In einem zweiten Teil möchte ich einen Ausdruck von Bynaus aufgreifen: Wir können uns eine Klimaänderung nicht leisten. Das Scheitern von
Kopenhagen hat gezeigt, daß darüber keine Einigkeit herrscht. Scheinbar sind einige Länder der Meinung: "Wir können uns den Klimaschutz nicht leisten". In Europa und besonders in Deutschland ist letztere Aussage für viele unverständlich geworden. Ich möchte daher mal versuchen ganz grob die Posten gegenüberzustellen, die jede einzelne Regierung für sich anders bewertet und dementsprechend auch zu unterschiedlichen Einschätzungen kommt:
Kosten, wenn man nichts tut:
Küstenschutz (Deiche, Fluttore, Pumpanlagen)
Deiche müssen errichtet bzw. erhöht werden, Häfen benötigen u.U. Einfassungen mit Fluttoren und Schleusen, Senken, die unter dem Meeresspiegel sind, müssen laufend abgepumpt werden (siehe z.B. New Orleans, New Yorker U-Bahn)
Entschädigung für Grund und Boden und Gebäude
Küstengebiete und Inseln, deren Eindeichung nicht möglich ist oder zu aufwändig (d.h. der zu schützende Bereich ist von geringerem Wert als die Baukosten und Unterhalt der Schutzanlagen), werden aufgelassen. Die Eigentümer werden entschädigt.
Unwetterschäden (Häufigere und schwerere Stürme und Flutereignisse)
Hier hat die Versicherungswirtschaft bereits Statistiken veröffentlicht. Jedoch ist die Steigerung der Schadenshöhen nicht allein auf die Häufigkeit und Heftigkeit der Schadensereignisse zurückzuführen. Denn die versicherten Werte werden aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums immer wertvoller. Eine Lagerhalle, die vor 50 Jahren überschwemmt wurde, enthielt weit weniger wertvolle Güter als eine Lagerhalle von heute. Und dies auch Inflationsbereinigt.
Aufwendungen für Trinkwasserversorgung (z.B. Bau von Rückhaltebecken, Stauseen)
Rückgang der Gletscher und mögliche längere Trockenperioden können die ganzjährige Trinkwasserversorgung gefährden. Um dies abzufedern müssen technische Einrichtungen geschaffen werden, wie z.B. künstliche Reservoire oder Zuleitungen aus entfernten wasserreicheren Gebieten.
Schäden in der Forstwirtschaft
Z.B. wegen Änderungen der Niederschläge (zuviel bzw. zu wenig), oder vermehrtes Auftreten von Baumschädlingen
Kosten im Gesundheitswesen
Z.B. Impfungen, die bislang nur in weiter südlichen Gebieten notwendig waren
Dies sind also Beispiele für Kosten, wenn man nichts gegen die Klimaänderung unternimmt, bzw. die Aktivitäten auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt. Sie sind wohlbekannt und nehmen im öffentlichen Bewusstsein die vordersten Plätz ein. Dies sind die Kosten derentwegen viele sagen: wir können es uns nicht leisten Nichts zu tun (bzw. noch weiter zu zögern).
Dem gegenüber stehen nun Kosten, die ein aktiver Klimaschutz mit sich bringt:
Kosten des Klimaschutzes
Verluste in der volkswirtschaftlichen Effizienz
Hierzu ist ein Vorwort nötig: Bei normalem Spiel der Marktkräfte ergeben sich optimale wirtschaftliche Gleichgewichte. Dies ist das Credo der Marktwirtschaft und hat sich bislang als recht robust erwiesen. Der Volkswirtschaftslehre ist aber durchaus bewusst, daß es auch Fälle von systematischen Marktverzerrungen gibt. Das Monopol zum Beispiel ist eine solche. Es gibt auch Fälle, in denen der Markt komplett versagt. Dies ist z.B. der Fall bei sogenannten freien Gütern. Die Luft bzw. die Luftreinheit ist eines der klassischen freien Güter. Im Spezialfall Klimaerwärmung ist es die Luftzusammensetzung, i.e. der CO2 Anteil.
Es gibt verschiedene Methoden dieses Marktversagen aufzulösen. Eines zum Beispiel ist das Glockenmodell: Hierbei wir über einem Gebiet (z.B. der Bundesrepublik Deutschland) eine imaginäre Glocke gestülpt. In diese Glocke darf nur eine bestimmte Menge Schadstoffe emittiert werden. Die Wirtschaftsakteure handeln nun untereinander aus wer wieviel emittieren darf. Es entwickelt sich ein Markt wie für jede andere begrenzte Ressource. Das Problem des Glockenmodells ist, daß zunächst ein ordnungspolitischer Grenzwert für die Verschmutzung der Glocke gefunden werden muß. Das zweite Problem ist, daß die Glocke nur imaginär abgeschlossen ist, aber nicht in der Realtät. Die Nachbarn der Glocke können in sie hinein verschmutzen, ohne daß sie am Handel teilnehmen müssen.
Das gegenwärtig favorisierte Modell zum Klimaschutz ist ein solches Glockenmodell. Nur umfasst die Glocke in diesem Fall die gesamte Erde. Der ordnungspolitische Grenzwert ist derjenige, der den Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzt. Innerhalb dieser Glocke werden noch Unter-Glocken konstruiert, deren Grenzwert sich nach dem CO2 Ausstoß von 1990 orientiert.
Die Probleme mit diesem Ansatz, sind genau die, die das Glockenmodell inhärent hat: Der ordnungspolitisch festgelegte Grenzwert kann nur so weit durchgesetzt werden, so weit der politische Arm reicht. Und dieser Arm reicht in der Regel nicht über die Grenzen eines Landes hinaus.
Ein anderer Ansatz ist der Rechtehandel mit Emissionszertifikaten. Diese Art von Handel wird zur Zeit in Europa betrieben. Anders als beim Glockenmodell ist hier nicht der Grenzwert politisch festgelegt, sondern der Preis. Ist der Staat Eigentümer der Rechte, so ähnelt der Rechtehandel sehr stark einer Steuer. Vom wirtschaftlichen Standpunkt her ist das größte Problem bei dieser Spielart die fehlende Preisbildung. Wie effizient das Marktversagen damit überwunden wurde steht und fällt mit der Güte der Preisschätzung. Soweit das Vorwort.
Nun komme ich zum Punkt, der die volkswirtschaftliche Effizienz der Klimapolitik berührt: Unter der Vorausstzung, daß der in Europa betriebene Rechtehandel heute zum marktwirtschaftlich richtigen Preis stattfindet (was man durchaus anzweifeln kann, aber das ist ein anderes Thema), sind die alternativen Energieträger noch nicht konkurrenzfähig. Es ist also noch nicht wirtschaftlich vernünftig in diese Art der Energieerzeugung zu investieren. Wird es aber politisch gewollt und gefördert, nimmt die Politik aktiv eine Ineffizienz der Volkswirtschaft in Kauf. Diese Ineffizienz kann gemessen und bewertet werden. Zur Erinnerung: Der Erlös aus dem Rechtehandel soll ja gerade den Schaden der Emission decken, denn dann und nur dann ist der Preis marktwirtschaftlich korrekt.
Kosten der Anpassung
Dies betrifft z.B. die Umstellung der Heizanlagen, Stillegung von PKW, LKW, Baumaschinen, Stillegung bzw. Umbau von Industrieanlagen. Diese Umstellungen werden früher oder später ohnehin notwendig, wenn das Öl so teuer geworden ist, daß sich seine Verbrennung nicht mehr rechnet. Die vorzeitige Forcierung dieser Umstellung führt aber dazu, daß die Produktion nun mit höheren Energiekosten gefahren wird.
Dies geht über den vorherigen Punkt hinaus, denn im vorigen Punkt wurde nur der gegenwärtige Strombedarf durch (noch) ineffiziente nachhaltige Erzeugung gedeckt. Die Anpassung dieses Punktes erfordert einen Ausbau der Stromerzeugung über das heutige Maß hinaus.
Ausbau von Versorgungssystemen für elektrische Energie
Dies betrifft das Fernleitungsnetz, Umspannwerke, Hausleitungen, KFZ-"Tankstellen". Wegen des erhöhten Strombedarfs bis in die einzelnen Haushalte hinein muß das Versorgungsnetz für Elektrizität ausgebaut werden. Dies kann zu erheblichen Kosten führen, wenn man nicht in der Lage ist bestehende Leitungen und Anlagen schlicht nur zu erweitern, sondern man sie durch neue ersetzen muß.
Wandel in der Struktur des Arbeitskräftebedarfs
Last but not least wird es zum Wandel in der Arbeitswelt kommen. Die Kosten hierfür sind beispielsweise Umschulungen, sowie temporäre und dauerhafte Arbeitslosigkeit. Viel von diesem Wandel haben wir bereits hinter uns (Stichwort Wandel des Ruhrgebiets), aber auch noch vor uns.
Es gibt nun Länder, deren Kosten des Klimaschutzes höher sind als die Kosten der Klimaschäden. Sie haben viel zu verlieren.
Und es gibt nun Länder, deren Kosten der Klimaschäden höher sind als die Kosten des Klimaschutzes. Sie haben auch viel zu verlieren.
Den Ausgleich zu finden ist die Kunst. Es kommt dabei nicht darauf an, daß die Bilanz global gesehen wahrscheinlich für den Klimaschutz spricht. Wenn nicht alle mitmachen, bricht die Glocke zusammen.