Herausforderungen für das Λ-CDM-Modell

TomS

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Das ΛCDM-Modell, auch Standardmodell der Kosmologie genannt, beschreibt die Entwicklung des Universums (seit dem Ende der hypothetischen Inflation).

Es basiert zunächst auf der Annahme kosmologischen Prinzips
William Keel schrieb:
The cosmological principle is usually stated formally as 'Viewed on a sufficiently large scale, the properties of the universe are the same for all observers.' This amounts to the strongly philosophical statement that the part of the universe which we can see is a fair sample, and that the same physical laws apply throughout. In essence, this in a sense says that the universe is knowable and is playing fair with scientists
was häufig zu der spezielleren Annahme, das Universum sei auf genügend großen Skalen homogen und isotrop, verengt wird. Letzteres wird mathematisch dergestalt formuliert, dass auf genügend größten Skalen eine Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik plus "kleine Störungen" vorliegt; für letztere wird angenommen, dass sie keine wesentlichen Rückwirkungen * auf die FRW-Metrik verursachen.

Zudem wird angenommen, dass es neben sichtbarer Materie und Strahlung außerdem zwei unsichtbare Komponenten geben muss, die kosmologische Konstante Λ sowie kalte dunkle Materie CDM.

Mit diesen Annahmen sind zugleich die potentiellen Probleme gesetzt: alle diese Annahmen können falsch sein.

Im Folgenden möchte ich mich auf das Problem der Homogenität und Isotropie konzentrieren (Λ und CDM klammere ich auch; auch das Modell der hypothetischen Inflation könnte falsch sein)

Hier ein Überblick zu potentiellen Problemen für das ΛCDM-Modell sowie einigen Ansätzen zu nicht-homogenen Universen.
https://en.wikipedia.org/wiki/Lambda-CDM_model#Challenges
https://en.wikipedia.org/wiki/Inhomogeneous_cosmology


* In Kosmologie und hier speziell bei der Untersuchung der Bildung und der Beobachtung von Strukturen bezeichnet "Backreaction" die aufgrund der Nichtlinearität der Einsteinschen Feldgleichungen resultierende Nicht-Kommutativität der Mittelwertbildung und der dynamischen Entwicklung der raumartigen Schnitte der Raumzeit.

{\displaystyle G_{\mu \nu }({\overline {g_{\alpha \beta }}})\neq {\overline {G_{\mu \nu }(g_{\alpha \beta })}}={\frac {8\pi G}{c^{4}}}{\overline {T_{\mu \nu }}}}
 

TomS

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CMB-Multipol-Korrekturen

Zunächst muss man überlegen, wie man den gemessenen CMBm bereinigt, um auf den tatsächlichen CMB zu schließen. Dazu nehmen wir vorübergehend an, der CMB wäre isotrop. Dann induziert unsere Bewegung gegenüber demselben niedrige Multipol-Korrekturen, zum einen aufgrund der Frequenz-Verschiebung, zum anderen auf der relativistischen Aberration. Um diese herauszurechnen bestimmt man zunächst das Dipolmoment des CMBm, berechnet daraus die Relativgeschwindigkeit, und verwirft den Dipol.

Das ist allerdings noch unzureichend. Unsere Relativbewegung ist groß genug, um auch einen messbaren Quadrupol-Anteil zu induzieren. Da für die Bestimmung desselben keine unabhängige Gleichung vorliegt, folgt dieser alleine aus dem Dipol. Auch der Quadrupol kann somit korrigiert werden.

Nun nehmen wir an, der CMB wäre nicht isotrop, d.h. er hätte einen nicht-verschwinden Dipol. Zusammen mit dem fälschlicherweise vollständigen Herausrechnen des Dipols aus CMB
m haben wir zugleich den Quadrupol falsch korrigiert, d.h. die ersten beiden Multipole des berechneten CMBc stimmen nicht mit denen des tatsächlichen CMB überein.

Die fälschliche Annahme des Verschwindens des Dipols verfälscht also zudem den Quadrupol.

(außerdem induziert die Quadrupol-Korrektur eine Monopol-Korrektur; ohne Berücksichtigung der Aberration ist das alles nur richtungsabhängige Doppler-Verschiebung plus Gymnastik mit Kugelflächenfunktionen; je Ordnung v/c wächst die Potenz des cos(theta) aus der Doppler-Verschiebung um Eins, d.h. die n-te Potenz erzeugt eine Legendre-Funktion P
n(cos(theta)) und damit Korrekturen von l=n bis zu l=0, wobei theta=0 in Bewegungsrichtung gilt, was eigtl. erst im Nachhinein angewendet werden kann; an der Ordnung der Korrekturen ändert das nichts, es reduziert lediglich die Betrachtung von allen Ylm auf Yl0 ~ Pl).
 

TomS

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lächerlich, oder meinst Du etwas anderes?
γ = 1.0000007578352859
δ.CMB/T = 0.000009906439
Schau mal u.a. hier:



This has entailed the study of anomalies in both WMAP and Planck maps to make departures more discernible if any such exist. Such anomalies include the north–south power asymmetry, which is relatively insignificant for all scales from Planck, high degree of octupole–quadrupole alignment that strengthens on removing the frequency-dependent kinetic Doppler quadrupole, quadrupole power deficit and planarity of the octupole , the power excess for lower odd multipoles, the non-Gaussian cold spot, unusually weak non-uniformity in the placement of CMB hot and cold spots, and the like.

It has been pointed out recently that the quadrupole-octopole alignment in the CMB data is significantly affected by the so-called kinetic Doppler quadrupole (DQ), which is the temperature quadrupole induced by our proper motion. Assuming our velocity is the dominant contribution to the CMB dipole we have v/c = beta = (1.231 +/- 0.003) * 10^{-3}, which leads to a non-negligible DQ of order beta^2.

Es geht mir noch gar nicht um die Behauptungen und Ergebnisse der Arbeiten, sondern um deren Aussagen zur Notwendigkeit den "kinetic Doppler quadrupole" zu berücksichtigen.

Und lass' bitte diesen Ton! Ich dachte, darüber wären wir hinweg.
 
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TomS

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Diese Koinzidenz finde ich allerdings auch lächerlich:
Moreover, the combined quadrupole plus octopole is surprisingly aligned with the geometry and direction of motion of the solar system
Was ist daran lächerlich?

Diese Ausrichtung wird in diversen Arbeiten genannt. Nach den üblichen Annahmen der Isotropie sowie der statistischen Unabhängigkeit der Fluktuation ist das absolut nicht erklärbar.

Der CMB sowie seine Zweipunkt-Korrelationen erscheinen also zunächst isotrop, ohne signifikante statistische Merkmale, für n-Punkt-Korrelationen oder Korrelationen der Multipolmomente gilt dies aber wohl nicht.

Das widerspricht der ursprünglichen Annahme der Isotropie.
 
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ralfkannenberg

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γ = 1.0000007578352859 halte ich für eine lächerliche Größe in diesem Zusammenhang.
Hallo Rainer,

immerhin scheint die vorgenannte Relativbewegung gross genug zu sein, dass verschiedene Autoren hierzu Rückschlüsse ziehen können.

Wenn Du der Meinung bist, dass diese Ergebnisse unzutreffend sind bzw. in statistischen Rauschen versinken steht es Dir natürlich frei, einen Gegenartikel zu platzieren.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Rainer

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immerhin scheint die vorgenannte Relativbewegung gross genug zu sein, dass verschiedene Autoren hierzu Rückschlüsse ziehen können.
Das ist aber nicht wie ich dachte wegen γ, sondern wird aus den Daten abgeleitet.
Diese Ausrichtung wird in diversen Arbeiten genannt. Nach den üblichen Annahmen der statistischen Unabhängigkeit der Multipole ist das absolut nicht erklärbar.
Sofern der Dipol abgezogen wurde, sollte die Bewegung keine Rolle spielen, eine Korrelation wäre also zufällig.

Die Fluktuationen der CMB betragen ohne den Dipol
δ = 27e-6 K = 0,000027 K

Die Grafiken 1-3 der ersten zitierten Arbeit behandeln eine Breite von
± 0,00005 K

Das passt nicht wirklich zusammen.
 
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TomS

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Sofern der Dipol abgezogen wurde, sollte die Bewegung keine Rolle spielen, eine Korrelation wäre also zufällig.
Hast du einmal selbst durchgerechnet, wie die Multipole ermittelt und wie der Dipol l,m = 1,0 abgezogen wird?

Egal ob man das richtig macht – also die richtige Eigenbewegung v ansetzt – oder nicht, diese Subtraktion induziert immer eine Korrektur anderer Multipole in höheren Ordnungen v/c. Diese Korrekturen sind nie statistisch.

Wenn also nach der Korrektur eine signifikante Korrelation zwischen höheren Multipolen – hier l=2 und l=3 – verbleibt, dann ist sie da; sie wurden weder durch die Korrektur des Dipols erzeugt, noch können sie durch eine angepasste Dipolkorrektur eliminiert werden *.

Also ist
sofern der Dipol abgezogen wurde, sollte die Bewegung keine Rolle spielen …
nicht der Punkt – der Dipol wurde abgezogen, aber das spielt nur eine untergeordnete Rolle – jedoch ist
… eine Korrelation wäre also zufällig …
irgendwie sinnlos bzw. reines Wunschdenken.

Es geht zunächst nicht darum, dass die Korrelation zufällig ist oder nicht. Es geht darum, dass in Daten, die laut der Annahme von Lambda-CDM zufällig sind, nicht-verschwindende und nicht-zufällige Korrelationen existieren, die der ursprünglichen Annahmen der Zufälligkeit, also der statistischen Unabhängigkeit der Daten von entfernter Punkten am Himmel widersprechen.

Wenn du 20 Mal hintereinander eine Sechs würfelst, dann könnte diese Korrelation natürlich zufällig sein; wahrscheinlich ist das aber sicher nicht.

Und genauso verhält es sich auch hier: die Korrelationen der Multipole könnten zufällig sein, aber man darf getrost davon ausgehen, dass dies in diesem riesigen Sample nicht der Fall ist.



* wäre letzteres der Fall, dann läge sogar eine Dipol-Quadrupol-Oktupol-Korrelation vor, was die Sache für Lambda-CDM nur noch schlimmer machen würde
 
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Rainer

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Die Fluktuationen der CMB betragen ohne den Dipol

Das passt nicht wirklich zusammen.
Soweit ich die Bildunterschrift 1 verstehe, wurde zuerst der Quadrupol "bereinigt" und dann der verbleibende Dipol dargestellt.

Figure 1. The ℓ = 2 multipole from the Tegmark et al. (2003) cleaned map, presented in Galactic coordinates, after correcting for the
kinetic quadrupole
.


Wie geht das denn?

Ich fürchte, diese Arbeiten sind mir zu fantasievoll. Davon habe ich auch noch nie etwas aus seriösen Quellen gehört.
Bei Planck spielt das keine besondere Rolle und wird nur im Rahmen der Polarisation erwähnt.

Hier wird der Quadrupol mit lediglich
Given the quadrupole moment measured by the Planck satellite,
Q ≡ (∆T /T )Q ∼4.5 × 10⁻⁶ (Notari & Quartin 2015)

angegeben.
 
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TomS

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Ich fürchte, diese Arbeiten sind mir zu fantasievoll.
?

Davon habe ich auch noch nie etwas aus seriösen Quellen gehört.
Diese large-angle anomalies sind seit COBE eines der zentralen Themen.

Und was sind deiner Meinung nach denn seriöse Quellen? Ist Planck ok?


Bei Planck spielt das keine besondere Rolle und wird nur im Rahmen der Polarisation erwähnt.
Die Analysen spielen bei Planck die selbe Rolle, nur werden seit COBE etablierte Methoden nicht ständig neu erklärt.
 

Bernhard

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@TomS: In einem anisotropen Modell muss man sich halt neu überlegen, auf welches Bezugssystem man die Geschwindigkeit der Sonne beziehen will. Welche belastbaren Vorschläge sind da vorstellbar?
 
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TomS

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Es gibt vielfältige Hinweise im CMB, die auf eine Verletzung von Homogenität und Isotropie oder verwandter Annahmen hinweisen.

FLRW-Anomalies – CMB / early Universe
  1. Quadrupole and octopole alignments
  2. Hemispherical power asymmetry
  3. Odd mirror / parity anomaly
  4. Parity violation / directionality
  5. Topological anomalies
Während (1 – 4) auf unerwartete Korrelationen oder Vorzugsrichtungen im CMB hinweisen, ist letzteres ein Hinweis auf eine mögliche nicht-triviale Topologie des 3-Raumes, jedoch lokal FLRW (das hatten wir schon diskutiert).

Es geht nicht darum, dass dies so ist, sondern darum, dass derartige Indizien in den Daten vorliegen und je nach Sample, Filtering, Analysenmethode und auch Interpretation unterschiedlich signifikant erscheinen.

Siehe u.a.



Nochmal grundlegend zur Mathematik

Definition

Die Fluktuationen des CMB werden definiert mittels

png.image


Die mittlere Temperatur T-bar entspricht dabei dem Monopolterm l=0; die Summe läuft also ab l=1.

Multipol-Korrekturen

Herausrechnen des Dipols erfolgt unter Berücksichtigung von

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bzw. nach Einsetzen in das Plancksche Strahlungsgesetz der Anwendung Transformation auf die Temperatur

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Eine Entwicklung in beta dieser geschwindigkeits- und richtungsabhängigen beobachteten Temperatur * führt auf Potenzen des Cosinus und damit auf

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Diese Gleichung gilt unter der Annahme, dass die Bewegungsrichtung bekannt ist und theta = 0 entspricht.

Setzt man nun in diese Formel für T die zuerst betrachteten Fluktuationen ein, bricht die Entwicklung in beta mit dem quadratischen Term ab, und berücksichtigt die zunächst unbekannte Bewegungsrichtung, so folgt für die je Raumwinkel beobachtete Temperatur links

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Die linke Seite ist demnach abhängig von unbekannten kinematischen Größen, den Koeffizienten b **. Diese werden herausgerechnet im Zuge der Forderung, dass im ersten Term der rechten Seite – der tatsächlichen Temperatur – alle l=1 Terme exakt verschwinden.

Diese entspricht der Forderung nach Isotropie, also Abwesenheit eines tatsächlichen Dipols im ersten Term, der tatsächlich Temperatur im Ruhesystem des CMB.

CMB power spectrum

Die in

The-CMB-power-spectrum-as-seen-by-Planck-76-The-red-dots-with-error-bars-are-the-data.png


aufgetragen Größen D entsprechen im wesentlichen geeignet skalierten Koeffizienten

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Statistische Unabhängigkeit

Diese besagt im wesentlichen, dass die lokalen Fluktuationen des CMB an verschiedenen Orten statistisch unabhängig sind, woraus man ableiten *** kann, dass die Korrelation diagonal und m-unabhängig sind.

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Die gesamte Diskussion der CMB-Anomalien dreht sich letztlich um die aus den Daten folgenden Verletzungen dieser Gleichung, die Analyse-Methoden, mögliche systematische Fehler, Artefakte, statistisch Signifikanz und Interpretation.


* wobei ich weitere Korrekturen ignoriere; es geht um's Prinzip

** da es um die Bewegungsrichtungen geht, sind es nur drei unabhängige für l=1; diejenigen für l=0,2 folgen daraus

*** kann ich nachreichen
 
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Rainer

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CMB power spectrum
dieses ist bereits durch Monopol (Mittelwert) und Dipol (Bewegung) bereinigt.

CMB power spectrum
Die Multipole des Powerspektrum kleiner 30 sind irrelevant, da statistisch nicht aussagekräftig.

Dies hat allerdings gar nichts mit Monopol (Mittelwert bar.T) und Dipol (Bewegung) zu tun. Die Multipole des Powerspektrum sind nicht richtungsabhängig und haben daher gar nichts mit einer Anisotropie zu tun.

Siehe u.a.
(Planck 2013 results. XXIII. Isotropy and statistics of the CMB)
Danke.
Although these analyses represent a step forward in building an understanding of the anomalies, a satisfactory explanation based on physically motivated models is still lacking.

Da warte ich einfach mal ab, ob jemand etwas findet, was überzeugt.


Hier die neueren Versionen ... habe ich nicht im Detail gelesen.

22 Jan 2016 Planck 2015 results. XVI. Isotropy and statistics of the CMB
We find that the CMB is largely consistent with statisti-
cal isotropy
, although there are a few indications of anoma-
lies with respect to the expectations of ΛCDM.


14 Sep 2020 Planck 2018 results. VII. Isotropy and Statistics of the CMB
Specifically, the observed
fluctuations are largely compatible with Gaussian statistics
and statistical isotropy
, with some indications of departures
from the expectations of ΛCDM in a few cases. Such sig-
natures are well known;
 
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