Bei dieser Betrachtung übersiehst Du, dass es tatsächlich neutrale Werte gibt:
- den Wert der Demokratie
- den Wert der Rechtsstaatlichkeit
- den Wert der Gewaltenteilung
- den Wert des Völkerrechts
und viele viele mehr. Vielleicht siehst Du das anders, aber ich denke, dass unbestritten ist, dass diese Werte neutral sind.
Kannst Du das mit der Neutralität dieser Werte bitte noch einmal genauer ausführen? Ich kann Dir da momentan nicht ganz folgen. Danke.
Hallo Monod,
ich weiss nun offen gestanden nicht, was Du konkret von mir beantwortet haben möchtest: bist Du der Meinung, dass diese Werte nicht "neutral" sind oder bist Du der Meinung, dass diese Werte gar keine Werte sind ?
Ich versuche, beide Aspekte zu beantworten, wobei mir bewusst ist, dass Du möglicherweise auf etwas ganz anderes hinaus möchtest.
Lass mich wie von Dir geschrieben mit der "Neutralität" anfangen; betrachten wir vorgängig ein nicht-politisches Beispiel, beispielsweise von diesem
Beitrag vom Astrofreund über Primzahlen.
Da ist die Rede von "memorablen Primzahlen" und von "Smarandachen Primzahlen", und es wird mit 2^31 - 1 auch eine "Mersenne'sche Primzahl" genannt. Diese sind universal gleich, d.h. eine memorable Primzahl ist eine solche in Russland ebenso wie in China ebenso wie im Westen. Und auch anderswo. Gleiches gilt für die Smarandachen Primzahlen und für die Mersenne'schen Primzahlen. Die Beurteilung, ob eine vorgegebene Zahl eine memorable Primzahl ist oder nicht erfolgt also weltweit nach denselben Kriterien. Ok, ob die "memorablen Primzahlen" und die "Smarandachen Primzahlen" bereits als Standard in der Mathematik akzeptiert und etabliert sind weiss ich nicht, aber für die Mersenne'schen Primzahlen ist das der Fall.
Ebenso haben Politologen die Begriffe der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung, und (vermutlich) Juristen den Begriff des Völkerrechts definiert, und diese Begriffe sind in Russland ebenso gültig wie in China und im Westen und auch anderswo.
Diese Begriffe sind also
neutral definiert, insbesondere
unabhängig vom Land oder von der eigenen politischen Ideologie.
Schwieriger erscheint mir die Frage zu beantworten, ob es sich auch wirklich um "Werte" handelt. Zumindest bei der reinen Demokratie kann das problematisch sein - beispielsweise wenn zwei Wölfe und ein Schaf demokratisch darüber abstimmen, was es zum Abendessen gibt. Hier braucht es also zusätzlich auch einen Minderheitenschutz, welcher beispielsweise über die Rechtsstaatlichkeit gewährleitet werden kann. In der Schweiz beispielsweise, die ja eine direkte Demokratie kennt, erfordern gewisse Abstimmungen sowohl das "Volksmehr" als auch das "Ständemehr". Damit ist gewährleistet, dass beispielsweise bevölkerungsreiche städtische Kantone die eher bevölkerungsarmen ländlichen Kantone nicht aufgrund ihrer höhren Einwohnerzahl einfach überstimmen können. Im Fall der beiden Wölfe und des Schafes hätte das zur Folge, dass das Schaf zwar im Volksmehr mit 2:1 überstimmt würde, aber der Stand der Wölfe und der Stand der Schafe je eine Stimme erhält und es somit zu keinem Ständemehr kommt, d.h. die Vorlage abgelehnt wird. - Zudem erfordert die Demokratie eine mündige Wahlbürgerschaft, die leider nur bestenfalls in nullter Näherung gegeben ist. Trotz dieser Probleme dürfte aber die Demokratie im Gegensatz beispielsweise zur Autokratie einen "Wert" darstellen.
Natürlich kann man auch die Rechtsstaatlichkeit als Wert infrage stellen, beispielsweise wenn sich eine reiche Person die besten Rechtsanwälte kaufen kann und damit ein für ihn günstigeres Urteil erreicht, oder ein Angeklagter so einflussreich ist, dass eine Verurteilung nicht opportun erscheint. Nur: wenn so etwas passiert liegt keine Rechtsstaatlichkeit mehr vor, denn vor Gericht haben alle Menschen gleich zu sein. Der Wert als solches steht also ausser Zweifel, aber die Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit weist dann noch Lücken auf.
Ob es gegen die Gewaltenteilung und gegen das Völkerrecht auch Einwände gibt entzieht sich meiner Kenntnis, aber auch hier dürfte das nicht am Wert als solches liegen, sondern an noch mangelhafter Umsetzung des Wertes.
Ich hoffe, ich konnte Deine Frage halbwegs beantworten, wenn nicht, frag bitte einfach nochmals nach; ich denke, bei Werten lohnt es sich, dass alle dasselbe Verständnis davon haben.
Freundliche Grüsse, Ralf