Diese theoretischen Abhandlungen darüber, ob man im Weltraum dieses oder jenes darf, werden schnell Makulatur sein, sobald dort oben etwas tatsächlich geschieht. Ich glaube nicht, dass Staaten der Erde sich dort draussen in nächster Zeit Land "aneignen" werden, wobei allerdings die USA schon einen kleinen Schritt in diese Richtung gegangen sind, in dem sie die Apollo-Landungsstellen zu "historischen Stätten" ernannt haben. Irgendwann machen das die Chinesen dann auch, ebenfalls mit dem Gebiet rund um ihre erste, permanent bemannte Station... etc.?
Bestimmt ist der Status der Weltraumvertrages 1967 nicht das letzte Wort, und man bekommt bei ein wenig Recherche schnell mit, daß da intensiv diskutiert wird. Der Hauptanstoß aber scheint mir der zu sein, daß kommerzielle Nutzungen ermöglicht sein sollen, die bei striktem Festhalten an dem "no ownership"Prinzip schwer vorstellbar sind. Zu diesen Bestrebungen scheint mir das Mars One-Konzept widersprüchlich zu stehen: Einerseits will man selber Bodenschätze des Mars nutzen (zwar nicht kommerziell, aber auf Dauer), so daß eine Art defacto-Eigentumsanspruch besteht. Andererseits will man auf den Mars, so als sei dieser ein unbeschriebenes Blatt (quasi ein "weißer Planet"). Oder man will sich doch via UNO ins Benehmen mit der "Menschheit" setzten, wobei ich da skeptisch bin (s. unten).
Aber dein Verweis auf den Weltraumvertrag hat ein grosses argumentatives Loch: Der Vertrag gilt nur für jene Staaten, die ihn unterzeichnet haben. Es ist kein wirklich globaler Entschluss, der z.B. unter Androhung oder Anwendung von Gewalt durch den Sicherheitsrat durchgesetzt werden könnte. Um allfällige juristische Probleme während der Vorbereitungsphase der Mars-Koloniemission auf der Erde zu umgehen, braucht die Mars-Mission (zumindest die Besatzung) bloss von einem Staat aus zu starten, der nicht Mitglied des Weltraumvertrages ist. So ist z.B. Tansania äquatornahe und nicht-Unterzeichner des Weltraumvertrages.
Das "argumentative Loch" schätze ich als sehr klein ein - da paßt höchstens eine Silvester-Feuerwerkskörper durch, aber keine Marsrakete. Sehr viele Staaten haben unterzeichnet, darunter alle Weltraumnationen, und der Vertrag beinhaltet die Verpflichtung, den Vertragsinhalt möglichst durchzusetzten. D.h. mit wird gegen einen renitenten Staat nicht militärisch vorgehen, sondern politischen Druck ausüben, und wenn USA, Rußland, China etc. an einem Strang ziehen - ich weiß nicht. Die Startidee von Tansania aus erinnert mich offen gesagt ein bischen an den James-Bond-Film mit den "privaten" Raktenstarts aus einem Vulkan heraus, oder sogar an eine Kinder-SiFi-Geschichte, in der ein Professsor eine bemannte Mondrakete im Garten einer Berliner Villa startete.
Eine relativ naheliegende Möglichkeit zur Umgehung der oben genannten juristischen Schranken auf dem Mars selbst wäre, dass die Mars-Kolonisten nach ihrer Ankunft sofort einen eigenen Staat gründen, dessen Bürger sie werden. Dieser neue Staat kann - rechtlich gesehen - Eigentumsrechte an seine Bürger vergeben und schützen sowie sein eigenes Recht durchsetzen. [...] Das nennt sich dann eben "Fakten schaffen" - ob sich das durchsetzt, hängt langfristig einfach davon ab, ob die irdischen Staaten den neuen Staat anerkennen bzw. wie sie auf diese Herausforderung reagieren.
... und genau diese Vorstellung macht mir große Schwierigkeiten. Das wird die "Weltgemeinschaft" kaum zulassen und von vornherein unterbinden, d.h. wenn diese Gefahr besteht, gar keinen Mars-One-Start zulassen. Man würde doch quasi eine indigene Bevölkerung zulassen, mit der man nicht mehr so umgehen könnte wie seinerzeit in den Amerikas. Das gäbe womöglich Probleme bei späterer Verfolgung eigener Interessen.
Ich denke aber ohnehin, dass wir in den nächsten 20 Jahren oder so eine Überarbeitung des Weltraumvertrags sehen werden. Die Stationierung von Waffen oder das Durchführen von Waffentests wird weiterhin verboten bleiben, genauso die territoriale Expansion von irdischen Staaten. Auch die Regelungen zur gegenseitigen Hilfestellung wird man beibehalten, und bei der Verantwortung der Staaten für Schäden durch Flugobjekte, die von ihrem Territorium aus gestartet wurden, wird man nur Details ändern. Man wird aber die private Aneignung von gewonnen Rohstoffen anerkennen, so ähnlich wie das in der "Law of the Seas" geregelt ist.
So sieht es aus, und das ist nicht unbedingt gut für Mars One - s. oben; gäbe es einen Staat "Mars", könnte dieser nach eigenem Gutdünken die Nutzung der Bodenschätze regeln.
Woher willst du wissen, dass das "Opportunitätsfenster" für eine autarke Kolonie auf dem Mars mit Sicherheit noch für ein paar Jahrzehnte offen bleibt?
In dem Punkt bin ich einfach Optimist, d.h. ich glaube an kein Fenster, das ein für allemal geschlossen wird. Wenn es im Interesse der Menschheit ist, auf dem Mars eine Kolonie zu haben, wird sie das auch ein "andermal" fertigbringen. Und sollte es auf Erden in absehbarer Zeit wirklich zu einem deutlichen Technologie-Rückschritt kommen, wäre eine Marskolonie ohnehin verloren, denn sie wird noch auf lange Zeit von der Erde abhängig bleiben.
Was soll die Verzögerung bringen?
Diverse technologische Fortschritte (inb. Roboterkonstruktion); Testzeit inb. für G1/3; vorherige Durchführung von 2-Weg-Expeditionen; allgemein sowas wie "Bedenkzeit".