Schwarzschild-Geometrie - isotrope Koordinaten und anisotrope Lichtausbreitung?

TomS

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Um Richtungsabhängigkeiten in der ART diskutieren zu können, muss man zunächst sicherstellen, dass das verwendete Koordinatensystem isotrop ist, andernfalls diskutiert man Koordinaten-Artefakte.

1. Isotrope Koordinaten

Pseudo-Lorentzsche Mannigfaltigkeiten lassen in sphärisch symmetrischen Raumzeiten Familien konzentrischer Sphären zu. Man kann dies in verschiedener Weise in Koordinaten repräsentieren, z.B. in Schwarzschild-Koordinaten

ds² = a c² dt² - b dr² - r² dΩ

a = f = 1 - 2m/r
b = 1/a

Ihr Nachteil besteht jedoch darin, dass sie nicht die folgende isotrope Form haben

ds² = a c² dt² - b dx² = a c² dt² - b (dR² + R² dΩ)

(jetzt mit neuen a, b)

Hier entspricht dx² der üblichen euklidischen 3-Metrik.

Salopp gesprochen zeichnen sich isotrope Koordinaten dadurch aus, dass für sphärisch symmetrische Raumzeiten die Lichtkegel zu gleichen Eigenzeiten in diesen Koordinaten sphärisch symmetrisch erscheinen. Nicht-isotrope Koordinaten zerstören zwar nicht diese sphärische Symmetrie der Raumzeit selbst, repräsentieren sie jedoch sind adäquat. Anisotrope Koordinatengeschwindigkeiten in Schwarzschild-Koordinaten sind also kein reiner Effekt der zugrundeliegenden Raumzeit sondern möglicherweise teilweise ein Artefakt des Koordinatensystems.

Also führt man isotrope Koordinaten (nur gültig für r > 2m) mittels einer neuen Radialkoordinate R = R(r) ein:

R (1 + m/2R)² = r

ds² = A² c² dt² - B² dx² = A² c² dt² - B² (dR² + R² dΩ)

a = A²
b = B²

A = (1 - m/2R) / (1 + m/2R)
B = (1 + m/2R)²

Für den EH gilt A = 0, also

rs = 2m
R
s = m/2

In diesen Koordinaten ist sichergestellt, dass möglicherweise auftretende Anisotropien ausschließlich Effekte der Raumzeit selbst sind.

Wenn das verdaut ist, können wir als nächsten die Gleichbungen zur Lichtausbreitung untersuchen.
 
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Bernhard

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ds² = a dt² - b dr² - r² dΩ

a = f = 1 - 2m/r
b = 1/a
Wäre es nicht geschickter, gleich von sphärisch symmetrischen Koordinaten auszugehen, um damit sphärische symmetrische Vakuumlösungen der einsteinschen Feldgleichungen zu beschreiben? Man hat dann wie in dem bekannten Buch von S. Weinberg zwei Funktionen a(r) und b(r) in Abhängigkeit der radialen Koordinate und eine Isotropie bezüglich des Punktes r=0.
 

TomS

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Einschub zum Brechungsindex

Dieser kann unterschiedlich definiert werden!
  • über die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts n = c / v (wobei in der geometrischen Optik nicht zwischen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit unterschieden werden kann
  • mittels des Fermatsche Prinzip, d.h. dem Extremalprinzip für die Lichtlaufzeit entlang des Lichtweges
  • mittels des Huygenssche Prinzip, gemäß dessen jeder Punkt einer Wellenfront als Ausgangspunkt einer neuen Kugelwelle angesehen werden kann
  • hier speziell mittels der Maxwellschen Gleichungen in einer gekrümmten Raumzeit, deren Metrik Korrekturterme zu Permittivität ε0 und Permeabilität μ0 induziert, woraus dann der Brechungsindex (üblicherweise n² = εμ) resultiert
Bereits für die Definitionen (1 - 3) ist nicht offensichtlich klar, ob diese in einer flachen Raumzeit jedoch für beliebige Materialen äquivalent sind.

Für Punkt (4) ist außerdem nicht offensichtlich, wie dies zu (1 - 3) in Beziehung steht, und ob folgende Vorgehenswiese äquivalent sind
  • Lösung der Maxwellschen Gleichungen in einer gekrümmten Raumzeit, Ableitung der geometrischen Optik inkl. Brechungsindex
  • analog zu (1), d.h. direkte Lösung der lichtartigen Geodätengleichung, Bestimmung der "lokalen Lichtgeschwindigkeit", dann Assoziation mit dem Brechungsindex
Das zu betrachten ist mathematisch sicher extrem aufwändig. Ich beschränke mich für (4) im Folgenden auf den bisherigen Ansatz, d.h. den zweiten Punkt analog zu (1).
 

TomS

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Nun zum Vergleich der optischen Weglänge und der Lichtlaufzeit


Die optische Weglänge in anisotropen Medien ist lokal definiert mittels

c dt = dl Nik êi êk

Dabei ist ê ein Einheitsvektor in Ausbreitungsrichtung des Lichtstrahls, N ist der 2-Tensor des Brechungsindex.

Für kleinen Brechungsindex und schwache Anisotropien gilt

Nik = δik + αik

wobei δik für das Kronecker-delta d.h. die Eins steht, und die |αik| allesamt klein sind.



Die Lichtlaufzeit in der Eigenzeit τ = A(R) t eines Beobachters am Koordinatenradius R ist lokal definiert mittels

c² A² dt² = c² dτ² = B² dx²

Man definiert nun dl² = dx² als euklidisches Linienelement in der flachen Raumzeit; dies liefert

dx² = δik xi xk = dl² δik (xi/dl) (xk/dl) = dl² δik ei ek

wobei ê wiederum ein räumlicher Einheitsvektor in Ausbreitungsrichtung des Lichtstrahls ist.


Zum Vergleich mit dem Fall der Optik

Für B² = (1 + 2β) mit kleinem |β| entsprechen sich die Formeln:

dl² (Nik êi êk)² = dl² (1 + 2 aik ei ek)

B² dl² = dl² (1 + 2β) δ
ik ei ek = dl² (1 + 2 β δik ei ek)

D.h. die Lichtausbreitung in der Schwarzschild-Geometrie entspricht in genügend großer Entfernung zum Ereignishorizont lokal der Lichtausbreitung in einer flachen Raumzeit mit einem kleinen Korrekturterm zum Brechungsindex des Vakuums:

aik ei ek ~ β δik ei ek

Allerdings ist δik ei ek = 1, daher erscheint die Lichtausbreitung für jeden Beobachter bei beliebigem R und betrachtet in dessen Eigenzeit und für invariante Eigenlängen lokal isotrop.

Anisotropien sind demnach reine Koordinate- bzw. nicht-lokale Effekte.


@Bernhard und @ralfkannenberg -

würde mich freuen, wenn ihr die Argumentation zu folgenden Fragen durchgehen könntet:
  • ist sie schlüssig?
  • ist sie in der Wikipedia wichtig?
  • soll die Anmerkung zu den anisotropen Koordinatengeschwindigkeiten aus dem Wiki-Artikel raus? diese ist zwar formal korrekt jedoch physikalisch irrelevant und für den Leser m.E. irreführend, da sie eine Anisotropie der Geometrie suggeriert, obwohl es lediglich ein Artefakt der Koordinaten ist
  • soll diese Argumentation zumindest in die Wiki-Diskussionsseite rein?
 
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Bernhard

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Anisotropien sind demnach reine Koordinate- bzw. nicht-lokale Effekte.
So erscheint es mir auch korrekt. Die konkreten Rechnungen scheinen zu passen.

Ich brauche zum Nachvollziehen der Argumentation aber schon etwas Zeit, weil diese Vergleiche für mich ziemlich neu sind. Da es eher um Formalitäten geht, ist die Motivation nicht übermäßig groß, das durchzugehen.
 

TomS

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Da es eher um Formalitäten geht, ist die Motivation nicht übermäßig groß, das durchzugehen.
Gibt es auf Wiki genügend Leute, die sich auf einer Diskussionsseite damit ernsthaft auseinandersetzen würden? Ziel könnte es sein, das als Kapitel zur Lichtablenkung auszubauen.

Man kann auch einfach diese Argumentation auf die Diskussionsseite kopieren und damit das Löschen des Abschnitts zu den verschiedenen Lichtgeschwindigkeiten motivieren.

Meinen Abschnitt habe ich daraufhin nochmal korrigiert:
Das Integral entspricht formal der optischen Weglänge in einem Medium mit ortsabhängigem jedoch lokal isotropem Brechungsindex
 
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