Andersherum.
Transzendente Zahl sind überabzählbar und damit der Normalfall.
Hallo Tom,
ich bin auch erst darüber gestolpert, aber der Astrofreund hat hier Recht: die irrationalen Zahlen sind nämlich auch überabzählbar unendlich, denn das ist die Menge IR\IQ - die reellen irrationalen Zahlen, oder IC\IQ. Wobei ich persönlich lieber die Menge IC\IQ(i) als irrationale Zahlen bezeichnen würde, wobei IQ(i) die Menge der rationalen Zahlen adjungiert i ist, d.h. alle Zahlen der Form {p+q*i mit p,q in IQ).
Ich vermute aber, dass man mit "irrationalen Zahlen" die
reellen irrationalen Zahlen meint, so wie man mit rationalen Zahlen ja auch die reellen rationalen Zahlen meint und nicht IQ(i).
Ich habe mir leider angewöhnt, das Wort "irrational" synonym zu "algebraisch" zu verwenden, aber in Wirklichkeit ist die Menge der (komplexen) irrationalen Zahlen die Vereinigungsmenge der irrationalen algebraischen Zahlen, welche abzählbar unendlich sind, sowie der irrationalen transzendenten Zahlen, welche überabzählbar unendlich sind. - Da i als Nullstelle des Polynoms x²+1=0 ebenso wie die √2 als Nullstelle des Polynoms x²-2=0 algebraisch vom Grade 2 ist kommen hier nicht-reelle komplexe Zahlen dazu.
Dann gibt es noch die Menge der (reellen) rationalen Zahlen, welche ebenfalls abzählbar unendlich ist und eine Menge haben wir noch vergessen, das ist die Menge der nicht-reellen rational-komplexen Zahlen, also IQ(i)\IQ, d.h. {p+q*i mit p,q in IQ und q <> 0}. Diese Menge ist als 2-Tupel abzählbar-unendlicher Elemente natürlich ebenfalls abzählbar unendlich.
Noch eine Schlussbemerkung: man kann Polynome mit (reell-)rationalen Koeffizienten als (n+1)-Tupel (reell-)rationaler Zahlen auffassen. Wie wir wissen sind 2-Tupel rationaler Zahlen abzählbar unendlich, und per vollständiger Induktion sind dann (n+1)-Tupel rationaler Zahlen abzählbar unendlich, d.h. es gibt nur abzählbar-unendlich viele Polynome mit (reell-)rationalen Koeffizienten.
Nun kommt der Hauptsatz der Algebra ins Spiel, welcher besagt, dass Polynome mit (reell-)rationalen Koeffizienten vom Grade n höchstens n Nullstellen haben (wenn man die Vielfachheiten mitzählt sind es genau n Nullstellen), d.h. die Menge der Nullstellen der Polynome mit (reell-)rationalen Koeffizienten ist ebenfalls abzählbar unendlich. Das sind aber gerade per definitionem die algebraischen Zahlen, d.h. die Menge der algebraischen Zahlen ist abzählbar unendlich.
Wir haben nun viele Mengen gesehen und hier herrscht auch etwas Verwirrung betreffen "reell" und "komplex".
Algebraisch hängen diese Mengen wie folgt zusammen:
1. Peano-Axiome mit Startelement 1 und Schrittweite 1 führt zur
Halbgruppe der natürlichen Zahlen.
2. die natürlichen Zahlen kann man eindeutig (d.h. bis auf Isomorphie) zur
Gruppe der ganzen Zahlen ergänzen.
3. die ganzen Zahlen bilden einen Ring, der zusätzlich ein 1-Element enthält, kommutativ ist und nullteilerfrei ist ("Integritätsbereich").
4. jeder Integritätsbereich besitzt einen eindeutigen (bis auf Isomorphie) Quotientenkörper; das ist die Menge der rationalen Zahlen. Das IQ kommt vom Wort "Quotientenkörper".
5. Nun kann man mithilfe der Polynome mit rationalen Koeffizienten Oberkörper bilden, beispielsweise IQ(√2) = {p+q*√2 mit p,q in IQ}. Das multiplikativ Inverse erhält man, indem man 1/(p+q*√2) mit p-q*√2 erweitert, dann wird der Nenner rational zu p²-2q², d.h. die Wurzel gelangt in den Zähler. Somit ist IQ(√2) ein Körper.
6. Analog zeigt man, dass IQ(√2,√3) ebenfalls einen Körper bilden (ähnlich wie bei den Einheiten der Quaternionen mit √6 als "vierte" Dimension)
7. Man kann zeigen, dass "die Adjungierung" aller "Wurzeln" - korrekte Definition: die Menge der Nullstellen der Polynome mit (reell-)rationalen Koeffizienten einen Körper bilden; das ist der Körper der algebraischen Zahlen.
Nun gehen wir in die Analysis:
4. hat den Körper der rationalen Zahlen gebildet
8. nun "vervollständigen" wir diesen Körper, indem wir die Grenzwerte aller (konvergenten) Cauchy-Folgen mit rationalen Folgengliedern dazunehmen; das führt zur Menge und zum Körper der reellen Zahlen
9. nun adjungieren wir zum Körper der reellen Zahlen die imaginäre Einheit i mit der Rechenvorschrift i*i=-1, dann erhalten wir den Körper der komplexen Zahlen.
10. nun adjungieren wir zum Körper der komplexen Zahlen eine weitere imaginäre Einheit j mit der Rechenvorschrift j*j=-1 und i*j einer vierten Dimension k (siehe oben mit √2*√3=√6), dann erhalten wir den
Schiefkörper der Hamilton'schen Quaternionen. Schiefkörper heisst, dass das Kommuntativgesetz der Multiplikation im Allgemeinen nicht mehr gültig ist; so gilt beispielsweise i*j=k, aber j*i=-k. Vorsicht: Bei IQ(√2,√3) haben wir dieses Vorzeichenproblem nicht, da IQ(√2,√3) eine Teilmenge von IR ist und IR ein Körper ist; dieses Vorzeichenproblem tritt erst dann auf, wenn imaginäre Einheiten ins Spiel kommen.
11. man kann nun weitere imaginäre Einheiten adjungieren und erhält Mengen mit immer weniger Eigenschaften, so bildet die Menge der Oktaven oder Oktonionen noch eine Divisionsalgebra.
Cantor konnte 1874 zeigen, dass die Menge der reellen Zahlen
nicht bijektiv zur Menge der rationalen Zahlen sein kann, was bedeutet, dass sie von einer höheren Mächtigkeit ist ("überabzählbar unendlich").
Die Differenzmenge IR\(IA n IR) (reelle algebraische Zahlen; das "n" soll Schnittmenge bedeuten) nennt man (reelle) transzendente Zahlen bzw. die Differenzmenge IC\IA nennt man transzendente Zahlen. Wäre die Menge der tranzendenten Zahlen nur abzählbar unendlich gross, so wäre die Vereinigung der transzendenten Zahlen und der algebraischen Zahlen als Vereinigungsmenge zweier abzählbar unendlicher Mengen ebenfalls nur abzählbar unendlich, im Widerspruch zum Cantorschen Diagonalbeweis, dass die Menge der reellen Zahlen (und somit auch der komplexen Zahlen) überabzählbar unendlich gross ist.
Freundliche Grüsse, Ralf