Eine Bekannte und spätere Kollegin verließ die Vorlesung Theo. Phys. 1 nach 45 Minuten im sich für Informatik einzuschreiben.
Hallo Tom,
so ungefähr habe ich mich auch gefühlt. Im 1. Jahr hatten wir 4 Vorlesungen: Analysis, Lineare Algebra, Physik und Physik Praktikum für Anfänger.
Eigentlich war mir Analysis am liebsten, doch war die Testatbedingung, 66% aller Punkte zu erreichen, einige Zeit für mich unerreichbar, da ich in den beiden ersten Übungen nur auf 30% kam.
Lineare Algebra war kein Problem für mich, eher war ich ein Problem für diejenigen, die meine Übungen korrigieren mussten. Als Hilfsassistent bekam ich dann auch so einen Studenten wie mich im 1.Studienjahr, mit dem ich dann auch entsprechend nachsichtig umgegangen bin.
Physik war natürlich völlig jenseits von Gut und Böse und habe ich nur deswegen belegt, weil es Pflichtfach war - ich hatte (aus gutem Grunde ...) nicht den Leistungskurs belegt und zwei Kurse im Grundkurs (mehr wurde bei uns am Gymnasium nicht angeboten) trotz Höchstnote sowie noch ein bisschen private Vorbereitungen während meiner Bundeswehrzeit genügten hier einfach nicht.
Beim Physik Praktikum für Anfänger hatte ich riesiges Glück, dass wir zu zweit arbeiten konnten und mein Partner ebenfalls aus Deutschland kam, ich aus Rheinfelden, er aus Lörrach, der das Abitur mit unglaublichen nur 12 Punkten unter dem Maximum abgeschlossen hat. Roland Wiesendanger ist Dir vielleicht ein Begriff, er ist längst Professor und wurde meines Wissens auch schon für einen Nobelpreis vorgeschlagen. Warum sich Roland bei Corona derartig mit einer Publikation vergriffen hat ist mir ein Rätsel; er war stets ein sehr höflicher und sehr angenehmer, auch zurückhaltender Student.
Es gab dann eigentlich 2 Ereignisse, die mich ermutigt haben, das Studium fortzusetzen und nicht zur Biologie, meinem anderen Leistungskurs, zu wechseln.
Nachdem ich zweimal 3/10 Punkten in den Analysis-Übungen erhalten hatte war mir klar, dass das so nicht weitergehen kann. In der darauffolgenden Woche ordnete ich alles andere dem unter und kümmerte mich intensiv um die 3.Übung. Immer wieder durchgegangen, immer wieder Ungenauigkeiten (d.h. Fehler !!) entdeckt, meistens epsilons falsch angewendet, "für alle gilt" und "es gibt mindestens eins, für das nicht gilt" verwechselt und solche Sachen. Noch am Tag vor der Abgabe habe ich solche Fehler gefunden und beseitigt. Ich überlegte mir, was meine Erwartungshaltung ist. 7/10 wäre natürlich sehr schön, erschien mir aber unrealistisch. 6/10 ist zuwenig, aber eine deutliche Verbesserung zu 3/10. Auch 5/10 wäre zwar noch schlechter, aber auch eine deutliche Verbesserung. Ich liess meine Erwartungshaltung schliesslich offen, aber eben: es sollte schon "signifikant" besser als 3/10 sein.
Ich traute meinen Augen nicht, als ich die Übung zurückbekam:
10/10 !
Das andere Ereignis war ein freiwilliger, also unbedeutender Test in Physik. Der beste Physiker war wenig überraschend mein Kommilitone Roland aus Lörrach. Aber zwei Mathematik-Studenten hatten noch einen halben Punkt mehr als er.
Und einer der beiden war ich !
Unbedeutend, aber gut für die Psyche und auch das Selbstvertrauen.
Freundliche Grüsse, Ralf