Hallo Mac,
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, hast Du in Post 43 (dem mit der Berechnung) Abschnitt A und B beschrieben. Wo nimmst Du aber jetzt Abschnitt C, also die tRNA Moleküle her?
Hier scheint die Ursache für die Missverständnisse zu liegen. Das Endergebnis der Berechnung gibt die durchschnittliche Kettenlänge der Polymere an. Polymere können sich aus verschiedenen Monomeren zusammensetzen. Proteine bestehen aus einer Kette von Aminosäuren (in deinem Zitat die Abschnitte A und B), sind also Polymere aus Aminosäuren.
Nucleinsäuren bestehen aus den vier Basen (A, U, G und C), Ribose (ein Monosaccharid = Zuckermolekül) und Phosphat, wobei die Polymerkette hier genau genommen aus zwei Monomeren (Base + Ribose) pro Ketteneinheit besteht, die über Phosphat (anorganischer Säurerest) miteinander verbunden sind. Somit haben wir hier den Fall, dass eine Polymerkette um die Hälfte kürzer ist als die ebenso viele Monomere enthaltende Polymerkette eines Proteins.
Darüber hinaus können noch weitere Polymere entstehen, die jedoch in den heutigen Zellen keine Bedeutung bzw. Verwendung gefunden haben mit Ausnahme der Polysaccharide (Stärke, Zellulose, Chitin), die als Stütz- und Speicherstoff geeignet sind. Somit bleiben von den 3*10^33 Monomeren, die sich zu Polymeren verbinden können, 3 Polymerklassen übrig.
Zur Erinnerung: Die Anzahl der Monomere ergibt sich aus 3,6*10^47u/(10^6*10^6*120u) = 3*10^33
Angenommen, es gab ursprünglich 10 verschiedene Monomerklassen, dann stand für jede Klasse bei gleicher Bildungswahrscheinlichkeit ein Satz von 3*10^32 Monomeren zur Verfügung. Über einen Zeitraum von 3*10^15 s konnten sich somit Polymere mit einer durchschnittlichen Kettenlänge von etwa 2^160 oder 4^80 Monomeren bilden. Zwei dieser zehn Polymerklassen erlangten für die Proteinbiosynthese Bedeutung (Proteine und Nucleinsäuren - hier tRNA). Polysaccharide als dritte Polymerklasse wurden als Energiespeicher und Zellwandverstärkung genutzt. Die übrigen hypothetischen sieben wurden abgebaut und in verwertbare Stoffe umgesetzt (z.B. Pyrrolverbindungen für Hämoglobin oder Chlorophyll).
Aus der Rechnung ergibt sich, dass es möglich war, dass mehrere Polymere eine Koevolution durchliefen, die schließlich - infolge der gegebenen Durchmischung über die Gezeiten - in abgeschlossenen Reaktionsräumen (Bläschen, die mit einer Doppelmembran umgeben waren = Vesikel) zu einer Wechselwirkung zwischen Proteinen und tRNA führten, welche die Basis für den sogenannten "genetischen Code" darstellte.
... habe ich geschlossen, daß nicht nur die Kettenlänge, sondern, je nach Struktur des mineralischen Katalysators, auch ein und dieselbe Kettensequenz stabiler reproduziert werden.
Die Kettensequenz hat mit dem Katalysator nichts zu tun bzw. der Katalysator hat auf die Kettensequenz keinen Einfluss, da nur das "Rückgrat" der Kette miteinander verbunden wird. Die die Sequenz bestimmenden Seitenketten (entweder bei Aminosäuren hydrophil oder hydrophob oder bei Nucleinsäuren die vier Basen A, U, G und C) liegen in gleicher durchschnittlicher Häufigkeit vor, so dass die synthetisierten Sequenzen zunächst reine Zufallssequenzen sind. Erst nachdem sich eine gewisse katalytische "Eigenmächtigkeit" der Polymere etabliert hat, setzt der Selektionsprozess ein, der am Ende nur noch die wenigen Tausend übrig lässt, die verwertbar und damit perfektionierbar sind. Bei einer im Durchschnitt konstanten Anlagerungsrate ergeben sich binnen 100 Millionen Jahren gemäß Rechnung 2^160 bzw. 4^80 Kombinationsmöglichkeiten mit 3*10^32 Monomeren. Da es keine einschränkenden Bedingungen gibt (mit Ausnahme der zunehmenden Instabilität bei steigender Kettenlänge, die ich hier unberücksichtigt lasse), kann theoretisch jedes dieser Polymere gebildet werden. Da der Monomerbestand jedoch geringer ist, verbleibt nur ein Bruchteil davon als verwertbarer Rest.
Aus chemischen Gründen gibt es keine Bevorzugung für irgendwelche Sequenzen, so dass der Ausgangsbestand der Polymere, aus denen sich die ersten Zellen entwickelt haben, eine zufällige Mischung darstellt. Auch die Sequenzen der tRNA's weisen keinerlei chemischen Bezug zu den Aminosäuren auf, die an sie gebunden werden. Einzig die Codase-Struktur hat die entsprechenden Passformen, so dass sie eine spezifische Bindung katalysiert. Aber die Codase ist ebenfalls eine Zufallssequenz, die sich über die Zeiten erhalten und bewährt hat. Somit erweist sich der "genetische Code" als eine Zufallswahl, die wohl einige Optimierungen erfahren hat hinsichtlich Redundanz und verringerter Störanfälligkeit, aber als solcher durch die Codasen festgelegt wurde, die zufällig zuerst da waren.
Meine Rechnung zeigt lediglich auf, dass es rein zufällig möglich war, dass auf der Erde die nötigen Agenzien synthetisiert, angereichert und verteilt werden konnten, so dass die chemische Evolution in eine biologische Evolution mündete. Die planetologischen Zusatzbedingungen (Wassermenge, Plattentektonik, Gezeiten durch großen Mond usw.) müssen allerdings als gegeben vorausgesetzt werden, damit der Prozess in Gang kommen und über hinreichend lange Zeit hinweg aufrecht erhalten werden kann. Wenn das vorhanden ist, dann ist es so gut wie sicher, dass sich Lebewesen entwickeln werden. Mehr sagt die Rechnung nicht aus, aber auch nicht weniger ...
Viele Grüße!