Verständnisfrage

shenry

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Hallo, habe da mal eine Verständnisfrage. Ich höre immer wieder in Dokus das die Gravitation schwarzer Löcher so groß ist, das selbst das Licht dieser Gravitation nicht entkommen kann. Nun ist imho ein Lichtquant oder Photon ein masseloses Teilchen, das nicht dem Grundsatz "Masse interagiert mit Masse durch gegenseitige Gravitation" folgt.
Also stelle ich mir vor, ich würde theoretisch auf einem Photon reiten und hätte immer das Gefühl, geradeaus zu fliegen. Nur ist im Fall des schwarzen Loches der Raum um Dieses so stark gekrümmt, das das Lichtteilchen durch diese starke Krümmung nicht entweichen kann und nicht wegen der direkten Gravitationswirkung des schwarzen Loches. Oder sehe ich da was falsch ?

VG
Heinz
 

Infinity

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Hallo Heinz,

Du siehst das Ganze soweit richtig (nur der Ausdruck direkte Gravitationswirkung ist etwas unpräzise, denn es gibt keine indirekte Wirkung). Photonen haben keine Masse. Es gibt häufig noch den Begriff relativistische Masse, um ihn von der Ruhemasse zu unterscheiden, aber diese Sichtweise ist (obgleich weit verbreitet) problematisch. Besser ist, die Masse eines Teilchens durch seine Ruhemasse zu definieren, und die ist null.

In der klassischen Mechanik nach Newton ist die Gravitation eine Kraft, die durch zwei Massen hervorgerufen wird. Detaillierter: eine Masse M erzeugt ein Gravitationsfeld, welches ein bestimmtes Gravitationspotenzial Φ(r) = -GM/r besitzt. Befindet sich ein zweites Teilchen der Masse m in diesem Feld, so wirkt eine Kraft auf das Teilchen, das gleich dem Produkt aus m und -Φ(r) ist.

Damit eine Kraft wirkt, muss also m > 0 sein. Bei einem masselosen Photon ist dies nicht der Fall; nach Newton sollten Photonen also niemals abgelenkt werden. Dennoch erfahren Photonen eine Ablenkung, dafür gibt es diverse Beispiele, wie etwa die beobachtete Position von Sternen bei einer totalen Sonnenfinsternis, die Ablenkung durch ein Schwarzes Loch oder auch der Gravitationslinseneffekt. Sie führen zum Schluss, dass die newtonsche Beschreibung der Gravitation nicht ganz korrekt sein kann.

In der Allgemeinen Relativitätstheorie wird die Gravitation anders beschrieben. Dort ist sie keine Kraft im newtonschen Sinn, sondern eine geometrische Krümmung der Raumzeit. Alle Teilchen folgen dann dieser Krümmung, ganz gleich, ob sie eine Masse besitzen oder nicht. Die Krümmung wird vom verursachenden Körper festgelegt, also zum Beispiel vom Schwarzen Loch. Mehr oder weniger ist das vergleichbar mit einem gekrümmten Gummituch, auf dem Murmeln rollen.

Warum auch masselose Murmeln dieser Krümmung folgen, kann man zum Beispiel mathematisch erklären. Die Bahn jedes Teilchens ist immer eine Geodäte, also die kürzeste Verbindung je zweier Punkte. Bei einer flachen Raumzeit ist dies natürlich eine Gerade; bei einer gekrümmten Raumzeit aber ist diese auch gekrümmt (vergleiche zum Beispiel die kürzeste Wegstrecke zwischen Berlin und Tokio). Geodäten sind Lösungen der so genannten Geodätengleichung, einer Differenzialgleichung. Aufgrund der Tatsache also, dass jedes Objekt stets einer Geodäten, also der kürzesten Verbindungsstrecke folgt, sehen wir diese Ablenkung der Photonen.
 
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Rafael Chamon

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Ich mag Infinitys Erklärungen zur Bewegung eines Photons in einem Gravitationsfeld, sie sind klar und effektiv.

Aber es fällt mir schwer, Einsteins gekrümmte Raumzeit zu visualisieren oder mir vorzustellen, und ich versuche immer, nach einem mehr oder weniger verständlichen Bild zu suchen. Wie ist die Raumzeit direkt am Ereignishorizont gekrümmt? Das klassische Bild eines unendlichen Absturzes des Photons in Richtung der Singularität überzeugt mich nicht, vielmehr scheint es mir, dass das Photon innerhalb dieser Sphäre in einen hochenergetischen Zustand übergeht und zur Gesamtmasse des Schwarzen Lochs beiträgt.

Wenn ein Photon auf ein Schwarzes Loch geht und den Ereignishorizont durchquert, wäre die Eintrittsgeschwindigkeit c, das ist klar, aber vor dem Eintritt würde es auch eine Blauverschiebung erleiden, da es sich zugunsten des starken Gravitationsfeldes des Schwarzen Lochs fortbewegt. Wäre das wahr? Wenn dies zutrifft, würde die Blauverschiebung zunehmen, wenn sich das Photon dieser Oberfläche nähert, das heißt, das Photon würde einen sehr großen Energiewert erreichen. Was in der Schwarzschild-Sphäre passiert, ist unbekannt. Sicher ist, dass das Photon nicht austreten kann, sondern gefangen bleibt. Was ist nun die Ursache? Ist es eine extreme Rotverschiebung, die ihre Frequenz aufhebt, oder liegt es daran, dass die Krümmung der Raumzeit am Rand dieser Kugel dies verhindert? Hängen diese beiden Phänomene zusammen? Ich kann es mir nicht vorstellen.

Bitte um hilfe.
Grüsse.
Rafael
 

astrofreund

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Aber es fällt mir schwer, Einsteins gekrümmte Raumzeit zu visualisieren oder mir vorzustellen, und ich versuche immer, nach einem mehr oder weniger verständlichen Bild zu suchen.
Dürfte daran liegen, dass kein Mensch sich einen vierdimensionalen Raum vorstellen kann. Bei 3D ist für uns alle Ende-Gelände.

Oder die KI meint: (Anmerkungen in Grün von mir)

"Die Visualisierung von Einsteins gekrümmter Raumzeit ist eine Herausforderung, da sie Konzepte aus der allgemeinen Relativitätstheorie beinhaltet, die oft über unsere alltägliche dreidimensionale Erfahrung hinausgehen [so kann man es besser sagen!].
Hier sind einige Ansätze, die Ihnen helfen können, sich die gekrümmte Raumzeit vorzustellen:

1. Gummituch-Analogie

Eine häufig verwendete Analogie ist das Gummituch. Stellen Sie sich ein straff gespanntes Gummituch vor, das die Raumzeit repräsentiert. Wenn Sie eine schwere Kugel (die eine Masse wie die Erde oder die Sonne repräsentiert) auf das Tuch legen, wird das Tuch sich krümmen. Diese Krümmung repräsentiert die Verzerrung der Raumzeit durch die Masse.
  • Kleine Kugeln (Planeten): Wenn Sie kleinere Kugeln (die Planeten repräsentieren) auf das Tuch legen, werden sie in Richtung der größeren Kugel rollen, was die Bewegung von Planeten um die Sonne darstellt.
  • Bewegung: Die Bewegung der kleineren Kugeln folgt den Krümmungen des Tuches, ähnlich wie Planeten den gekrümmten Bahnen in der Raumzeit folgen.

2. Geodätische Linien

In der allgemeinen Relativitätstheorie bewegen sich Objekte entlang geodätischer Linien, die die kürzesten oder geradesten Wege in der gekrümmten Raumzeit sind. Diese Linien sind nicht unbedingt gerade im herkömmlichen Sinne, sondern folgen der Krümmung der Raumzeit.
  • Freier Fall: Ein Objekt im freien Fall bewegt sich entlang einer geodätischen Linie. In der Nähe einer großen Masse (wie der Erde) wird diese Linie gekrümmt sein, was die Anziehungskraft der Gravitation darstellt.

3. Zeitdilatation

Ein weiterer Aspekt der gekrümmten Raumzeit ist die Zeitdilatation. In der Nähe großer Massen vergeht die Zeit langsamer als weiter entfernt. Dies kann durch die Krümmung der Raumzeit visualisiert werden, wobei die Zeitdimension ebenfalls betroffen ist.
  • Uhren: Stellen Sie sich zwei Uhren vor, eine in der Nähe einer großen Masse und eine weiter entfernt. Die Uhr in der Nähe der Masse wird langsamer ticken als die entferntere Uhr.

4. Gravitationslinsen

Gravitationslinsen sind ein weiteres Phänomen, das durch die Krümmung der Raumzeit erklärt werden kann. Massive Objekte wie Galaxien oder schwarze Löcher können das Licht von dahinterliegenden Objekten ablenken und verzerren, ähnlich wie eine Linse.
  • Lichtbahnen: Stellen Sie sich vor, wie Lichtstrahlen um massive Objekte herum gebogen werden, was zu verzerrten Bildern führt.

5. Mathematische Modelle

Für eine genauere Vorstellung können mathematische Modelle und Simulationen verwendet werden. Diese Modelle verwenden die Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie, um die Krümmung der Raumzeit zu berechnen und zu visualisieren.
  • Krümmungstensoren: Die Krümmung der Raumzeit wird durch den Riemannschen Krümmungstensor beschrieben, der die Geometrie der Raumzeit mathematisch darstellt.

6. Computersimulationen

Es gibt auch Computersimulationen und Visualisierungen, die die Krümmung der Raumzeit darstellen. Diese Simulationen können helfen, komplexe Phänomene wie schwarze Löcher, Gravitationswellen und die Expansion des Universums zu verstehen.
  • Software: Programme wie "Space-Time" oder "Gravity Simulator" können verwendet werden, um die Effekte der gekrümmten Raumzeit zu visualisieren.
Durch die Kombination dieser Ansätze können Sie sich ein besseres Bild von Einsteins gekrümmter Raumzeit machen. Jeder Ansatz bietet eine andere Perspektive und hilft, die komplexen Konzepte der allgemeinen Relativitätstheorie zu verstehen."

Gruß, Astrofreund
 

Rafael Chamon

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Vielen Dank, Astrofreund, für die Ideen, wie man sich die Krümmung der Raumzeit vorstellen kann. Dabei hilft mir das Beispiel eines Körpers im freien Fall auf der Erde, sei es ein Meteorit oder der um die Erde rotierende Mond. Diese gekrümmten Flugbahnen wären geodätisch in vier Dimensionen im Raumzeit um der Erde, einschließlich der Zeit.

Wenn wir ein Schwarzes Loch anstelle der Erde betrachten, erhöht sich die Komplikation, denn wenn ein Körper auf ein Schwarzes Loch fällt, macht die enorme Krümmung der Raumzeit im Ereignishorizont das Phänomen seltsam: Ein Beobachter, der sich an einem weit entfernten externen Punkt befindet, würde es sehen dass der Körper den Ereignishorizont nie erreicht, ein Beobachter, der sich auf dem fallenden Körper befindet, jedoch nicht bemerken würde, dass er ihn überschritten hat. Ich denke, dass das so ist, obwohl ich mir nicht sicher bin.

Schöne Grüsse
Rafael
 

TomS

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Diese gekrümmten Flugbahnen wären geodätisch in vier Dimensionen im Raumzeit um der Erde, einschließlich der Zeit.
Genau.

Letztlich verhält es sich so – wobei dies wiederum nicht anschaulich vorstellbar ist – dass das, was wir als gekrümmte Bahnen in drei Dimensionen wahrnehmen – eine Projektion einer in vier Dimensionen definierten Geodäten auf diese drei Dimensionen zu verschiedenen Zeiten entspricht.

Daher erscheinen Orbits von Planeten in drei Dimensionen als elliptisch, während es sich in vier Dimensionen tatsächlich um Geodäten handelt.

Bei einer Veranschaulichung (Gummituchmodell u.a.) ist Vorsicht geboten, weil jede Veranschaulichung Artefakte einführt und nicht alle Aspekte der vierdimensionalen Geometrie zutreffend abbildet.

Wenn wir ein Schwarzes Loch anstelle der Erde betrachten, erhöht sich die Komplikation, denn wenn ein Körper auf ein Schwarzes Loch fällt, macht die enorme Krümmung der Raumzeit im Ereignishorizont das Phänomen seltsam:
Die Raumzeit weist am Ereignishorizont keine Besonderheit auf, insbs. ist sie dort nicht unbedingt stark gekrümmt.

Siehe z.B.

Dieses Maß der Krümmung K skaliert am Ereignishorizont r=rs der Schwarzschild-Lösung gemäß

K(r=rs) = 12 / rs⁴ ~ 1 / M⁴

d.h. je massereicher das Schwarze Loch, desto geringer die Krümmung am Ereignishorizont.

Ein Ereignishorizont ist keine lokale Eigenschaft in einem kleinen Bereich der Raumzeit. Stellt man sich die Raumzeit als Fluss vor, der auf einen Wasserfall zuströmt, der für die Singularität steht, so entspricht der Ereignishorizont der gedachten Grenze im Fluss, ab der die schnellsten Fische nicht mehr gegen die Strömung ankommen und der Singularität nicht entkommen können. Am Ereignishorizont selbst bleiben die gegen die Strömung schwimmenden Fische bestenfalls ortsfest, allerdings bemerken sie in der Strömung selbst nichts besonderes.

(auch bei dieser Veranschaulichung ist Vorsicht geboten)

Übertragen auf die Geometrie der Raumzeit bedeutet dies, dass es sich beim Ereignishorizont um eine sogenannte lichtartige Fläche handelt, auf der alle gedachten auslaufenden Lichtstrahlen "eingefroren sind".

Ein Beobachter, der sich an einem weit entfernten externen Punkt befindet, würde es sehen dass der Körper den Ereignishorizont nie erreicht, ein Beobachter, der sich auf dem fallenden Körper befindet, jedoch nicht bemerken würde, dass er ihn überschritten hat.
So ist das im wesentlichen 👍

Sehen würde der weit entfernte externe Beobachter den Körper nicht, da das von diesem ausgesandte Licht für ihn zunehmend rotverschoben erscheint.
 
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Rafael Chamon

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Hallo, Tom5,

Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Klarstellungen zum Ereignishorizont.
Übertragen auf die Geometrie der Raumzeit bedeutet dies, dass es sich beim Ereignishorizont um eine sogenannte lichtartige Fläche handelt, auf der alle gedachten auslaufenden Lichtstrahlen "eingefroren sind".
Sollte es auch bedeuten, dass der Ereignishorizont nicht eine Kugeloberfläche ist, deren Radius dem exakten Wert der einfachen Schwarzschild-Formel entspricht, sondern eine weite Übergangszone, in der die Krümmung der Raumzeit lokal variiert, was zur Folge hat, dass die Frequenz der inneren Strahlung aufgehoben wird und somit die Strahlung nicht entfluchten kann?

Grüsse,
Rafael.
 

TomS

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Sollte es auch bedeuten, dass der Ereignishorizont nicht eine Kugeloberfläche ist, deren Radius dem exakten Wert der einfachen Schwarzschild-Formel entspricht, sondern …
Ereignishorizonte sind geometrisch präzise definiert. Speziell im Falle der sphärisch symmetrischen Schwarzschild-Lösung ist die Eigenzeit eines frei fallenden Beobachters von einem Punkt knapp außerhalb des Horizontes bis zur Singularität ein eindeutiges Maß für den Radius der Kugeloberfläche.

Übertragen auf die Geometrie der Raumzeit bedeutet dies, dass es sich beim Ereignishorizont um eine sogenannte lichtartige [2-dim.] Fläche handelt, auf der alle gedachten auslaufenden Lichtstrahlen "eingefroren sind".

D.h. es handelt sich um eine geschlossene Fläche, speziell im Falle der Schwarzschild-Lösung um eine Kugeloberfläche.
 
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