Grundlagenprobleme der Quantenmechanik

Bernhard

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Es ist eine andere Rechenmethode*) weiter nichts.
Das Pfadintegral bringt gleich drei Vorteile:
a) Man hat die Äquivalenz zur Schrödingergleichung und wir haben oben ja mehrfach festgestellt, dass man die nur ungern in Frage stellen möchte
b) Man erhält einen Vorschlag, was physikalisch bei der Zeitentwicklung einer Wellenfunktion in Ortsdarstellung real passiert
c) Man erhält eine Erklärung, warum es zulässig ist den Anfangsbedingungen eines Systems (Wellenfunktion in Ortsdarstellung) eine Wahrscheinlichkeitsamplitude mitzugeben.
 

TomS

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a) klar
b) in Ortsdarstellung real passiert? also ob ich jetzt die Wellenfunktion in einem unendlich-dimensionalen Hilbertraum und über dem 3N-dimensionalen Konfiguration als real auffasse, oder ob ich die Menge aller überabzählbar unendlich vielen Pfade, in der die differenzierbaren Pfade eine Nullmenge darstellen als real auffasse ...
c) wenn es überhaupt eine Erklärung dafür gibt, denn erbt die Pfadintegraldarstellung diese aus der Konstruktion des Pfadintegrals aus dem kanonischen Formalismus; das Pfadintegral liefert für diese Wahrscheinlichkeitsamplitude nichts neues
 

Bernhard

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Nochmal zu den Details des Doppelspaltexperimentes: https://de.wikipedia.org/wiki/Quantenmechanik#/media/Datei:Tonomura_e.jpg

Bei diesem Bild könnte man doch behaupten, dass jede Aufhellung auf dem Bild ("Bildpunkt") durch ein einzelnes Elektron verursacht wurde, was aus den unendlich vielen möglichen Wegen zwischen Blende und Schirm eben den Weg ausgewählt hat, der zu der Aufhellung führt.

Falls dem so ist, müsste man die QM dann aus einer allgemeineren Theorie ableiten. Die QM würde dann nur so etwas wie einen Rahmen (Menge an Möglichkeiten) der tatsächlichen Vorgänge modellieren.
 

TomS

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Bei diesem Bild könnte man doch behaupten, dass jede Aufhellung auf dem Bild ("Bildpunkt") durch ein einzelnes Elektron verursacht wurde, was aus den unendlich vielen möglichen Wegen zwischen Blende und Schirm eben den Weg ausgewählt hat, der zu der Aufhellung führt.
... was aus den unendlich vielen möglichen Wegen ... eben einen Weg ausgewählt hat ...

Es gibt auch dafür unendlich viele mögliche Wege.

Falls dem so ist, müsste man die QM dann aus einer allgemeineren Theorie ableiten. Die QM würde dann nur so etwas wie einen Rahmen (Menge an Möglichkeiten) der tatsächlichen Vorgänge modellieren.
Ich sehe zwar nicht, wie du das jetzt konkret aus dem Pfadintegral ableitest, aber ja, ich denke schon, dass man in diese Richtung denken kann.
 

Bernhard

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... was aus den unendlich vielen möglichen Wegen ... eben einen Weg ausgewählt hat ...
Genau
Es gibt auch dafür unendlich viele mögliche Wege.
Klar. Man weiß nur, dass der Weg bei einem der beiden Spalte anfängt und auf der Fotoplatte in einer bestimmten Aufhellung endet.

Ich sehe zwar nicht, wie du das jetzt konkret aus dem Pfadintegral ableitest, aber ja, ich denke schon, dass man in diese Richtung denken kann.
Man braucht ein Modell für die möglichen Abweichungen von den klassischen Teilchenbahnen und ein Modell für die Interaktion zwischen zwei Teilchen. Wie wäre es mit einem Spinnetzwerk? Das Teilchen wählt mit gewissen Wahrscheinlichkeiten immer einen bestimmten Weg von Knoten zu Knoten.

Problem: Es gibt da x mögliche Ansätze. Ne echt harte Nuss zu knacken.
 

Bernhard

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Man braucht ein Modell für die möglichen Abweichungen von den klassischen Teilchenbahnen und ein Modell für die Interaktion zwischen zwei Teilchen.
Wobei man das Modell für die Interaktion eigentlich auch schon hat, wenn man in den Pfadintegralen Wechselwirkungspotentiale berücksichtigt.

Die Frage nach dem Messproblem reduziert sich bei dieser Sichtweise auf die Frage, warum in der Natur/Realität immer genau ein Weg eines Teilchens verwendet wird. Thermische Photonen scheiden als Grund eigentlich aus, weil die normalerweise in diesem Formalismus nicht vorkommen und bei Berücksichtigung ein messbar anderes Verhalten der Teilchen bewirken würden.
 

TomS

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Die Frage nach dem Messproblem reduziert sich bei dieser Sichtweise auf die Frage, warum in der Natur/Realität immer genau ein Weg eines Teilchens verwendet wird.
Nein, sondern „warum in der Natur/Realität immer genau ein Endpunkt realisiert wird“.

Und genau das beantwortet das Pfadintegral - zumindest in der mir bekannten Formulierung - nicht, da Start- und Endpunkt über die Randbedingungen vorgegeben werden.

Thermische Photonen scheiden als Grund eigentlich aus, weil die normalerweise in diesem Formalismus nicht vorkommen und bei Berücksichtigung ein messbar anderes Verhalten der Teilchen bewirken würden.
Na ja, natürlich müsstest du realistischerweise ein Pfadintegral für eine Vielteilchentheorie berechnen. Nur, das liefert letztlich nichts anderes als Matrixelemente von exp[-iHt].
 

Bernhard

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Nein, sondern „warum in der Natur/Realität immer genau ein Endpunkt realisiert wird“.
Der Endpunkt wird beim Doppelspaltexperiment doch sehr wahrscheinlich von einer lokalisierten Wechselwirkung mit der Fotoplatte festgelegt. Die Lokalisierung der Wechselwirkung ergibt sich durch die Lokalisierung der Atome der Fotoplatte im Verbund eines Festkörpers.

Es gibt bei dieser Interpretation mMn nur noch wenig Spielräume, die per Experiment geklärt werden müssten. Kann es zB sein, dass auch mal zwei Schwärzungspunkte von einem Elektron auf der Platte ausgelöst werden? Vermuten würde ich eher nein.
 
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Bernhard

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Ich verfolge diesen Punkt auch deshalb, weil ein prinzipieller Zufall auf kleinsten Skalen, den Ansatz der TI, wie von Dir hier beschrieben, mMn weitgehend ad absurdum führen würde. Man müsste sich dann entscheiden, ob man einen prinzipiellen Zufall auf kleinsten Skalen akzeptieren will oder nicht.
 

TomS

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Der Endpunkt wird beim Doppelspaltexperiment doch sehr wahrscheinlich von einer lokalisierten Wechselwirkung mit der Fotoplatte festgelegt.
Ein Endpunkt wird beim Doppelspaltexperiment sehr wahrscheinlich auf der Fotoplatte festgelegt. Aber die Frage ist, welcher.

Die Lokalisierung der Wechselwirkung ergibt sich durch die Lokalisierung der Atome der Fotoplatte im Verbund eines Festkörpers.
Das ist eine Vermutung - siehe die TI.
 

Bernhard

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Ein Endpunkt wird beim Doppelspaltexperiment sehr wahrscheinlich auf der Fotoplatte festgelegt. Aber die Frage ist, welcher.
Ich denke, diese Frage kann im Prinzip und teilweise durch die zufällige Wahl des Weges erklärt werden, falls man den Zufall auf diesen Skalen akzeptiert.

EDIT: Man kann sich an der Stelle auch überlegen, ob es aktzeptabel ist von Wirkungen (Elektron geht den einen oder den anderen Weg) ohne Ursache auszugehen. Ich für meinen Teil, würde das als Teil einer Erklärung der Vorgänge bei einer q-Messung (Erklärung einer Messung mit den Mitteln der Quantenmechanik) akzeptieren.
 
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Bernhard

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Warum kommst du zu dieser Schlussfolgerung?
Es ist schlicht unpraktikabel Operatoren mit eindeutigen Eigenwerten für die Ergebnisse eines zufallsbasierten Experimentes zu konstruieren. Allerdings ist das scheinbar auch nur ein möglicher Ansatz der TI. Für mögliche andere Erklärungen der TI muss ich mich erst weiter einlesen.
 

TomS

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Ich denke, diese Frage kann im Prinzip und teilweise durch die zufällige Wahl des Weges erklärt werden, falls man den Zufall auf diesen Skalen akzeptiert.
Dadurch ist im Vgl. zu Kopenhagen letztlich nichts gewonnen.

Entweder entwickelt man ein konkretes Modell (GRW o.a.) oder man eliminiert den objektiven Zufall a la Neumaier (oder man bleibt bei Kopenhagen).
 

TomS

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Es ist schlicht unpraktikabel Operatoren mit eindeutigen Eigenwerten für die Ergebnisse eines zufallsbasierten Experimentes zu konstruieren.
Die Konstruktion der Operatoren ist kein Problem. Die Frage ist, was sie mit dem Rest der Theorie zu tun haben.

Allerdings ist das scheinbar auch nur ein möglicher Ansatz der TI.
Die TI verwendet nicht den Standardansatz “Messwert = Eigenwert”.
 

Bernhard

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Sorry für die eigentlich abwegigen Spekulationen oben. Liegt wohl daran, dass das Studium schon eine Weile her ist:oops:. Mit der statistischen Deutung, die man manchmal auch in den Lehrbüchern mit Verweis auf die Diffusionsgleichung findet, kommt man mMn auch beim Messproblem zumindest in der Anschauung noch am Weitesten.
Eine hilfreiche Veranschaulichung ist ja vielleicht die statistische Betrachtung des Würfelwurfs. Man kann sich leicht überlegen, dass die Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Zahl (1 bis 6) zu würfeln immer gleich 1/6 ist und man hat damit ja auch eine Art unscharfes Naturgesetz gefunden. Warum bei einem konkreten Wurf ausgerechnet eine bestimmte Zahl ausgewählt wird, ist aber ein ganz anderes Problem. Ich denke, dass das Messproblem der Quantenmechanik ähnlich "gelagert" ist. Die TI ist damit nicht "vom Tisch".
 

TomS

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Das eigentliche interessante an der Thermal Interpretation ist, wie man auf sie antworten bzw. nicht antworten kann:

Man kann sie *
  • mathematisch widerlegen
  • mathematisch stützen
Man kann sie
  • nicht weginterpretieren
Und man kann sie natürlich ignorieren.

* prinzipiell; praktisch muss man sehen, wie weit man kommt
 

Bernhard

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Hier: Schrödinger's Equation and Classical Brownian Motion (19.4.1999, G.N. Ord) kann man nachlesen, dass die brownsche Bewegung vor allem eine eindeutige mikroskopische Deutung der Diffusionsgleichung ergibt. Für eine Herleitung der Schrödingergleichung sind scheinbar noch weitere Bedingungen notwendig. In der Arbeit wird ein toy model angegeben. Damit wird man eigentlich schon wieder direkt zurück zum Pfadintegral mit seiner anschaulichen Bedeutung geführt.

EDIT: Insofern interpretiere ich Zustände in der Ortsraumdarstellung gerne als Bewegungsmuster. Diese können sich auch überlagern, womit man eine Deutung der zugehörigen Superpositionen erhält und zwar in Übereinstimmung mit der Schrödingergleichung.

Und man kann sie natürlich ignorieren.
Die TI muss sich wie jede andere Interpretation auch in der Praxis bewähren.
 
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TomS

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Die TI muss sich wie jede andere Interpretation auch in der Praxis bewähren.
Nur die TI muss sich in der Praxis bewähren.

Alle anderen* Interpretationen sind so konstruiert, dass sie zu den bisherigen Berechnungen und zu den bekannten Beobachtungen passen.

Sämtliche Experimente zeigen lokalisierte und eindeutige einzelne Detektorereignisse. Alle bisherigen Berechnungen liefern keine eindeutigen einzelnen eindeutige einzelne Detektorereignisse sondern Superpositionen oder inkohärente Überlagerungen.

Nur die TI stellt eine letztlich einfache Hypothese auf: Die bisher verwendeten mathematischen Methoden sind nicht ausreichend; geeignet verfeinerte Methoden liefern stattdessen lokalisierte und eindeutige Korrelationsfunktionen etc. - in Übereinstimmung mit dem Experiment.

Die TI interpretiert nicht die Ergebnisse, die wir nicht beobachten, geeignet um, sie behauptet, wir müssten lediglich die geeigneten mathematischen Methoden finden.

Hätte die TI damit recht, bräuchte es überhaupt keine Interpretation mehr.

* die MWI hat evtl. noch eine ähnliche Herausforderung wie die TI.
 
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