Grundlagenprobleme der Quantenmechanik

TomS

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Nachdem eine Lösung des Messproblems im Rahmen der Axiome der Quantenmechanik in diesem Thema zu relativ komplizierten Detailmodellen für explizite Messungen geführt hat, möchte ich noch darauf hinweisen, dass das Messproblem zumindest für die nichtrelativistische QM durch die bohmsche Mechanik prinzipiell gelöst wird, bzw. erst gar nicht auftritt.
Jein.

Erstens erscheint die Bohmsche Mechanik extrem künstlich - aber das ist nicht das zentrale Problem.

Zweitens löst sie nur gewisse Aspekte des Messproblems, nämlich die im Zusammenhang mit Ortsmessungen. Für alle anderen "Eigenschaften", die sich nicht den Teilchen zuordnen lassen sondern an der "Wellenfunktion hängen" und die demnach weiterhin nicht-lokalisiert sind, liefert die Bohmsche Mechanik keine Lösung. Ich sehe da z.B. Spin, Isospin, Color etc.

Ich habe auch immer noch keine Version gesehen, die die relativistische Quantenfeldtheorie ersetzen könnte.

Äh, nee, das ist doch ein völlig anderer Denkansatz.

Die Bohmsche Mechanik ist eine zutiefst realistische objektiv rein deterministische Theorie. Jedes einzelne Teilchen ist immer real, die Wellenfunktion liefert ein Quantenpotential, dem das Teilchen folgt.

Bayesianismus ist dagegen eine Spielart einer rein stochastischen Theorie, die keine Aussagen über Einzelsysteme trifft.
 
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TomS

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Wir können uns jetzt überlegen, in welche Richtung wir weitermachen.

Siehe zunächst oben:
Die fundamentalen Alternativen sind doch übersichtlich
  1. objektiver, nicht eliminierbarer Zufall
  2. objektiver allerdings praktisch nicht nutzbarer Determinismus (jedoch subjektiver Zufall)
  3. keine eindeutigen Messergebnisse d.h. viele Welten (wiederum objektiver Determinismus jedoch subjektiver Zufall)
Meine persönliche Ansicht dazu
  1. nicht-realistische und stochastische Interpretationen halte ich allgemein für langweilig - und subjektiv betrachtet gehen sie mir gegen den Strich; aber selbst wenn ich das vergesse, bleiben sie langweilig: wir wissen seit ca. einem Jahrhundert, dass dieser Minimalkonsens funktioniert; es geht lediglich noch um diverse Spielarten und Feinheiten; fundamental neues entdecken wir da nicht
  2. mich würde die Thermal Interpretation als Alternative interessieren
  3. die Viele-Welten-Interpretation liefert eventuell eine Lösung, auch wenn es da noch erhebliche konzeptionelle Probleme gibt; wir mögen beide die ontologischen Konsequenzen nicht
Ich würde - wenn dir das recht ist - in einem neuen Thread wesentliche Aspekte der TI kurz vorstellen, die wir dann diskutieren können.

Ich halte die TI für extrem ambitioniert und spannend; sollte sie sich als durchführbar herausstellen, wäre das eine Sensation. Andererseits sehe ich zumindest ein fundamentales Problem - das sehr eng mit dem bisher genannten Problem der Lokalisierung im Detektor zusammenhängt - auf das ich hinarbeiten und das ich diskutieren möchte.

Was meinst du?
 

Bernhard

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Ich würde - wenn dir das recht ist - in einem neuen Thread wesentliche Aspekte der TI kurz vorstellen, die wir dann diskutieren können.

Ich halte die TI für extrem ambitioniert und spannend; sollte sie sich als durchführbar herausstellen, wäre das eine Sensation. Andererseits sehe ich zumindest ein fundamentales Problem - das sehr eng mit dem bisher genannten Problem der Lokalisierung im Detektor zusammenhängt - auf das ich hinarbeiten und das ich diskutieren möchte.

Was meinst du?
Klar. Die TI ist natürlich ein eigenes Thema wert. Bin gespannt.
 

Bernhard

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Ich schau mir das mal an. Aber ich halte wenig von dem Ansatz, da er bereits in der QM fundamental zu kurz greift.
Zu Studienzeiten hättest du mich mit dem bohmschen Ansatz auch jagen können. Mittlerweile muss ich diesem Ansatz schon deshalb eine Daseinsberechtigung zugestehen, weil er ja angeblich sämtliche Ergebnisse der nichtrelativistischen Schrödingergleichung rekonstruieren kann und das war "damals" natürlich auch die Motivation der Befürworter.

Die Behandlung des Spin erscheint mir aktuell auch etwas künstlich und erklärungsbedürftig zu sein.
 

TomS

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Zu Studienzeiten hättest du mich mit dem bohmschen Ansatz auch jagen können. Mittlerweile muss ich diesem Ansatz schon deshalb eine Daseinsberechtigung zugestehen, weil er ja angeblich sämtliche Ergebnisse der nichtrelativistischen Schrödingergleichung rekonstruieren kann und das war "damals" natürlich auch die Motivation der Befürworter.

Die Behandlung des Spin erscheint mir aktuell auch etwas künstlich und erklärungsbedürftig zu sein.
Es gibt ein weiteres ontologisches Problem: die Wellenfunktion / die Führungswelle bzw. das Quantenpotential wirken auf die Teilchen, allerdings wirken die Teilchen nicht auf die Führungswelle.

Auf mich wirkt das alles halbgar. Ja, es funktioniert schon irgendwie ... aber irgendwie haben wir ja schon. Was fehtl ist, dass es schön funktioniert ;-)
 

TomS

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Wie gesagt, nur zu. Es bleibt meinerseits aber aktuell eine Freizeitbeschäftigung. Musst Du wissen, ob Dir das reicht.
Ja, natürlich.

Ich lese gerade die Veröffentlichungen zur TI, selektiere daraus die für unsere o.g. Fragestellungen wichtigsten Punkte und bereite das etwas auf. Dabei werde ich viele sehr interessante Punkte weglassen müssen. Zielsetzung ist auf das o.g. fundamentale Problem hinzuarbeiten.

Ich denke, morgen habe ich den ersten Teil.
 

Bernhard

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Ich stelle mir gerade noch die allgemeine Frage inwieweit die allgemeine Form der Schrödingergleichung, also \(i \hbar \frac{\partial \psi}{\partial t} = H \psi \) überhaupt mit der Sprache der Relativitätstheorie (riemannsche Geometrie) vereinbar ist.

Was ist grundlegender: die riemannsche Geometrie oder die Schrödinger-Gleichung? Aktuell würde ich da rein intuitiv eher zur riemannschen Geometrie tendieren.

Um im Heisenberg-Bild zu bleiben: Darf nach den Gesetzen der RT prinzipiell einen einzelnen globalen Operator geben, der auf einer globalen Wellenfunktion operiert und dadurch eine eindeutige Realität generiert? Wohl eher nicht, weil wir ja gemäß RT wissen, dass zB jeder Beobachter seine eigene Eigenzeit hat.
 
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TomS

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Unabhängig von der Fragestellung, wie man eine mathematisch wohldefinierte Quantenfeldtheorie formuliert, geschweige denn dies auf einer gekrümmten Mannigfaltigkeit bewerkstelligt - ist dein Problem kein Problem 🙃

1) Wir wissen, dass wir eine bzgl. Lorentz-Transformation invariante Lagrangedichte zur Herleitung der Dirac-Gleichung nutzen können, und dass wir letztere auf die Form

i∂₀ ψ(x) = ...

bringen können. Rechts steht dann ein "geeigneter Hamiltonoperator" H, der sich aus der invarianten Lagrangedichte ergeben muss. ✔️

2) Das lässt sich auch auf Quantenfeldtheorien übertragen. In diesem Fall hängt der Operator H[ψ, ...] jedoch von den Feldoperatoren ψ ... ab. Man kann nun zeigen, dass ausgehend von einer Lorentz-invarianten Lagrangedichte Operatoren H=P₀, Pi, Ji, Ki konstruiert werden können, die eine Darstellung der Poincare-Algebra liefern. Damit sind die resultierenden Operator-Gleichungen und speziell eine Schrödinger-Gleichung wie in (1) diesbzgl. kovariant (ich habe das selbst mal für die QCD gezeigt). Große Bedeutung hat dies im Zusammenhang mit der Wigner-Klassifizierung von Quantenfeldern und Darstellungen Hilbertraum. Nach Bargmann's theorem erhält man unendlich-dimensionale unitäre Darstellungen der Poincaré-Gruppe. ✔️

3) Das adressiert noch nicht den Fall gekrümmter, speziell pseudo-Riemannscher Mannigfaltigkeiten M. Zunächst mal sollte klar sein, dass es notwendig und hinreichend ist, wenn derartige Eigenschaften in jedem Punkt P und auf jedem Tangentialraum TPM (je Punkt) einer solchen Mannigfaltigkeit gezeigt werden können. Das liefert eine Symmetrie auf dem Tangentialbündel TM = ⋃P TPM. Dabei müssen wir uns nicht mehr um die Poincare-Invarianz sondern lediglich um die lokale Lorentz-Invarianz kümmern, denn nur diese ist eine Symmetrie (Eichsymmetrie) der ART bzw. allgemeiner der Einstein-Cartan-Theorie mit Spinorfeldern. Speziell entspricht die lokale Lorentz-Invarianz der lokalen Rotation der Vierbeine. Dazu muss lediglich die Konstruktion der Lagrangedichte geeignet angepasst werden; das erreicht man mittels des kovarianten Nabla-Operators, des Laplace-Beltrami-Operators sowie des Dirac-Operators. ✔️
 
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Bernhard

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Unabhängig von der Fragestellung, wie man eine mathematisch wohldefinierte Quantenfeldtheorie formuliert, geschweige denn dies auf einer gekrümmten Mannigfaltigkeit bewerkstelligt - ist dein Problem kein Problem 🙃
Zustimmung. Ich wollte es nur mal erwähnt haben, auch für mich selbst. ;)
 

TomS

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Was ist grundlegender: die riemannsche Geometrie oder die Schrödinger-Gleichung? Aktuell würde ich da rein intuitiv eher zur riemannschen Geometrie tendieren.
Hatte ich noch nicht explizit beantwortet: ja, die Geometrie, da dieSchrödingergleiuchung die Differentialoperatiren enthält, die aus der Geometrie folgen.
 

Bernhard

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Nachdem ich in den paper von A. Neumaier zur TI (Nachbarthema) keine mathematischen Modelle gefunden habe, hätte ich noch die folgende Idee, ausgehend vom Konzept des Pfadintegrals:
a) Ladung und Masse zB des Elektrons liegen doch nicht als ausgedehntes Feld, sondern als dichtes Paket vor. Dann gäbe es die zusätzlichen/versteckten Parameter Ort und Impuls dieses Paketes. Die Unschärfebeziehung würde beschreiben, dass man beide Werte nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit messen kann. Grund dafür liegt in der Art der Messung, die nur über eine Wechselwirkung mit anderen Energiepaketen ausgeführt werden kann.
b) Um nun beim Konzept des Pfadintegrals zu bleiben, gibt es für die Bahn des Energiepaketes (zB Elektron) unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten.
c) Das Messproblem (Frage nach dem Grund für ein konkretes, lokales Ereignis, wie dem ersten Tröpfchen in einer Nebelkammer) kann/soll mit Hilfe der zusätzlichen Parameter gelöst werden.
d) Weitere Wahrscheinlichkeiten können sich bei der Wechselwirkung verschiedener Energiepakete/Quantenobjekte ergeben

Für ein einzelnes Teilchen ist in Form des Pfadintegrals die ganze Arbeit praktisch schon getan.
 

TomS

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Das ist leider ein zu einfaches Bild. Letztlich liefert das Pfadintegral auch nur eine Wellenfunktion oder eine Korrelationsfunktion / einen Propagator.

Die Tatsache, dass es unter dem Integral so aussieht, dass über Pfade lokalisierter Teilchen integriert wird, ändert daran absolut nichts - das Pfadintegral hat zu diesen Problemen wirklich nichts zu sagen.
 

Bernhard

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Das ist leider ein zu einfaches Bild.
Man kann Punkt d präzisieren, weil dadurch unrealisierte Freiheitsgrade entstehen können.

Daraus ergibt sich auch ein Vorschlag für Experimente. Zerfließt das lokalisierte Wellenpaket eines einzelnen Teilchens in der Schwerelosigkeit genauso, wie auf der Erde? Haben thermische Photonen darauf einen unerwarteten Einfluss?
 
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TomS

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Klar, es sind diverse Experimente denkbar, wobei man dabei immer an die selbe Grenze stößt: die Dekohärenz sagt eine inkohärente Superposition verschiedene "Messwerte" vorher, beobachtet wird immer nur einer. Ich glaube also nicht, dass neue Messungen helfen, das Rätsel zu lösen. Ich sage jedoch auch nicht, dass man keine durchführen sollte, denn Wissenschaft beinhaltet aber auch die kritische Prüfung der Theorien.

Ich sage lediglich, dass das Pfadintegral nichts fundamental neues liefert. Es ist eine andere Rechenmethode*) weiter nichts.

*) die mathematisch aber lange nicht so gut abgesichert ist wie die kanonische Formulierung
 
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