Hallo Yvonne,
Deine Frage nach dem schrägen Lichtstrahl ist eigentlich ein guter (vielleicht noch zu früher?) Einstieg in eine ‚neue’ Welt!
Das mit dem Aufzug, so wie Du es beschrieben hast, mit dem für Dich waagerechten und für Deine Freundin, die nicht mitfährt, schrägen Lichtstrahl, ist ja zunächst gar nicht so ungewöhnlich. Der Knackpunkt liegt in einem ‚kleinen Detail’, das twr und SirToby schon erwähnt haben, dessen Konsequenzen Dir aber möglicherweise entgangen sind?
Deine Freundin beobachtet: Der Lichtstrahl startet an der linken Wand der Aufzugkabine und bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit zur rechten Wand. Damit er an dieser Wand des Fahrstuhls aber in gleicher Höhe der Aufzugkabine ankommen kann, wie er gestartet ist, darf er sich nicht nur genau waagerecht bewegen, sonder muß für Deine Freundin leicht schräg in die Fahrtrichtung strahlen.
Du, im Fahrstuhl, beobachtest: Der Lichtstrahl startet an der linken Wand und kommt im Fahrstuhl in gleicher Höhe an der rechten Wand an. Wenn der Fahrstuhl geschlossen ist, kannst Du noch nicht mal feststellen, wie schnell Du Dich mit ihm zusammen bewegst.
Diese ganzen merkwürdig komplizierten Beispiele mit Aufzug, Beobachter im Aufzug, Beobachter außerhalb des Aufzuges, dienten zunächst nur dazu, die unangenehme Situation in den Griff zu bekommen, dass man mit nichts in der Welt feststellen kann, ob und wie schnell wir uns durch den Raum bewegen.
Ja, wir können zwar feststellen, wie schnell wir uns im Vergleich zu unserer Umgebung (der Erdoberfläche, der Sonne, den Sternen in unserer Umgebung, dem Milchstraßenzentrum, den anderen Galaxien) bewegen, aber nicht, ob und wenn ja, wie schnell und in welche Richtung wir uns überhaupt, gemeinsam mit allen anderen, im Raum bewegen. Dass das prinzipiell keine Rolle spielt, wird erst später klar.
Sowohl Du, als auch Deine Freundin, würden die Geschwindigkeit des selben Lichtstrahls mit exakt der Lichtgeschwindigkeit messen.
Hää!?
Wie kann das denn sein? Daraus ergibt sich doch folgendes Problem: Für Dich ist der Weg des Lichtstrahls kürzer als für Deine Freundin, die ihn schräg laufen sieht. Bei zwei verschiedenen Weglängen (einmal waagerecht, einmal schräg) wird von Euch beiden, gleichzeitig, exakt dieselbe Geschwindigkeit gemessen und dieselbe Zeit vom Start zum Ziel? Das hört sich ein wenig schwachsinnig an, oder? Eigentlich würde man ja wohl erwarten können, dass der Lichtstrahl für Deine Freundin soviel schneller ist, wie sich die Lichtquelle für sie bewegt? Also Deine Freundin eine 5 m/s (soll die Geschwindigkeit des Fahrstuhls sein) höhere Lichtgeschwindigkeit misst als Du?
Und genau das ist bei den Messungen zur Lichtgeschwindigkeit nicht der Fall! Egal was wir mit unserer eigenen Geschwindigkeit auch anstellen, die Lichtgeschwindigkeit ist immer gleich, egal aus welcher Richtung und egal in welche Richtung.
Bei einem Ball, den Du im Aufzug fallen lässt, wäre das noch so: Für Dich würde er mit 2 m/s auf dem Boden aufkommen, für Deine Freundin hätte er aber in dem Moment eine Geschwindigkeit von z.B. 7 m/s (2 m/s Fallgeschwindigkeit, die Du auch beobachtest + 5 m/s Aufzuggeschwindigkeit, die Du nicht feststellen kannst, wenn der Aufzug geschlossen ist) und beim Licht soll das nicht so sein?
Du kannst Dir vielleicht vorstellen, wie die Naturwissenschaftler, die das zuerst gemessen haben, an ihren Instrumenten und an ihrem Verstand gezweifelt haben? Und es gibt auch heute noch einige Menschen, für die das so absurd erscheint, dass sie die Meßergebnisse dazu nicht akzeptieren können, ja, sie sogar für Fälschungen und Teil einer weltweiten Verschwörung der Wissenschaft und Ergebnis von Gehirnwäsche bei den Schülern und Studenten halten. Hatten wir auch schon einige hier!
Die Wissenschaftler sind damals allerdings weder mit einem Aufzug, noch mit einem Zug durch die Gegend gefahren. Diese Beispiele wurden halt gerne genommen, weil man auch in einem Aufzug, aus dem man nicht raus schauen kann, nicht merkt, ob und wie schnell man fährt, wenn man erst einmal unterwegs ist. Das war eine Erfahrung, die viele Menschen damals schon kannten.
Und der Zug war damals die schnellst mögliche Art, sich auf der Erde fortzubewegen. Dagegen waren die höchsten Geschwindigkeiten, die man für diese Messungen verwenden konnte, z.B. die Geschwindigkeit der Erde um die Sonne oder die Geschwindigkeit der Jupitermonde um Jupiter herum, sehr hoch.
Einstein war möglicherweise nicht der erste, der die richtige Idee dazu hatte, aber er war der erste, der sie als Wahrheit akzeptiert und konsequent umgesetzt hat in seiner speziellen Relativitätstheorie.
Es ist die Zeit!
Sie läuft für Dich im fahrenden Aufzug und für Deine Freundin außerhalb, unterschiedlich schnell ab! Und das nicht nur technisch (für die Uhr) sondern ganz und gar real.
Nach einer Aufzugfahrt oder sogar einem Flug mit 800 km/h kann man das als Mensch noch nicht feststellen, aber man kann es mit sehr genauen Uhren (eine Uhr im Flugzeug hin und her transportieren, die andere bleibt auf dem Erdboden zurück) schon messen. Würdest Du aber mit einem (technisch wahrscheinlich nie möglichen) super SciFi Raumschiff mit fast Lichtgeschwindigkeit fliegen, und nach einem 1 Jahr langen Rundflug (also dann 16 Jahre alt, herzliche Glückwunsch übrigens, nachträglich zum 15!
) zurück kommen, wäre Deine Freundin nicht auch gerade 16 geworden, sondern schon Großmutter mit dann hoffentlich zahlreichen neugierigen Enkelkindern, und nicht nur Sie, sondern die ganze Welt wäre ebenso viel älter geworden. Warum? Weil für Dich, während Du so schnell unterwegs warst, die Zeit viel langsamer ablief, als für die, die nicht mit geflogen sind.
Das Beispiel mit Dir und Deiner Freundin wird man wohl nie so krass nachmachen können. Aber mit der Uhr im viel langsameren Flugzeug, erhält man das berechnete Ergebnis. Und im ganz Kleinen, bei den Elektronen und Atomen, die man in so genannten Beschleunigern (z.B. DESY in Hamburg oder CERN in Meyrin bei Genf) auf Geschwindigkeiten bis knapp unter die Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann, funktioniert das immer noch genau so, wie man es mit den Formeln der speziellen Relativitätstheorie vorher sagen konnte und inzwischen eben auch messen kann.
Es ist dabei völlig egal, wie schnell und in welche Richtung wir uns mit unserer Erde oder in einem Raumschiff bewegen. Immer ist die Lichtgeschwindigkeit für uns in alle Richtungen und aus allen Richtungen, genau gleich groß, was auch immer wir anstellen. Das ist nicht nur graue Theorie, es ist ganz real, man kann es von ganz geringen Geschwindigkeiten (Flugzeug) an, über hohe Geschwindigkeiten (Doppelsterne) bis hin zu höchsten Geschwindigkeiten (Beschleuniger) messen.
Ich hab’ diese ‚neue’ Welt versucht möglichst einfach (ja, schon wieder viel zu lang) zu beschreiben. Es sind ein paar (ziemlich grobe) ‚Vereinfachungen’ in der Beschreibung, die Einstein später in seiner allgemeinen Relativitätstheorie genauer beschrieben hat. Aber das wäre erst der zweite, (am Anfang kompliziertere) Schritt.
Ein anderes, kleines Beispiel zur gleich bleibenden Lichtgeschwindigkeit, ohne komplizierte Mathematik, habe ich vor einigen Monaten
hier gerechnet.
Du musst jetzt nicht denken: „Wenn ich das nicht begreife, bin ich zu blöd“ oder Ähnliches. Die meisten Menschen, die davon überhaupt etwas hören, verstehen es ihr ganzes Leben lang nicht. (ohne es gleich für eine Verschwörung zu halten!
) Und auch wenn ich damit rechnen kann, mir viele (lange nicht alle) Konsequenzen daraus klar machen kann, verstehe ich es zwar, aber nicht im Sinne von begreifen. Es ist eben ziemlich weit außerhalb unserer Alltagserfahrungen.
Wenn Du es heute noch nicht verstehst, macht nichts! Warte einfach noch etwas (1, 2, 3 .. Jahre). Mir ist es einige Male so gegangen, dass ich etwas Neues beim ersten Mal nicht verstanden habe, aber als einige Zeit vergangen war und ich inzwischen viele andere neue Sachen gelernt hatte, wusste ich auf einmal nicht mehr, wieso ich das damals für schwierig gehalten hatte.
Herzliche Grüße
MAC