@ Bynaus:
In der Chemie gilt die Faustregel, dass eine Temperaturerhöhung um 10 K die Reaktionsgeschwindigkeit um den Faktor 2 bis 3 erhöht. Der Temperaturunterschied zwischen Erde und Titan beträgt etwa 200 K. Somit ergibt sich eine Verlangsamung auf etwa 2^-20 bis 3^-20 der hier gegebenen Reaktionsgeschwindigkeiten. Das entspricht etwa einer Spannweite zwischen 10^-6 und 3,5*10^-9. Die schnellsten biochemischen Reaktionen laufen bei der Entspiralisierung der DNA ab. Sie dauern pro Reaktionsschritt (Auflösung einer Wasserstoff-Bindung zwischen einem Nucleotidpaar) etwa 1 Millisekunde. Umgerechnet auf Titan-Verhältnisse wären das für eine Reaktion etwa 1000 bis 3,5 Millionen Sekunden!
Um großzügigerweise 1 Reaktion pro Sekunde zuzulassen, müssten Reaktionen gefunden werden, die mindestens 1000mal schneller ablaufen, also im Nanosekundenbereich unter unseren Verhältnissen. Das gibt es zwar (Radikal-Chemie; photochemische Effekte; Isomerie-Oszillationen), aber dafür bedarf es einer ausreichenden Energiezufuhr.
In der Titanatmosphäre laufen unter dem Einfluss von UV-Licht solche Radikal-chemischen Prozesse ab - mit dem Ergebnis, dass sich Tholine bilden, welche aus vielfältigen Kombinationen stickstoffhaltiger und kohlenwasserstoffhaltiger Radikale bestehen, die dann jedoch auch miteinander reagieren, bevor sie zu Boden sinken. Um die "darniederliegenden" Tholinpartikel wiederum in freie Radikale aufzuspalten, um sie für hypothetische Titanlebewesen als "Nahrung" verfügbar zu machen, bedarf es wiederum einer hinreichend hohen Energiezufuhr. Meines Wissens gelangt die UV-Strahlung nicht durch die Dunstschicht hindurch, so dass hier auf andere Energiequellen zurückgegriffen werden müsste (welche?).
Falls doch ausreichend UV-Strahlung durchdringen sollte, würde sie auf die oberste Schicht der herabgeregneten Tholine treffen. Die dort ausgelöste Radikalbildung wäre nur dann als Nahrung verwertbar, wenn sich die Titan-Lebewesen zugleich in dieser Schicht aufhielten, wo sie ebenfalls der UV-Strahlung ausgesetzt wären. Das heißt, es müsste ein Reparaturmechanismus vorhanden sein, der z.B. Löcher in den Membranen ausbessert. Doch dieser müsste zunächst selektiert worden sein, setzt also bereits Vorläuferformen voraus, die sich später an die Oberflächenbedingungen angepasst hätten. Solche Vorläuferformen müssten in unteren Bereichen der Tholinschicht bzw. in tieferen Regionen der Methanseen entstanden sein. Das setzt wiederum voraus, dass freie Radikale in der Lage sein müssten, lange genug in flüssigem Methan zu überdauern, um in die Bereiche zu gelangen, die vor übermäßiger UV-Strahlung schützen. Das geht nur bei hinreichend großer Verdünnung, da ansonsten die allfälligen Radikale schnell miteinander reagieren würden. Zu große Verdünnung bedeutet jedoch eine schleppende Versorgung mit Energieträgern. Diese ist allerdings entweder als kontinuierlicher Strom oder periodisch-regelmäßig vonnöten, um eine begonnene chemische Evolution am Laufen zu halten und in Richtung von mehr Komplexität der Reaktionszyklen, entwicklungsfähig zu machen, damit irgendwann die ersten Hyperzyklen entstehen können, welche in eine biologische Evolution münden.
Für mich sieht das sehr schwierig aus ...