Aries schrieb:
Was wären denn Deines Erachtens Anzeichen dafür, wahrscheinlich nicht zu den mittleren 90% zu gehören? Ich sehe keinerlei Grund, warum solche Anzeichen nicht z. B. kultureller, z. B. technologischer Natur sein dürften.
Wir wissen nichts darüber, was "im allgemeinen" mit Zivilisationen (oder zivilisationsfähigen Spezies) passiert. Deshalb ist es unmöglich zu sagen, wie eine Zivilisation in ihren besten Jahren (bzw. in ihren typischen, oder mittleren Jahren) aussieht.
Angesichts des Fermi-Paradoxons könnte man argumentieren, dass Zivilisationen vielleicht nie über ihren Heimatplaneten hinauswachsen. Das könnte man als (unabhängigen) Hinweis nehmen, dass wir heute lebenden Menschen eher nicht am Anfang stehen, sondern vielleicht eher schon am Ende.
Früher drohte die Gefahr der kompletten Ausrottung der Menschheit nur durch Naturkatastrophen wie z. B. Supervulkane oder Meteoriteneinschläge. Heute sind wie gezeigt neue Gefahren dazu gekommen. Das lässt es als wahrscheinlicher erscheinen, dass wir uns im Endstadium der Menschheitsgeschichte befinden (Quantilsrang vielleicht etwa 99,9% (zeitlich)).
Ja, so kann man das auf jeden Fall sehen. Man könnte auch sagen, dass es doch irgendwie erstaunlich ist, dass wir ausgerechnet in einer Zeit leben, in der es besonders viele Menschen gibt, und wo der Druck all dieser Menschen auf die Biosphäre diese an den Rand des Kollapses gedrängt hat. Etwa so, wie der vollgestopfte Lift kurz vor dem Absturz (durch Übergewicht) am meisten Insassen hat...
Obwohl ich ehrlich hoffe, dass das nicht die Antwort ist.
Auf der anderen Seite sind wir erstmals recht nahe dran, uns diesen ganzen Gefahren zu entledigen. Sollten wir uns die Möglichkeit erschließen, autarke Kolonien außerhalb unseres Sonnensystems zu gründen, dann sehe ich für uns kein Halten mehr. Dann könnte uns wohl nichts mehr stoppen. In dem Falle stünden wir meines Erachtens heute am äußersten Anfang unserer Geschichte.
Das ist natürlich das klassische Sci-Fi-Szenario, das bedingt, dass wir zufälligerweise extrem früh in der Menschheitsgeschichte geboren wurden. Das ist nicht ausgeschlossen, natürlich - aber, wie das DA nahelegt, unwahrscheinlich.
Es gibt aber auch viele mögliche Probleme mit diesem Szenario:
1) Kolonien haben das Problem, dass sie nicht auf die gleichen Produktionskette und den gleichen Ausbildungsstandard wie die Heimatwelt zurückgreifen können. Eine Kolonie bräuchte also sowas wie einen fast universell einsetzbaren 3D-Drucker, der alle benötigten Teile aus lokalen Materialien herstellen kann, und auch noch sehr einfach in der Bedienung und Reparatur ist. Zudem müsste der Drucker Kopien seiner selbst anfertigen können. Weiter wäre es wünschbar, wenn Kolonisten Fähigkeiten und Wissen nicht einfach mühselig über Jahrzehnte lernen müssten, sondern diese irgendwie "herunterladen" (direkt ins Gehirn?) könnten.
2) Der moderne Lebensstil ist kinderarm. In westlichen Ländern liegt die Fruchtbarkeitsrate weit unter den benötigten 2.1 Kindern pro Frau. Auf diese Weise kann man keine Planeten besiedeln. Kolonisten müssten über viele Generationen Werte von deutlich über 2 (3, 4?) aufrecht erhalten. Die Erziehung und besonders die Ausbildung von Kindern erfordert zudem viel Zeit, die die Kolonisten nicht haben, weil sie ja ohnehin mit dem Unterhalt und Ausbau der Kolonie beschäftigt sind.
3) Die ersten Kolonisten mögen ja hoch-qualifiziert, hoch-intelligent sein, aber für ihre Kinder muss das nicht mehr gelten. Es kann gut sein, dass diese, wenn sie an der Reihe sind und von ihren Eltern und Grosseltern übernehmen sollen, mit dem Unterhalt und Ausbau der Kolonie total überfordert sind.
4) Menschliche Gesellschaften sind immer instabil. Es kann zu Konflikten kommen, zu Gewalt. Das ist eine Sache, wenn unterlegene Splittergruppen einfach wegziehen können. Es ist eine andere, wenn man ein hoch-qualifiziertes Team hat, das sich in seine Fähigkeiten ergänzen soll. Sicher wird man nicht so blöd sein, für jede wichtige Fähigkeit nur eine Person auszubilden, aber könnte eine solche Spaltung eine Kolonie derart schwächen, dass sie sich nie mehr erholt.
Man beachte, dass all diese Punkte bei Kolonien auf der Erde nicht im gleichen Ausmass gelten: Solche Kolonien waren extrem einfach im Unterhalt (im Notfall kann man sich ja, wie unsere Vorfahren, direkt aus der Natur ernähren, und Sauerstoff steht immer bereit), so dass als "3D-Drucker" menschliche Gehirne und Hände völlig ausreichend waren. Der Lebensstil war zudem ganz anders, Frauen wurden grundsätzlich als Gebärmaschinen gesehen, so dass einer starken Vermehrung nichts im Wege stand. Doch obwohl die Bedingungen auf der Erde sehr viel besser sind als im Weltall, so sind doch auf der Erde die meisten Kolonien gescheitert. Man denke nur schon z.B. an die Wikinger auf Neufundland, oder auf Grönland. An die unzähligen Kolonien in Amerika, die mal gegründet wurden, aber wieder untergegangen sind.
Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Probleme so schnell gelöst werden, wie nötig wäre. Wenn wir eine zweite Erde, mit kompatibler Biosphäre und atembarer Atmosphäre finden, und eine Transportmethode, mit der wir kürzester Zeit dorthin kommen (z.B. eine Art Warp-Antrieb), dann, vielleicht. Aber auch dann wäre die Zivilisation noch für Jahrtausende von der Erde abhängig.
Zunächst einmal muss man realisieren, dass es dafür, welche Gebiete die Menschen erreichen werden, auf Qualität statt Quantität ankommt.
Was meinst du damit?