Was ist eigentlich an dieser Vorstellung über die Quantenmechanik so alles verkehrt?
Du gehst mit einem "Maxwell-Gleichung / Newtonsche Mechanik" mentalen Bild an die Quantenmechanik. Dies war teilweise auch der Ausgangspunkt von de Broglie und Schrödinger. Zuerst Heisenberg und später Bohr haben Schrödinger jedoch schwer bearbeitet, so dass er seine Hoffnungen auf ein an "Maxwell-Gleichung / Newton Mechanik" angelehntes mentales Bild aufgab. Die Gegnerschaft zu Bohrs Philosophie, "QM müsse unverständlich sein, weil alle unsere Erfahrungen auf makroskopischen Objekten beruhe", hat Schrödinger allerdings nie aufgegeben.
Hier eine Passage vom Anfang von “Are There Quantum Jumps? Part I”:
Along with this disregard for historical linkage there is a tendency to forget that all science is bound up with human culture in general, and that scientific findings, even those which at the moment appear the most advanced and esoteric and difficult to grasp, are meaningless outside their cultural context. A theoretical science, unaware that those of its constructs considered relevant and momentous are destined eventually to be framed in concepts and words that have a grip on the educated community and become part and parcel of the general world picture – a theoretical science, I say, where this is forgotten, and where the initiated continue musing to each other in terms that are, at best, understood by a small group of close fellow travellers, will necessarily be cut off from the rest of cultural mankind; in the long run it is bound to atrophy and ossify, however virulently esoteric chat may continue within its joyfully isolated groups of experts.
und eine Passage vom Anfang von “Are There Quantum Jumps? Part II”:
Even if this shorthand were admissible for the microevent, we have to keep in mind that physicists are not the only people interested in physics and in the outcome of theoretical research in physics. Those results that are tenable and will survive are destined, eventually, to be absorbed into our world picture and to become part and parcel thereof. A great many of our educated contemporaries, not equipped with the mathematical apparatus to follow our more technical deliveries, are yet deeply concerned with many general questions; one of the most stirring among them certainly is whether actually natura facit saltus or no. Whatever abbreviated language we physicists may find convenient to use among ourselves, we ought to be aware of the dilemmas that justly and duly interest others; we must be careful not to veil or distort them by indulging in loose speech
Bei de Broglie war es wohl Pauli, der ihn auf der 5. Solvay Konferenz 1927 so zerlegte, dass er seinen Ansatz zunächst entmutigt aufgab. Da war er bei weitem nicht der einzige, auch
Ralph Kronig wurde von Pauli schwer entmutigt:
Insbesondere die Kritik von Pauli (der dies dennoch für einen „witzigen Einfall“ hielt) ließ Kronig zögern seine Ideen zu veröffentlichen, so dass ihm Uhlenbeck und Goudsmit 1925 zuvorkamen und dafür die Anerkennung als Entdecker des Spins erhielten.
Ein Ansatz im Geiste der Newtonschen Mechanik provoziert ein paar Artefakte. Insbesondere tendiert man dazu, mit einem sehr speziellen Anfangszustand zu starten, der dann im Laufe der Zeit immer mehr zerläuft. Dies kann man dann versuchen, durch verschiedene Zusatzannahmen wieder zu flicken, z.B. wie von Dir beschrieben durch einen Kollaps. Dabei sollte man sich klar machen, dass auch ein stochastisches Element wie dieser Kollaps nicht wirklich den Geist der Newtonschen Mechanik hinter sich läßt.
Der Ansatz von Heisenberg und Pauli hat ganz andere Motivationen. Heisenberg kommt aus Richtung von Sommerfelds
Atombau und Spektrallinien. Hier geht es also um reale Beobachtungen und Vorhersagen, und um die berühmt berüchtigten Quantenzahlen. Pauli selbst hat die vierte Quantenzahl erfunden, den Spin. Irgendwie hatte er versucht, wie Bohr zu denken. Das muss wohl zwar sehr schmerzhaft für ihn gewesen sein, aber irgendwie hat er es überlebt. Diese Notwendigkeit zu "schmerzhaft schwierigem Denken in fremden Begriffen" lebt irgendwie noch heute in QFT weiter. Und Spin selbst ist in gewisser Hinsicht ja auch ein Effekt der relativistischen QED.
Wann immer Du also ein Model der Quantenmechanik hast, mit dem Du dich halbwegs wohlfühlst, werden die modernen Paulis Dich zu verunsichern versuchen, indem sie die wahre Tatsache betonen, dass Dein Model spätestens bei der QFT scheitern wird. Nun will ich gar nicht bestreiten, dass Dein aktuelles Model noch zu wenig QM enthält. Aber diesen Punkt überwanden Schrödinger und de Broglie einst noch recht mühelos. Ich glaube schon, dass man verstehen kann, was bei den Vorhersagen von QM anders ist als bei denen der Newtonschen Mechanik, ohne deshalb QFT zu verstehen (oder verstehen zu müssen).