Das Schicksal von Schrödingers Katze

SuperpositionSimon

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Was bedeutet das?
Soll heißen, dass wenn ich weiß dass die Katze tot ist, auch definiert ist, dass der Geiger Zähler ausgeschlagen hat.

Werden die quantenmechanischen Freiheitsgrade des Messgerätes und des Beobachters selbst ebenfalls im Zustandsvektor kodiert?
Weiß nicht ob du darauf hinaus willst. Im Beispiel Schrödingers Katze wäre das halt einfach eine Superposition der verschänkten Zustände:

∣ψGesamt⟩=1/sqrt(2) ((∣Atom zerfallen,Gift freigesetzt,Katze tot⟩+∣Atom nicht zerfallen,Gift nicht freigesetzt,Katze lebendig⟩)

oder inkl. Beobachter:
∣ψGesamt⟩ = (∣Atom zerfallen⟩∣Signal⟩∣Beobachter uninformiert⟩+∣Atom nicht zerfallen⟩∣kein Signal⟩∣Beobachter uninformiert⟩)

Behauptest du ernsthaft, Zeilinger hätte experimentell bewiesen, es dazu zwingend eines Postulates bedarf? Oder dass sein Postulat sicher zutreffend ist? Und die Dekohärenz damit sicher irrelevant? Die MWI falsch?

Auf welches konkrete Paper beziehst du dich da?
Vielleicht habe ich mich da ein bisschen unglücklich ausgedrückt. Die Verschränkung hat zunächst wenig mit dieser Interpretation zu tun und soll an dieser Stelle auch keine anderen Interpretationen widerlegen. Anton Zeilinger hat seinen Nobelpreis unter anderem für seine Experimente an verschränkten Systemen erhalten. Viele der Zitate stammen aus seinem Buch "Einsteins Schleier".
Interessant finde ich nur, dass diese Interpretation zunächst ohne Verschränkung auskommt, da das Phänomen der Superpostion, der Kollaps der Wellenfunktion und dem anschließenden Eigenwert am Beispiel des Doppelspaltexperiments mit dieser Interpretation auch ohne Verschränkung erklärbar ist. Wendet man jedoch die Prinzipien dieser Interpretation anschließend auf andere Systeme wie z.B. Schrödingers Katze an, stellt man fest, dass das nur konsistent erklärbar ist, wenn mit der Messung augenblicklich auch von der Messung abhängige Systeme definierte Werte erhalten. In anderen Worten: Wäre das Phänomen der Verschränkung bis heute noch unentdeckt, würde sie diese Interpretation bereits vorhersagen.

Wie ich in Post #611 am Ende geschrieben habe, sehe ich eine große Übereinstimmung zwischen dieser Interpretation und der MWI. Auch der Autor von Consol postuliert mehrere Welten:
In ConSol only first person statements are allowed. That implies that each sentence has to
be attached to one unique observer; i.e. it must be indexed by an observer. The consequence is
that it is meaningless to speak of the possibility that two observers can share a perception, a
result or even worse a part of reality. Each observer lives in her own world and there is no
commensurability between two observers’ worlds.
This is why ConSol is maximally
perspectival even though it is convivial.

Somit findet die MWI hohen Anklang bei mir.
 

Bernhard

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Ich würde das alles gerne anhand konkreter Rechnungen bewerten können.
Das ist die entscheidende Forderung, denn ohne mathematischen Formalismus ist die Idee des Convival Solipsism (Consol) auch nur verbal von der Argumentation bei Arnold Neumaiers Thermalen Interpretation (TI) zu unterscheiden. Dort wurde auch damit argumentiert, dass die Auswahl eines konkreten Messergebnisses nur deshalb mit Wahrscheinlichkeiten behaftet ist, weil pragmatischerweise nur Teilsysteme betrachtet werden.

Von solchen Minimalargumenten ist es ein ziemlich weiter Weg bis zu konkreten Experimenten. Vorschläge in dieser Richtung sind deshalb wünschenswert. Dynamische Kollapstheorien sind da schon deutlich weiter.
 

TomS

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Weiß nicht ob du darauf hinaus willst. Im Beispiel Schrödingers Katze wäre das halt einfach eine Superposition der verschänkten Zustände:

∣ψGesamt⟩=1/sqrt(2) ((∣Atom zerfallen,Gift freigesetzt,Katze tot⟩+∣Atom nicht zerfallen,Gift nicht freigesetzt,Katze lebendig⟩)

oder inkl. Beobachter:
∣ψGesamt⟩ = (∣Atom zerfallen⟩∣Signal⟩∣Beobachter uninformiert⟩+∣Atom nicht zerfallen⟩∣kein Signal⟩∣Beobachter uninformiert⟩)
Das ist aber nur eine Karikatur.

Tatsächlich wissen wir, dass wir Dekohärenz betrachten müssen, und dass z.B. "Beobachter uninformiert" nur eine Art von überabzählbar unendlich vielen Zuständen bezeichnet.

Deswegen bleibt diese Interpretation eine Antwort auf die quantenmechanische Modellierung des Messprozesses schuldig. Da werden Dinge behauptet wie "Information bzw. der Hamiltonian … sei immer nur Beobachter-relativ" aber dies wird niemals mathematisch hingeschrieben! In dem ganzen Paper steht keine einzige Gleichung für ∣Beobachter⟩, für das H, das die Zeitentwicklung eines Beobachters beschreibt, oder das H, das seine Kopplung an den Rest darstellt.

Interessant finde ich nur, dass diese Interpretation zunächst ohne Verschränkung auskommt, da das Phänomen der Superpostion, der Kollaps der Wellenfunktion und dem anschließenden Eigenwert am Beispiel des Doppelspaltexperiments mit dieser Interpretation auch ohne Verschränkung erklärbar ist.
Das kann so nicht stimmen, da eine Wechselwirkung unweigerlich zu einer Verschränkung führt. Man kann nicht das ignorieren, was nachweislich auftritt – zumindest nicht in einer vollständigen Interpretation.

Wendet man jedoch die Prinzipien dieser Interpretation anschließend auf andere Systeme wie z.B. Schrödingers Katze an, stellt man fest, dass das nur konsistent erklärbar ist, wenn mit der Messung augenblicklich auch von der Messung abhängige Systeme definierte Werte erhalten. In anderen Worten: Wäre das Phänomen der Verschränkung bis heute noch unentdeckt, würde sie diese Interpretation bereits vorhersagen.
Diese Interpretation interpretiert wie gesagt eine Karikatur.

Das ist auch einer der wesentlichen Kritikpunkte von Prof. Neumaier: die meisten Interpretationen reden über irrelevante weil trivialisierte und so nirgends tatsächlich vorliegende Spielzeugsysteme.

Sowohl diverse Formulierungen des Messproblems als auch vermeintliche Lösungen sind unbewusste Strohmänner unzulässiger Idealisierungen.

Wie ich in Post #611 am Ende geschrieben habe, sehe ich eine große Übereinstimmung zwischen dieser Interpretation und der MWI. Auch der Autor von Consol postuliert mehrere Welten.
Das ist ein guter Ansatz, den ich gerne anhand präziser Gleichungen nachvollziehen würde.

Auch die MWI resultiert nach Prof. Neumaier übrigens aus einer derartigen unzulässigen Idealisierung.


Konkret erwarte ich Formulierungen, in denen einigermaßen realistische Modelle für Systeme und verschiedene Beobachter – die die Systeme oder auch sich untereinander beobachten – diskutiert werden (Alice & Bob, Wigner's friend …) Dabei muss Mikro- und Makro-Kausalität geeignet betrachtet werden, d.h. nicht-relativistische Quantenmechanik ist nicht ausreichend.


Damit bin ich noch nicht bei der Thermal Interpretation, die eine konkrete Lösung des Messproblems vermutet. Aber ich bin bei einem vernünftigen Rahmen, um das Messproblem überhaupt vernünftig zu formulieren – nicht nur eine Karikatur.
 
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SuperpositionSimon

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Das ist aber nur eine Karikatur.
Das nicht nur eine Karikatur, sondern ein ernstzunehmendes, berühmtes und ungelöstes Gedankenperiment, dass das Messproblem der Quantenmechanik verdeutlicht. Diese Interpretation und Consol sind die einzig mir bekannten Interpretationen, die einen Lösungsvorschlag liefern. An dieser Stelle ist jeder herzlich eingeladen, mit Hilfe seiner favorisierten Interpretation das Gedankenexperiment widerspruchsfrei zu erklären.

Tatsächlich wissen wir, dass wir Dekohärenz betrachten müssen
Sagt wer?
Deswegen bleibt diese Interpretation eine Antwort auf die quantenmechanische Modellierung des Messprozesses schuldig.
Diese Interpretation ist die einzige, die überhaupt eine präzise Antwort darauf gibt, was eine Messung ist:
Consol rests on two main assumptions. The first one is the hanging-on mechanism which gives a precise definition of what a measurement is (which is missing in the standard interpretation that faces the measurement problem).
Das einzige worauf diese Interpretation (wie alle anderen Interpretationen auch) keine Antwort liefert, ist der Selektionsmechanismus, welcher der möglichen Zustände Realität wird:
A measurement is the act of perception we described above that happens when the observer makes an experiment which creates a result for her. The perception of this result is made at random among the different possible results of the corresponding superposed state vector written in the preferred basis and the probability is given by the Born rule.
Nachdem du so auf eine quantenmechanische Modellierung des Messprozesses pochst, würde mich interessieren, wie das in anderen Interpretationen, die noch nicht einmal eine Antwort darauf geben können, was eine Messung ist, angegangen wird.
Konkret erwarte ich Formulierungen, in denen einigermaßen realistische Modelle für Systeme und verschiedene Beobachter – die die Systeme oder auch sich untereinander beobachten – diskutiert werden (Alice & Bob, Wigner's friend …) Dabei muss Mikro- und Makro-Kausalität geeignet betrachtet werden, d.h. nicht-relativistische Quantenmechanik ist nicht ausreichend.
Diese Interpretation liefert entgegen aller anderen mir bekannten Interpretationen ebenso eine präzise Antwort auf Alice & Bob und Wigners Freund:
ConSol assumes that the quantum formalism is universal. It can be used to model not only physical systems of any size but also other observers. That is a very important point. For a given observer the other observers are similar to other physical systems even though they are supposed to be able of perception. The perceptions of an observer are private and no other observer can have any access to them. That means that when Alice makes a measurement and gets a result for her this is not a measurement for Bob. Exactly in the same way as if she was a simple measuring device, when Alice makes a measurement, for Bob, she becomes entangled with the apparatus she uses and the system she wants to measure. This solves the Wigner’s friend problem. The fact that the friend made a measurement inside the laboratory and got a result for her does not mean that a measurement has been made for Wigner. So Wigner is totally legitimate to use an entangled state vector to model his friend. From his friend’s point of view a measurement has been made and the friend can use a state vector corresponding to a definite result. This is not a problem since we know that state vectors are relative to each observer and we can here perfectly understand why.
Suppose Bob has performed a measurement of the spin along Oz of a spin half particle. According to the hanging-on mechanism, Bob’s consciousness is hung-on to one of the two possible branches “+” or “-”. But from Alice’s point of view, the measurement Bob did is only an interaction between Bob, the apparatus and the system. So Alice attributes an entangled state to the big system [Bob + apparatus + system].
We can now wonder what happens to Alice when she asks Bob which result he got from the measurement he made. Any transfer of information from an observer B to another A – for example, any answer made by Bob to Alice – proceeds through physical means and necessary takes the form of a measurement made by A on B. When she interrogates Bob she makes a measurement on Bob and according to the hanging-on mechanism she can get an answer which is one of the possible Bob’s answers (i.e. results that Bob got, “+” or “-”).
Now before speaking to Bob Alice can perform the same measurement on the particle and Alice will be hung-on as well to one of the two branches, “+” or “-”. Notice that since Bob is entangled with the system and the apparatus, this branch includes the state of Bob that is linked to the very same value. So when Alice, hung-on to that branch, speaks with Bob to know what Bob saw, she performs a measurement on Bob and, in accordance with the hanging-on mechanism, she cannot hear Bob saying anything else than the value that she has got herself. Alice will never hear Bob saying that he saw “+” when she saw “-”. No conflict is possible and the intersubjectivity is preserved.
This is why this interpretation is called Convivial Solipsism: each observer lives in her own world but the observers cannot conflict with one another. They necessarily agree. Does that mean that Alice and Bob saw necessarily the same result? This question is meaningless in Con

Damit bin ich noch nicht bei der Thermal Interpretation, die eine konkrete Lösung des Messproblems vermutet. Aber ich bin bei einem vernünftigen Rahmen, um das Messproblem überhaupt vernünftig zu formulieren – nicht nur eine Karikatur.
Du bist dir hoffentlich dessen bewusst, dass Deine Interpretation ebenso eine Antwort auf die "Karikatur" geben muss, wenn sie erfolgreich sein soll. Jede Interpretation die dieses Gedankenexperiment ungelöst lässt, ist unbrauchbar. Daher finde ich es schade, wenn man so tut, als wären die genialen Ansätze der Urväter der Quantenmechanik (Bohr, Heisenberg, Schrödinger etc.) heute überholt, ohne mit aktuelleren Interpretationen der Lösung des Messproblems ansatzweise näher zu kommen.
 
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TomS

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Doch, das hier
∣ψGesamt⟩=1/sqrt(2) ((∣Atom zerfallen,Gift freigesetzt,Katze tot⟩+∣Atom nicht zerfallen,Gift nicht freigesetzt,Katze lebendig⟩)
ist deswegen eine Karikatur, weil es erstens die Umgebungsfreiheitsgrade nicht berücksichtigt und weil es zweitens suggeriert, das Problem wäre in einem endlich-dimensionalen Raum darstellbar. Wenn es dir besser gefällt, dann bezeichnen wir es als endlich-dimensionale Projektion.
  1. Eine wesentliche Komplexität besteht darin, dass z.B. |Katze tot⟩ kein eindimensionaler Zustand ist, sondern eine "Äquivalenzklasse" unendlich-dimensionaler Unterräume. Ich bin mir dabei nicht sicher, ob "Äquivalenzklasse" mathematisch zutreffend ist, d.h. ob dies so darstellbar ist; Physiker würden von Coarse-Graining sprechen.
  2. Eine weitere Problematik besteht darin, dass keine reale Messung mittels reiner Zustände in abgeschlossenen Systemen formulierbar ist, d.h. dass die von Neumannsche Argumentation bzgl. der Superposition reiner Zuständen nach der Messung falsch ist.
Das heißt nicht, dass es kein Messproblem gäbe.

Warum ich darauf so insistiere ist meine Diskussion mit Prof. Neumaier zur Thermal Interpretation.
 
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