Wenn man den Begriff 'crank' wissenschaftsoziologisch annimmt, wie es beispielweise Michael Shermer mit der Definition von
Merkmalen des "Hermit Scientist" getan hat:
How can we tell if someone is a scientific crank? Gardner offers this advice:
(1) “First and most important of these traits is that cranks work in almost total isolation from their colleagues.” Cranks typically do not understand how the scientific process operates — that they need to try out their ideas on colleagues, attend conferences and publish their hypotheses in peer-reviewed journals before announcing to the world their startling discovery. Of course, when you explain this to them they say that their ideas are too radical for the conservative scientific establishment to accept.
Hallo zusammen,
ich muss einräumen, dass mich diese Kriterien sehr unangenehm berührt haben, da sie meine Bemühungen um meine Theorie sehr genau wiedergeben:
- tatsächlich habe ich für mich alleine gearbeitet
- tatsächlich habe ich mich nicht an die "scientific processes" gehalten
- tatsächlich sind meine Ideen zu radikal, um von der aktuellen Lehrmeinung akzeptiert werden zu können ("Zahlen" kleiner als minus unendlich sind nun wirklich nicht jedermanns Sache, auch wenn die sich total "gutmütig" und eigentlich ganz "normal" verhalten)
Wie auch immer, gemäss dieser Definition erfülle ich die crank-Kriterien und deswegen erlaube ich mir einmal, Euch aus der Sicht eines solchen cranks die Erlebnisse zu erzählen:
Es fing am Ende meiner Schulzeit an, dass ich mir Gedanken über die Konstruktion weiterer Grundrechenarten gemacht habe. Später, während meines Wehrdienstes, habe ich mich dann auf einige wenige Grundrechenarten konzentriert und mir Gedanken gemacht, wie ich - zweifelsohne von der Gruppentheorie motiviert - diese Grundrechenarten geeignet erweitern könnte. Bald mal habe ich meine Theorie um Neutralelemente und um inverse Elemente erweitert und auch eine Art Grenzübergang dieser Neutralelemente getätigt und eine sehr naive Metrik basierend auf den inversen Elementen eingeführt, um gewisse Resultate herleiten zu können.
Nach dem Vordiplom habe ich dann meine Notizen zusammengefasst und also ein handgeschriebenes Manuskript verfasst.
Es war dies die Phase, in der ich meine Theorie unter allen Umständen geheim halten wollte und auch nur wenigen sehr guten Freunden davon erzählt habe.
11 Jahre später - ich war nun 5 Jahre berufstätig - sah ich ein Seminar an der ETH Zürich über Zahlentheorie und habe damals ja auch einen Vortrag über die Unmöglichkeit der Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal gehalten; diese auf den ersten Blick geometrisch anmutende Fragestellung ist in Wirklichkeit eine algebraische und man beweist, dass es kein Polynom mit rationalen Koeffizienten geben kann, welches pi als Nullstelle enthält. Leider hatte ich in meinem Studium nicht die Zeit für so ein Seminar gehabt und nun war also eine gute Gelegenheit, das nachzuholen. Das hat mich zwar einen halben Jahresurlaub gekostet, hat aber sehr viel Spass gemacht und ich habe mir überlegt, ob ich wieder vermehrt an die Hochschule gehen soll und aus meiner Theorie eine Promotion machen kann. Zu diesem Zweck habe ich erst einmal mein handschriftliches Manuskript elektronisch niedergeschrieben (in Word); das hat dann die andere Hälfte meines damaligen Jahresurlaubes gekostet.
Voller Freude habe ich dann meine Arbeit eingereicht ...........
- der erste Professor (mein Diplomvater) antwortete nicht; später erfuhr ich, dass er im Krankenhaus war
- der zweite Professor (Prof. Blatter - der Autor der Bücher Analysis I-III) erklärte mir, dass man das "so nicht mache"; er brauchte auch das Argument der "scientific processes" und nannte meine Theorie eine "willkürliche Spielerei" - ein solches Urteil ist übrigens viel schlimmer als das Urteil "falsch", weil man Fehler korrigieren kann
- der dritte Professor fühlte sich nicht zuständig und empfahl mir einen vierten
- der vierte Professor hat sich auf Seite 3 bei einer Definition verrechnet (das ist noch im klassischen Teil, lange vor meiner Theorie) und qualifizierte sie deswegen als "falsch"; mein wirklich nett formulierter Korrekturbrief wurde nicht beantwortet
Das war der Zeitpunkt, an dem ich aufgegeben habe - ich hatte meine Theorie lange genug geheim gehalten und konnte das auch weiterhin tun und mich anderen Hobbys widmen.
6 Jahre später ging meinem Arbeitgeber die Arbeit aus und wir konnten privat am Arbeitsplatz arbeiten, so dass ich eine populärwissenschaftliche Version meiner Theorie verfasst habe und auch noch eine Kurzversion für das Spektrum der Wissenschaft. Mein Manuskript kam ungelesen zurück, da man nur Beiträge von promovierten Wissenschaftlern berücksichtigen könne, welche Referenzen haben. Gleiches auch bei Bild der Wissenschaft.
Ich versuchte noch, ein Fachjournal anzuschreiben, doch die verlangten als Voraussetzung, dass die Arbeit in Englisch ist und im Tech-Format.
Das war das zweite Mal, wo ich aufgab, denn um diese nur formalen Bedingungen zu erfüllen, fehlt mir schlicht die Zeit.
Vor wenigen Wochen indes hat mir ein Studienfreund eine Webadresse genannt, wo man auch pdf-Files einreichen kann, die nicht zwingend auf englisch sind; also investierte ich eine weitere Woche abends nach der Arbeit, um die vom pdf-Generator veränderten Formate zu korrigieren. Voller Freude wollte ich meine Arbeit dort einchecken, doch statt dessen erhielt ich eine automatisch generierte email, dass ich einen "Garanten" angeben müsse. Hätte man mir das vorher gesagt, hätte ich mir diese Mühe sparen können.
Das Fazit ist ernüchternd: Ohne Doktortitel ist man in der akademischen Welt - man entschuldige bitte die Wortwahl - ein Stück Scheisse. - Mir ist selbstverständlich bewusst, dass Leute mit Promotion eine ausgezeichnete Ausbildung haben und dass sie während dieser Zeit auch ausserordentlich viel Fleiss und Begeisterung in ihre Arbeit gesteckt haben, die weit über die übliche 42 Stunde-Woche hinausgeht und sich meistens auch auf das Wochenende erstreckt. Das verdient meine volle und ehrliche Anerkennung, ohne Wenn und Aber.
Mir ist auch bewusst, dass massenweise selbsternannte Genies die Institute mit ihren Werken "beglücken" - oftmals mit Resultaten, die schon seit über 100 Jahren widerlegt sind (beliebtes Beispiel ist die vorher genannte Quadratur des Kreises) - und dass es wegen der riesigen Zahl an Zusendungen erforderlich ist, geeignete Auswahlkriterien zu definieren und das läuft zur Zeit über den Indikator Zahl der Publikationen.
Das ist ja auch alles verständlich und nachvollziehbar und ich will dem auch nicht widersprechen, im Gegenteil, ich bin von der Notwendigkeit gewisser Auswahlkriterien sogar weitgehend überzeugt, aber es ist einfach sehr ernüchternd zu sehen, dass man als "Aussenstehender" kaum eine Chance hat, mit einer kleinen Idee beizutragen. Hinzu kommt, dass meine Theorie die Mathematik keinesfalls revolutioniert, sondern lediglich ergänzt; alle bisher gültigen Resultate bleiben selbstverständlich nach wie vor gültig; einige wenige kann man in der Notation meiner Theorie etwas einfacher erklären.
Freundliche Grüsse, Ralf