Im folgenden möchte ich kurz zusammenfassen, in welcher Weise die Effekte der gravitativen sowie der kinematischen Zeitdilatation in der ART miteinander verwoben sind, und wie man sie für konkrete Probleme zumindest näherungsweise trennen kann.
Man betrachtet die Weltlinie eines Beobachters in der vierdimensionalen Raumzeit. Die Eigenzeit tau entlang einer derartigen Weltlinie = Kurve C, also die Zeit, die ein Beobachter auf einer mitbewegten Uhr misst, lautet
$$\tau = \int_C d\tau$$
Entlang eines infinitesimalen Kurvensegments d.h. eines infinitesimalen Eigenzeitintervalls legt der Beobachter (betrachtet in einem beliebigen Koordinatensystem) eine infinitesimale Koordinatenzeit dt sowie eine infinitesimale räumliche Distanz dx zurück (für letztere muss man i.A. drei Richtungen i = 1,2,3 angeben). Im Gegensatz zur invarianten Eigenzeit tau sind die Koordinatenzeit t sowie die räumlichen Koordinaten natürlich koordinatensystemabhängig.
Zur Berechnung des Kurvenintegrals benötigt man die "vierdimensionale Länge"; zunächst betrachten wir dazu das Integral für die SRT im flachen Minkowski-Raum:
$$\tau = \int_C d\tau = \int_C\sqrt{dx_\mu \, dx^\mu} = \int_{t_a}^{t_b}dt\sqrt{\dot{x}_\mu \, \dot{x}^\mu} = \int_{t_a}^{t_b}dt\sqrt{1-\vec{v}^2(t)} $$
wobei der Punkt die Ableitung nach einer Koordinatenzeit t bedeutet. Der Wurzelausdruck entspricht einem "verallgemeinerten Pythagoras". Die "vierdimensionale Länge" kann also einerseits durch einen "verallgemeinerten Pythagoras" in den vier Komponenten mu = 0,1,2,4 berechnet werden, andererseits auch in einem Koordinatensystem, bzgl. dessen die Geschwindigkeit v vorliegt. Für v = const. folgt sofort die aus der SRT bekannte Beziehung zwischen Koordinatenzeit t und Eigenzeit tau.
Diese Formel kann nun für die ART verallgemeinert werden, indem man die Metrik g einführt, die die Krümmung der Raumzeit beschreibt:
$$\tau = \int_C\sqrt{dx_\mu \, dx^\mu} = \int_C\sqrt{g_{\mu\nu}\,dx^\mu\,dx^\nu}$$
Die Metrik g "modifiziert" den "verallgemeinerten Pythagoras". Die spezielle Form für die SRT erhält man wieder zurück, wenn man für die Metrik
$$g_{\mu\nu} = \text{diag}(1,-1,-1,-1)$$
setzt.
In der o.g. Darstellung ist die Formel allgemeingültig, d.h. sie gilt für beliebige Raumzeiten (beliebige Metriken) und sie ist koordinatensystemunabhängig formulierbar (die Eigenzeit als "verallgemeinerte Länge" der Kurve C hängt nicht vom verwendeten Koordinatensystem ab).
Um nun jedoch konkrete Berechnungen durchzuführen, muss eine konkrete Metrik (d.h. eine konkrete Raumzeit) betrachtet werden; außerdem wird diese üblicherweise in einem konkreten Koordinatensystem dargestellt.
In vielen Fällen kann die Metrik dabei auf Diagonalform gebracht werden, wobei die Einträge noch Funktionen der Koordinaten sein können. Metrik und Integral für tau lauten dann
$$g_{\mu\nu} = \text{diag}(g_{00},g_{ii})$$
$$\tau = \int_C\sqrt{g_{\mu\nu}\,dx^\mu\,dx^\nu} = \int_C \sqrt{g_{00}\,dt^2 + g_{ii}\,(dx^i)^2}$$
Nun kann außerdem, wie im Falle der SRT, das Kurvenintegral in ein dt-Integral umgeformt werden:
$$\tau = \int_{t_a}^{t_b} dt\sqrt{g_{00} + g_{ii}\,(v^i)^2}$$
In dieser Form können z.B. die Schwarzschildgeometrie für das Gravitationsfeld einer sphärisch symmetrischen Massenverteilung sowie die FRW-Geometrie für ein homogenes und isotropes Universum dargestellt werden.
Nun zur Frage, warum die Effekte der Raumzeitkrümmung sowie der Geschwindigkeit nicht separiert werden können bzw. warum man eigtl. gar nicht von zwei getrennten Effekten reden kann:
Die Raumzeitkrümmung ist in der Metrik g codiert; diese gilt immer für ein spezielles Koordinatensystem, in dem dann auch die Geschwindigkeit v angegeben wird. Die Eigenzeit tau entlang einer Kurve C ist aber koordinatenunabhängig, d.h. der Wert von tau = die Eigenzeit eines entlang von C bewegten Beobachters hängt nicht davon ab, in welchem Bezugssystem diese Bewegung beschrieben wird. Man kann z.B. immer die Bewegung in einem mitbewegten Bezugssystem formulieren, d.h. die Eigenzeit tau entspräche damit direkt der Koordinatenzeit. In diesem Koordinatensystem wäre offensichtlich v = 0 (ein Beispiel ist die Eigenzeit eines mitbewegten Beobachters in der FRW-Metrik; ein anderes Beispiel wären die Raindrop-Koordinaten eines frei fallenden Beobachters in der Schwarzschildgeometrie; letzterer spürt gem. des Äquivalenzprinzips nichts von einer Raumzeitkrümmung).
D.h. eine Trennung der beiden Effekte setzt zunächst voraus, dass ein spezielles Koordinatensystem ausgezeichnet wird, in dem die Bewegung betrachtet wird, während die Eigenzeit tau entlang C natürlich koordinatensystemunabhängig ist (denn für die mitbewegte Uhr muss es ja egal sein, in welchem Koordinatensystem wir sie beschreiben).
Abschließende Bemerkung: selbst wenn man durch Einführung eines speziellen Koordinatensystems die Effekte separieren möchte, erhält man nicht einfach eine Addition gem. "Effekt der Raumzeitkrümmung plus kinematischer Effekt der Geschwindigkeit", wie man der obigen Formel sofort ansieht.
So, das war's erst mal; später mehr für den speziellen Fall der Schwarzschildmetrik. Dabei dann auch die Diskussion einer Näherung, aus der. zwei (näherungsweise!) getrennte, additive Effekte folgen.