht gewährleisten könnten? Ist es nicht eher so, dass eine einmal entstandene intelligente Art ihren Heimatplaneten derart dominiert, das die Entstehung weiterer intelligenter Arten überhaupt nicht mehr möglich ist? Wenn das so ist, dann dürfte die biologische Evolution des Menschen zu einem Ende gekommen sein. Sie wird abgelöst durch eine kulturelle Evolution.
Das Gehirn, so wie es jetzt ist, ist brauchbar genug, um Hochtechnologie hervorzubringen. Verbesserte Intelligenz benötigt verbesserte Gehirne. Wenn biologische Evolution am Menschen nichts mehr ausrichtet, wird sich dessen Intelligenz von Natur aus nicht mehr steigern. Es ist nun die Frage, ob die Evolution über den Menschen hinweg gehen kann, um gesteigerte Intelligenz hervorzubringen. Von Natur aus sicher nicht, denn da ist mit dem Menschen eine Grenze gefunden, die nicht überboten werden muss, um das Überleben zu sichern. Wir passen uns die Umwelt so an, dass wir weitgehend risikolos in ihr leben. Es gibt derzeit keine Herausforderungen an unsere Art, die ein verbessertes Gehirn benötigte. Von daher fehlt der Selektionsdruck, der verbesserte Gehirne hervorbringen würde. Also bleibt nur der Weg über künstlich gesteuerte Evolution, wenn der Bedarf danach entstehen sollte. Prinzipiell kämen mir zwei grundlegende Strategien in Frage: (1) Manipulierung des menschlichen Genoms, also Eugenik und (2) Transformation der menschlichen Intelligenz auf einen beliebig erweiterbaren materiellen Träger, also Lösung vom Gehirn. Beide Strategien bergen erhebliche ethische Probleme in sich, die bereits an anderer Stelle hinreichend diskutiert worden sind, so dass zu erwarten ist, dass man mit dem was man hat, lernt auszukommen. So weit erst einmal von mir zu diesem spannenden Thema.
Viele Grüße!